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Die Stimme aus dem Brunnen und mehr spannende Detektiv-Geschichten für Kinder ab 7 bis 12 Jahren -  Beate Täger-Fiedler

Die Stimme aus dem Brunnen und mehr spannende Detektiv-Geschichten für Kinder ab 7 bis 12 Jahren (eBook)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
140 Seiten
Verlag DeBehr
978-3-95753-796-6 (ISBN)
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Auf einer Wanderung im Gebirge entdecken Kinder ein schrecklich abgemagertes Pony. Und dann hören sie eine Stimme, leise wispernd, sie kommt aus einem alten Brunnenschacht. Ein versteckt liegendes Gehöft auf der Insel Läsö weckt die Neugier von Geschwistern - die Kinder entdecken bald ein schreckliches Geheimnis. Ein Segeltörn um Bornholm wird zu einem gefährlichen Unternehmen. Zwei Jungen verhindern die Entführung eines Mädchens. Eine verletzte Elchmutter und ihr Kalb müssen gerettet werden. Wilddieben wird das Handwerk gelegt. Zwei Freunde entdecken einen Räuber und seine versteckte Beute. Bei einer Strandwanderung auf der Insel Saaremaa finden Kinder geraubte Kraniche Ein hilfloser alter Einsiedler braucht einen Arzt. Ein kleines Flugzeug stürzt ab, die Insassen benötigen dringend Hilfe. An verschieden Urlaubsorten werden Kinder zu Detektiven und Helfern in der Not. Und so zu ganz besonderen Helden. Spannende Ferienerlebnisse für jung und alt.

 

Das rote Haus

 

Vergangene Nacht fuhr ich in Angstschweiß gebadet und schreiend aus einem Albtraum in die Höhe. Ich fühlte mich in jenes Haus zurückversetzt, das wir als Kinder in einem herrlichen Sommer auf Läsö, einer dänischen Insel mitten in der Ostsee, entdeckt hatten.

Ein dichter Dunstschleier verhüllte die untergehende rote Sonne, das Geschrei der in der Luft kreisenden Seevögel und das brausende tobende Meer hinter den Dünen erfüllte die Luft. In der Ferne wiegten sich die Kiefern und Buchen im steilen Westwind. In einiger Entfernung überlegte unsere Gruppe, das einsam gelegene Gehöft einmal in Augenschein zu nehmen. Mutig und voller Entdeckungsfreude liefen wir die Sandberge hinunter, dem verwunschen wirkenden Haus entgegen.

Plötzlich stand ich wieder in diesem dunklen Raum des modrig riechenden Hauses. Da, am Boden, zwischen Brettern und Gerümpel verscharrt, ragte eine Hand leblos und starr hervor.

Doch von Anfang an: Es war ein sonniger warmer Tag im Juni, und die Ferienzeit nahte. Dieses Jahr wollten wir vier Kinder mit den Eltern in Großvaters Haus auf der Insel Läsö den langersehnten Urlaub verbringen. Schon Tage zuvor erfüllte uns eine große Freude, und mit wahrer Begeisterung packten wir Koffer und Taschen, halfen der Mutter, wo wir konnten. Ohne Murren wurde das Haus von oben bis unten aufgeräumt und gesäubert, keine Arbeit war uns zu viel. Die Eltern wunderten sich sehr über unsere Bereitschaft, diese Pflichten zu übernehmen. Doch für uns bedeutete die Reise zu Großvater nach Läsö Freiheit, Sonne und Meer ohne jede Einschränkung.

An einem Sonnabend, die Sonne war noch nicht aufgegangen, wurden wir vier Kinder gegen drei Uhr morgens von Mutter geweckt. Bis auf Jella, unsere Jüngste, die mal wieder verträumt und müde herumlief, beeilten sich alle mit der Morgentoilette. Wir nahmen ein kurzes Frühstück ein, und schon bald verließen wir mit Vaters vollbeladenem Fahrzeug, die Stadt. Da wir vier kaum Platz auf der Rückbank hatten, bekam Jella einen Raum im Gepäckteil des VW-Variant.

„Bei der ersten Rast werden die Plätze getauscht“, entschied unser Vater schmunzelnd, der die ewigen Diskussionen und Streitereien aus dem Fond des Autos mithörte.                 

