Scarlett & Browne - Die Outlaws (eBook)
448 Seiten
cbj Kinder- & Jugendbücher (Verlag)
978-3-641-26269-3 (ISBN)
Ein tragisches Unglück in ihrer Vergangenheit hat die 17-jährige Scarlett McCain zur Gesetzlosen gemacht. Inzwischen ist sie eine geschickte Bankräuberin, hervorragende Kämpferin und Meisterschützin. Nach einem ihrer Beutezüge trifft sie bei ihrer Flucht durch die Wälder auf den hilflosen 15-jährigen Albert Browne. Wider besseres Wissen erklärt sich Scarlett bereit, ihm zu helfen. Ein fataler Fehler. Halb England ist dem Jungen auf den Fersen, der über eine geheimnisvolle Fähigkeit verfügt, und die andere Hälfte jagt Scarlett wegen ihrer Überfälle. Und so beginnt eine halsbrecherische Flucht durchs ganze Land, die Verfolger im Nacken ...
Mit seinem unvergleichlich witzig-ironischem Stil begeistert Jonathan Stroud alle neuen und alten Fans. Die actionreichen und rasanten Abenteuer der »Outlaws« entführen in eine faszinierende Welt und garantieren spannende Lesestunden.
Jonathan Stroud wurde in Bedford geboren. Er arbeitete zunächst als Lektor. Nachdem er seine ersten eigenen Kinderbücher veröffentlicht hatte, beschloss er, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Er wohnt mit seiner Frau Gina und den gemeinsamen Kindern Isabelle, Arthur und Louis in der Nähe von London.
Kapitel 3
Das Geheimnis jedes erfolgreichen Outlaws lautete: Immer auf dem Sprung sein. Keine Bindungen, keine Verpflichtungen. Hast du eine Stadt ausgeraubt, mach dich sofort auf den Weg in die nächste. Stürz dich bereitwillig wieder in die Wildnis. Schau nie zurück. Denn genau das unterscheidet dich von den Dummköpfen in ihren kleinen Häusern, die sich hinter ihren Mauern verschanzen. Der Wald birgt zu viele Gefahren. Sie jagten einen nie besonders weit.
Die Verfolger aus Cheltenham hingegen waren hartnäckiger als Scarlett McCain erwartet hatte.
Sie hatte sich am Waldrand versteckt und beobachtete durchs Fernglas, was sich auf der Straße tat. Die Suchtrupps schwärmten nun aus. Fährtenleser mit Gewehren, Milizionäre mit Bowlerhüten und Typen mit großen, schwarzen Suchhunden. Scarlett hatte keine Ahnung, wie die Hunde die Spur eines Fahrrads aufnahmen, aber sie machten ihre Sache überraschend gut. Alle Beteiligten wirkten zielstrebig, forsch und wild entschlossen. Die Genossenschaftsbank Cheltenham war ihre Bank, Scarlett hatte ihr Geld gestohlen. Sie würden sich bestimmt ein gutes Stück in den Wald hineinwagen, ehe es dunkel wurde.
Das war wiederum der Nachteil, wenn man einen Überfall um die Mittagszeit verübte. Dann dauerte die Verfolgungsjagd immer etwas länger als üblich.
Aber das ging schon in Ordnung. Das Fahrrad lag von Wasser bedeckt in einem Graben, die Kohle war in ihrem Rucksack und der Rucksack wieder auf ihrem Rücken. Sie hatte alles, was sie brauchte, nichts hielt sie auf. Sie steckte das Fernglas ein und bahnte sich geduckt einen Weg durch den Farn in den schattigen Schutz der Bäume.
Die verstreuten Waldgebiete wurden nur hier und da am Rande bewirtschaftet. Scarlett kam an Holzfällerlagern vorbei, an Viehweiden, Obstwiesen und Bienenstöcken. Bewaffnete Posten hüteten Schweine, die unter den Obstbäumen in der Erde wühlten, Schäfer gingen dicht neben ihren Herden her und behielten das Dickicht stets wachsam im Auge. Scarlett huschte ungesehen an allen vorbei und gelangte schließlich auf eine abgelegene, von der Sonne beschienene Wiese, wo auf einem bröckeligen Betonpodest die Strafpfähle der Stadt standen. Lose Ketten baumelten daran. Die Sonne drang durch die Wolken und tauchte die Bäume ringsum in ein sanftes goldenes Licht. Über der Lichtung hing eine düster-melancholische Stimmung. Scarlett spürte ein Ziehen im Magen, einen tiefen, fernen Schmerz der Erinnerung, den sie sich nicht eingestehen mochte. Weiter hinten hörte sie schon die Hunde jaulen. Sie tauchte wieder im Dickicht unter, ließ die Pfade von Cheltenham hinter sich.
