Der Erste, der am Ende stirbt (Todesboten #1) (eBook)
368 Seiten
Arctis Verlag
978-3-03880-167-2 (ISBN)
Adam Silvera wurde in der Bronx, New York, geboren. Bevor er mit dem Schreiben begann, arbeitete er als Buchhändler und Rezensent für Kinderbücher. Sein Roman Am Ende sterben wir sowieso steht seit vielen Monaten auf Platz 1 der New York Times-Paperback-Bestsellerliste und hat auch in Deutschland die SPIEGEL-Bestsellerliste erreicht. Silvera lebt in Los Angeles und hat inzwischen eine riesige internationale Fangemeinde; sein Werk wurde bis dato in über 30 Sprachen übersetzt.
Adam Silvera wurde in der Bronx, New York, geboren. Bevor er mit dem Schreiben begann, arbeitete er als Buchhändler und Rezensent für Kinderbücher. Sein Roman Am Ende sterben wir sowieso steht seit vielen Monaten auf Platz 1 der New York Times-Paperback-Bestsellerliste und hat auch in Deutschland die SPIEGEL-Bestsellerliste erreicht. Silvera lebt in Los Angeles und hat inzwischen eine riesige internationale Fangemeinde; sein Werk wurde bis dato in über 30 Sprachen übersetzt.
Valentino Prince
22:22 Uhr
Der Todesbote kann mich nicht anrufen, weil ich mich für den Dienst nicht angemeldet habe. Er würde es allerdings sowieso nicht tun, da ich mit meinem Leben gerade erst so richtig durchstarte.
Wenn überhaupt, habe ich das Gefühl, heute wiedergeboren zu sein.
Für jemanden wie mich, der in Phoenix, Arizona, geboren und aufgewachsen ist, fühlen sich Wiedergeburten ganz passend an. Jetzt wird es Zeit, mit meinem Leben an keinem geringeren Ort als New York neu anzufangen. Vom Valley of the Sun zum Big Apple. Ich träume schon so lange von dieser Stadt, dass ich in Tränen ausgebrochen bin, als ich am Flughafen meine Bordkarte ausgedruckt habe und da stand: PHX→LGA. Dieses One-Way-Ticket bedeutet, dass ich meine Eltern nie wiedersehen muss. Dass ich mir zusammen mit meiner Zwillingsschwester ein neues Zuhause aufbauen kann.
Wahrscheinlich hätte ich nicht den Fensterplatz buchen sollen. Ich gab mein Bestes, mich zusammenzureißen, als das Flugzeug über die Startbahn schoss und dann abhob. Aber es stellte sich heraus, dass mein Bestes nicht viel taugt. Als all die Gebäude, Straßen und Berge immer kleiner wurden und schließlich verschwanden, weinte ich in den Wolken. Mein Sitznachbar fand das kein bisschen cool. Und ich wünschte mir sofort noch viel dringender meine Schwester auf den Platz neben mir, so wie es eigentlich geplant gewesen war, bevor sich im letzten Moment noch eine Jobmöglichkeit für sie ergeben hat. Zum Glück nimmt Scarlett den ersten Nachtflug, um zu mir in unsere neue Wohnung zu kommen.
Fünf Stunden später, als New York unter mir auftauchte, fühlte sich alles genau richtig an, obwohl ich noch nie einen Fuß zwischen diese Wolkenkratzer und Parks gesetzt hatte. Dann landeten wir, und ich rollte meine Koffer direkt zur Taxischlange, über die sich alle anderen offensichtlich ärgerten. Aber ich war einfach nur unglaublich aufgeregt, dass ich endlich in einem dieser legendären gelben Taxis fahren würde, die ich aus dem Fernsehen und als Requisite aus der Zeitschriftenwerbung kannte. Der Fahrer kapierte gleich, dass ich zum ersten Mal hier war, weil ich ununterbrochen nach draußen auf die Straße glotzte. Mein erster Schritt auf den Bürgersteig fühlte sich an wie ein Filmmoment, als müssten gleich überall die Kameras klicken. Aber das hat noch Zeit.
Jetzt erst mal, heute, kann ich mich als New Yorker bezeichnen.
