Shadow Land (eBook)
368 Seiten
Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
978-3-522-65510-1 (ISBN)
Rainer Wekwerth hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und dafür Preise gewonnen. Zuletzt die Jugendbuchpreise Segeberger Feder, Goldene Leslie und Ulmer Unke. Mit seiner 'Labyrinth'-Trilogie landete er zudem auf der Spiegelbestsellerliste. Die Kinoverfilmung ist in Vorbereitung. Seine 'Pheromon'-Buchreihe, erschienen bei Planet!, wurde für vier weitere Buchpreise nominiert, darunter für den renommierten Buxtehuder Bullen und den Deutschen Phantastik Preis. Mehr Infos unter: www.wekwerth.com
2.
Heute, Jahr 2169, USA, Sicherheitszone
Die Mündung der Waffe schmeckte kalt und bitter in ihrem Mund. Neben ihr gab Storm ein leises Geräusch von sich. Sie blickte zu ihm. Er lag nicht weit entfernt. Seine gelben Augen fixierten Kaia. Sie spürte seine Unruhe.
Ihre Gedanken wanderten zu der Nacht zurück, in der sie ihn gefunden hatte. Verdreckt, verängstigt. Kein Hund. Ein Wolf. Allein, wie sie.
Drei Tage lang hatte sie sich an ihn gekauert, bis sie von Tom Hayes, einem Kundschafter der Sicherheitszone gefunden worden war.
Schwer bewaffnet, das Gesicht mit Tarnfarbe beschmiert, im Camouflage-Anzug hatte er wie ein dunkler Geist des Waldes gewirkt, aber ein breites, freundliches Lächeln ließ weiße Zähne aufblitzen.
»Komm«, sagte er nur und streckte seine Hand aus.
Kaia rührte sich nicht.
»Komm.«
»Sind die bösen Menschen weg?«, fragte sie leise.
»Ja.«
»Wo ist mein Dad?«
Er schwieg, dann ein Räuspern. »Tot. Sie sind alle tot.« Kaia schluchzte auf. »Mama und Sarah auch?«
»Ja.«
»Dann will ich hierbleiben.«
»Ein Sturm zieht auf.«
Warum er das gesagt hatte, wusste Kaia bis heute nicht, aber die wenigen Worte hatten ihr klargemacht, dass sie nicht im Wald bleiben konnte.
Sie fasste nach der Hand des Soldaten. Er zog sie heraus, zögerte aber, als er sah, was sie an sich gepresst hielt.
»Was ist das?«
»Mein Hund.«
»Er kann nicht mit uns kommen. Du musst ihn zurücklassen.«
Kaia schüttelte wild den Kopf. »Dann gehe ich auch nicht.«
»Kind, es ist ein weiter, gefährlicher Weg. Wir müssen vorsichtig sein. Der Hund könnte uns verraten.« Kaia presste stumm die Lippen aufeinander. Der Mann schwieg, schließlich sagte er: »Also gut.«
Er hob sie hoch. Auf seinen Arm. Sie und den Hund, der ein Wolf war.
»Lass uns gehen.«
Tom Hayes hatte sie in die Sicherheitszone gebracht. Sie und Storm, wie sie den Wolf später genannt hatte. Er hatte sie wie eine Tochter aufgezogen und ausgebildet. Als er zu alt wurde, hatte sie seinen Platz im System eingenommen, während Hayes damit beschäftigt war, sämtlichen Bars der Stadt seine Aufwartung zu machen.
Er hatte schon immer viel getrunken, aber in den letzten Jahren war es schlimm geworden. Sie wusste nicht, welche Schatten ihn quälten, doch sie mussten finsterer als die Hölle sein. Ließen ihn kaum Schlaf finden, trieben ihn in die Nacht hinaus.
Hayes war vor sechs Monaten vom Strandhaus in die Innenstadt gezogen. In eine kleine Wohnung, die nach Verzweiflung und billigem Schnaps roch. So war es ihm lieber. Näher an den Bars. Sie sahen einander nur selten, denn wann immer Kaia ihn besuchen wollte, war er nicht da. Ihre Funknachrichten blieben unbeantwortet, vielleicht hatte sein Funkgerät auch den Geist aufgegeben. Ersatzteile waren schwer aufzutreiben.