In flottem Tempo stapfte sie auf dem sandigen Boden voran, stieg über am Boden liegende Äste und umgestürzte Bäume, ohne sich groß Mühe zu machen, ihre Spuren zu verwischen. Zwischendurch schaute sie immer wieder auf den Kompass an ihrer Gürtelkette. Ihr nächstes Ziel war die Stadt Stow im Nordosten, unweit der Grenze zu Mercia. Wenn sie sich von den Straßen fernhielt, müsste sie die Sicherheitszone vor der Stadt eigentlich am frühen Nachmittag des nächsten Tages erreicht haben. Dass sie die Nacht im Wald verbringen musste, machte ihr nichts aus. Es war beileibe nicht das erste Mal, und bis jetzt hatte sie es immer überlebt.
Nach einer Stunde im Wald kam sie in eine tote Zone. Hier waren die Baumstämme mit schwarzem Schimmel überzogen, ein beißender Aschegeruch lag in der Luft. Auf manche Steine waren primitive Symbole gezeichnet, Tierschädel waren in Spalten geklemmt und manche Äste mit verblassten blauen Strichen bemalt. Die Markierungen schienen zwar alt, trotzdem war Vorsicht angesagt. Scarlett spitzte die Ohren, hörte Tiere im Unterholz rascheln und über sich Vögel singen. Sie entspannte sich. Wenn sich die Tiere so unbekümmert verhielten, war es unwahrscheinlich, dass Gezeichnete in der Nähe waren.
Nach einer weiteren Stunde – die Bäume ringsum waren jetzt grün, die Luft sauber –, verlangsamte sich ihr Tempo. In Gedanken sah sie schon die Annehmlichkeiten von Stow vor sich: Kneipen, Spieltische und warme Mahlzeiten. Als Erstes würde sie ihre Schuld bei der Bruderschaft der Hand begleichen, danach konnte sie sich amüsieren. Bis dahin war sie in der Wildnis auf sich gestellt, aber genau so hatte Scarlett McCain es gern. Von den Hunden war nichts mehr zu hören. Anscheinend hatte sie die Suchtrupps abgehängt. Wenn sie den Wölfen und anderen Gefahren aus dem Weg ging, hatte sie nichts zu befürchten.
Da entdeckte sie den Bus.
* * *
Als Scarlett aus einer von Farnkraut überwucherten Schlucht trat, sah sie über sich eine befestigte Straße, die den Wald durchschnitt. Vermutlich handelte es sich um die Verbindungsstraße zwischen Cheltenham und Evesham im Norden. Der steile Hang zog sich fast bis auf Höhe der Baumkronen, aber ihr Blick wurde vom Fuß der Böschung angezogen, wo ein verunglückter Überlandbus lag. Seine zerbeulte Flanke zeigte zum Himmel.
Scarlett konnte erkennen, wo er in einer Kurve ins Schleudern geraten und die Pfosten der Befestigung durchbrochen hatte, bevor er auf dem Dach den Abhang heruntergerutscht war. Er hatte eine breite schwarze Schneise im Unterholz hinterlassen, etliche Steine waren von der Wucht des Aufpralls mitgerissen worden. Kurz vor dem Fuß des Hügels war der Bus dann erneut gegen ein paar Felsen geprallt, hatte sich noch einmal überschlagen und war auf der Seite liegen geblieben, mitten in einem kleinen Bach. Jetzt präsentierte er Scarlett seine schwarze, glänzende Unterseite auf fast obszöne Weise. Die Räder drehten sich nicht mehr, in der kleinen Waldsenke herrschte tiefe Stille. Eine dünne Ölspur schlängelte sich unter dem Wrack hervor und trieb sanft wirbelnd und in der Sonne schimmernd auf dem Wasser. Links und rechts der Karosserie schwirrten Fliegenschwärme wie leicht im Wind wehende schwarze Spitzengardinen. Es gab aber keinen Wind, und von den Fliegen abgesehen kein Anzeichen von Leben. Trotzdem rührte sich Scarlett McCain nicht von der Stelle und schaute aus dem Farnschatten den auf und ab wogenden Fliegen zu.
Etwas leuchtend Blaues blitzte nahe dem Wasser auf. Ein Eisvogel sauste über den Bach und verschwand zwischen den Bäumen. Scarlett verließ das Unterholz und ging zu dem Bus hinunter, der wie ein verwundetes Tier dalag: ein großes, dummes, unglückseliges Ding.
