Rico, Oskar und das Mistverständnis (Rico und Oskar 5) (eBook)
336 Seiten
Carlsen Verlag Gmbh
978-3-646-93325-3 (ISBN)
Andreas Steinhöfel wurde 1962 in Battenberg geboren. Er ist Autor zahlreicher, vielfach preisgekrönter Kinder- und Jugendbücher, wie z. B. »Die Mitte der Welt«. Für »Rico, Oskar und die Tieferschatten« erhielt er u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis. Nach Peter Rühmkorf, Loriot, Robert Gernhardt und Tomi Ungerer hat Andreas Steinhöfel 2009 den Erich Kästner Preis für Literatur verliehen bekommen. 2013 wurde er mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk ausgezeichnet und 2017 folgte der James-Krüss-Preis. Zudem wurde er für den ALMA und den Hans-Christian-Andersen-Preis nominiert. Andreas Steinhöfel ist als erster Kinder- und Jugendbuchautor Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Seine Serie über Rico und Oskar wurde sehr erfolgreich fürs Kino verfilmt. Zusätzlich zu seiner Autorentätigkeit arbeitet er als Übersetzer und Rezensent und schreibt Drehbücher. Seit 2015 betätigt er sich in seiner Filmfirma sad ORIGAMI als Produzent von Kinderfilmen.
Andreas Steinhöfel wurde 1962 in Battenberg geboren. Er ist Autor zahlreicher, vielfach preisgekrönter Kinder- und Jugendbücher, wie z. B. »Die Mitte der Welt«. Für »Rico, Oskar und die Tieferschatten« erhielt er u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis. Nach Peter Rühmkorf, Loriot, Robert Gernhardt und Tomi Ungerer hat Andreas Steinhöfel 2009 den Erich Kästner Preis für Literatur verliehen bekommen. 2013 wurde er mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk ausgezeichnet und 2017 folgte der James-Krüss-Preis. Zudem wurde er für den ALMA und den Hans-Christian-Andersen-Preis nominiert. Andreas Steinhöfel ist als erster Kinder- und Jugendbuchautor Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Seine Serie über Rico und Oskar wurde sehr erfolgreich fürs Kino verfilmt. Zusätzlich zu seiner Autorentätigkeit arbeitet er als Übersetzer und Rezensent und schreibt Drehbücher. Seit 2015 betätigt er sich in seiner Filmfirma sad ORIGAMI als Produzent von Kinderfilmen. Peter Schössow, Jahrgang 1953, gehört zu den renommiertesten deutschen Illustratoren. Nach seinem Studium an der Fachhochschule für Gestaltung in Hamburg arbeitete er unter anderem für Spiegel, Stern und »Die Sendung mit der Maus«. Darüber hinaus hat er eine Vielzahl von Kinderbüchern verfasst und illustriert, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde, unter anderem mit dem Troisdorfer Bilderbuchpreis und dem Deutschen Jugendliteraturpreis. Peter Schössow lebt in Hamburg.
Oskar war unten im Treppenhaus, auf dem letzten Absatz, von dem aus man in Mommsens Wohnung kann, aber auch raus in den Durchgang zum Hinterhaus. Halb lag er und halb lehnte er gegen die Wand. Porsche, der wie immer an mir vorbeigebrettert war, saß schon bei ihm, mit schräg gelegtem Kopf, einem hochgeklappten Ohr und Zunge raus. Wahrscheinlich überlegte er, seit wann Oskar im Flur übernachtete.
Wenn ich von oben komme und es eilig habe, springe ich immer über die letzten Stufen auf diesen Absatz runter, deshalb wäre ich um ein Haar auf Oskar gelandet. Ich sah ihn erst im letzten Augenblick und bremste erschrocken ab. Sein Schlüsselbund war ihm aus der Hosentasche gefallen, und seine schicke neue Entwässerungsflasche war davongerollt. Die Flasche hatte Lars ihm geschenkt, weil er fand, dass sein Sohn viel zu wenig trank und deshalb entwässerte und womöglich eines Morgens verschrumpelt wie eine alte Kartoffel in seinem Bett oder irgendwo in der Wohnung herumliegen würde.