Ein Ruf erklang vom Weg, der zu ihrem Haus führte. Kaia zog hastig die Waffe aus ihrem Mund und legte sie auf den alten Schaukelstuhl neben sich.
»Kaia? Bist du da?«, tönte es erneut.
Sie seufzte. »Was willst du, Adam?«
Der Wind fuhr durch seine verstrubbelten braunen Haare, als Adam um die Ecke bog, und ließen ihn einmal mehr wie ein zu groß geratenes Kind aussehen. Seine dunklen Augen blitzten sie an. Er lächelte.
»Was versteckst du hinter deinem Rücken?«, fragte Kaia misstrauisch, als er vor ihr stand.
Ein Strahlen erschien auf seinem Gesicht, dann streckte er die verborgene Hand aus, die einen Teller mit einem kleinen Topfkuchen hielt. Darauf eine Kerze.
»Alles Gute zum Geburtstag, Kaia«, sagte er leise.
»Du hast daran gedacht?«
»Ja, wieso nicht?«
»Mir hat niemand gratuliert. Nicht einmal Tom hat sich gemeldet.«
»Das ist schade.«
Sie nickte. »Hast du den selbst gebacken?«
Adam grinste. »Das ist Nummer drei, die beiden ersten sind nichts geworden.«
Kaia spürte, wie ein warmes Gefühl in ihr aufstieg. Adam war wie ein Sommerregen. Er tat einfach gut.
Sie beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange. »Danke«, flüsterte sie in sein Ohr.«
»Dafür nicht.«
»Nein, dafür, dass du immer da bist.«
Nun trat er verlegen von einem Fuß auf den anderen. Kaia wusste, dass Adam in sie verliebt war, auch wenn er nie ein Wort dazu sagte oder Anstalten machte, ihr seine Zuneigung deutlich zu zeigen. Er war einfach da für sie und liebte sie stumm.
Kaia nahm seine Hand, zog ihn mit sich. »Ich habe etwas Kaffee auf dem Markt auftreiben können, den trinken wir zu deinem Kuchen. Kalte Milch habe ich auch. Es gab seit gestern Abend keinen Stromausfall mehr.«
»In der Zentrale haben sie heute darüber gesprochen, das Mobilfunknetz aufzubauen«, sagte Adam.
Kaia lachte leise. »Das erzählen sie doch bereits seit Jahren.«
»Ja, aber diesmal scheinen sie es ernst zu meinen, und wenn sie schon dabei sind, wollen sie auch gleich das Internet wieder an den Start bringen.«
»Jetzt mal ehrlich, Adam. Das sind doch Märchen. Seit dem Ausbruch des Virus und den Katastrophen danach ist es permanent bergab gegangen. Inzwischen gibt es nicht einmal mehr dauerhaft Strom. Essen ist bloß noch mit Lebensmittelmarken oder auf dem Schwarzmarkt zu bekommen. Meist ist von allem zu wenig zu kriegen, vieles überhaupt nicht mehr.«
»Ach …«
»Wann hast du die letzte Orange gesehen? Wusstest du, dass die Südfrüchte aus Kalifornien einmal weltberühmt waren?«
»Ja, aber der Anbau kostet zu viel Wasser. Es wird besser werden.«
»Du bist ein hoffnungsloser Optimist.« Kaia seufzte. »Jetzt komm rein. Draußen ist es zu heiß.«
Storm gab ein leises Knurren von sich, als Adam an ihm vorbeiging.
»Man sollte meinen, dass er sich inzwischen an mich gewöhnt hat.«
»Hat er doch, du liegst nicht mit aufgerissener Kehle auf der Veranda und verblutest.«
»Echt, über deinen Humor müssen wir mal reden.«
»Was ist damit?«
»Manchmal weiß ich nicht, ob du es witzig oder ernst meinst.«
»Lach einfach an den Stellen, die dir gefallen.«
Adam blieb stehen und schaute sie an. »Siehst du, genau darauf will ich hinaus.«
»Jetzt hör schon auf. Setz dich.«
Adam zog sich einen Stuhl heran und nahm am Tisch Platz, während Kaia eine kleine Eisenkanne auf den Gaskocher stellte, Wasser hineinschüttete und die Flamme entzündete.
