Rasmus, Pontus und der Schwertschlucker (eBook)
240 Seiten
Verlag Friedrich Oetinger
978-3-96052-132-7 (ISBN)
Astrid Lindgren (1907?-?2002), in Südschweden geboren und aufgewachsen, hat so unvergessliche Figuren wie Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, Ronja Räubertochter und viele andere mehr geschaffen. Die 'wunderbarste Kinderbuchautorin aller Zeiten' (DIE ZEIT) wurde u.?a. mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Horst Lemke (1922 - 1985), wurde in Berlin geboren. Kurz vor dem Abitur musste er die Schule wegen einer Goebbels-Karikatur verlassen. Dennoch konnte er von 1939 bis 1941 an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Berlin bei dem Grafiker Gerhard Ulrich studieren. Danach holten ihn erneut die politischen Verhältnisse ein und er wurde Soldat. Nach dem Krieg arbeitete er in Heidelberg als Werbegrafiker und als Illustrator für Buch- und Zeitschriftenverlage. Von 1957 bis zu seinem Tode lebte er in Brione, in der Nähe von Locarno/Schweiz. Horst Lemke hat vielen beliebten Kinderbüchern ihr Gesicht gegeben und unter anderem Texte von Max Kruse, Astrid Lindgren und James Krüss illustriert. Eine persönliche Freundschaft verband ihn mit Erich Kästner, dessen Kinderbücher - mit den Illustrationen von Walter Trier - Horst Lemke schon als Junge geliebt hatte. Nach dem Tod von Walter Trier 1951 illustrierte Horst Lemke Erich Kästners Kinderbücher, darunter die Autobiografie 'Als ich ein kleiner Junge war'. Horst Lemke wurde für den Hans-Christian-Andersen-Preis, eine der größten internationalen Auszeichnungen auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendliteratur nominiert und mit dem Lewis-Carroll-Shelf Award sowie dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Astrid Lindgren (1907 – 2002), in Südschweden geboren und aufgewachsen, hat so unvergessliche Figuren wie Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, Ronja Räubertochter und viele andere mehr geschaffen. Die "wunderbarste Kinderbuchautorin aller Zeiten" (DIE ZEIT) wurde u. a. mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Horst Lemke (1922 – 1985), wurde in Berlin geboren. Kurz vor dem Abitur musste er die Schule wegen einer Goebbels-Karikatur verlassen. Dennoch konnte er von 1939 bis 1941 an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Berlin bei dem Grafiker Gerhard Ulrich studieren. Danach holten ihn erneut die politischen Verhältnisse ein und er wurde Soldat. Nach dem Krieg arbeitete er in Heidelberg als Werbegrafiker und als Illustrator für Buch- und Zeitschriftenverlage. Von 1957 bis zu seinem Tode lebte er in Brione, in der Nähe von Locarno/Schweiz. Horst Lemke hat vielen beliebten Kinderbüchern ihr Gesicht gegeben und unter anderem Texte von Max Kruse, Astrid Lindgren und James Krüss illustriert. Eine persönliche Freundschaft verband ihn mit Erich Kästner, dessen Kinderbücher – mit den Illustrationen von Walter Trier – Horst Lemke schon als Junge geliebt hatte. Nach dem Tod von Walter Trier 1951 illustrierte Horst Lemke Erich Kästners Kinderbücher, darunter die Autobiografie "Als ich ein kleiner Junge war". Horst Lemke wurde für den Hans-Christian-Andersen-Preis, eine der größten internationalen Auszeichnungen auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendliteratur nominiert und mit dem Lewis-Carroll-Shelf Award sowie dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
In der Bankreihe ganz vorn am Fenster saß ein munterer, blauäugiger Junge mit strubbeligem Haar. Rasmus hieß er, Rasmus Persson, elf Jahre alt war er und der einzige Sohn des Polizisten Patrik Persson in Västanvik.
