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Rodrigo Raubein und Knirps, sein Knappe (eBook)

Fachbuch-Bestseller
Rittergeschichte für Fans von Jim Knopf
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
204 Seiten
Thienemann Verlag GmbH
978-3-522-61093-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Rodrigo Raubein und Knirps, sein Knappe -  Michael Ende,  Wieland Freund
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Ein fulminantes Märchen und Ritterabenteuer von Michael Ende und Wieland Freund, für Kinder ab 6 Jahren. Knirps ist überzeugt, dass ein echter Raubritter in ihm steckt. Deshalb will er auch unbedingt beim berüchtigten Rodrigo Raubein in die Lehre gehen! Doch der fordert zunächst eine Mutprobe von ihm. Voller Tatendrang plant Knirps einen Prinzessinnenraub, kann es Gefährlicheres geben? Er ahnt nicht, dass ein viel mächtigerer Bösewicht als er es auf die Prinzessin abgesehen hat. 'Rodrigo Raubein', von Michael Ende als Romanfragment veröffentlicht und nun, 20 Jahre nach seinem Tod, von Wieland Freund vollendet.

Michael Ende (1929-1995) zählt zu den bekanntesten deutschen Schriftstellern. Neben Kinder- und Jugendbüchern schrieb er poetische Bilderbuchtexte und Bücher für Erwachsene, Theaterstücke und Gedichte. Viele seiner Bücher wurden verfilmt oder für Funk und Fernsehen bearbeitet. Für sein literarisches Werk erhielt er zahlreiche deutsche und internationale Preise. Seine Bücher wurden in mehr als 50 Sprachen übersetzt und haben eine Gesamtauflage von über 35 Millionen Exemplaren. Wieland Freund wurde 1969 geboren, gerade rechtzeitig, um als Zehnjähriger 'Die unendliche Geschichte' zu lesen. Er studierte Germanistik und Anglistik und blieb  Michael Ende treu. Zu Wieland Freunds bekanntesten Romanen für Kinder zählen 'Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts', 'Törtel' und 'Wecke niemals einen Schrat!'.  Für 'Krakonos' wurde er zuletzt mit dem Rattenfänger-Literaturpreis ausgezeichnet und für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.

Drittes Kapitel


in welchem der Raubritter Rodrigo Raubein beinahe einen Knappen bekommt

Aber Raubritter Rodrigo Raubein war keineswegs verreist. Er verreiste überhaupt nie, und er ging auch nie aus, um Besorgungen zu machen. Nein, er war zu Hause und hatte das Klopfen durchaus gehört. Aber er wollte um keinen Preis öffnen.

In Wahrheit war Rodrigo Raubein nämlich alles andere als das, was die Leute glaubten. Zwar war er tatsächlich fast zwei Meter groß und von hünenhafter Gestalt und sein Gesicht umrahmte ein struppiger schwarzer Vollbart, aber das war nur äußerlich. In Wirklichkeit konnte er keiner Fliege etwas zuleide tun. Wie man so sagt: Er hatte das Aussehen eines bösen Fleischerhundes und die Seele eines Gänseblümchens.

All die Geschichten über seine fürchterliche Wildheit und Ruchlosigkeit waren nur Gerüchte, die er selbst unter die Leute gebracht hatte. Und die hatten sie, natürlich mit eigenen Ausschmückungen, weitererzählt. Das war ihm nur recht, denn er legte Wert auf einen möglichst schlechten Ruf. Aber alles das war nur Tarnung, hinter der er sich versteckte, um in Ruhe gelassen zu werden.

Rodrigo Raubein war nämlich nicht nur ein zart besaiteter, sondern auch ein sehr ängstlicher Mensch. Das Leben schien ihm voller Gefahren und die Welt voller Bösewichter, die alle nur darauf aus waren, ihn zu überfallen, auszurauben oder gar totzustechen. Davon konnte man sie nur abhalten, meinte er, wenn man ihnen noch mehr Angst machte, als man selber hatte. Und tatsächlich war es ihm durch diese Methode gelungen, bisher ein ziemlich ungestörtes, wenn auch recht einsames Leben zu führen.

Es hatte ihn jahrelange Arbeit gekostet, all die Kreuze und Grabsteine selber zu machen und aufzustellen. Darunter lag überhaupt niemand und hatte auch nie jemand gelegen. Die Gerippe und Knochen und Totenschädel stellte er aus Gips und Lehm in einer Werkstatt her, die er sich eigens dafür eingerichtet hatte.

