Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen (eBook)
256 Seiten
Verlag Friedrich Oetinger
978-3-86274-695-8 (ISBN)
James Krüss (1926 - 1997), auf der Nordseeinsel Helgoland geboren und aufgewachsen, absolvierte eine Lehrerausbildung, bevor er 1949 nach Süddeutschland ging. Dort schrieb er als freier Autor für Rundfunk und Zeitschriften. 1953 veröffentlichte er sein erstes Bilderbuch, 1956 seinen ersten Erzählband 'Der Leuchtturm auf den Hummerklippen', der sogleich für den in jenem Jahr erstmals vergebenen Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde. Diesen erhielt er dann 1960 für 'Mein Urgroßvater und ich'. James Krüss errang durch zahlreiche weitere Bücher und durch seine Präsenz in der Öffentlichkeit auf Lesungen und im Fernsehen große Popularität. In den 60iger Jahren moderierte er u.a. die beliebte Fernsehsendung 'James' Tierleben'. Zu seinen bekanntesten Bilderbüchern gehört vielleicht die Geschichte über 'Henriette Bimmelbahn', als Beispiel seiner Gedichtbände sei 'Der Wohltemperierte Leierkasten' genannt. Der Kinderroman 'Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen' feierte 2012 sein fünfzigjähriges Erscheinen und erfreut sich unveränderter Beliebtheit, in zahlreichen Übersetzungen, als Buch und als spannender Kinofilm. James Krüss, der Junge von der Nordseeinsel Helgoland, lebte seit 1966 auf der spanischen Insel Gran Canaria, wo er 1997 starb. Der sensible Poet, fantasievolle Erzähler und virtuose Reimkünstler hinterließ ein umfangreiches Werk und gehört nach wie vor zu den bekanntesten deutschen Kinder- und Jugendbuchautoren. Die Internationale Jugendbibliothek bei München würdigt ihn mit einem 'James Krüss Turm' und auf Helgoland gibt es ein James Krüss Museum in der Form von traditionellen Hummerbuden.
James Krüss (1926 - 1997), auf der Nordseeinsel Helgoland geboren und aufgewachsen, absolvierte eine Lehrerausbildung, bevor er 1949 nach Süddeutschland ging. Dort schrieb er als freier Autor für Rundfunk und Zeitschriften. 1953 veröffentlichte er sein erstes Bilderbuch, 1956 seinen ersten Erzählband "Der Leuchtturm auf den Hummerklippen", der sogleich für den in jenem Jahr erstmals vergebenen Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde. Diesen erhielt er dann 1960 für "Mein Urgroßvater und ich". James Krüss errang durch zahlreiche weitere Bücher und durch seine Präsenz in der Öffentlichkeit auf Lesungen und im Fernsehen große Popularität. In den 60iger Jahren moderierte er u.a. die beliebte Fernsehsendung "James' Tierleben". Zu seinen bekanntesten Bilderbüchern gehört vielleicht die Geschichte über "Henriette Bimmelbahn", als Beispiel seiner Gedichtbände sei "Der Wohltemperierte Leierkasten" genannt. Der Kinderroman "Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen" feierte 2012 sein fünfzigjähriges Erscheinen und erfreut sich unveränderter Beliebtheit, in zahlreichen Übersetzungen, als Buch und als spannender Kinofilm. James Krüss, der Junge von der Nordseeinsel Helgoland, lebte seit 1966 auf der spanischen Insel Gran Canaria, wo er 1997 starb. Der sensible Poet, fantasievolle Erzähler und virtuose Reimkünstler hinterließ ein umfangreiches Werk und gehört nach wie vor zu den bekanntesten deutschen Kinder- und Jugendbuchautoren. Die Internationale Jugendbibliothek bei München würdigt ihn mit einem "James Krüss Turm" und auf Helgoland gibt es ein James Krüss Museum in der Form von traditionellen Hummerbuden.
