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Die Clans von Tokito - Lotus und Tiger (eBook)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
384 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43876-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Clans von Tokito - Lotus und Tiger -  Caroline Brinkmann
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Tokito - Stadt aus Blut und Schatten In der Megastadt Tokito herrscht das Gesetz der Clans. Nur wer für einen der sechs Clanfürsten arbeitet, hat die Chance zu überleben. Die rebellische Erin hat ihren Job beim Lotusclan verloren und ist nun schutzlos. Als sie auf der Straße verschleppt wird, lässt sie sich auf einen Deal mit einem Dämon ein, um ihr Leben zu retten. Der Dämon verleiht ihr übernatürliche Kraft, versucht aber auch, die Kontrolle über Erin zu erlangen. Als eine Mordserie Tokito erschüttert und Erins beste Freundin Ryanne verschwindet, setzt Erin alles daran, den Mörder zu finden. Aber ist es wirklich bloß ein Wahnsinniger, den sie jagt? Oder ist sie einer gefährlichen Verschwörung auf der Spur? Und was für ein Spiel bei all dem spielt ihr Dämon?

Caroline Brinkmann schreibt seit vielen Jahren erfolgreich Bücher für Jugendliche und junge Erwachsene und wurde für ihre Geschichten bereits mehrfach ausgezeichnet. Aktuell ist die Ärztin in Deutschland und New York zu Hause. Schreiben tut sie von überall aus, nur nicht vom Schreibtisch. In den sozialen Medien tauscht sie sich am liebsten mit ihren Leser*innen über ihre Projekte aus.

Caroline Brinkmann schreibt seit vielen Jahren erfolgreich Bücher für Jugendliche und junge Erwachsene und wurde für ihre Geschichten bereits mehrfach ausgezeichnet. Aktuell ist die Ärztin in Deutschland und New York zu Hause. Schreiben tut sie von überall aus, nur nicht vom Schreibtisch. In den sozialen Medien tauscht sie sich am liebsten mit ihren Leser*innen über ihre Projekte aus.

1


ERIN RIDER


Ich blühe im Schatten.


Es war der Moment, auf den ich gewartet hatte. Ein Methanwal schob seinen gigantischen, aufgedunsenen Körper durch die Smogwolke und tauchte hinab. Er öffnete sein Maul und zog die verseuchte Luft ein, um sie zu filtern. Lautlos glitt er durch die neonfarbenen Buchstaben, die in den Himmel projiziert wurden.

TOKITO.

Als würde man den Namen der Megametropole, in der wir lebten, je vergessen können.

Ich kauerte schon seit einer Stunde auf dem Dach. Der Lärm der belebten Straßen drang zu mir empor, doch ich hatte den Kopf in den Nacken gelegt und starrte in den trüben Himmel. Wolken und Smog überall. Und zwischen ihnen der fliegende Gasriese.

Fast streifte sein Bauch die Dächer der Hochhäuser. Er war zum Greifen nah. Allerdings hatte noch niemand, den ich kannte, einen Wal berührt, denn sie waren trotz ihres massiven Körpers schnell und schienen eine Art siebten Sinn zu haben. Es war quasi unmöglich, sie zu überraschen. Trotzdem juckte es mich in den Fingern. Vielleicht war es für eine Siebzehnjährige albern, einem Methanwal aufzulauern. Aber meiner Meinung nach gab es keine Altersgrenze für verrückte Vorhaben.

Ich mochte vielleicht keinen Methanwal-Sinn haben, aber ich hatte die Reflexe einer Katze. Sagte Mikko jedenfalls.

Ich hielt die Luft an und wagte nicht, mich zu bewegen. Mein Blick war fest auf den Gasriesen gerichtet, der über mir seine Kreise zog. Erneut senkte sich sein Körper auf das Hochhaus zu. In Gedanken zählte ich rückwärts. Drei. Die Wolken teilten sich und machten Platz für seinen massigen Körper. Zwei. Ich spürte den Luftzug. Eins. Jetzt oder nie.

Ich sprintete los.

Der Methanwal kippte zur Seite, doch ich hielt Kurs, streckte meinen Arm und sprang. Meine Finger schossen auf seinen Bauch zu. Er war aus tiefem, dunklem Blau, das fast in Schwarz überging. Wie in Zeitlupe flog ich auf seinen Körper zu, immer näher, bis meine Fingerkuppen seine Haut streiften. Sie war nicht kalt und ledrig, wie ich erwartet hatte. Sondern warm und weich wie eine Dampfnudel.

Viel zu schnell war der Moment vorbei und ich fiel zurück auf das Hochhausdach. Als meine Füße den Boden berührten, verzogen sich meine Lippen zu einem triumphierenden Grinsen.