Leider waren diese bildhauerischen Meisterwerke nicht besonders haltbar. Im Regen und Schnee weichten sie oft auf oder zerbröselten, dann musste er die Sachen tagelang reparieren oder ganz neu basteln, musste verblasste Inschriften nachmalen oder Grabkreuze wieder aufrichten. Dabei durfte ihn natürlich niemand sehen, sonst wäre ja möglicherweise alles herausgekommen. Am besten hätte man die Angelegenheit also bei Dunkelheit erledigt. Das Problem war nur: Er gruselte sich selbst so sehr davor, dass keine zehn Pferde ihn bei Nacht vor die Burg hinausgebracht hätten. Nur bei strahlendem Sonnenschein wagte er sich ins Freie, um die notwendigen Reparaturen vorzunehmen.

Die Schauderburg hatte er übrigens von seinen Vorfahren geerbt, die tatsächlich ziemlich schlimme Raubritter gewesen waren. Als Letzter des Geschlechts bewohnte er sie nun allein, aber er benutzte nur einen ganz kleinen Teil davon. Die großen Rittersäle und Korridore und Treppen betrat er schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Er hatte die Türen abgeschlossen, weil er Angst vor Gespenstern hatte.

Im Hof der Burg zog er Kartoffeln und Gemüse und davon ernährte er sich. Er selbst wohnte in einem kleinen sonnigen Gemach im Südturm, dem einzigen, der noch halbwegs instand war. In diesem Zimmer stand sein Bett, in einem offenen Kamin kochte er sich seine Mahlzeiten, meistens Gemüsesuppe, und vor allem ging er hier seiner Lieblingsbeschäftigung nach, nämlich dem Züchten von Kakteen. Vor allem die kleinen kugelförmigen liebte er, als wären sie seine Kinder. Jede einzelne hatte ihren Namen und er konnte sie stundenlang zärtlich betrachten. Er fühlte sich ihnen innerlich verwandt, weil sie so anspruchslos und unscheinbar waren, vor allem aber, weil sie die schönsten und zartesten Blüten hervorbrachten, die man sich denken kann – wenn man sie durch sorgsame Pflege dazu bringen konnte, zu blühen, was allerdings jahrelange Geduld erforderte.

Zu den Dingen, die Rodrigo Raubeins zartem Gemüt am meisten zusetzten, gehörten Blitz und Donner. Während des schrecklichen Unwetters in der vergangenen Nacht hatte er die ganze Zeit aufrecht in den Kissen seines Bettes gesessen und bleichen Angesichts sein Ende erwartet. Er hatte seine Ritterrüstung angelegt, damit er wenigstens respektabel aussähe, falls er zu seinen Ahnen gerufen werden würde. Sein dickes Federbett hatte er bis zum Kinn hochgerafft und bei jedem Blitz zog er es sich ganz über Kopf und Helm. Als das Unwetter schließlich nachließ und abzog, war er – erschöpft, aber seinem gnädigen Schicksal dankbar – in die Kissen zurückgesunken, hatte aber keinen Schlaf finden können.

Und dann erscholl plötzlich das laute Klopfen am Burgtor. Herr Rodrigo Raubein fuhr aus seinem Dämmerzustand empor und sein schwarzer Bart sträubte sich vor Schreck. Noch nie, noch nie in all den Jahren, war es vorgekommen, dass jemand sich der Schauderburg zu nähern gewagt hätte. Und wer es zu dieser Nachtzeit und nach einem solchen Unwetter tat, konnte nur von der schlimmsten Sorte sein. Ein Überfall, das war Herrn Rodrigo klar. Er hielt sich mucksmäuschenstill, denn es war seine einzige Hoffnung, die mordlüsterne Horde dort draußen zu täuschen. Wenn er so tat, als ob’s ihn nicht gäbe, dann würden sie es vielleicht glauben und unverrichteter Dinge wieder abziehen.

Den Rest der Nacht verbrachte er damit, sich zu fürchten, als aber der Morgen kam, ohne dass das schreckliche Klopfen sich wiederholt hatte, schöpfte Rodrigo Hoffnung und zugleich übermannte ihn die Neugier. Er wollte nachsehen, ob vielleicht an irgendwelchen Spuren zu erkennen war, wer ihn da hatte besuchen wollen.

Er stieg die Wendeltreppe hinunter, ging über den Hof zum Tor und schob vorsichtig den dicken Eichenbalken zurück, der als Riegel diente. Knarrend öffnete sich der Torflügel einen Spalt und er lugte mit einem Auge hinaus, konnte aber nichts sehen. Doch dann wurde die Tür plötzlich von außen ziemlich unsanft aufgedrückt und Herrn Rodrigo blieb vor Verwunderung der Mund offen.

