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Wer Kollegen hat, braucht keine Feinde mehr - Margit Schönberger

Wer Kollegen hat, braucht keine Feinde mehr

Überlebenstraining fürs Büro
Buch | Softcover
256 Seiten
2008
Goldmann Verlag
978-3-442-17004-3 (ISBN)
CHF 11,10 inkl. MwSt
  • Titel ist leider vergriffen;
    keine Neuauflage
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Pflichtlektüre für jeden Arbeitnehmer
Wichtigtuer, Zicke, Petze, Klugscheißer – ganz erstaunlich ist der Artenreichtum der Spezies „Kollege“. Beißen gilt nicht! Miteinander auskommen! heißt die Devise. Für das verständige Miteinander sorgt Margit Schönberger. Humorvoll beschreibt sie die Kollegentypen beiderlei Geschlechts, wie sie ticken, was sie reizt und: Wie man mit ihnen bestens klarkommt. Der amüsante Büroleitfaden zum Schmunzeln und Wiedererkennen. Mit Test „Welcher Typ ist mein Kollege?“.

Margit Schönberger ist Journalistin und Autorin mehrerer erfolgreicher Sachbücher, darunter der Bestseller „Wir sind rund, na und?“. Sie war lange Zeit Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einer großen Verlagsgruppe, bevor sie sich als Literaturagentin selbstständig machte. Sie ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann in München.

Der große Kollegen-Test Als ich noch so jung war, dass ich es Abend für Abend kaum erwarten konnte, am nächsten Morgen wieder ins Büro gehen zu dürfen, beobachtete ich an den Samstagen in der 18-Uhr-Vorstellung unseres Vorstadtkinos fasziniert die merkwürdigen Abendrituale amerikanischer Großstadtmenschen made in Hollywood. Rock Hudson bekam von Doris Day jedes Mal, wenn er nach Hause kam, einen Martini serviert. Auch Cary Grant wurde sehnsuchtsvoll von seiner Film-Ehefrau mit einem Glas in der Hand erwartet. Sogar Jack Lemmon, der sich in dem wunderbaren Film »Ein seltsames Paar« bei Walter Matthau einquartierte, hielt sich an diesen - mir damals völlig unbekannten - Feierabendbrauch. Seither sind etliche Jahre vergangen, und ich weiß längst, wie der Longdrink namens Martini-Cocktail schmeckt, den sich meine Helden von damals und die schönen Frauen an ihrer Seite gegönnt haben, um einen langen Arbeitstag und die mit ihm verbundenen Anstrengungen hinunterzuspülen. Und nach 40 Berufsjahren weiß ich auch, warum die Barbesitzer auf der ganzen Welt die Stunde zwischen Büroschluss und Beginn des Abends »Happy Hour« genannt haben. Wenn es tatsächlich so sein sollte, dass dem Glücklichen keine Stunde schlägt, so gibt es doch eine, die den Müden, den Erschöpften und den vielleicht sogar Unglücklichen schlägt. Nämlich die Stunde zwischen sechs und sieben Uhr abends. Da kann man sie sitzen sehen auf ihren Hockern, um einen hufeisenförmigen Tresen versammelt, vor einem Drink meditierend. Jeder Einzelne im Lichtkegel einer über ihm montierten Lampe, jeder Einzelne im Spot seiner inneren Tages-Endabrechnung. Als ich diese nachdenklich-erschöpfte Stunde der Stille, die nur vom Gläser- und Eiswürfelgeklirre des Barkeepers unterbrochen wird, zum ersten Mal bewusst miterlebt und beobachtet habe, erinnerte ich mich an die Küken meiner Großmutter: wie sie sich immer unter der Wärmelampe zusammendrängten. Die Rede ist von der Stunde, während der unser Berufs- und unser Privatleben aneinander stoßen. Und damit der Stoß nicht zu abrupt und hart ausfällt, ist - in Ermangelung von Doris Day oder Jack Lemmon - die »Happy Hour« erfunden worden. Wobei auch das schon fast wieder Hollywood ist, denn die meisten Menschen stürzen abends aus dem Büro, holen ihre