Ein Mädchen namens Willow 1: Ein Mädchen namens Willow (eBook)
256 Seiten
Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
978-3-522-65467-8 (ISBN)
Geboren wurde Sabine Bohlmann in München, der schönsten Stadt der Welt. Als Kind wollte sie immer Prinzessin werden. Stattdessen wurde sie (nachdem sie keinen Prinzen finden konnte und der Realität ins Auge blicken musste) Schauspielerin, Synchronsprecherin und Autorin und durfte so zumindest ab und zu mal eine Prinzessin spielen, sprechen oder über eine schreiben. Geschichten fliegen ihr zu wie Schmetterlinge. Überall und zu allen Tages- und Nachtzeiten (dann eher wie Nachtfalter). Sabine Bohlmann kann sich nirgendwo verstecken, die Geschichten finden sie überall. Und sie ist sehr glücklich, endlich alles aus ihrem Kopf rausschreiben zu dürfen. Auf ein blitzeblankes, weißes - äh - Computerdokument. Und das Erste, was sie tut, wenn ein neues Buch in der Post liegt: Sie steckt ihre Nase ganz tief hinein und genießt diesen wunderbaren Buchduft.
Willow drückte ihre Nase an das Fenster. Es goss in Strömen und nur schemenhaft konnte sie die Umrisse des kleinen Waldes erkennen, der an den Garten ihres Hauses grenzte.
»Was soll ich denn mit einem Wald?«, flüsterte Willow. In diesem Moment tropfte ein dicker Wassertropfen auf ihren Kopf. Sie sah nach oben. »Undicht, na toll!«, stöhnte sie, als sie den Wasserfleck an der Decke bemerkte.
»Willow!«, rief ihr Vater von unten aus dem Wohnzimmer. »Kommst du mal?«
Willow rutschte träge von der Fensterbank und ging langsam die Stufen hinunter.
Ihr Vater stand zwischen unzähligen Umzugskisten und kratzte sich hilflos am Kopf. »Kannst du mir nicht ein bisschen helfen, Willow?«
»Was soll ich denn tun, Papa?«
»Wie wäre es mit Kisten auspacken?«
»Lohnt sich das?«
»Ja, das lohnt sich, Pieps, weil wir nämlich hierbleiben werden.«
»Das hast du auch schon in den letzten fünf Städten gesagt. Und kaum waren alle Umzugskisten ausgepackt, haben wir schon wieder alles eingepackt und weiter ging’s!«
»Also jetzt übertreib mal nicht, Pieps. In Singapur waren wir immerhin zwei Jahre.«
»Eins.«
»Zwei!«
»Es war nur eines, das weiß ich ganz genau, weil du mir zu Silvester ein Himmelslicht gekauft hast und da ich dann verschlafen hab, hast du mir versprochen, dass wir es am nächsten Silvester fliegen lassen. Aber da waren wir schon nicht mehr dort.«
»Oh«, sagte ihr Vater und dachte angestrengt nach. »Es kam mir vor wie zwei.«
»Das lag sicher daran, dass es dort keine Jahreszeiten gab und es im Grunde immer heiß war.«
»Na ja, aber immerhin haben wir es ein ganzes Jahr ausgehalten.« Willow verdrehte die Augen. »Pieps, ich muss nun mal dahin, wo ich arbeiten kann. Und das ist nun mal gerade hier und praktischerweise haben wir genau jetzt dieses Haus geerbt. Deshalb werden wir sicher eine sehr lange Zeit bleiben. Ich kann von hier aus arbeiten und nebenbei endlich anfangen, mein Buch zu schreiben. Und dann wird es ein Bestseller, wir werden reich und glücklich bis an unser Lebensende!«
Willow stöhnte. Sie kniete sich vor eine Kiste, nahm ein Buch nach dem anderen heraus und stellte es lustlos ins Regal. »Die Decke in meinem Zimmer im Dach ist undicht. Es regnet rein!«, sagte sie.
»Oh«, antwortete ihr Vater erneut.
»Ist das alles, Papa? Mehr sagst du nicht? Nur ›Oh‹?« Willow sah ihren Vater fragend an.
