Kati Knack-die-Nuss (eBook)
186 Seiten
Divan Verlag
978-3-86327-103-9 (ISBN)
Gabriele Dietz, geboren 1956 in Burg bei Magdeburg, ist Lektorin und hat verschiedene Märchenbände veröffentlicht. Sie lebt in Berlin.
Kati Knack-die-Nuss
Es waren einmal ein König und eine Königin, die sich miteinander verheirateten. Sie waren beide schon einmal verheiratet gewesen und hatten jeder eine Tochter. Kati, die Tochter der Königin, war munter und unerschrocken, Anni, die Tochter des Königs, zart und schön. Die Mädchen liebten einander sehr und waren bald unzertrennlich.
Als sie nun herangewachsen waren, wurde die Königin böse auf Anni, weil sie glaubte, ihr Stiefkind sei schöner als die eigene Tochter, und wenn ein Prinz geritten käme, würde er Anni zur Frau nehmen und der König würde ihr sein Reich geben. Bald konnte die Königin an nichts anderes mehr denken, und eines Tages entschloss sie sich, zu der Hühnerfrau in der Schlucht zu gehen und sie um Rat zu bitten. Die Hühnerfrau kannte Zaubersprüche und Wundertränke und hatte noch jedem helfen können.
»Schick mir das Mädchen morgen in der Frühe«, sprach die Alte. »Ich will sehen, was ich tun kann. Aber sie darf nichts gegessen und nichts getrunken haben, wenn sie kommt, sonst wird mein Zauber nicht wirken.«
Die Königin gab ihr ein Goldstück und versprach es.
Am anderen Morgen weckte sie Anni leise, damit Kati im Bett neben ihr nicht erwachte, und sagte: »Mein liebes Kind, geh für mich in die Schlucht zur Hühnerfrau und hol frische Eier. Die Magd hat sie vergessen.«
Das wollte Anni gern tun und machte sich gleich auf den Weg. Als sie aber durch die Küche des Schlosses kam, sah sie auf dem Tisch einen Brotkanten liegen, den steckte sie ein und aß ihn unterwegs.
Der Weg führte durch den Wald und an einem Rübenfeld vorbei. Endlich hatte sie die Schlucht erreicht und klopfte bei der Hühnerfrau an. »Guten Morgen«, sagte sie freundlich. »Die Königin schickt mich Eier holen.«
»Komm nur herein«, antwortete die Alte. »Nimm doch einmal den Deckel von dem Topf dort, dass du siehst, was für dich bestimmt ist.«
Anni tat wie geheißen, nahm den Deckel ab, aber der Topf war leer.
Da sagte die Hühnerfrau ärgerlich: »Hier hast du die Eier. Aber richte der Königin aus, sie soll die Tür zur Speisekammer besser verschließen!«
Anni bedankte sich und lief nach Hause. Als sie der Stiefmutter berichtete, was die Hühnerfrau ihr aufgetragen hatte, wusste die Königin, dass das Mädchen etwas gegessen hatte. Am anderen Morgen weckte sie sie wieder, um sie abermals in die Schlucht zu schicken, und diesmal begleitete sie Anni bis vor das Schloss, um sicher zu sein, dass sie nichts essen würde.
Anni lief den gleichen Weg wie am Tag zuvor und sie kam wieder an dem Rübenfeld vorüber, auf dem eine Bäuerin mit ihren Mägden arbeitete. Anni half ihnen, eine besonders große Rübe aus der Erde zu ziehen, und zum Dank schenkte ihr die Bäuerin eine schöne rote Runkelrübe. Die aß Anni gleich auf, weil sie so hungrig war.
In der Schlucht angekommen, klopfte sie wieder bei der Hühnerfrau an und fragte nach frischen Eiern.
»Komm nur herein«, sprach die Zauberin. »Und nimm doch bitte noch einmal den Deckel von dem Topf dort, dass du siehst, was für dich bestimmt ist.«
Anni nahm wieder den Deckel vom Topf, aber er war immer noch leer.
Da sagte die Hühnerfrau böse: »Hier hast du die Eier, nach denen die Königin dich schickt, aber sag ihr, dass kein Topf kochen kann, wenn das Feuer gelöscht ist.«
Anni tat wie geheißen und die Stiefmutter wusste, dass das Mädchen auf dem Weg in die Schlucht etwas gegessen hatte.
Am dritten Tag nun wollte die Königin sicher sein, dass der Zauber endlich gelänge, deshalb begleitete sie Anni beim Eierholen.
»Ah, die Königin ist mit dabei«, sprach die Hühnerfrau. »Gut, gut, so soll es denn wohl sein … Kind, nimm doch bitte den Deckel vom Topf, dass du siehst, was für dich bestimmt ist.«
Anni kannte keinen Argwohn und nahm wieder den Deckel vom Topf und sah hinein. Im selben Augenblick verwandelte sich ihr schöner Kopf in den eines Schafes. Sie blökte verzweifelt, aber es war, wie es war – sie trug einen Schafskopf auf den Schultern. Die Königin packte das Mädchen am Arm und zog sie mit sich nach Hause.