Kinder aus Tagesstätten ab, quetschen sich in die U- und Straßenbahn, drängeln sich im Supermarkt, schleppen volle Einkaufstüten die Treppen hoch und fangen ihr ganz privates Lebensmanagement an, nachdem sie das berufliche noch in allen Knochen spüren. Und am nächsten Morgen das Ganze wieder in umgekehrter Reihenfolge. Wie gut, dass wir die Stunden zwischen Tagesanfang und Abend nicht alleine verbringen müssen. Das, was uns abends in den Knochen sitzt - sei es nun Müh und Plag oder auch Freude und Erfolg -, das teilen wir mit mehr oder weniger Menschen. Diese Menschen nennen wir Kollegen. Sie sind unsere Schicksalsgenossinnen und -genossen. Viele von ihnen kennen uns besser, als manches Familienmitglied das tut, von Verwandten oder Bekannten ganz zu schweigen. Das ist kein Wunder: Wenn man die Wochenenden und Urlaube abzieht, dann verbringt der normale Arbeiter und Angestellte sehr viel mehr wache Stunden mit Kolleginnen und Kollegen als beispielsweise mit seinem Ehepartner oder seinen Kindern. Der »graue Alltag« ist die Zeit, die wir mit fremden Menschen verbringen, und dieser Tatsache ist es geschuldet, dass diese Menschen uns bald nicht mehr fremd, sondern - zumindest scheinbar - ziemlich vertraut sind. Unsere Kolleginnen und Kollegen sind es, die unsere beruflichen »Sternstunden«, unsere Erfolge und ebenso unser Versagen hautnah miterleben. Wie gut, dass sie fast nie dabei sind, wenn wir diese Erlebnisse und Geschehnisse am Abend unseren Partnern oder Freunden schildern. Sie würden sich oft verwundert die Augen reiben oder uns gar korrigierend ins Wort fallen, weil sie es nicht fassen könnten, wie sehr sich unsere Berichterstattung von dem unterscheidet, wovon sie unmittelbare Zeugen waren. Dabei ist es wichtig und vielleicht für die Seelenhygiene des einen oder anderen sogar unverzichtbar, die Realität des Vorgefallenen ein wenig zu modifizieren, sie gewissen Wunschvorstellungen von sich selbst und seinen Verhaltensweisen anzupassen. Der Wahrheit ins Gesicht zu blicken - zumal der, die einen selbst betrifft -, ist nicht immer ganz leicht. Und die wünschenswerte Schlagfertigkeit ist - wie wir alle aus Erfahrung wissen - ein rares Geschenk der Gunst der Stunde. Geistesblitze gibt es nicht im Dutzend billiger. Deshalb fällt abends auch so oft der berühmte Satz: »Verdammt, warum ist mir das (was der Partner nach Anhörung des »Tagesberichts« spontan als guten Konter in einer bestimmten Situation vorschlägt) in dem Moment bloß nicht eingefallen?« Manch eine geplagte Seele geht so weit, beim »tagesbereinigenden« Erzählen in der Sicherheit der eigenen vier Wände schlicht und einfach eine besonders tolle Erwiderung zu erfinden. Diese Art beschönigender Lügen breitet ein gnädiges Tuch über die nicht stattgefundenen Großtaten und entschädigt in sanftem Selbstbetrug für erlittene Blessuren. Am nächsten Tag treffen wir wieder auf unsere Kollegen, die die Wahrheit kennen, die hinter unseren Storys steckt. Da dieses Wissen jedoch auf Gegenseitigkeit beruht, ist es in gemeinsamem Einverständnis besser zu ertragen. Außerdem gibt es ein probates Hilfsmittel, das jedem Arbeitnehmer das Leben in der Firmengemeinschaft erleichtert, manchmal sogar versüßt: Wenn wir morgens durch das Firmenportal strömen, setzen wir alle ganz bestimmte Masken auf, hinter denen wir uns gut versteckt glauben. Das ist zwar in den seltensten Fällen ein bewusster Vorgang, aber er findet statt. So gesehen - und das ist wirklich nur leicht übertrieben - gleichen unsere Arbeitstage ein wenig den Inszenierungen