»Ich kümmere mich darum, versprochen!«
»Genauso wie um den Schimmel an der Decke, den modrigen Geruch im Keller, die Spinnen in der Speisekammer, das fehlende Brett in den Dielen beim Eingang, den Lichtschalter im Flur, der nicht funktioniert, die Toilettenspülung, die nicht spült, den Wasserhahn, der nur braunes Wasser ausspuckt …«
»Ja, all das werde ich reparieren, und zwar schneller als du ›Blaubeerkuchensahneeiswaffel‹ sagen kannst.«
»Papa, du hast zwei linke Hände, Hammer und Nägel zählen zu deinen Feinden.«
»Willow, mein Schatz, ab jetzt wird alles anders, denn ich werde das alles mit meinen eigenen Händen erledigen. Mit meinen eigenen magischen Händen! Über diese Schwelle tritt kein unfähiger Handwerker. Denn hier kommt Superpapa!« Willows Vater stellte sich breitbeinig auf eine Kiste, hob die Faust Richtung Decke und summte die Titelmusik von Superman.
Willow musste gegen ihren Willen lachen.
»Jawohl! Denn Papas sind die wahren Superhelden! Sie können Spaghetti anbrennen lassen, Löcher in Hosen nicht zunähen und außerdem können sie Kinder fliegen lassen.« Er nahm Willow hoch und drehte sie im Kreis.
Willow kicherte. Sie war eigentlich mit ihren elf Jahren schon zu groß, um von ihrem Papa herumgewirbelt zu werden, aber sie genoss es trotzdem. Dann stellte ihr Vater sie auf seine Füße.
»Und Superpapahelden können tanzen! Niemand tanzt besser als Superpapa! Darf ich bitten? Wir tanzen den Hühneraugentanz. Du stehst auf meinen Hühneraugen und trotzdem sehen wir toll aus.«
Sie tanzten zwischen den Umzugskartons herum und Willows Vater bemühte sich um ein ernstes Tänzergesicht. Willow tat es ihm nach. »Zehn Punkte von der Jury für den Hühneraugentanz. Getanzt von Adam Flynn, genannt Superpapa, und seiner reizenden Tochter Willow Flynn, genannt Pieps!« Lachend stolperten die beiden über einen Stapel Bücher, der im Weg stand, und fielen in die Wintermäntel, die bereits ausgepackt worden waren und noch keinen Schrank hatten.
Adam Flynn streichelte seiner Tochter liebevoll über den Kopf und gab ihr einen Kuss. »Ich hab dich so lieb, Pieps. Und du wirst sehen, wir werden es schön haben hier. Endlich haben wir ein richtiges Zuhause, in dem wir sesshaft werden können.«
Willow seufzte. »Das Haus ist schrecklich alt, Papa.«
»Aber es gehört uns und du hast als kleines Kind bereits ein paar Jahre hier gelebt. Kannst du dich denn gar nicht mehr erinnern? Du hast es geliebt.«
Willow sah sich um. Sie versuchte eine Erinnerung heraufzuholen, die vielleicht irgendwo in ihrem Innern verborgen war. Es verhielt sich doch sicher wie mit Liedern. Lieder, die man irgendwann mal gehört hatte, lagen in einer Schublade im Kopf, irgendwo verborgen. Und wenn man die richtige Schublade öffnete, konnte man einfach mitsingen. Und man wusste nicht mal genau warum. Man kannte jede Note und jede Strophe. Aber Willow konnte einfach keine Erinnerungsschublade dieses Hauses finden.
»Und du hast einen Wald geerbt, Pieps. Hey, welches elfjährige Mädchen besitzt schon einen Wald?«
»Toll!«, grummelte Willow und strich sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht. »Bin ich ein Förster? Oder Rumpelstilzchen? Wozu brauch ich einen Wald? Soll ich Bäume fällen? Oder Hänsel und Gretel spielen?«
Adam Flynn seufzte. »Weißt du was? Ich habe gerade deine Gummistiefel in dieser Kiste gefunden.« Er zog Willows rote Gummistiefel mit den weißen Punkten hervor.
»Na und?«, sagte Willow und sah ihren Vater fragend an.