In der Flanke, die gen Himmel zeigte, klaffte ein großes Loch. Am dessen Rändern war das Metall aufgebogen wie die Blütenblätter einer eisernen Blume.
Es roch nach Benzin und Blut.
Scarlett blieb stehen. Das ölige Wasser schwappte gegen ihre Stiefelkappen. Wieder spitzte sie die Ohren. Nur das Brummen der Fliegen und das teilnahmslose Plätschern des Baches waren zu hören. Das Bachufer war auf beiden Seiten mit zerrissenen, blutverschmierten Kleidungsstücken übersät, die lehmige Erde von riesigen Pfoten zerwühlt. Sie sah deren Abdrücke im Uferschlamm, über blutige Schleifspuren krochen wimmelnde Schmeißfliegen. Die Pfotenspuren führten am Ufer hinauf und verloren sich zwischen den Bäumen.
Das Fahrzeug war ein Reisebus der Firma Wessex Landsmann und gehörte zu den Linien, die die befestigten Städte miteinander verbanden. Da das Blut auf dem Boden nicht mehr frisch war, musste der Unfall mindestens einen Tag her sein. Womöglich hatten ein paar überlebende Fahrgäste herausklettern können, bevor die wilden Tiere aus dem Wald gekommen waren, aber ganz gewiss nicht alle.
Auf jeden Fall waren sie inzwischen nicht mehr hier und hatten ihre Besitztümer zurückgelassen.
Scarlett schob die Hand unter ihre Haare und kratzte sich den Nacken, dann schätzte sie den Stand der Sonne ab. Die Tiere, die den Bus geplündert hatten, würden nicht vor Anbruch der Dunkelheit zurückkommen, und es war erst Nachmittag.
Sie zog sich an der Seitenwand des Fahrzeugs hoch und balancierte zu dem großen, ausgefransten Loch. Durch die Fenster unter ihren Füßen sah sie zerrissene Sitze, Koffer, Kleidung – ein blutiger Müllhaufen. Das Fressgelage hatte zum Teil auch im Innenraum des Busses stattgefunden. Bären oder vielleicht auch Wölfe waren ihrem Überlebenstrieb gefolgt und hatten ihren Hunger gestillt. Erst als sie satt gewesen waren, hatten sie die übrigen Leichen weggeschleift.
Als Scarlett vor dem Krater stand, blieb sie stehen und dachte darüber nach, was das nach außen gebogene Metall zu bedeuten hatte. Die Buswand war von innen aufgerissen worden … Doch als sich drinnen nichts rührte, ließ sie sich vorsichtig durch die Öffnung hinunter, baumelte kurz wie ein Pendel in der Luft und ließ sich dann fallen.
Ihre Jacke blähte sich, aber sie landete geschmeidig auf den Füßen. Durch die Fensterreihe über ihr strömte mattgelbes Tageslicht, von Staub und Tod gesättigt. Alles im Bus war um neunzig Grad gekippt. Die Lehnen der Doppelsitze, die ihr seitlich entgegenragten, erinnerten mit ihren dunklen Nischen an große Bienenwaben. Eine Sitzreihe befand sich unten, die andere hing über Scarletts Kopf. Überall lagen Schuhe, Kleidungsstücke und Handgepäck verstreut, das erst durch den sich überschlagenden Bus geschleudert und später von Krallen zerfetzt worden war.
Auf den ersten Blick entdeckte Scarlett nichts Interessantes, aber nach zehn Minuten gründlicheren Suchens hatte sie mehrere Gepäckstücke geöffnet und einiges Nützliches gefunden: drei Dosen Büchsenfleisch, eine mit Schokopudding, eine Dynamo-Taschenlampe und zwei zerlesene, mehrfach geklebte Bücher. Weil Scarlett lesen konnte, wusste sie um den Wert von Büchern. Sie würden auf den Jahrmärkten von Mercia einen guten Preis erzielen....
Erscheint lt. Verlag | 13.4.2021 |
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Reihe/Serie | Die Scarlett-&-Browne-Reihe | Die Scarlett-&-Browne-Reihe |
Übersetzer | Katharina Orgaß, Gerald Jung |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Outlaws Scarlett and Browne #1 |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | ab 12 • ab 13 • ab 14 • Abenteuer • action • Bartimäus • eBooks • England / Großbritannien • Fantasy • Fantasy Neuerscheinung 2021 • Freundschaft • Jugendbuch • Jugendbücher • Kinderkrimi • Lockwood & Co. • London • Spiegel Bestseller-Autor • Urban Fantasy • Young Adult |
ISBN-10 | 3-641-26269-0 / 3641262690 |
ISBN-13 | 978-3-641-26269-3 / 9783641262693 |
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