Ich hatte es geschafft! Ich hatte einen Methanwal berührt. Wenn ich das Mikko erzählen würde. Er würde vor Neid erblassen.

Zufrieden legte ich den Kopf in den Nacken und sah ein letztes Mal in den Himmel, wo der Wal zwischen den Wolken verschwand. Fast glaubte ich, er wollte, dass ich ihn berühre. So als hätte er gewusst, wie sehr ich Aufmunterung nötig hatte.

Jäh erinnerte ich mich und meine Euphorie wich der Scham. Nicht der Methanwal war der Grund gewesen, warum ich seit Stunden auf dem Hochhaus gesessen hatte. Nein, ich drückte mich davor, nach Hause zu gehen und Mikko zu beichten, dass ich meine Arbeit verloren hatte.

Schon wieder.

Ich fuhr mir über die dunkelroten, kurzen Haare.

Verdammt! Ich hatte es mal wieder gründlich verbockt!

Mit dem Zeigefinger der linken Hand fuhr ich über das Handgelenk. Die Stelle, an der kurz zuvor noch die Lotusblüte der Geisha geprangt hatte, war nun leer. Die Tätowierung war verschwunden und somit meine Zugehörigkeit zum Lotusclan.

Die Regeln waren einfach: Nur wer Arbeit hatte, gehörte zu einem Clan. Und nur wer zu einem Clan gehörte, war in Tokito sicher, denn die Zugehörigkeit beschützte einen vor Abschaum wie Menschenhändlern.

Ich musste eingestehen, dass ich nie eine besonders gute Lotusblüte abgegeben hatte, denn die Frauen dieses Clans galten als hübsch, geheimnisvoll und verführerisch. Selbst die, die nur in einem Waschhaus arbeiteten. Als Lotusblüte war es unsere Pflicht, unserer Fürstin, der Geisha, Ehre zu machen. Und da sich der Lotusclan nun mal auf Unterhaltung verstand, war es das Ziel jeder Frau, diese Werte zu vermitteln. Auf keinen Fall würde eine Lotusblüte je aus ihrer Rolle fallen und jemandem die Fresse polieren. Auch dann nicht, wenn die Aufseherin des Waschhauses, in dem sie arbeitete, das Gemüt einer fiesen Kakerlake hatte.

Niemand, außer mir.

Was sollte ich sagen? Ich wurde nicht gerne geschlagen. Weder früher im Waisenhaus noch heute. Der Unterschied zu damals war aber, dass ich nun groß genug war, um mich gegen einen Rohrstock zu wehren.

Du hättest ihr trotzdem nicht gleich die Nase brechen müssen, Erin.

Oh doch. Ich spürte immer noch, wie mich bei der Erinnerung an ihr blutüberströmtes Gesicht die Befriedigung durchflutete.

Es war dumm, Erin, denn clanlos zu sein bedeutete, vogelfrei zu sein. Ungeschützt.

Ich kletterte die wackelige Feuerleiter hinunter, bis ich ein anderes Dach erreichte. Von da aus hangelte ich mich ein Rohr hinab und schließlich eine weitere Leiter. Es dauerte eine Weile, bis ich den Boden einer engen Gasse erreichte. Hier zog ich die Kapuze tief ins Gesicht, stellte sicher, dass mein Handgelenk verborgen war, und eilte los.

Ohne Zwischenfälle gelangte ich zu einer größeren Straße, wo Händler in bunt beleuchteten Ständen ihre Ware anboten. Frittierte Ratte. Gebratene Ratte. Geschmorte Ratte. Wenn es von etwas genug gab, dann waren es Ratten.

Mein Magen knurrte vor Hunger. Es half alles nichts. Früher oder später würde ich meine Niederlage eingestehen müssen. Allerdings konnte es nicht schaden, Mikko eine kleine Aufmunterung mitzubringen. Also hielt ich an einem der Stände, wo eine einäugige, alte Frau süße Kuchen verkaufte. Weil sie die streunenden Katzen fütterte, wurde ihr Stand von den Tieren regelrecht belagert. Das verschaffte ihr auch den Spitznamen »Katzenfrau«.

»Erin Rider.« Sie schenkte mir ein zahnloses Lächeln und ich senkte den Kopf, um eine Verbeugung anzudeuten, wie es die höfliche Art des Lotusclans war. »Wie schön, dich zu sehen. Was darf ich euch einpacken?«

»Das Übliche«, antwortete ich und zeigte auf die süßen Reiskuchen, die mit rosafarbener Zuckerkruste überzogen waren. Sie packte mir die Ware in eine Tüte und musterte mich. »Hast du wieder etwas ausgefressen?«

»Ich? Immer«, antwortete ich und zwinkerte scheinbar unbeschwert. Gleichzeitig versteiften sich meine Muskeln, jederzeit bereit wegzurennen. In Tokito konnte man als Vogelfreie niemandem trauen.