von Maskenbällen. Einige haben sich die Typen, die sie darstellen, selbst ausgesucht, andere haben die Rollen angenommen, die man ihnen zugewiesen hat, und wiederum andere müssen mit dem vorliebnehmen, was kein anderer sein wollte. Damit jetzt nur kein Missverständnis aufkommt - natürlich wird von Montag bis Freitag (mancherorts auch samstags) hart gearbeitet. Da spielt kein Orchester zum Tanz (manchmal vielleicht die Fiedel des Chefs, die zu schnellerem Tempo zwingt), und die mittägliche Kantinenkost ähnelt selten einem üppigen Festbüfett. Und doch bewegen wir uns gewissermaßen in Kostümen, die wir über unser privates Kleid gestreift haben. Unsere Masken sind einzig und allein dazu da, um Distanz zwischen uns, unserem empfindsamen Inneren und der Außenwelt - den anderen - herzustellen. (Auch die ganz normale, für jegliches Zusammenleben notwendige Höflichkeit ist ja nichts anderes als ein kulturelles Hilfsmittel, um halbwegs miteinander auszukommen.) Hinter den Rollen, die wir uns zulegen, um uns zu schützen oder zu verstecken, blitzt manchmal durch, wer wir wirklich sind. Was wir wollen, wonach wir uns sehnen, wie wir die Welt sehen oder wie wir sie gern haben möchten. Wenn man ein bisschen was über diese Masken weiß, wird das Miteinanderleben und -arbeiten sehr viel leichter. Denn die aufgesetzten Masken verführen seltsamerweise dazu, unsere Kollegen im Stress und Gewühle des Arbeitstages 1:1 als das zu sehen, was sie darstellen. Nun muss niemand erschrecken. Frau Meier, die Ihnen seit fünf Jahren am Schreibtisch gegenübersitzt, ist immer noch Frau Meier und kein maskiertes Monster. Aber vielleicht erkennen Sie sie in einem der in diesem Buch geschilderten Kollegen-Typen wieder und verstehen dann besser, warum Frau Meier so nahe am Wasser gebaut hat und was dahintersteckt. Und vielleicht haben Sie ja auch eine Kollegin, die bei der geringsten Kleinigkeit schnappt und keift? Dann finden Sie sie in diesem Buch im Kapitel über die »Beißzange« und erfahren einiges über die Gründe für ihr Verhalten und dass es sich nicht gegen Sie und die anderen Kollegen richtet, sondern gegen eine Situation, die zu bereinigen Sie vielleicht sogar mithelfen können. Das ist der Grund, weshalb ich nach so vielen Berufsjahren dieses Buch geschrieben habe. Und der provokante Titel soll nicht etwa besagen, dass Kollegen automatisch Feinde sind. Sondern vielmehr, dass wir alle uns gelegentlich das Leben zwischen acht und fünf unnötig schwer machen, weil wir nicht genau genug hinschauen. Wenn Sie sich dann noch beim Lesen der verschiedenen Typen und beim Wiedererkennen des einen Kollegen oder der anderen Kollegin, auch mithilfe des großen Kollegentests am Ende des Buches, ein wenig amüsieren, dann hätten sich meine Absichten voll erfüllt. Margit Schönberger Die Ehrgeizige Diese Kollegin ist ganz leicht zu erkennen: Ihr Arbeitsplatz ist stets (auch während sie daran arbeitet) penibel aufgeräumt - alles liegt und steht an seinem Platz. Die wenigen Häufchen auf dem Schreibtisch sind offensichtlich nicht zufällig da, wo sie sind, und selbst einem flüchtigen Betrachter dieser mit dem Lineal gezogenen Ordnung ist auf Anhieb klar, dass die Eigentümerin dieses Büros genau weiß, was sich in den Häufchen befindet. Und natürlich auch, welche Inhalte sich in den einzelnen Papieren verbergen. Aber das ist noch nicht alles: Diese ehrgeizige Kollegin weiß in Extremfällen sogar, welche Unterlagen sich derzeit auf den Schreibtischen anderer Kollegen befinden, manchmal sogar, wo dort. Nein, nicht das, was