Oder vielleicht muss ich auch noch warten, bis mein Vermieter mir meine Wohnungsschlüssel überreicht, damit ich sicher sein kann, keinem Betrug aufgesessen zu sein, als ich dieses Apartment im Internet gefunden habe. Während ich warte, sehe ich mich in meiner kleinen Ecke der Upper East Side um. Direkt nebenan gibt es eine winzige Pizzeria, die mich mit dem Duft von Knoblauchbrot anzulocken versucht. Hupende Autos richten meine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße, wo jemand, der mein Großvater sein könnte, in sein Handy schreit, damit man ihn über die Musik hinweg hören kann, die aus der Bar an der Ecke dröhnt.
Die Stadt ist laut, und das finde ich genial.
Ob ich wohl je die Ruhe meiner alten Wohngegend vermissen werde?
Die Tür hinter mir geht auf, und da steht ein Mann, der nichts weiter anhat als ein weißes Unterhemd, Basketball-Shorts und Schlappen. Er hat einen dicken Schnurrbart und dünner werdende schwarze Haare und funkelt mich an.
»Kommst du rein?«, fragt er.
»Hallo, ich bin Valentino. Ich bin ein neuer Mieter.«
Der Mann zeigt auf meine Koffer. »Das sehe ich.«
»Ich warte auf den Vermieter.«
Er nickt, geht aber nicht weiter. Als wollte er mich reinlassen.
»Sind Sie Frankie?«
Er nickt erneut.
»Freut mich, Sie kennenzulernen«, sage ich.
Widerstrebend schüttelt er mir die Hand. »Ziehst du jetzt ein, oder was?«
Man hat mich schon vorgewarnt, dass nicht alle New Yorker nett zu mir sein werden, aber vielleicht ist Frankie einfach müde. Immerhin ist es schon ziemlich spät. Ich nehme meine Koffer und folge ihm ins Haus. Es ist ein warmer Abend, doch sobald ich eingetreten bin, verstehe ich, warum Frankie gekleidet ist, als würde er in Arizona morgens die Zeitung reinholen. Hier drin ist es ungefähr so heiß wie im Pizzaofen von nebenan. Der Flur ist schmal und in diesem Senfgelb gestrichen, das den Augen nicht gerade schmeichelt, aber was soll’s, ich respektiere die Wahl. In die Wand eingelassen sind stählerne Briefkästen, und auf dem Fußboden stehen Pakete, die darauf warten, abgeholt zu werden, sowie ein Papierkorb, der von Werbung überquillt, darunter auch Flyer des Todesboten. Offensichtlich haben sich nicht viele Leute in diesem Haus für die Abschiedsanrufe angemeldet. Ich übrigens auch nicht, weil meine Eltern der Sache total skeptisch gegenüberstehen, aber diese Paranoia ist ein weiterer Teil meines Erbes, von dem ich mich trennen muss.
Frankie bleibt auf der ersten Treppe stehen. »Und wo ist die andere?«
»Die andere?«
»Deine Zwillingsschwester.«
»Oh, sie kommt morgen früh nach.«
Frankie steigt weiter die Treppe hinauf. »Wenn noch mehr große Kisten kommen, sorgt dafür, dass ihr euch zügig darum kümmert. Deine ganzen Lieferungen diese Treppe raufzuschleppen, ist meinem Rücken nicht gut bekommen.«
»Das tut mir leid.« Ich musste ein paar Sachen vorab schicken, wie eine Luftmatratze, Handtücher, Töpfe und Pfannen. Obwohl ich annehme, dass der Hauptgrund für Frankies Rückenschmerzen die fünf Kisten mit Kleidern, Schuhen und Accessoires waren, die für mich genauso wichtig sind wie ein Provisorium für die Nacht, bevor meine richtige Matratze am Dienstag ankommt. »Ist der Aufzug kaputt?«
»Der ist kaputt, seit mein Vater hier das Sagen hatte«, erklärt Frankie.
Verstehe. Ich weiß zwar nicht, ob es legal ist, in der Wohnungsanzeige zu schreiben, das Haus habe einen Aufzug, wenn dessen Funktion rein dekorativer Natur ist, aber ich werde das Beste daraus machen. Die vielen Jahre, die ich zu Hause in unserem kleinen Fitnessraum verbracht habe, haben mich auf dieses Leben vorbereitet. Ich zerre meine beiden Koffer, über deren Gewicht von jeweils fast fünfundzwanzig Kilo mich die Waage beim Check-in aufgeklärt hat, hinter mir her. Frankie bietet mir keine Hilfe an, aber das ist okay. Nach der dritten Treppe fällt mir wieder ein, dass meine neue Wohnung im sechsten Stock liegt. Auf meinem unteren Rücken bildet sich Schweiß, und ich bin mir schon jetzt sicher, dass ich mir bei allen künftigen Work-outs das Beinmuskeltraining sparen kann. Oben bin ich außer Atem, aber – eigentlich gibt es kein Aber. Das gehört alles zu meiner Initiation in dieser Stadt. Nichts gibt mir mehr das Gefühl, ein echter New Yorker zu sein, als sagen zu können, dass ich in der Upper East Side im sechsten Stock ohne Aufzug wohne.