»Wie ich deinen Mikko kenne, wird er dir verzeihen.« Sie nickte mir zuversichtlich zu und ich entspannte mich wieder. Sie hatte recht. Mikko würde mir alles verzeihen, doch das änderte nichts an der Scham, die ich empfand. »Ihr zwei habt etwas Seltenes. Besonderes.«

»Ein eigenes Dach über dem Kopf?«, scherzte ich.

»Liebe«, korrigierte sie mich. »Das ist in unserer Stadt nur schwer zu finden.«

Ihr harmloses, großmütterliches Aussehen trog, denn wer hier in der Hauptstadt einen Stand hatte, brauchte Nerven aus Stahl oder einen mächtigen Beschützer. Auf den ersten Blick hatte die Katzenfrau nichts von beidem, aber ihr verblasstes Tattoo am Handgelenk verriet sie als Mitglied des Streunerclans. Und niemand verscherzte es sich mit den Streunern oder ihrem Anführer, dem Katzenkönig. Sie mochten im Gegensatz zu anderen Clans zwar kein Territorium in Tokito haben und auch keine Krieger, aber sie waren überall. Und das war ihre Stärke. Sie wohnten zwischen den Häusern und darunter in den Abwasserkanälen. In jeder dunklen Gasse und auf jedem belebten Marktplatz spürte man ihren Blick im Nacken. Und wenn sie wollten, konnten sie einen spurlos verschwinden lassen.

Es würde mich nicht wundern, wenn die Katzenfrau schon längst wusste, dass ich meine Arbeitsstelle verloren hatte.

»Wie heißt es so schön? Mit vollem Bauch verzeiht es sich leichter«, sagte ich.

»Pass auf dich auf, Erin Rider.« Ihre spröden Lippen verzogen sich zu einem unheilvollen Lächeln. »Die Schatten wachsen schnell heute Nacht.«

Wortlos verbeugte ich mich erneut zum Abschied und eilte weiter. Ohne Zwischenfälle erreichte ich das Viertel, in dem Mikko und ich wohnten. Es war eine Ansammlung aus winzigen, übereinandergestapelten Apartments. Die meisten davon hatten schon bessere Tage gesehen. Doch auch wenn es nur ein kleines Zuhause war, war es etwas, das nur uns gehörte.

Ich passierte besprühte Wände und verrostete Gerüste, an denen bunte Werbetafeln hingen. Überwiegend Slogans und Fahnen vom Federclan, der in diesem Teil von Tokito am stärksten vertreten war. Aber auch Sprüche, die uns an die Regeln erinnerten, nach denen wir alle spielen mussten.

»Wer keinen Clan hat, hat keinen Platz.«

Neben den Metallbauten und leuchtenden Tafeln versteckten sich kleine rote Schreine, die man schnell übersah. Sie wirkten fehl am Platz, wie Relikte aus längst vergessenen Tagen. Vertrocknete Blumen lagen auf ihren Dächern. Abgebrannte Kerzen standen um sie herum. Geschenke für die Spirits, die Tokito schon längst verlassen hatten.

Mein Herz sank und ich zog die Kapuze tiefer ins Gesicht. Mit jedem Schritt, der mich der Wohnung näher brachte, wurden meine Beine schwerer und mein Hals enger. Ich öffnete unsere Wohnungstür, schlüpfte aus den Straßenschuhen und verschloss die Tür hinter mir. Dann hielt ich inne und lauschte. Mit etwas Glück würde Mikko bereits schlafen.

»Erin?«

Er schlief nicht.

»Erin!« Seine rabenschwarzen Haare standen wie gewohnt in alle Richtungen. Seine Brille saß ein wenig schräg auf der Nase, als er auf mich zukam und mich fest an sich zog.

»Ich hab mir Sorgen gemacht«, sagte er...

Erscheint lt. Verlag 19.2.2021
Illustrationen Katharina Netolitzky
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte asiatische Fantasy • Asien • Dämon • Dämonenbeschwörung • Einzelgänger • Fantasy Neuerscheinungen 2021 • Fantasyroman ab 14 • Freundschaft • Japan • Jay Kristoff • Jugendbuch Neuerscheinung 2021 • kulturpass • Leigh Bardugo • Magie • Megacity • Sarah J. Maas • Schwert & Magie • Tokio • Trudi Canavan • Urban Fantasy • Urban Fantasy Romane • V.E. Schwab
ISBN-10 3-423-43876-2 / 3423438762
ISBN-13 978-3-423-43876-6 / 9783423438766
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