Vorspiel
Es war in einem Zug von Magdeburg nach Leipzig, in einem langsamen, schmutzigen, überfüllten Zug, wie sie zu jener Zeit, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, dreckigen schwarzen Rauch ausstoßend, überall durch Deutschland klapperten. Ich wohnte damals in der Nähe Hamburgs und fuhr zu einer Druckerei nach Leipzig.
Der Zug war so überfüllt, dass selbst draußen auf den Plattformen zwischen den Waggons die Leute sich drängten. Ich aber war ohne mein Zutun in ein Abteil hineingeraten, in dem außer mir nur ein einzelner Herr saß, der, was in jenen Tagen ungewöhnlich war, eine Sonnenbrille trug. Ich hatte beim Eintritt gedacht, es sei ein Diplomatenabteil, und mich zurückziehen wollen; aber der Herr hatte mich ausdrücklich hereingewinkt, und so saß ich nun ihm gegenüber am Fenster.
Er war ein etwas rundlicher Mann unbestimmten Alters, der einen dunklen Anzug anhatte. In seiner Brusttasche trug er ein blütenweißes Ziertaschentuch, dem, wie ich beim Näherkommen bemerkte, ein schwacher Nelkengeruch entströmte. Im Gepäcknetz über ihm ruhte ein schwarzer Koffer.
»Diese übervollen Züge sind etwas Schreckliches«, sagte er, als ich mich gesetzt hatte. »Sind Sie privat unterwegs?« Er sprach einen Akzent, den ich damals noch nicht kannte. Erst später kam ich darauf, dass es der Akzent der Italiener war.
Ich antwortete ihm, dass ich eigentlich mehr dienstlich unterwegs wäre. »Ich muss in Leipzig ein Buch korrigieren«, sagte ich.
»Ah«, sagte er, »Sie schreiben Bücher. Interessant. Ich hörte gerade, dass es Leute gibt, die davon leben, dass sie bestimmte Bücher nicht schreiben, die sie ursprünglich hatten schreiben wollen.«
»Und was für Leute sind das?«, fragte ich.
»Die Weisen, Wissenden, die Welt und Menschen durchschauen«, sagte er. »Sie lassen sich ihr Schweigen von den Mächtigen bezahlen, die keinen Wert darauf legen, dass Weisheit allgemein verbreitet wird.«
»Aber ist der, der käuflich ist, denn weise?«, fragte ich.
»Das kann man von verschiedenen Seiten sehen«, sagte der Herr. »Haben Sie schon zu Mittag gegessen?«
»Nein«, sagte ich, »aber ich habe Brote dabei.«
Der Herr winkte ab. »Die lassen Sie ruhig in Ihrer Aktentasche«, sagte er. »Ich darf Sie doch zum Essen einladen, nicht wahr?«
Das alles war zu jener Zeit in Deutschland ungewöhnlich, dieses fast leere Abteil, die Sonnenbrille, der feine Anzug und nun in einem dreckigen, überfüllten Zug diese förmliche Einladung zu einem Mittagessen, die ich natürlich annahm, schon deshalb, weil ich neugierig war, wie uns durch das Menschengedränge ein Mittagessen gebracht werden sollte.
Es wurde uns aber tatsächlich ein Mittagessen gebracht, wenn auch auf etwas ungewöhnliche Weise. Plötzlich nämlich überholte uns ein rot-gelber, anscheinend dieselbetriebener Schienenwagen, ein elegantes Fahrzeug zu jener Zeit. Dieser Schienenwagen fuhr nun in gleicher Geschwindigkeit neben uns her. Ein breites Fenster, durch das ich in einen Speisewagen hineinsehen konnte, blieb auf der Höhe unseres Fensters, das der Herr, der mich zum Mittagessen eingeladen hatte, nun öffnete. Da öffnete man in dem Schienenwagen ebenfalls das Fenster und reichte uns ein großes Tablett herüber, das wegen des Fahrtwindes mit einem ovalen hohen Deckel aus schwerem Hotelsilber zugedeckt war. Zusammen mit dem Herrn nahm ich es in Empfang. Dann setzten wir es vorsichtig auf den beiden Fenstertischen vor uns ab.