»Geh raus, lerne deinen Wald kennen.«
»Aber es regnet!«
»Ist doch nur Wasser. Und auch wenn du sehr süß bist, aus Zucker bist du nicht.«
»Und wenn ich mich verlaufe?«
Adam Flynn stutzte. »Ist das nicht eigentlich mein Satz? Pieps, so groß ist der Wald auch nicht. Es ist mehr ein Wäldchen und da bist du schon als Dreijährige allein rumgelaufen. So. Raus mit dir«, sagte ihr Vater und fügte dann mit einer verstellten Stimme hinzu: »Aber komm nicht vom Weg ab und sprich nicht mit fremden Wölfen!«
»Ist gut, Großmutter!«, grinste Willow, zog ihren Regenmantel an, schlüpfte in ihre Gummistiefel und trat hinaus in den Garten. Alles war besser, als Kisten auszupacken, fand Willow.
Es sah draußen wirklich ungemütlich aus. Nass und kalt. Und dafür, dass es bereits Ende Mai war, einfach viel zu nass und viel zu kalt. Zum Glück waren gerade Pfingstferien und so konnte sich Willow erst noch zwei Wochen an das neue Haus, die neue Stadt und eben alles, was mal wieder neu war, wenigstens ein bisschen gewöhnen. Sie zog die Schultern zu den Ohren, warf den Regenwolken einen unfreundlichen Blick zu und stapfte hinüber zum Wald.
Ja, sie hatte einen Wald geerbt. Von ihrer Tante Alwina, die gestorben war. Wenn man etwas erbte, dann war das ja sehr schön, aber was nicht schön war, war, dass erst jemand sterben musste, bevor man etwas erben konnte. Willow versuchte angestrengt, sich an Tante Alwinas Gesicht zu erinnern. Ihr Vater hatte ihr erzählt, dass sie und Alwina früher wie Seelenverwandte gewesen waren. Damals war Willow noch ein Kleinkind. Aber komischer-weise tauchte immer nur das Foto von Alwina in ihr auf, das auf der Kommode in ihrem letzten Haus gestanden hatte. Eine freundliche Frau. Weiße sehr lange Haare. Ein braunes wallendes Gewand, das fast ein wenig an die Mode im Mittelalter erinnerte. Sie hatte viele Ketten um den Hals. An einer hing eine Feder, an einer anderen ein Amulett mit einer Spirale. Neben ihr ein Hund, der aussah wie ein Wolf. Wie oft stand Willow in den vergangenen Jahren vor diesem Bild und fragte sich, was es mit dieser Frau auf sich hatte, denn sie war sich sicher, dass es sich bei dieser Tante Alwina um keine gewöhnliche Tante handelte. Auch seltsam war, dass ihr Vater, wenn sie ihn auf sie ansprach, nie antwortete. Immer tat er so, als hätte er gerade unglaublich viel zu tun. Und jetzt war sie gestorben. Ihr Vater hatte dieses uralte Haus geerbt und sie, Willow, den kleinen Wald.
Sie sah hoch zu den Bäumen, die so groß waren, dass Willow das Gefühl hatte, sie könnte die Wolken berühren, würde sie den Baum entlang nach oben klettern.
»Wo ist denn hier der Eingang?«, fragte sie sich, denn zum Teil war zwischen den Bäumen so viel Gestrüpp, heruntergefallene Äste und hohes Gras, dass kaum ein Durchkommen möglich war. Doch dann sah sie plötzlich direkt vor sich einen Weg. »Komisch!«, murmelte sie. »Den hab ich...
Erscheint lt. Verlag | 15.10.2020 |
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Reihe/Serie | Ein Mädchen namens Willow | Ein Mädchen namens Willow |
Illustrationen | Simona Ceccarelli |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Bestseller • Familie • Fantasie • Freunde • Freundschaft • Freundschaft Kinderbuch • Geschenk Mädchen • Hexe • Hexenkraft • Kinderbuch ab 10 Jahre • Kinderbuch Magie • Kinderroman • Kindheit • magisch • Natur • Vorlesen • Wald • Zauberei • Zauberhaft |
ISBN-10 | 3-522-65467-6 / 3522654676 |
ISBN-13 | 978-3-522-65467-8 / 9783522654678 |
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