Für Jella hatte er ein richtiges Bett zum Liegen gebaut, das sie natürlich auch gleich nutzte. Beschützt und umgeben von Koffern, Taschen, Luftmatratzen, Bällen und Sandschaufeln träumte sie schon wieder vor sich hin. Ihr Haar hatte Mutter zu zwei Zöpfen geflochten, und in ihren blauen Augen spiegelten sich die ersten Sonnenstrahlen des frühen Morgens. Jella war glücklich in ihrem Nest im Gepäckteil des Autos.

Jorin, mein elfjähriger Bruder, weißblond wie Jella, mit einem lustigen Ausdruck in seinen grauen Augen, meldete sich zu Wort: „Der Nächste für den Liegewagen bin ich, Papa!“

„Du musst dich immer vordrängen“, maulte Hilger. „Mama, teile du die Reihenfolge ein“, entrüstete er sich. Hilger hatte die dunklen Haare von Vater geerbt, seine braunen Augen blickten gerade ziemlich wütend. Von uns vier Kindern war er der Temperamentvollste. Unsere Mutter drehte sich lachend zu uns um und fuhr ihrem Sohn liebevoll durch das dichte Haar.

 „Wir machen ein Spiel beim nächsten Halten. Wer gewinnt, bekommt den Platz im Gepäckraum“, sagte sie.

„Ja, das ist gerecht“, meinten wir einstimmig.

„Wir nehmen eine Münze und werfen sie in die Luft. Wer zweimal die Zahl wirft, hat gewonnen“, schlug ich vor.

„Marett, das ist ein guter Vorschlag“, lachte unser Vater. Ich war mit meinen dreizehn Jahren das älteste von uns Kindern und gar nicht so erpicht auf dieses Eckchen im Kofferraum, denn wo sollte ich meine langen Beine lassen?

Unsere Fahrt verlief fröhlich, auch wenn es im Laufe des Tages recht heiß wurde. Wir fuhren bis Flensburg. Bis zur dänischen Grenze war es jetzt nicht mehr weit. Auch Jütland erwartete uns mit einem blauen wolkenlosen Himmel. Bald erreichten wir Frederikshafen und bekamen dort gerade noch rechtzeitig das Fährschiff nach Läsö. Nun konnten wir uns auf dem Schiff Bewegung verschaffen. Jeder Winkel wurde genutzt, um zu klettern und zu laufen. Nach eineinhalb Stunden kam Land in Sicht, unsere Insel tauchte im Abendrot auf. Der Hafen mit seinen kleinen Fischerbooten, ein Fährschiff, das noch beladen wurde, und dahinter die kleinen Häuser, vor deren Türen die Menschen auf ihren Bänken den Abend genossen. Hier oben im Norden wurde es im Sommer nicht richtig dunkel, und die  Sonne wärmte noch, obwohl es schon zweiundzwanzig Uhr war. Jella und Hilger entdeckten Großvater in seinem bunten Hemd und mit dem großen hellen Strohhut. Wir winkten und riefen alle durcheinander. Dann kam der Augenblick des Wiedersehens. Wie eine Kindertraube hingen wir an dem alten Mann. In seinem von Sonne und Wind gebräunten Gesicht leuchteten uns die fröhlichen blauen Augen entgegen. Unser Opa war Kunstmaler. Er lebte seit vielen Jahren auf Läsö, und unternahm nur in den Wintermonaten seine Reisen in wärmere Länder. Das weiße volle Haar umgab seinen Kopf wie eine Mähne. Er war mittelgroß und kräftig. Ich fühlte mich in seiner Nähe immer behütet.

„Willkommen, ihr Rasselbande“, rief er, und seine starken Arme umschlangen uns.

 „Nun lasst mich los, ich möchte eure Eltern auch begrüßen“, meinte er nach einer Weile lachend. „Theda und Björn, seid herzlich willkommen! Ich wünsche euch wunderschöne Ferientage. Es ist alles für euch vorbereitet.“