Danach wurden in beiden Wagen die Fenster wieder geschlossen. Und nun hatte ich, als der Herr den Deckel auf eine ausgebreitete Zeitung neben sich gelegt hatte, tatsächlich das versprochene Mittagessen vor mir, ein Mittagessen, wie ich es jahrelang nicht gesehen, geschweige denn gegessen hatte.
Als Vorspeise gab es gebutterten Toast, mit Räucherlachsscheiben belegt, danach für jeden einen halben Hummer mit Mayonnaise, hierauf Orangenente mit Petersilienkartoffeln und schließlich Halbgefrorenes mit Nüssen und geraspelter Schokolade. Dazu tranken wir einen trockenen weißen Wein aus Dalmatien, und für den Abschluss des Mahls stand Mokka in einem Silberkännchen bereit, den der Herr mir und sich in winzige Porzellantassen einschenkte.
Beim Essen sprachen wir fast nichts. Ich aß mit Andacht und mit Schweigen und war froh, dass vor die Scheiben zum Gang hin, wo sich die Leute drängten, Gardinen gezogen waren, sodass uns niemand beim Essen zugucken konnte. Wer in Deutschland konnte in jenen Tagen denn so üppig speisen?
Nach dem Essen überfiel mich eine bleierne Müdigkeit. Mein Gastgeber, der das bemerkte, sagte: »Ruhen Sie ein wenig. Nach dem Essen sollst du ruhn oder tausend Schritte tun. Und da sich tausend Schritte hier schwerlich tun lassen, empfehle ich die Ruhe.«
Ich konnte mich gerade noch für das so ungewöhnliche und reiche Mahl bedanken, als mir die Lider schwer wurden und ich in Schlaf fiel.
Mir träumte nun, ich säße vor einer weißen Villa am Meer auf einer Terrasse. Vor mir auf dem blauen Wasser schaukelte eine Jacht, von der ich wusste, dass sie mir gehörte, und eine entfernte Stimme sagte: »Ein Haus am Meer und eine Jacht davor, dazu ein Bankkonto, das niemals leer wird, das alles gibt es, wenn man schweigen kann.«
Ich konnte mir im Traume keinen Reim auf die Bemerkung machen, und ich tat’s auch nicht, weil ich plötzlich durch ein Geräusch aufgeschreckt wurde und wieder erwachte. Es war das Brausen eines Zuges, das mich geweckt hatte. Der rot-gelbe Schienenwagen nämlich überholte uns wieder.
Als ich schlaftrunken die Augen öffnete und hinüberschaute zu dem Wagen, sah ich den Speisewagen wieder, in dessen Fenster gerade unser leer gegessenes Tablett verschwand, und in dem Speisewagen saß – ich sah’s verblüfft – der Herr aus meinem Abteil. Doch dann schob der rot-gelbe Wagen sich weiter vor, und ich erkannte, dass sich der Herr im Fenster nur gespiegelt hatte. Ich sah’s gerade noch, bevor der Wagen uns davonfuhr. Nun wandte ich den Kopf, und …
… und ich erschrak. Der Herr mir gegenüber war verschwunden. Auch der schwarze Koffer war nicht mehr da. Ich murmelte: »Eben hat er sich doch noch im Fenster des rot-gelben Wagens gespiegelt. Und spiegeln kann sich doch nur jemand, der vorhanden ist. Höchst seltsam.«
Dann schlief ich wieder ein und erwachte erst wieder, als plötzlich Leute in das Abteil hereindrängten.
Da kam’s mir vor, als wäre mein Erlebnis mit dem fremden Herrn ein Traum gewesen. Erst in Leipzig, als mir eine seltsame Geschichte erzählt wurde, ahnte ich, wer mein Gastgeber im Zug gewesen war.