Sie reichte ihm ein Messer und zwei Plastikteller, die bereits ziemlich verkratzt waren.
»Du kannst inzwischen den Kuchen anschneiden.«
»Erst musst du die Kerze ausblasen und dir etwas wünschen.«
Er fischte ein altmodisches Benzinfeuerzeug aus der Tasche seiner Jeans und zündete die Kerze an. Kaia kam an den Tisch, lächelte, dann pustete sie die Flamme aus. Für einen Moment schloss sie die Augen.
»Und?«, fragte Adam, als sie die Lider wieder aufschlug. »Was hast du dir gewünscht?«
Dass dieser Moment ewig hält.
»Du weißt, dass man das nicht verraten darf, sonst geht der Wunsch nicht in Erfüllung.«
Im Hintergrund blubberte das kochende Wasser. Kaia schaufelte aus einer verbeulten Blechdose zwei Löffel Kaffee hinein, rührte alles um und brachte die Kanne mit zwei Porzellantassen an den Tisch.
»Die kenne ich noch gar nicht«, meinte Adam.
»Sind nur für besondere Anlässe.«
»Wo hast du die her?«
»Schwarzmarkt. Gegen zwölf Schuss Gewehrmunition eingetauscht.«
»Wenn das der Kommandant mitkriegt, bist du fällig, dann wanderst du in den Knast.«
Kaia winkte ab. »Ich habe keine Angst vor Goya.«
Eigentlich habe ich eine Menge Angst vor ihm, aber es tut gut, das zu sagen.
»Solltest du aber«, beharrte Adam. »Ich arbeite täglich mit ihm zusammen. Der Typ versteht keinen Spaß.«
»Was machst du gerade für ihn?«
Kaia wusste, dass Adam ein hochbegabter Techniker war, dem es ständig gelang, aus alten Teilen etwas Neues zu basteln. Goya hatte das frühzeitig erkannt und ihm einen eigenen Technikraum in der Zentrale eingerichtet, in dem er vollkommen unabhängig von allen anderen arbeiten konnte.
Kaia selbst kam nur selten in die Zentrale. Meist zur Einsatzbesprechung, oft wurden ihr aber auch die Jagdbefehle und alle Informationen zum Ziel per Funk mitgeteilt.
»Goya will die Reichweite der Detektoren erhöhen, mit denen wir die Chips im Hals der Leute aufspüren können. Erscheint mir sinnlos, denn die jetzige Reichweite ist komplett ausreichend. Dreißig Meilen. Danach beginnt der Wald und da will niemand rein.«
Er räusperte sich.
»Geht es dir gut?«, fragte Kaia. Adams Stirn war schweißbedeckt und auf seiner Oberlippe sammelten sich kleine, klare Tröpfchen.
»Es ist verdammt heiß heute«, meinte Adam
Wahrscheinlich hat er kein Insulin mehr.
»Macht dir dein Diabetes zu schaffen? Hast du noch genug –«
»Alles in Ordnung. Ich komme schon klar.« Mehr wollte er anscheinend nicht zu diesem Thema sagen.
»Adam?«
»Was?«
»Erklär mir mal etwas.«
»Leg los, wenn ich kann, gern.«
»Wir leben doch inzwischen auf einem technischen Stand, der noch unter dem Niveau des zwanzigsten Jahrhunderts liegt. Es gibt zu wenig Nahrungsmittel, kaum Medikamente. Ersatzteile für Geräte jeder Art sind schwer aufzutreiben. Außer Militärfahrzeugen sind kaum noch Autos unterwegs. Fernsehen ist tot. Ebenso das Internet und der Mobilfunk.« Sie verzog den Mund. »Aber in der Zentrale arbeiten sie mit Computern, Luftraumüberwachung durch...
Erscheint lt. Verlag | 27.8.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Abenteuer • Apokalypse • Bestseller • climate fiction • Das Labyrinth • Dystopie • Fantasy • Fremde Welten • Freundschaft • Gefahr • Jugendbücher ab 13 • Klimawandel • Mutant • Rebellen • Science-fiction • Shadowland • Spannung • Umweltkatastrophen • Weltuntergang • Wolf • Zombies |
ISBN-10 | 3-522-65510-9 / 3522655109 |
ISBN-13 | 978-3-522-65510-1 / 9783522655101 |
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