Die vier verborgenen Reiche 2: Auf der Suche nach dem Für-immer-Farn (eBook)
304 Seiten
Carlsen Verlag Gmbh
978-3-646-93608-7 (ISBN)
Abi Elphinstone wuchs in Schottland auf, studierte Englisch in Bristol und arbeitete einige Jahre als Lehrerin in Afrika, Berkshire und London, ehe sie anfing selbst Geschichten zu schreiben.
Abi Elphinstone wuchs in Schottland auf, studierte Englisch in Bristol und arbeitete einige Jahre als Lehrerin in Afrika, Berkshire und London, ehe sie anfing selbst Geschichten zu schreiben. Annette von der Weppen (geb. 1966) hat Germanistik, Anglistik und Romanistik studiert und ist seit 1999 als freiberufliche Literaturübersetzerin aus dem Englischen und Französischen tätig. Ihre besondere Vorliebe gilt dabei der Übersetzung von Kinder- und Jugendliteratur sowie von Comics. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin.
1
Fux Miese-Pampel ließ sich auf das Sofa der Penthouse-Suite im Hotel Runzelschreck fallen. Die Sommerferien hatten begonnen, aber statt ans Meer zu fahren oder wenigstens entspannt zu Hause im Garten zu grillen, hatten ihre Eltern sie und ihren Bruder auf eine Geschäftsreise ins tiefste Bayern mitgeschleppt, in ein verschlafenes Nest namens Nieselgurk.
Gertrud und Bernard Miese-Pampel stammten zwar ursprünglich aus England, waren aber kurz nach der Geburt der Zwillinge Fux und Flunker nach Deutschland gezogen. Bernard hatte dort nämlich einen sehr reichen Großonkel, einen Herzog namens Rudolph, der den Miese-Pampels als seinen einzigen noch lebenden Verwandten ein riesiges Stadthaus in München hinterlassen hatte. Die Dünkel-Villa war eines der größten und protzigsten Anwesen in ganz Europa, was dem Ehepaar Miese-Pampel sehr entgegenkam, denn größer und protziger als alle anderen zu sein war ihnen sehr wichtig. So wichtig, dass sie selbst ihre Sommerferien (und genau genommen auch die Weihnachts- und Osterferien) mit Geschäftsterminen vollstopften, denn nur wenn sie jede Menge Geld verdienten, konnten sie sich auch weiterhin allen anderen überlegen fühlen.
Und so war an diesem Morgen, dem ersten Ferientag der Zwillinge, die gesamte Familie Miese-Pampel aus der Dünkel-Villa nach Nieselgurk aufgebrochen, alle mit den gleichen Koffern, den gleichen Geschäftsanzügen und dem gleichen verkniffenen Gesichtsausdruck, mit dem sie sich dann – in gewohnter Unausstehlichkeit – durch den Tag schikanierten. Das Familienmotto, in Gold auf ihre Kofferraumhaube graviert, lautete nicht umsonst:
Und darunter, etwas kleiner:
Diesem Motto waren Gertrud und Bernard Miese-Pampel zeitlebens gefolgt und dadurch in der Tat sehr reich geworden. Schon vor dem Umzug in die Dünkel-Villa hatte Gertrud eine der weltweit führenden Anti-Aging-Serien namens Pampel-Kosmetik entwickelt und Bernard war der Gründer von Miese-Soßen, einem internationalen Unternehmen, das Fertigsoßen herstellte, die die unglaublichsten Dinge bewirken sollten, wie zum Beispiel Müdigkeit vertreiben und den IQ erhöhen.
Tatsächlich hielten weder die Hautpflegeprodukte noch die Soßen auch nur eines ihrer hochfliegenden Versprechen. Das Miese-Pampel-Imperium war auf Lügen gebaut. Aber gerade wer lügt und betrügt, hat oft den größten Erfolg, bis irgendwann jemand den Mut aufbringt, ihm die Stirn zu bieten.