Jetzt lag Oskar vor mir im Treppenhaus. Ich musste sofort an Fitzke denken, den wir letztes Jahr oben vor seiner Wohnung gefunden hatten, mausetot. Ich hatte seine Schulter angetippt, um zu sehen, ob er nicht vielleicht doch noch ein bisschen lebte. Bei Oskar war kein Antippen nötig, der lebte noch ziemlich lebhaft. Jedenfalls stöhnte er laut. Porsche klappte das eine Ohr runter und das andere hoch.
»Gehts dir okay?«, fragte ich.
Er stöhnte bloß weiter. Vermutlich hatte er auch die letzten Stufen runterspringen wollen und sich verhüpft. Hoffentlich war nichts gebrochen.
»Gebrochen ist nichts, aber es könnte was verstaucht sein«, sagte er, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Hilf mir mal bitte.«
Ich ging in die Knie, legte einen von seinen Armen über meine Schulter und drückte mich dann wieder hoch. Wie konnte ein so kleiner Junge bloß so schwer sein? Wenn ich früher, als Mama und ich noch im Zweiten wohnten, eine schwere Einkaufstasche schleppen musste, hatte ich genau hier unten, auf diesem ersten Treppenabsatz, vorsorglich immer was aus der Tasche geholt und gegessen, eine schokoladige Kleinigkeit zum Beispiel, um weniger Gewicht nach oben wuchten zu müssen. Aber aus Oskar konnte ich schlecht was rausbeißen.
»So ein Mist«, jammerte er. »Kannst du mich rauf in die Wohnung bringen?«
Ich schluckte runter, was ich eigentlich sagen wollte, nämlich dass ich es eilig hatte – dass eigentlich wir es eilig hatten. Stattdessen sagte ich: »Klar. Was issen überhaupt passiert?«
»Ach, bloß gestolpert.«
»Warum hast du nicht auf mich gewartet? Ich hab gerade eben bei euch geklingelt, aber du warst nicht da.«
»Stimmt, wo war ich bloß?«, sagte er und machte dabei diesen Oskar-Blick, mit leicht verdrehten Augen, was bedeutete, dass ich vor dem Mundaufmachen mal wieder zu wenig und zu langsam gedacht hatte. »Ach ja, genau – ich lag ja hier unten!«
»Aber warum –«
»Ich wollte draußen auf dich warten. Weil endlich mal wieder die Sonne scheint.«
Ein winziges Bingokügelchen löste sich in meinem Kopf, kullerte davon und dotzte sacht gegen die Innenseite meines Schädels, irgendwo hoch oben hinten. Etwas an der ganzen Situation stimmte nicht. Ich musterte Oskar, aber ich kam nicht drauf. Ich wartete, aber nach ein paar Sekunden zuckte das Bingokügelchen unverrichteter Dinge die Achseln.
Na dann.
Ich sammelte rasch den Schlüsselbund und die Entwässerungsflasche ein. Oskar half ordentlich mit, als ich ihn die Stufen raufwuppte, so schwer wars also gar nicht. »Los, du Hundeheuer, wieder rauf«, befahl ich Porsche, und er hoppelte vor uns her, beleidigt über diesen kürzesten Ausflug aller Zeiten.