Sie jetzt vermuten. Niemals würde sie fremde Büros durchwühlen, das ist nicht ihr Stil. Ihre Stärke ist eine scharfe Beobachtungsgabe und ein extrem gutes Gedächtnis. Gewohnheiten von Kollegen speichert die Ehrgeizige auf ihrer höchst aufnahmefähigen »psychologischen Festplatte«, und dort hat sie auch abgelegt, was wer wann zu welchem Vorgang geäußert hat. Besonders ausgeprägte Exemplare der Ehrgeizigen beherrschen es sogar, Texte, die ein Kollege vor sich liegen hat, blitzschnell vom Besucherstuhl aus - also quasi auf dem Kopf stehend - zu lesen oder sich zumindest Bruchstücke daraus einzuprägen. Dafür muss sie weder den Hals verrenken noch die Augen verdrehen. Wissen ist Macht Die Ehrgeizige ist ein wandelnder Radarschirm. Sie fügt alle sich ihr bietenden Informationen, ja selbst atmosphärische Schwingungen (auch der scheinbar unwichtigsten Art) Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen zusammen, bis sich ein umfassendes Firmensituationsbild ergibt. Eine Fähigkeit, um die sie mancher Chef beneiden könnte. Dieses Überblickwissen teilt sie mit niemandem, weshalb sie sich eher selten eng an Kolleginnen oder Kollegen anschließt. (Niemals geht sie mehr als zweimal hintereinander mit derselben Clique in die Kantine, damit sie keinesfalls einem Klüngel zugeordnet werden kann.) Wissen ist Macht, und die wird von der Ehrgeizigen ausschließlich für ihr eigenes Fortkommen, das heißt für ihren Aufstieg in der Firma, genutzt. Sie ist klug genug, ihre umfassenden Informationen gut dosiert einzusetzen, sodass sich mögliche Gegner und somit Karrierehindernisse nicht zur Unzeit in ihren Weg stellen können. Zu Meetings erscheint die Ehrgeizige nicht mit Papierbergen, sondern mit schmalen Heftern, da sie notwendige Daten meistens im Kopf hat. Sie redet nicht ungefragt, versteht es aber perfekt, Situationen zu schaffen, die eine Frage an sie unumgänglich machen, und legt Brosamen ihres angesammelten Wissens auf geschickte Weise gelegentlich anderen in den Mund (»Wie Kollege XY schon zu Anfang unseres Projektes erwähnte ...«), um auf diese Weise Teamfähigkeit vorzuspiegeln und Beliebtheitspunkte zu sammeln. Firmenfortbildungen nimmt die Ehrgeizige nur selten und wenn, dann lediglich aus taktischen Gründen wahr - sie eignet sich notwendige Zusatzkenntnisse außerhalb der Firma und auf eigene Rechnung an (um bereits darüber zu verfügen, wenn sie gefragt sind). Freundlich, aber zurückhaltend Kollegen gegenüber ist die Ehrgeizige freundlich und hilfsbereit, aber in der Gesamttendenz zurückhaltend. Über ihr Privatleben lässt sie wenig verlauten, aber immerhin doch so viel, dass es keinen Anlass für Kollegen gibt, neugierig zu werden, und sich unkontrollierbare Gerüchte entwickeln könnten. Sie lässt bei passender Gelegenheit wissen, dass sie einige Monate in London volontiert hat, Rom aufgrund mehrerer Urlaubsaufenthalte gut kennt und eine größere Wohnung sucht. Über den Beruf ihres Freundes (oder ob sie überhaupt einen hat) erfahren Kollegen jedoch nichts. Taktisch klug Sie lässt sich keine Termine beim Chef geben, sondern sorgt auf raffinierte Weise dafür, dass sie von ihm gerufen wird. Um das zu erreichen, lässt sie in Memos oder Protokollen winzige, scheinbar unwichtige Details weg, allerdings nur solche, von denen sie weiß, dass der Chef sich genau dafür interessiert. Die Gesamtqualität ihrer Papiere leidet nicht unter solchen Manipulationen. Erst nachdem die Ehrgeizige aufgrund taktisch klugen Verhaltens befördert wurde - für die meisten Kollegen übrigens überraschend, ja