Es versteht sich wohl von selbst, dass auch an jenem Tag, als die Miese-Pampels ihre Reise nach Nieselgurk antraten, niemand den Mut aufbrachte, ihnen die Stirn zu bieten, zumal sie an diesem Tag in besonders ausgeprägter Trampel-Stimmung waren. Hans Unterbutter, der langjährige, leidgeprüfte Chauffeur der Familie, wurde ihr erstes Opfer, denn Mrs Miese-Pampel ließ es sich nicht nehmen, ihm jedes Mal den Lohn zu kürzen, sobald er sich an die Geschwindigkeitsbeschränkung hielt oder im Stau stecken blieb, schließlich hatte sie einen Kosmetiktermin im Runzelschreck-Hotel, den sie ungern verpassen wollte. Gleich bei der Ankunft bekam dann der Hotelpage eins von Mr Miese-Pampel aufs Dach, weil er zu fragen wagte, ob die Herrschaften eine angenehme Reise gehabt hätten, denn das ging ihn ja wohl überhaupt nichts an. Und auch Fux hatte an allen, denen sie begegnete, etwas auszusetzen – die Empfangsdame lächelte zu viel, der Kellner beim Mittagessen stellte zu viele Fragen und der Schnurrbart des Bademeisters war ›total bescheuert‹ –, einfach weil sie nun mal so erzogen worden war. Freundlichkeit war Schwäche, und wer schwach war, auf dem wurde herumgetrampelt, was für Fux, verständlicherweise, nicht gerade verlockend klang.
Nur Flunker hatte sich mit dem Trampeln zurückgehalten. Genau genommen war es Fux schon seit mehreren Wochen aufgefallen, dass ihr Bruder ungewöhnlich still war. Verdächtig still, wie sie fand.
Fux und Flunker waren Zwillinge, auch wenn man es ihnen überhaupt nicht ansah. Flunker war groß und hatte glatte schwarze Haare wie seine Mutter, während Fux eher klein war, mit einem Wust roter Haare, die sie von ihrem Vater geerbt hatte. Nur eines hatten die Zwillinge, bei aller Unähnlichkeit, gemeinsam: ihre scharfe Zunge. Und das Einzige, was sie noch lieber taten, als andere Leute zu schikanieren, war, sich gegenseitig zu schikanieren, insbesondere wenn sie den anderen dabei vor ihren Eltern bloßstellen konnten.
Diese innerfamiliäre Konkurrenz hatten die Zwillinge ebenfalls von ihren Eltern geerbt. Denn auch wenn Gertrud und Bernard letztlich ein riesiges Miese-Pampel-Imperium aufbauen wollten, war Rivalität ihnen wichtiger als Romantik. Konkurrenz belebt das Geschäft und macht schneller reich, lautete ihr – unbewiesenes – Credo. Und so nutzten sie jede noch so schäbige Gelegenheit, sich gegenseitig auszustechen, und dieses Verhalten wirkte sich natürlich auch auf die Beziehung zwischen Fux und Flunker aus.
So hatte Fux ihrem Bruder gleich nach ihrer Geburt ein blaues Auge verpasst, weil er drei Minuten vor ihr auf die Welt gekommen war, und in diesem Stil ging es von da an munter weiter. Die Zwillinge waren noch kein Jahr alt, als Flunker in einem unbeobachteten Moment die Wiege seiner Schwester umwarf. Fux rächte sich, indem sie den Kopf von Flunkers Lieblingsteddy abriss, woraufhin Flunker am nächsten Tag die Bremse an Fux’ Kinderwagen löste, sodass seine Schwester auf die Straße rollte und fast überfahren worden wäre.
Gertrud und Bernard Miese-Pampel ergötzten sich an diesem Kleinkrieg und hatten den Kindern, um den Konflikt noch zu verstärken, auch gleich entsprechende Namen verliehen: Flunker, so hofften sie, würde ein aalglatter Lügner werden (was auch eintrat) und Fux sollte genauso verschlagen sein, wie es dem Tier mit dem gleichlautenden Namen unterstellt wird (was nicht eintrat, denn wer jähzornig ist, kann nicht gleichzeitig verschlagen sein). Und so zog sich diese Geschwisterrivalität, von den Eltern noch befeuert, durch ihre gesamte Kindheit – vom Krabbelalter über den Kindergarten bis zur Oberschule – und erreichte vor einigen Wochen ihren Höhepunkt, als Flunker seine Schwester mit einer dreisten Lüge dazu gebracht hatte, ihre Hausaufgaben im Klo runterzuspülen, und Fux ihn daraufhin an den Füßen aus einem Fenster im obersten Stock der Dünkel-Villa hielt (unter den Jubelrufen ihrer Eltern, die unten standen).