Was da hereinspaziert kam, war ein ziemlich durchnässter kleiner Junge in einem buntscheckigen Anzug und mit fuchsrotem, zerzaustem Haar. Er ergriff des Ritters riesige Pranke, schüttelte sie kräftig und sagte mit dem ernsthaftesten Gesicht von der Welt:

»Na endlich. Ihr habt offenbar sehr gut geschlafen. Guten Morgen, Herr Raubritter Rodrigo Raubein! Ich bin ab sofort Euer neuer Knappe. Ich heiße Knirps. Und außerdem hab ich ziemlichen Hunger. Wann gibt’s Frühstück?«

Danach nieste er einige Male laut und ungeniert.

»So, so«, sagte Rodrigo ziemlich verdattert. »Aha. Nanu. Wieso?«

»Ihr habt doch nicht etwa schon einen anderen Knappen?«, fragte Knirps.

»Nein«, antwortete Rodrigo, »nicht dass ich wüsste.«

»Eben«, stellte Knirps zufrieden fest, »also braucht Ihr mich.«

»Überhaupt nicht«, erwiderte Rodrigo. »Halt, hiergeblieben! Bleib stehen! Wo willst du denn hin?«

Knirps war schon an ihm vorbei in den Burghof gegangen und blickte anerkennend herum. »Hier gefällt’s mir«, sagte er. »Wo ist denn mein Zimmer?«

»Hör mal, Knirps«, rief Rodrigo, »mach, dass du wegkommst, und zwar sofort! Hier ist kein Spielplatz für Kinder, nein, ganz und gar nicht.«

»Stimmt«, sagte Knirps, »gerade deswegen gefällt’s mir ja hier.«

Und er nieste noch einmal.

»Könntest du vielleicht mal in eine andere Richtung niesen?«, meinte Rodrigo. »Wenn du erkältet bist, möchte ich mich nicht anstecken.«

»Macht Euch nur keine Sorgen um mich«, antwortete Knirps.

»Du solltest nach Hause gehen und Medizin nehmen«, schlug der Raubritter vor, »vielleicht bekommst du sonst Lungenentzündung.«

»Das macht mir überhaupt nichts«, erklärte Knirps und stieg die Wendeltreppe zu Herrn Rodrigos Gemach hinauf. Der Ritter hatte Mühe, ihm nachzukommen, und war schon außer Atem.

»Wer sind denn deine Eltern?«, wollte er wissen.

Knirps zuckte geringschätzig die Achseln. »Ach, die! Zu denen geh ich nicht zurück. Nie mehr.«

»Warum denn nicht?«

»Sie verstehen mich nicht. Sie sind so ehrbar und kleinkariert und eben richtige Spießer. Ich stamme nämlich aus dem Geschlecht der Grafen von Fadenzupf.«

»Nie gehört«, murmelte Rodrigo, »und was stört dich daran?«

»Immer heißt es ›Das schickt sich nicht‹ und ›Das darf man nicht‹ und ›Tu dies nicht‹ und ›Tu das nicht‹. Ich will das blöde Getue nicht mehr mitmachen. Immer brav sein ist schrecklich langweilig. Ich will lieber ein freier und überall gefürchteter Kerl sein, so wie Ihr, der Schrecken aller Reisenden und Ritter.«

»Na ja, also …«, warf Rodrigo ein, aber Knirps redete weiter:

»Ihr seid mein großes Vorbild, Herr Rodrigo Raubein. Alle haben immer zu mir gesagt: Wenn du so weitermachst, dann kannst du nur noch Raubritter werden. Und das werd ich eben jetzt.«

»Nun, das ist aber nicht so einfach«, versuchte Rodrigo zu widersprechen.

»Das weiß ich«, antwortete Knirps, »aber ich hab’s nun mal beschlossen, und daran ist nichts mehr zu ändern, weil ich nämlich einen enormen Dickkopf habe. Darf ich übrigens gleich ›du‹ und ›Onkel Roddi‹ zu dir sagen?«

»Nein«, schnaubte der Ritter, »auf keinen Fall!«

»Gut, Onkel Roddi«, fuhr Knirps ungerührt fort, »dann sind wir uns ja einig. Ich bin da und bleibe da. Jetzt bin ich Knirps, dein Knappe.«

Inzwischen waren sie in...

Erscheint lt. Verlag 15.1.2019
Illustrationen Regina Kehn
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Abenteuer • Der kleine Ritter Trenk • Die unendliche Geschichte • Drachen • Jim Knopf • Kinderbuch ab • Krakonos • Michael Ende • MOMO • Ritter • Wecke niemals einen Schrat • Wieland Freund • Wunschpunsch
ISBN-10 3-522-61093-8 / 3522610938
ISBN-13 978-3-522-61093-3 / 9783522610933
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