fast aus heiterem Himmel -, wird sich herausstellen, was für ein Menschen-Typ sie wirklich ist. Wenn es ihr um den Aufstieg wegen der Sache und aus Freude am Beruf (oder auch nur am Geldverdienen) ging, wird sie eine gute, wenn auch nach wie vor zurückhaltende Chefin und Kollegin sein. Wenn ihr Ehrgeiz aber lediglich auf verstecktem, mangelndem Selbstbewusstsein und entsprechendem Machthunger basierte, könnte es sein, dass die Ehrgeizige jetzt andere Saiten aufzieht und ihr wahres Gesicht zeigt. Das mag die Ehrgeizige Lieblingsessen: gegrillter Fisch und Salate Lieblingsgetränk: Mineralwasser Lieblingsmusik: Bach Lieblingslektüre: Memoiren jeglicher Art Lieblingsfilme: mit den Marx Brothers Wie geht man mit der Ehrgeizigen um? Seien Sie freundlich und gelassen, erteilen Sie die Auskünfte, die sich aus der Zusammenarbeit ergeben, aber nicht mehr. Behalten Sie die Ehrgeizige im Blickfeld, damit Sie rechtzeitig wissen, wohin die Reise geht, und nicht überrascht werden, wenn sie eines Tages als Ihre Chefin zur Tür hereinspaziert. Absolutes Tabu: Keinen Klatsch und keine Gerüchte an diese Kollegin weitergeben, sonst werden Sie unbeabsichtigt zu einer Sprosse ihrer Karriereleiter. Legen Sie keine falschen Informationsspuren - die Ehrgeizige würde es schnell merken und Sie ab sofort auf ihre geheime »schwarze Liste« setzen. Wenn es dann mit ihrer Karriere klappt, hätten Sie nichts zu lachen! Die Geheimniskrämerin Wer ihr eine Frage stellt, wird jedes Mal eine Gegenfrage ernten. »Ist der Chef da?«, fordert prompt ein »Warum wollen Sie das wissen?« heraus. Die Geheimniskrämerin saugt sogar die scheinbar nutzlosesten und unwichtigsten Informationen auf wie ein Staubsauger und gibt sie niemals wieder her. Sie sammelt Daten und Firmeninterna eifrig wie ein Backenhörnchen die Nüsse vor Winterbeginn, und selbst aufmerksame Beobachter dieses merkwürdigen Treibens können oft nicht erkennen, wofür und für wen sie diese Infos anhäuft. Der Typ der Geheimniskrämerin ist häufig die Zweitbesetzung im Chefsekretariat, wo sie darauf wartet, dass »ihre Stunde« schlägt. Bis es jedoch so weit ist - was selten vorkommt (meistens muss sie sich mit Urlaubs- und Krankheitsvertretungen begnügen, um das Ruder im Vorzimmer des Chefs kurzzeitig übernehmen zu dürfen) -, rafft sie alles in ihren Augen Wissenswerte wie Dagobert Duck die Taler für seinen Geldspeicher. Manch einem fährt eisiger Schreck in die Glieder, wenn sie ihre Anforderung dieser oder jener Aufstellung oder eines bestimmten Vorgangs mit leiser, emotionsloser Stimme durch den Telefonhörer kommandiert. Nachfragen von wohlmeinenden oder auch klatschsüchtigen Kollegen aus dem Controlling beim Betroffenen: »Die ... hat heute deine Reisekostenabrechnungen vom August bei uns abgefordert, was war denn da?«, bringen selbst Hartgesottene zum Grübeln. Auf die direkte Frage an die Geheimniskrämerin, was hinter diesem Vorgang stecke (was sich aber kaum jemand jemals traut), bekäme man bestenfalls ein knappes »Gar nichts. Hat sich schon erledigt!« zur Antwort. Der wahre Hintergrund ist simpel: Ein achtlos und ganz nebenbei vom Chef hingeworfener Satz, an einen Dritten gerichtet, wie: »Ich möchte nur wissen, was der XY im August dauernd in Z getrieben hat. Nie war er da, wenn man ihn brauchte!