Großvater fuhr mit seinem Geländewagen voraus. Wir durchquerten die Insel, um an die Westküste zu kommen. Hohe Laubwälder in der Ferne zeigten uns an, dass wir bald unser Ziel erreichten. Vereinzelte Ansiedlungen von zwei, höchstens drei Häusern bildeten inmitten der herrlichen Dünenlandschaft einen kleinen Ort. Die Fischerkaten hatten tief heruntergezogene Dächer und waren mit Seetang gedeckt. Diese Meerespflanzen sind Seegrasgewächse mit schmalen grasartigen Blättern, sie wurzeln im Meeresboden. Die Menschen auf Läsö trockneten die Pflanzen und benutzten sie als Polster für ihre Dächer. Eingebettet, geduckt zwischen den Sandbergen, wirkten die Häuser, als hätten sie dicke Pudelmützen auf. Die Gebäude waren lang und schmal gebaut und hatten kleine Fenster. Vereinzelt tauchten alleinstehende von Hecken und Zäunen umgebene Gehöfte auf. Dann erreichten wir unser Ferienziel.

Etwas höher, auf einer Düne gelegen, stand Großvaters Haus. Es schien mir, als ob es uns lachend empfing. In der untergehenden roten Sonne schimmerte das zottige Dach, aus dessen Polster Blumen wuchsen – wie ein lebender grüngrauer Panzer. Die letzten Strahlen des Lichtes brachen sich in den Scheiben der Fenster, und auf den Simsen wiegten sich die weißen Blumen im Wind.

Vor der Tür saß Ivo, Großvaters Hund. Samtweich glänzte sein helles Fell. Ivo kam uns wedelnd entgegengelaufen. Sechs erlebnisreiche Wochen lagen nun vor uns. Wie jedes Jahr erkundeten wir die Insel aufs Neue und entdeckten immer wieder unbekannte Vogelarten, fingen Brachsen, Dorsche, Goldbarsche und Flundern. Wir schwammen im Meer und lauschten den Geschichten, die uns Großvater erzählte.

Ganz besonders hatte es uns ein versteckt stehendes, hinter großen Dünen gelegenes Gehöft angetan. Es fiel durch die rote Farbe und die blauen Fenster und Türen auf. Der große verwilderte und mit einer Weißdornhecke umgebene Garten barg herrliche Köstlichkeiten in Form von Stachelbeeren, Johannisbeeren und dicken reifen Kirschen.

Jorin und Hilger waren als Erste in den Garten geschlichen und hatten sich die Bäuche mit Beeren gefüllt. Jella und ich beobachteten das Anwesen. Falls ein Bewohner die Jungen entdeckte, sollten wir sie warnen.

„Ihr könnt ruhig kommen“, rief Hilger uns zu. „Ich glaube, da ist niemand im Haus!“

Also wurden wir mutig und aßen von dem herrlichen Obst. Am Abend klagten wir alle über Leibschmerzen und mussten unsere Obstmauserei eingestehen.

„Wo seid ihr gewesen?“, fragte Großvater noch einmal. Da keiner von uns Großen eine Antwort gab, begann Jella zu plaudern.

„Ach Opa, reg dich nicht auf, wir haben bloß Obst gegessen aus dem Garten vor einem roten Haus.“

„Vor einem roten Haus?“, wiederholte er.

„Das ist der Hof des alten Kapitän Fulko. Er lebte dort mit seiner Tochter. Eines Tages verschwand er sang- und klanglos. Kein Mensch weiß, wohin er ging, man sah ihn nie wieder. Seine Tochter ist Lehrerin und unterrichtet in der einzigen Schule auf der Insel. Seit einiger Zeit wohnt sie in Byrum, ganz in der Nähe des Schulhauses. Der Landwirtschaftsgehilfe Roule versorgt die Tiere auf dem Hof. Soweit ich weiß, wohnt Roule jetzt allein da draußen.“

„Aber Opa, es ist doch alles so verwildert. Wir haben niemanden gesehen“, stellte Jorin fest.

„Jorin, wir sind doch nicht im Haus gewesen. Vielleicht hat uns der Roule beobachtet und verhaut uns das nächste Mal wegen des Beerendiebstahls“, warf ich ein.

„Ich habe mich schon oft gefragt, wo Kapitän Fulko geblieben ist. Früher kam er mich öfter mal besuchen und erzählte die tollsten Erlebnisse aus seinem Seefahrerleben. Seinen Schilderungen nach hatte er viel Geld verdient und konnte nun hier in Ruhe leben. Als ich ihn das letzte Mal...

Erscheint lt. Verlag 20.7.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch
ISBN-10 3-95753-796-7 / 3957537967
ISBN-13 978-3-95753-796-6 / 9783957537966
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