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Die Klappe aufmachen -

Die Klappe aufmachen (eBook)

Von Menschen, die sich einmischen
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
200 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-76194-1 (ISBN)
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(CHF 15,60)
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Wer kennt das nicht: Jemand zieht über andere her und wir ärgern uns. Aber wir bleiben stumm. Warum sagen wir nichts? Weil wir keinen Streit wollen? Oder aus Angst, uns könnten die Argumente fehlen? Vielleicht wollen wir aber auch schlicht nicht auffallen. In 18 Texten erzählen Menschen, wie sie sich kritischen Situationen stellen und Gespräche einfordern. Manche dieser Menschen sind mutig, andere neugierig - alle eint der Gedanke, dass jeder einzelne die Verantwortung hat, die Klappe aufzumachen. Friederike diskutiert mit Menschen in Russland • eine Klasse positioniert sich öffentlich gegen die Abschiebung zweier Mitschüler • Tobias hat den richtigen Moment für sein Coming-out gesucht • Sophie bietet eine Sprechstunde für sexuelle Aufklärung an • Georg beschäftigt sich professionell mit Gesprächstechniken • Katrin streitet für Europa • und viele andere persönliche Geschichten

Daniela Burger, 1969 geboren, hat vor vielen Jahren als ersten Rechner einen von ihrem Opa ausrangierten Atari bekommen und ist heute immer noch fasziniert davon, wie Computer unsere Welt erweitern. Ihre Vorliebe für Teppiche kann sie inzwischen mit einem Teppich-Mousepad ausleben. Sie arbeitet als selbstständige Grafikerin in Berlin. Zusammen mit Sonja Eismann und Chris köver gibt sie das Missy Magazine heraus.

Unseren Präsidenten küsst man nicht


von Friederike

In meinem – phasenweise verzweifelten – Versuch, Russisch einigermaßen ordentlich zu lernen, bereise ich nun seit mittlerweile 13 Jahren die Länder der ehemaligen Sowjetunion. Dabei bin ich in den unterschiedlichsten Ländern und auf die unterschiedlichsten Arten gereist; mit dem Flugzeug, dem Zug, als Reisebegleiterin von Wohnmobilreisen, auf eigene Faust ganz alleine oder in Gruppen im Rahmen von Austauschprogrammen.

Gegen den Strom schwimmen


Meine Gefühle sind währenddessen immer ambivalent geblieben, im Grunde könnte ich von einer Hassliebe sprechen, die mich nun seit so langer Zeit begleitet. Am Ende der Reise habe ich jedes Mal ganz dringend nach Hause gewollt, und sobald ich dann zu Hause mit meinen dreckigen Koffern angekommen bin, habe ich in Gedanken gleich wieder angefangen, die nächste Reise in den wilden Osten zu planen. Warum das so ist, weiß ich eigentlich selber nicht richtig, aber es zieht mich einfach nicht an weiße Strände unter Palmen in Thailand, der Schneematsch im Ural übt immer noch eine größere Anziehungskraft auf mich aus.

Meine Faszination liegt wohl zu großen Teilen in der Kommunikation mit den Menschen begründet. Denn dadurch, dass ich mich auf Russisch verständigen kann, bekomme ich einen Einblick in eine Kultur, der meiner Meinung nach viel tiefer geht, als es interkulturelle Erfahrungen ohne Gespräche je sein könnten. Vielleicht liegt das aber einfach daran, dass das Gespräch für mich persönlich einfach die beste Form des Austauschs ist.

Die versunkene Welt


Viele Länder der ehemaligen Sowjetunion wirken auf den ersten Blick kulturell gar nicht so weit entfernt von uns, man findet fast überall McDonald’s, Burger King und Sushi, es laufen die gleichen Filme im Kino und teilweise spielen die gleichen Bands, die Architektur ist größtenteils ähnlich, es fahren die gleichen Autos, wenn sie nicht gerade im fernen Osten das Lenkrad rechts haben. Die Menschen tragen ähnliche Moden und sehen einfach auch rein physisch meistens nicht so anders aus, sodass man sich als Reisender zunächst nicht fremd fühlt. Zumindest bleibt bei mir ein Gefühl von Exotismus, das man in Indien oder Kambodscha wohl empfindet, weitgehend aus.

Aber diese kulturelle Ähnlichkeit an der Oberfläche trügt: Im Alltag und im Kontakt mit den Menschen ist es für mich immer wieder faszinierend, wie groß die Unterschiede dann doch sind. Dabei habe ich eine Reihe von Gesprächen erlebt, die mich durchaus an Grenzen gebracht haben. Es gab viele Situationen, in denen ich schockiert und überfordert war. Situationen, in denen mir die Worte gefehlt haben und ich in meiner vermeintlichen Sicherheit erschüttert wurde.

Die Menschen hinter dem Eisernen Vorhang sind in einer ganz anderen Welt groß geworden, und selbst wenn sie erst nach dem Zerfall der Sowjetunion geboren sind, gibt es doch immer noch große Unterschiede darin, wie sie aufgewachsen sind, wie sie leben und wie sie die Welt sehen.

Ich mag es, an Orte zu reisen, an denen es so gut wie keinen Tourismus gibt. An solchen Orten ist es meistens viel einfacher, echte Begegnungen zu erleben, denn es gibt noch keine etablierte Form des Umgangs mit Touristen. Man ist als Fremder etwas Besonderes für die Menschen und es gibt ein großes Interesse an Austausch. In Ländern, in denen viele Touristen unterwegs sind, gibt es oft schon bestimmte erprobte Formen, wie man Touristen begegnet, wie man mit ihnen spricht und was man von ihnen erwartet. Ich denke dabei z. B. an die typischen Gespräche unter Backpackern, wie ich sie an vielen Orten dieser Welt bereits geführt habe  und die mir oftmals sehr schablonenhaft erschienen sind.