Ohne viel Aufhebens führt Frankie mich zu Wohnung 6G. Er heißt mich nicht im Haus willkommen, gratuliert mir nicht zu meiner ersten eigenen Bleibe, sondern schließt einfach die Tür auf. Ich folge ihm hinein und stelle meine Koffer in dem engen Vorraum ab. Gleich links von mir ist das Badezimmer, und obwohl ich weiß, dass ich dort jede Woche mehrere Stunden für meine ausgiebige Gesichtspflege verbringen werde, interessiert mich vor allem der Raum, in dem ich mich hauptsächlich aufhalten werde. Der Holzboden knarrt unter meinen Schuhen, als ich das einzige Zimmer der Wohnung betrete. Die gelieferten Kisten stehen links an der Wand, wo ich mein Bett hinstellen möchte. Zwei Fenster gehen zur Straße raus und ein drittes über der Küchenspüle bietet einen Blick in die Nachbarwohnung. Kein Problem, diese Woche besorge ich noch Vorhänge.
Das größte Problem ist dagegen, wie klein die Wohnung ist. Scarlett und ich verwenden das Geld, das unsere Eltern für unser College gespart haben, um unsere Träume zu verwirklichen – Modeln und Fotografie –, und wir hoffen, es reicht so lange wie möglich, deshalb auch das Ein-Zimmer-Apartment.
»Auf den Fotos im Netz wirkte es größer«, sage ich.
»Die habe ich gemacht«, erklärt Frankie.
»Die waren auch wirklich gut. Aber sind Sie sicher, die richtigen Bilder für diese Anzeige hochgeladen zu haben? Wir hatten eigentlich mit mehr Platz gerechnet.«
Frankie starrt mich an. »Du hättest die Wohnung besichtigen können, bevor du sie gemietet hast.«
»Leider unmöglich. Ich bin gerade erst angekommen.«
»Nicht mein Problem. Deine Schwester und du, ihr habt euch schließlich auch einen Bauch geteilt. Das kriegt ihr schon hin.«
Dann hoffen wir mal, dass sich dieses Ein-Zimmer-Apartment unseren Bedürfnissen entsprechend ausdehnt wie der Uterus unserer Mutter.
Zum Glück für Frankie gehe ich nicht gern auf Konfrontationskurs. Bei Scarlett ist das allerdings anders, aber diese Lektion wird er schon noch lernen, sobald sie hier ist. Am besten betrachte ich es positiv: Ich bin gerade erst in New York angekommen und habe schon eine typische Fehde mit meinem Vermieter angefangen. Der Mietvertrag läuft über ein Jahr, und ich bin sicher, danach werde ich all meinen neuen Freunden eine Menge Geschichten über diese Zeit in meinem Leben zu erzählen haben.
Es klopft an der Tür und ein kleiner Junge kommt rein. Ich bin nicht gut darin, das Alter anderer zu schätzen. Ist er fünf und groß für sein Alter, oder zehn und echt klein? Er kommt mir irgendwie bekannt vor, aber ich weiß nicht, woher.
Der Junge trägt einen Schlafanzug und winkt mir freundlich zu. »Bist du unser neuer Nachbar?«
»Das bin ich. Ich heiße Valentino.«
»Ich bin...
Erscheint lt. Verlag | 16.11.2022 |
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Übersetzer | Katharina Diestelmeier, Barbara König |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Adam Silvera • Am Ende sterben wir sowieso • App • Begegnung • Bestseller • Beziehung • carpe diem • Einsamkeit • Familie • Freundschaft • Herzschmerz • Homosexualität • Leben • LGBTQ+ • Liebe • Nachricht • New York • Schicksal • Sterben • Tod • todesboten • Ungewissheit • USA • Verbindung • Wünsche |
ISBN-10 | 3-03880-167-4 / 3038801674 |
ISBN-13 | 978-3-03880-167-2 / 9783038801672 |
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