Auf diesen Fenstervorfall war jedoch keine Reaktion mehr erfolgt, was Fux sehr beunruhigte. Flunker hatte sie kein einziges Mal mehr ausgetrickst, übers Ohr gehauen oder – was er sonst immer am liebsten tat – vor ihren Eltern schlecht gemacht. Woche um Woche hatte sie auf seine Rache gewartet, aber Flunker war die ganze Zeit über auf höchst untypische Weise schweigsam und nachdenklich gewesen. So wie auch jetzt, in der Suite des Runzelschreck-Hotels. Fux musterte ihren Bruder argwöhnisch. Er saß in dem Sessel ihr gegenüber, die schwarze Aktentasche zu seinen Füßen, einen Notizblock auf dem Schoß und einen Stift in der Hand. Fux reckte den Hals, um einen Blick auf das oberste Blatt zu erhaschen, aber er hielt den Block einfach etwas schräger, sodass sie nichts erkennen konnte.
Fux zog an ihrem Zopf. »Was machst du da eigentlich?«
Flunker sah nicht auf. Und ließ auch den Stift nicht sinken. Wenn ihr Bruder auf den Gefühlen anderer Leute herumtrampelte, kannte Fux ihn so ruhig und beherrscht, aber wenn sie unter sich waren, hatte sie ihn immer sehr leicht zu einem Streit provozieren können. Diese neue Schweigsamkeit gefiel ihr gar nicht, denn ein Miese-Pampel schwieg eigentlich nur, wenn er irgendetwas ausheckte. Wie der eingangs erwähnte Großonkel Rudolph, der angeblich 43 Jahre lang kein Wort gesprochen hatte, um dann zu verkünden, er würde gerade einen Tunnel von München nach London graben, um die Queen zu entführen und ein unverschämt hohes Lösegeld für sie zu fordern. Großonkel Rudolph war allerdings schon in Polen angekommen, bevor ihm klar wurde, dass er in die falsche Richtung gebuddelt hatte. Danach schwieg er für weitere 43 Jahre, wenngleich aus anderen Gründen.
Fux überlegte, ob sie selbst vielleicht auf ähnlich widerrechtliche Weise zu Geld kommen könnte, wurde aber das Gefühl nicht los, dass man Entführungen, Raubüberfälle und groß angelegte Umstürze vielleicht besser zu mehreren in Angriff nahm. Während sie doch eigentlich immer allein war, sowohl in der Schule (schließlich musste sie Mitschüler und Lehrerinnen durch tagtägliche Beleidigungen davon abhalten, auf ihr herumzutrampeln) wie auch in ihrer Familie (wo Gespräche sich nur um Geschäftliches drehten, Lächeln verpönt und Kuscheln tabu war).
Fux nahm ihre Krawatte ab, stopfte sie in die Sofaritze und sah dann wieder ihren Bruder an. »Du arbeitest an einem Geschäftsplan für Pampel-Kosmetik, stimmt’s?«
Ihre Stimme klang angespannt, denn wenn ihr Bruder kurz davor war, der Pampel-Hautpflegeserie ein neues Image zu verleihen, wurde es höchste Zeit, dass sie selbst mit einem Rettungsplan für Miese-Soßen nachzog. Die Zwillinge wussten, dass beide Unternehmen auf Lügen gegründet waren, aber es war zu spät, um jetzt noch mit der Wahrheit anzukommen. Allerdings schienen die Kunden allmählich zu begreifen, dass sie übers Ohr gehauen wurden, denn immer mehr Verträge wurden gekündigt und die Gewinne gingen zurück, weshalb die Zwillinge jetzt noch mehr Ferienzeit in irgendwelchen Luxushotels verbrachten, wo ihre Eltern alles daransetzten Köchinnen und Kosmetikern ihre Produkte aufzudrängen.
Aber Fux und Flunker wurden nicht...
Erscheint lt. Verlag | 27.1.2023 |
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Reihe/Serie | Die vier verborgenen Reiche | Die vier verborgenen Reiche |
Übersetzer | Annette von der Weppen |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Abenteuer für Jungs und Mädchen • action • Bestseller Kinderbuch ab 10 • Caspar und die Träne des Phönix • Die vier verborgenen Reiche • Drachen • Fantasy • Fantasy für Kinder ab 10 • geheime Welten • Harry Potter • Magie • Percy Jackson • Phantastische Wesen • spannende Bücher für Jungs • spannende Bücher für Mädchen • Zauberwesen |
ISBN-10 | 3-646-93608-8 / 3646936088 |
ISBN-13 | 978-3-646-93608-7 / 9783646936087 |
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