Ins Gespräch eintauchen


Da ich keine Politik- oder Kulturwissenschaftlerin bin, sondern mich wissenschaftlich vor allem mit der russischen Literatur und der Sprache auseinandergesetzt habe, gehe ich nicht mit festen Überzeugungen und Vorstellungen über Politik, die ich mir im Laufe des Studiums erarbeitet habe, auf die Menschen zu. Mein Interesse liegt in der Begegnung an sich, in dem Wie und Wer der andere ist. Mich fasziniert die innere Welt des Gegenübers, die sich in einem Gespräch eröffnet. Ich würde sogar so weit gehen, meine Gesprächshaltung als passiv zu bezeichnen. Da ich keinen Zweck mit einem Gespräch verfolge, ich möchte nichts Konkretes erfahren und niemanden von etwas überzeugen, bin ich einfach nur offen. Genau aus diesen Situationen entstehen meiner Meinung nach die interessantesten Gespräche. Wenn das eigene Herz und die Ohren offen sind für den anderen, kann dieser sich öffnen. Das hört sich vielleicht etwas esoterisch an, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Gespräche, in denen ich in dieser Haltung war, zum fruchtbarsten Austausch geführt haben. Dagegen waren Gespräche zu Themen, zu denen ich mir bereits eine Meinung gebildet hatte, oftmals nicht wirklich produktiv. Meistens kommen die spannenden Gespräche unvermittelt, ohne dass ich bewusst danach suche. An meinem Akzent werde ich unweigerlich als Ausländerin erkannt und daher eigentlich immer gefragt, woher ich komme. Dabei ist es bemerkenswert, wie beliebt man als Deutsche ist, obwohl sich doch ein wesentlicher Teil der offiziellen russischen Identität daraus speist, erfolgreich den Hitler-Faschismus besiegt zu haben: Jede Stadt hat ein Mahnmal, das den Gefallenen im »Großen Vaterländischen Krieg«, wie der Zweite Weltkrieg von Russen genannt wird, gewidmet ist. Die Militärparaden am Ersten Mai zu Ehren der mit Orden behängten Veteranen sind riesig und auch nach Sowjetzeiten einer der größten Feiertage im Jahr.

Untiefen umschiffen


Den ersten Kontakt mit mehr oder minder politischen Ansichten hatte ich in Usbekistan, als uns, zwei jungen deutschen Studentinnen, ein Restaurantbesitzer begeistert mit den sich in seinem Deutsch reimenden Worten »Hitler kaputt, Stalin gut(t)« begrüßte. Dabei fiel er betrunken auf die Sitzkissen auf dem zentralasiatischen Teepodest und wir haben ein weiteres Gespräch dann einfach vermieden und sind gegangen. Im Wohnheim in Moskau riefen wir als deutsche Studentengruppe Begeisterung bei einem Armenier hervor, weil Hitler es immerhin fast geschafft habe, die Juden auszurotten. Seiner Meinung nach nur schade, dass es nicht ganz geklappt hatte, die Endlösung zu verwirklichen. Die anschließende Diskussion auf Anfängerniveau im Russischen verlief dann schnell im Sande.

Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Deutschland im Allgemeinen Bewunderung und Wertschätzung hervorruft. Oft gerade aus Gründen, die einen selbst eher in Verzweiflung stürzen! In den ersten Situationen dieser Art habe ich mich ziemlich verzweifelt und hilflos gefühlt. Mir sind einfach keine Argumente eingefallen. Ich bin in bildungsbürgerlichen Verhältnissen groß geworden und nach der Etikette der politischen Korrektheit sozialisiert worden. Zudem sehe ich mich selbst eher als links und habe mich nie in Kreisen bewegt, in denen offen rassistische und antisemitische Aussagen gemacht werden durften. Auch wenn ich mir schon damals sicher war, dass es natürlich auch in Deutschland Menschen gibt, die so denken, aber sich nicht trauen, es auszusprechen. Und dass ich auf die, die es laut aussprechen, in meinen Kreisen einfach nicht treffe. Wobei die Fassade der politischen Korrektheit wohl in Zeiten der AfD und der freien Meinungsäußerung durch Hasskommentare in den sozialen Medien auch in Deutschland bröckelt.

Selbst hier fällt es mir schwer, einen Umgang damit zu finden, umso schwerer fiel es mir bei meinen ersten Aufenthalten in russischsprachigen Ländern: Ich war jung, unsicher und konnte so schlecht Russisch, dass ich, selbst wenn ich eine andere Meinung hatte, diese nicht ausdrücken konnte. Ich habe immer wieder erlebt, dass nach einigen bewundernden Worten zu Deutschland (die Autos, die Wirtschaft, die Ordnung, die Pünktlichkeit, die Nation der Dichter und Denker …) in den meisten Gesprächen unweigerlich Fragen kommen, mit denen es schwieriger ist umzugehen. So bin ich immer wieder gefragt worden, ob es mich nicht störe, dass in Deutschland so viele Türken leben. Interessanterweise ...

Erscheint lt. Verlag 1.8.2017
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch
ISBN-10 3-407-76194-5 / 3407761945
ISBN-13 978-3-407-76194-1 / 9783407761941
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