«, versetzt die Geheimniskrämerin sofort in Aktivität. Vielleicht könnte sie aus einer Reisekostenabrechnung ja etwas herauslesen, was den Chef aufgrund seiner Frage interessieren würde. (Wenn er sie denn fragen würde.) Nutzloses Wissen Nun zu glauben, dieser Typ von Kollegin sei eine Zuträgerin oder Intrigantin, wäre weit gefehlt. Sie sammelt all dieses Wissen für den ersehnten Tag, an dem der Chef es braucht und bei ihr direkt abfragt. Was jedoch nie der Fall sein wird, weil ihr graumäusiges Verhalten keinen Chef der Welt auf die Idee brächte, dass die Zweitbesetzung in seinem Vorzimmer eine kleine Mata Hari ist. Und ihrer Kollegin, der Chefsekretärin und rechten Hand des Chefs (die sie selber gerne wäre - für die sie sich fälschlicherweise insgeheim sogar hält), würde sie ihr Wissen niemals verraten. So sieht die Geheimniskrämerin Chefsekretärin um Chefsekretärin (und so manchen Chef) an sich vorüberziehen, ohne je selbst aufzusteigen. Ihre Informationssammelwut mutiert auf diese Weise zum nutzlosen Selbstzweck. Sie wird Opfer ihrer eigenen Geheimniskrämerei. Unbeliebt, aber unentbehrlich Bei den Kollegen ist die Geheimniskrämerin aufgrund ihrer undurchschaubaren Art nicht beliebt, aber gelitten. Man weiß ja nie! Mitarbeiter, die schon lange bei der Firma sind und denen daher klar ist, dass seitens der Geheimniskrämerin keine wirkliche Gefahr droht, decken diese Tatsache den jüngeren Kollegen gegenüber bewusst nicht auf. Einerseits amüsieren sie sich über deren Verunsicherung, andererseits ziehen sie gelegentlich ihren eigenen Nutzen daraus, wenn einer von denen sich Hilfe suchend und fragend an sie wendet. (Nicht nur die Geheimniskrämerin weiß, dass jede Frage auch eine versteckte Information enthält!) In der Kantine sucht sich die Geheimniskrämerin die Tischrunden gezielt (nach Brauchbarkeit) aus. Die meisten sind nicht erfreut, wenn sie sie kommen sehen, und versuchen daher, die Reihen rechtzeitig geschlossen zu halten (was ihnen aufgrund der Geschicklichkeit dieser Kollegin selten gelingt). Sie verhält sich in diesen Essenspausen meist freundlich-passiv und ist Zuhörerin, wirft lediglich manchmal ein Stichwort in die Runde, um das Gespräch in eine Richtung zu lenken, von der sie sich aktuell nützliche Informationen verspricht. Dann und wann setzt sie ein sphinxhaftes Lächeln auf oder wiegt bedenklich den Kopf, ergänzt durch angemerkten Zweifel wie »Sind Sie sich da sicher?« oder äußerst nervös machende Feststellungen wie »Da wäre ich an Ihrer Stelle lieber vorsichtig!«. Bei Jubiläen oder anderen Anlässen, die in die Firmenvergangenheit zurückweisen, stellt sich die Geheimniskrämerin als unentbehrlich heraus. Wenn die Werbeabteilung wissen muss, wann die erste Maschine der Firma zum Patent angemeldet wurde, gibt es nur eine Nummer, die man als Erstes anwählt. Die Geheimniskrämerin zieht wortlos einen Ordner aus dem Regal und liefert die gewünschte Information präzise und prompt. Natürlich nicht, ohne ganz genau nachzufragen, wofür die Info benötigt wird. Sie weiß, wo der Geschäftsführer aus dem Jahr 1995 abgeblieben ist, in welcher Stadt er lebt und wo er heute arbeitet. Und auch, dass seine beiden Kinder inzwischen Medizin und Philosophie studieren. Das würde sie aber niemandem erzählen. Doch, einem, dem heutigen Chef natürlich. Aber der fragt sie nicht danach.

Erscheint lt. Verlag 19.5.2008
Reihe/Serie Goldmann Taschenbücher
Sprache deutsch
Maße 125 x 183 mm
Gewicht 242 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Allgemeines / Lexika
Geisteswissenschaften Psychologie Angst / Depression / Zwang
Schlagworte Arbeit & Beruf, Büro(-alltag) • Büro • Kollege / Kollegin
ISBN-10 3-442-17004-4 / 3442170044
ISBN-13 978-3-442-17004-3 / 9783442170043
Zustand Neuware
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