»Mein Rasmus ist der Liebling aller Lehrer«, sagte sein Vater zu jedem, der es hören wollte.
Doktor Fröberg, der Mathematiklehrer, schien es nie gehört zu haben, sonst hätte er wohl nicht an diesem sonnigen Maitag mit dem Liebling aller Lehrer so geredet, wie er es tat. Es war in der ersten Klasse der alten Realschule von Västanvik.
»Kleiner Lümmel … ja, ja, du, Rasmus Persson!«
Rasmus schnellte aus der Bank hoch und schaute seinen Lehrer schuldbewusst an.
»Weshalb hast du Stig deinen Kaugummi an den Kopf geworfen? Findest du, dass sich das mitten in der Stunde gehört?«
Rasmus hätte antworten können, weil Stig ihm mitten in der Stunde mit seinem Lineal in die Rippen gepikt hat, müsse die Bestrafung auch während des Unterrichts erfolgen, da half alles nichts. Aber er schwieg.
Stig war so vernünftig gewesen, darauf zu achten, dass der Lehrer vorn an der schwarzen Tafel mit dem Rücken zur Klasse stand. Nun saß er auf seiner Bank und tat sehr brav und fleißig.
»Na«, sagte Doktor Fröberg, »bekommt man vielleicht eine kleine Erklärung, weshalb du Stig mit Kaugummi bombardierst? Irgendeine Erklärung wird es doch wohl geben?«
»Ich hatte nichts anderes«, murmelte Rasmus. »Das Tintenfass hab ich mich nicht getraut zu nehmen.«
Doktor Fröberg nickte nachdenklich.
»Tatsächlich nicht? Hoffentlich hat dich nicht mein bisschen unwesentlicher Mathematikunterricht daran gehindert? Du musst doch schließlich das Recht haben, mit Tintenfässern zu schmeißen, wenn du Lust hast.«
»Ja, aber ich brauche es in der nächsten Stunde, dann haben wir Rechtschreibung«, murmelte Rasmus. Doktor Fröberg war sein Lieblingslehrer, aber er war unangenehm, wenn er ironisch wurde. Dann wusste man nicht, ob er wollte, dass man im selben Ton antwortete oder dass man schwieg und alles hinnahm.
Doktor Fröberg nickte wieder.
»Aha, sieh mal einer an. Dann solltest du dir jetzt draußen auf dem Flur eine kleine Ruhepause gönnen, finde ich, sonst hast du in der nächsten Stunde vielleicht keine Kraft, mit Geschossen um dich zu werfen. Rechnen kannst du ja dann ruhig an einem anderen Tag.«
Rasmus ging gehorsam zur Tür. Es war nicht das erste Mal, dass er hinausgeworfen wurde. Die Lehrer hatten eine sonderbare Neigung, ihren Liebling hin und wieder vom Unterricht auszuschließen.
Pontus zwinkerte ermunternd, als Rasmus an seiner Bank vorüberkam. Und Rasmus zwinkerte zurück. Pontus war sein Freund und treuer Begleiter durch dick und dünn. Liebend gern wäre er Rasmus in die Verbannung gefolgt, das merkte man.
Aber diese Ruhepausen draußen auf dem Flur sollte man dazu verwenden, ein wenig über sich selber nachzudenken, behauptete Doktor Fröberg, und dazu musste man natürlich allein sein. Rasmus begriff nicht so recht, weshalb der Lehrer wollte, man solle über sich selber nachdenken. Da gab es schließlich manches, was mehr Spaß machte, und über Rasmus Persson gab es wirklich nicht viel nachzudenken, fand Rasmus. Aber wenn der Lehrer es nun einmal verlangte, konnte er ja ein bisschen nachdenken.