Tatsächlich war es kein Wunder, dass das gute Wetter Oskar rausgelockt hatte. Es war der erste helle Tag draußen seit Beginn unserer Herbstferien, Sonne und blauer Himmel mit Schäfchenwolken, bei angenehmen T-Shirt-Temperaturen. Wir hatten schon gedacht, die kostbaren zwei Wochen würden komplett in Nebel und andauerndem Tröpfelregen versinken. Ein einziges Trauerspiel, war das Urteil von Frau Dahling gewesen, bei der ich immer mal wieder einen Abend verbrachte, um mit ihr fernzusehen, zum Beispiel Oliver Twist, das ist ein armer Waisenjunge, der total toll singen kann, obwohl er vor lauter Dauerhunger fast umfällt. Frau Dahling war dankbar, dass ich Zeit mit ihr verbrachte. Sie war ja nicht gern allein, und alleiner als im Moment gings nicht, denn ihr geliebter van Scherten war zurzeit ein Totalausfall, noch trauriger als das Herbstwetter. Er hatte es an den Nieren – das sind die Organe, die unser Pipi herstellen, und weil manche Leute sehr viel trinken, gibt es sie doppelt – die Nieren, nicht die Leute –, auch wenn sie betrunken alle Sachen doppelt sehen – die Leute, nicht die Nieren –, also auch sich selber im Spiegel.
Genau.
Jedenfalls, der van Scherten war von seinem Hausarzt zu einer Erholungskur nach Hessen geschickt worden. Hessen ist auf der Deutschlandkarte das mittlerste Bundesland von allen. Gleich nach der tränenreichen Abreise vom van Scherten haben Frau Dahling und ich uns einen Film darüber angeguckt und mussten leider erschreckt feststellen, dass Hessen vom Aussterben bedroht ist, denn es gibt dort den Vogelsberg. Aus irgendeinem Grund ist das aber kein einzelner Berg, sondern er setzt sich zusammen aus vielen kleinen Vulkanen, die jederzeit ausbrechen können. Deshalb leben die hessischen Menschen in Angst und Schrecken und Frau Dahling nun auch, denn der van Scherten hat sie immer noch nicht geheiratet, und falls er von lodernden Lavamassen oder brennenden Bergvögeln überwalzt wird, ist die zurückgebliebene Frau Dahling nicht mal eine richtige Witwe, sondern bloß eine traurige alte Metzgereifachverkäuferin, von denen es so viele gibt auf dieser Welt.
»Ich glaube, ein kalter Wickel wäre ganz gut«, sagte Oskar, als wir in seinem Zimmer ankamen. Er hockte sich umständlich aufs Bett und stöhnte dabei ein bisschen. »Es ist Eis im obersten Fach vom Kühlschrank.«
Als Allererstes stellte ich Porsche in der Küche ein Schälchen mit Wasser hin, in dem er auch gleich lautstark herumschlabberte. Wenigstens war der Behälter mit den Eiswürfeln drin nicht festgefroren, stellte ich fest. Oskar hatte mir erklärt, wo ich einen kleinen Plastikbeutel finden würde, um die Eiswürfel reinzutun, aber da, wo er gesagt hatte, war keiner. Wenn ich nachhakte, würde er womöglich dieses Grinsegesicht ziehen, das er immer zog, wenn ich ihm gerade mal wieder zu tiefbegabt war. Das ist kein böses oder hämisches Grinsegesicht, eher so eins zum Mitgrinsen. Aber in letzter Zeit hatte ich zum Mitgrinsen immer weniger Lust. Irgendwann musste ich Oskar mal sagen, dass er das zukünftig lassen konnte.
Nach längerem Suchen fand ich endlich einen kleinen Plastikbeutel in einer Schublade. Ich kippte ein paar Eiswürfel rein, umwickelte den Beutel mit einem Küchenhandtuch und lief zurück in Oskars Zimmer. Da dauerte es noch mal ewig, bis Oskar damit zufrieden war, wie der Wickel ihm ans Bein passte, ohne dass es dabei lebensgefährliche Erfrierungen gab, und dann verbrachte ich weitere fünf Minuten damit, ihm eine Apfelsaftschorle zu mischen, und zwar im genau richtigen Mischungsverhältnis, wofür ich dreimal zurück in die Küche schlappen und dort wahlweise Wasser oder Saft nachfüllen musste, bis er endlich gnädigerweise einverstanden war. Porsche blieb schon nach dem ersten Küchengang bei Oskar, wo er sich am Fußende des Bettes zusammenrollte und ausruhte von seinem total stressigen Vormittag.