Diese seltsame Geschichte aber will ich nun erzählen. Ich habe sie von einem Mann, den ich ganz unerwartet in der Druckerei in Leipzig traf. Ich kannte diesen Mann von früher. Als er ein junger Herr gewesen war und ich ein sechzehnjähriger Schüler, waren wir uns auf Helgoland begegnet, auf meiner kleinen Heimatinsel in der Nordsee. Es war im Hause unserer Nachbarin gewesen, im Haus der Tante Julie. Wir hatten dort das Abc, wie wir es damals nannten, »abgeklopft« und uns zwei Wochen lang sehr sinnreich unterhalten.
In der Druckerei in Leipzig hatten wir beide uns, trotz der Jahre, die seit der Abc-Abklopferei verflossen waren, gleich wiedererkannt.
»Du, Timm?«, hatte ich erstaunt gefragt.
Und der Mann, nicht minder erstaunt, hatte gefragt: »Du, Boy?« (Er nannte mich noch so, wie man mich auf der Insel Helgoland genannt hatte.) Dann hatten wir uns gegenseitig mit Fragen überschüttet, und einer war dem anderen ins Wort gefallen, um zu berichten, wie es ihm ergangen war. Ich hatte meinem Freunde Timm erzählt, dass wir von unserer kleinen Insel auf das große Festland hätten ziehen müssen; denn Bomben, wie er sicher wüsste, hätten die Inselhäuser allesamt zertrümmert. Timm hatte mir erzählt, er sei mit seinen Marionetten, mit denen er Theater spielte, bis Japan und Australien gereist. Er habe, erzählte er mir, auch ein Buch über Marionettenpuppen geschrieben. Um dieses Buch beim Druck zu überwachen, sei er hier.
»Und du«, fragte er mich, »was treibst denn du hier?«
»Ich muss ein Bilderbuch zum Notenlernen überwachen«, gab ich ihm zur Antwort. »Die Bilder, Noten, Verse und Geschichten in dem Buch müssen genau zusammenstimmen. Deshalb bin ich hier.«
»Dann sollten wir uns öfter sehen«, sagte Timm, und als er mir das sagte, rutschte ein Buch aus seiner Aktentasche. Ich sah es, bückte mich und hob es auf. Dabei stellte ich fest, dass es sich um den »Peter Schlemihl« handelte, eine Geschichte des Adelbert von Chamisso, die vom verkauften Schatten handelt. So sagte ich, als ich das Buch zurückgab: »Ich bin nach einer ähnlichen Geschichte auf der Suche. Du selbst hast sie mit deinen Puppen schon gespielt, wenn ich nicht irre. Ich suche aber den wirklichen Jungen, dem sie wirklich passiert ist. In Övelgönne hat man mir erzählt, er lebe noch.«
»Wie kamst du denn nach Hamburg-Övelgönne?«, fragte Timm erstaunt. »Ich kenne Övelgönne nämlich gut.«
»Ich kenne es nur flüchtig«, sagte ich. »Wir wohnten nach dem Kriege eine Zeit lang Övelgönne gegenüber, in Finkenwerder auf der anderen Seite der Elbe, bei einer Schwester meiner Großmutter. Von dort aus fuhren wir manchmal hinüber über die Elbe.«
»Aha«, sagte Timm. »Und in Övelgönne hat man dir sicherlich erzählt, die Geschichte vom verkauften Lachen sei einem wirklichen Jungen wirklich passiert. Diese Geschichte meinst du doch, stimmt’s?«
»Stimmt«, sagte ich. »Kennst du sie?«
»Ich kenne sie«, antwortete Timm. »Es ist aber eine lange Geschichte. Wie lange wirst du noch in Leipzig bleiben?«
»Zumindest...
Erscheint lt. Verlag | 23.1.2017 |
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Reihe/Serie | Timm Thaler |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur |
Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre | |
Schlagworte | Abenteuer • Charisma • Fantasie • Film • Freunde • Geld • immer gewinnen • Kino • Klassiker • Lächeln • Lachen • Reichtum • Spannung • Tausch • Teufel • Wette |
ISBN-10 | 3-86274-695-X / 386274695X |
ISBN-13 | 978-3-86274-695-8 / 9783862746958 |
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