Der Flur war still und leer. Nur ein ganz, ganz leises Gemurmel drang aus den Klassenzimmern. Rasmus schwang sich auf die Fensterbank, wo er immer saß, wenn er hinausgeworfen worden war, und wo vermutlich im Laufe der Zeit ganze Generationen von Jungen gesessen und ihre Sünden bereut hatten. Er versuchte ehrlich, über sich selber nachzudenken, aber es war hoffnungslos uninteressant. Nachdem er herausgefunden hatte, dass er in Rechnen jämmerlich schlecht war und dass man anderen Leuten keine Gegenstände an den Kopf werfen dürfe und dass er Stig eigentlich gleich mit dem Tintenfass hätte bewerfen müssen – als er dies alles eingesehen hatte, schwenkten seine Gedanken in eine andere Richtung ab. Dies Gemurmel aus den verschiedenen Klassenzimmern, wenn man das nun in einem Verstärker auffangen und dann wieder in eine Art Verteiler hineinstopfen könnte, sodass es in lauter kleine Stückchen zerfiele und ’ne ganze Masse deutsche Präpositionen, Rüssel- und Borkenkäfer und Nebenflüsse da herauspurzeln würden! Eigentlich sollte es nicht unmöglich sein, so etwas wie einen feineren Gelehrsamkeitsapparat zu erfinden, der mit all diesem Mumpitz vollgepfropft wäre, den man nach Ansicht der Lehrer wissen müsste, so ’ne Art Pumpe, die einem jeden Morgen eine genügende Menge Gelehrsamkeit in den Schädel pumpte. Dann wäre man für den Rest des Tages frei und könnte sich ein bisschen amüsieren.
Er warf einen langen Blick in die Freiheit und auf den klaren Maitag draußen vor den Mauern des Schulhauses. Die Sonne schien über der Stadt, und es war Mai, die Zeit des Flieders. Da war es selbst in Västanvik schön. Wo man auch ging, überall gab es eine Flut von Flieder. Auch die Kastanien blühten jetzt gerade, und alle Gärten des Ortes quollen von rosa und weißen Apfelblüten über, unter denen die hässlichen kleinen Häuser verschwanden wie Tortenstücke unter Schlagsahne. Sogar die Polizeiwache, die Rasmus von seinem Fenster aus sehen konnte, war richtig heimelig, mit blühendem Geißblatt überwachsen, und sah gar nicht so Schreck einflößend aus, wie man es von einer Polizeiwache erwartete. Hätte er nun ein Fernglas gehabt, dann hätte er beinahe seinen Vater drinnen in der Revierstube sehen können. Nein, so starke Ferngläser gab es wohl nicht, und ein Glück war das, sonst hätte sein Papa wohl auch eins gehabt, und in diesem Augenblick hielt Rasmus es für das Beste, dass die väterlichen Augen ihn nicht erreichten.
Er sah auf die Straße hinunter. Dort wäre er gern gewesen. Heute war Frühjahrsmarkt und viele Leute waren unterwegs. Es war wirklich ein Elend, dass man hier saß, während man so viel unternehmen könnte, wenn man freihätte. Zu allem Überfluss ertönte jetzt von weit her Musik. Es war ein Blasorchester, das auf dem Marktplatz spielte, festliches Geschmetter, durch das der Sonnenschein noch blanker wurde und der blaue Himmel noch fröhlicher. Alle Kinder auf der Straße liefen sofort in Richtung Marktplatz wie eine Herde Kälber, die von einem Schwarm Bremsen verfolgt werden. Klar, die Volksschule hatte heute frei! Rasmus’ Gemüt war von Gram erfüllt. Zu spät sah er ein, dass er hätte in der Volksschule bleiben und sich nicht verleiten lassen sollen, in der Realschule anzufangen. Er merkte plötzlich, wie herzlich wenig er sich aus allen höheren Lehranstalten und aus allen Lehrern machte. Sie waren nichts als Gefängnisaufseher, die einen daran hinderten, seinen Spaß zu haben.
Aber jetzt war er ungerecht. In der Lehrerzunft gab es auch edle Männer.