»Ah, danke, schon viel besser«, sagte Oskar, nachdem er einen tiefen Schluck Apfelsaftschorle geschlürft hatte. »Bloß … das Schwächegefühl geht davon nicht weg. Könntest du mir was zu essen aus dem Kühlschrank bringen?«
»Was denn?«
»Weiß nicht. Oder doch: einen Veggie-Burger. Den müsstest du nur kurz in der Pfanne heiß machen. Aber Moment – kannst du erst Musik anstellen? Gleich die erste Playlist.«
Lars hatte ihm ein Tablet geschenkt, gebraucht aus dem Internet, das mit zwei kleinen Lautsprecherboxen verbunden war. Die erste Playlist, das war Musik von einem toten Franzosen namens Eric Satie. Oskar nannte dessen Kompositionen ›Schneeflockenmusik‹, weil sie so kalt klangen, fast eisig. Angeblich hat der Satie einen an der Waffel gehabt. Er stellte merkwürdige Pläne auf, zum Beispiel für nach dem Aufstehen, Leibesertüchtigung von 7.32 Uhr bis 7.51 Uhr, gefolgt von Frühstück von 7.58 Uhr bis 8.17 Uhr, aber nichts dazwischen, sodass viele Musikwissenschaftler sich bis heute fragen, was der Satie in der Zeit von 7.51 Uhr bis 7.58 Uhr gemacht hat.
Das Geklimper ging los, und Oskar beschrieb mir, wo in der Küche die übrigen Zutaten für den perfekten Veggie-Burger zu finden waren. Bis ich ihm das Ding endlich servieren konnte, waren zwanzig Minuten vergangen. Na gut, etwas von der Zeit ging auch für den zweiten Burger drauf, den ich mir selber machte – wo man eh schon dabei war. Trotzdem wurde ich langsam unruhig, zumal Oskar nach dem Essen sagte: »Das tat gut. Aber trotzdem glaub ich nicht, dass ich es bis zum Spielplatz schaffe.« Er guckte auf sein Bücherregal. »Und wir müssen ja auch gar nicht, oder? Du könntest hierbleiben und mir was vorlesen.«
Na toll. Ich guckte lustlos ins Regal. Da standen Bücher mit komischen Titeln drin. Erst letzte Woche war Oskar erkältet gewesen, da hatte ich versucht, ihm aus Eine kurze Geschichte der Zeit vorzulesen. Es war das kürzeste Buch von allen im Regal,...
Erscheint lt. Verlag | 1.10.2020 |
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Reihe/Serie | Rico und Oskar | Rico und Oskar |
Illustrationen | Peter Schössow |
Zusatzinfo | mit farbigen Illustrationen |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Abschlussband • alleinerziehend • Berlin • Berlin Kinderbuch • Beste Freunde Jungs • Bestseller • Bestsellerserie • Buch für Jungs ab 10 • Buch für Kinder ab 10 • Buch Jungs 10 Jahre • Buch Krimi Kinder ab 10 • Detektiv Buch Kinder • Diebstahlstein • Dieffe • Freundschaft • Freundschaftsgeschichte • Gemeinschaft • Geschenk ab 10 • Geschenk für Junge • Geschenk für Jungs • Geschenk für Kinder • Geschenk für Kinder ab 10 • Großstadt • Herzgebreche • Hinterhof • Hochbegabung • Jugendliteraturpreis • Jungsfreundschaft • Kinderbuch Besteller • Kinderbuch Eifersucht • Kinderbuch über Freundschaft • Kinderbuch über Streit • Kinderkrimi • Nachbarn • Nachbarschaft • Preisgekrönt • Rico • Rico und Oskar • Solidarität • Steinhöfel • Streit • Tiefbegabung • Tieferschatten • witziges Kinderbuch |
ISBN-10 | 3-646-93325-9 / 3646933259 |
ISBN-13 | 978-3-646-93325-3 / 9783646933253 |
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