Auf dem Schloss weinten und jammerten alle, die Anni sahen, am meisten aber grämte sich Kati. Was sollte nun aus ihrer Schwester werden? Noch am selben Tag fasste Kati den Entschluss, gemeinsam mit Anni in die Welt zu ziehen. Vielleicht würde es ihr gelingen, den Schafskopfzauber zu brechen und Anni in ein schönes Mädchen zurückzuverwandeln. Sie legte der Schwester ein weißes Tuch um den Kopf, nahm Brot mit, damit sie nicht Hunger leiden müssten, und schlich in der Nacht mit Anni aus dem Schloss.
Die Schwestern wanderten durch die Welt, aber nirgendwo trafen sie jemanden, der etwas über den Schafskopfzauber wusste. Die Sohlen an ihren Schuhen waren durchgelaufen, ihre Kleider zerrissen, als sie eines Abends an ein großes Schloss gelangten, wo sie höflich um ein Lager für die Nacht baten.
Der Wächter beäugte sie misstrauisch, weil Anni ihren Kopf ganz unter dem Tuch verborgen hielt, aber da sie zwei Mädchen waren und schon die Nacht hereinbrach, ließ er sie schließlich ein. Eine Zofe wies ihnen eine Kammer zu, brachte ihnen Brot und Wasser und war bemüht, freundlich zu sein, aber sie hatte verweinte Augen und sah ganz traurig aus. Da fragte Kati, was sie denn bedrücke, und die Zofe antwortete, dass alle im Schloss in tiefer Trauer seien, weil der Prinz, der einzige Sohn ihres Königs, von einer sonderbaren Krankheit befallen war, die niemand zu heilen vermochte.
»Was fehlt ihm denn?«, wollte Kati nun wissen.
»Er schläft den ganzen Tag und ist durch nichts zu wecken«, entgegnete die Zofe. »Er ist schon ganz matt und schwach, weil er nicht mehr isst, und der König ist so verzweifelt, dass er nur noch auf seinem Thron sitzt und jammert.
»Bring mich zum König«, sagte Kati. »Ich will versuchen, ihm zu helfen.«
Nun hatten schon viele Ärzte und Wunderdoktoren viele Heilmittel und Kräuter gegen den Schlaf des Prinzen ausprobiert und niemandem war es gelungen, ihn zu wecken. Weil es keine Hoffnung mehr gab und alles versucht werden musste, führte die Zofe Kati sogleich in den Thronsaal. Da hockte der König, den Kopf in die Hände gestützt, und blickte teilnahmslos vor sich hin.
»Herr König«, begann Kati, »Ihr dauert mich! Lasst mich versuchen, Euren Sohn zu wecken. Lasst mich einen Tag und eine Nacht bei ihm wachen.«
Der Vater des Prinzen sah überrascht auf. »Du? Ein Mädchen? Du willst meinem Sohn helfen? Ach, sei es, wie es sei, versuch dein Glück. Wenn es dir gelingt, will ich dich reich belohnen.«
So wurde Kati am nächsten Morgen in das Gemach des Prinzen geführt. Der schöne Jüngling lag in seinem Bett wie ein Toter, reglos und blass. Kati verspürte großes Mitleid. Sie setzte sich neben ihn in einen großen Lehnstuhl, sang Lieder und sprach zu ihm, aber er rührte sich nicht.
Als die Nacht hereinbrach, war es im ganzen Schloss ruhig geworden, nur das Feuer im Kamin des Prinzengemachs prasselte noch. Kati saß immer noch am Bett, sang Lieder und wartete.
Plötzlich regte sich der junge Mann. Wie ein Schlafwandler erhob er sich, kleidete sich an und ging zur Tür. Er stieg die Treppe hinab, verließ das Schloss und ging hinüber zum Pferdestall. Kati schlich auf Zehenspitzen hinterdrein. Der Prinz sprach kein Wort; es war, als schliefe er mit offenen Augen. Er sattelte ein Pferd, sprang auf und ritt aus dem Stall. Kati schwang sich ohne einen Laut hinter ihn. Der Königssohn bemerkte sie nicht.
Sie ritten durch einen dunklen Wald. Als der Mond für kurze Zeit hinter einer Wolke hervortrat, sah Kati die Zweige eines Nussbaums neben sich herabhängen, die waren von Nüssen schwer, und sie pflückte sich schnell davon, so viele in ihre Taschen passten. Schon verschwand der Mond wieder hinter den Wipfeln und es wurde so finster, dass man die Hand nicht vor Augen sehen konnte. Das Pferd aber schien den Weg zu kennen, es lief ohne zu zögern und zu stolpern, bis sie zu einer großen Lichtung kamen.
Ein seltsamer Dämmer lag über der Lichtung und Kati erkannte einen grünen Hügel, vor dem das Pferd stehen blieb. Und nun geschah etwas Seltsames. Der Prinz fing an zu sprechen und sagte:
»Hügel, Hügel, öffne dich,
mach die Tore auf für mich.
Es warten schon die Feen fein,
drum lass den schönen Prinzen ein.«
Da öffnete sich der grüne Hügel und der Prinz sprang von seinem Pferd und ging auf den Eingang zu. Ein helles Licht leuchtete daraus hervor. Kati ließ sich...
Erscheint lt. Verlag | 16.12.2014 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Kinder- / Jugendbuch | |
ISBN-10 | 3-86327-103-3 / 3863271033 |
ISBN-13 | 978-3-86327-103-9 / 9783863271039 |
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