Der alte, gütige Direktor der Realschule von Västanvik hatte sicherlich auch gemerkt, dass die Maisonne mit seltener Klarheit schien und dass Jahrmarkt in der Stadt war. Und daher war ihm der allerglücklichste Einfall gekommen. Gerade während Rasmus so dasaß, das Herz voller Ungerechtigkeit gegen die ganze Lehrerschaft, beschloss der Direktor, Boten in die verschiedenen Klassenzimmer zu schicken, Boten mit folgenden wunderbaren Worten, auf einen kleinen Zettel gekritzelt mit der steilen Handschrift des Direktors: »Wegen des schönen Wetters heute die beiden letzten Stunden frei.«
Die, die den unteren Klassen den Bescheid überbrachte, war niemand anderes als Prick, Rasmus’ große Schwester. Sie war sechzehn Jahre alt und ging ins Gymnasium, aber jetzt kam sie den Flur der Realschule entlanggelaufen, dass der blonde Pferdeschwanz wippte. Rasmus hoffte, er sehe eine Erscheinung. Große Schwestern waren so ungefähr die Letzten, denen man begegnen wollte, wenn man hinausgeworfen worden war. Aber Prick war so wirklich wie nur möglich, und sie hatte bereits bemerkt, dass die Gestalt in blauer Leinenhose und kariertem Hemd, die dort auf der Fensterbank saß und sich bemühte, harmlos auszusehen, niemand anders war als der Herzensbruder, den sie so sehr liebte und mit dem sie sich so oft zankte.
»Was tust du hier?«, fragte Prick streng.
»Ich bin rausgegangen, um mich zu rasieren«, sagte Rasmus. »Und du?«
Prick warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
»Gib nicht so an! Was machst du hier? Antworte!«
»Ich denke«, sagte Rasmus. »Ich sitze einfach nur da und denke. Befehl vom Doktor.«
Prick machte ein erstauntes Gesicht.
»Soo? Woran denkst du denn, wenn ich fragen darf?«
»Geht dich nichts an«, sagte Rasmus. »Ich denke jedenfalls nicht an Joachim, wie gewisse andere Leute es morgens, mittags und abends tun.«
Prick schnaubte und verschwand im Klassenraum der Ersten. Kurz darauf hörte Rasmus ein mächtiges Grölen von dort drinnen, einen gewaltigen Jubel, und im selben Augenblick läutete die Schulglocke. Das Getöse wurde stärker und aus allen Klassenräumen strömten Horden von Jungen. Sie drängten zum Ausgang und in die Freiheit mit dem gleichen eisernen Eifer wie Schiffbrüchige zum Rettungsboot: Hier kam es auf jede Sekunde an! Aber Rasmus blieb unschlüssig stehen. Er wagte nicht zu gehen, bevor der Lehrer sich geäußert hatte.
Und Doktor Fröberg, der jetzt aus der Klasse kam, machte halt, als er den Sünder erblickte, der mit reuevoller Miene dastand. Er zupfte Rasmus am Ohr.
»Na?«, sagte er.
Rasmus gab keine Antwort, aber Doktor Fröberg las in seiner Jungenseele, wie inbrünstig er sich von hier wegsehnte. Und da der Lehrer ein weiser Mann war, schmunzelte er gütig und sagte:
»Lassen wir also die Gefangenen frei … es ist Frühling!«
Und da standen sie...
Erscheint lt. Verlag | 16.5.2019 |
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Illustrationen | Horst Lemke |
Übersetzer | Thyra Dohrenburg |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Astrid Lindgren • beste Freunde • Diebe • Einbrecher • Falle stellen • große Schwester • Kinderkrimi • Kinderliteratur • Klassiker • Krimi • Spannung • Verliebt sein |
ISBN-10 | 3-96052-132-4 / 3960521324 |
ISBN-13 | 978-3-96052-132-7 / 9783960521327 |
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