Die gekränkte Seele
Goldmann Verlag
978-3-442-16972-6 (ISBN)
- Titel ist leider vergriffen;
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Univ.-Prof. Dr. Peter K. Fischhof (verstorben 2007) war Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Diplompsychologe und Psychotherapeut, sowie Leiter des Wagner-Jauregg-Instituts für klinische und experimentelle Gerontopsychiatrie in Wien.
D
Dr. Ver
Vorwort
Es gibt viele Bücher über das Leben, über Schwierigkeiten des Alltags, über damit verbundene psychische Probleme. Viele der Autoren denken daran, Hilfesuchenden eine Erklärung über Probleme zu liefern oder Techniken anzubieten, von denen sie selbst überzeugt sind, die ihnen vielleicht schon selbst geholfen haben. Andere wieder verfolgen mit ihren Publikationen grundlegende Darstellungen des gesamten Bereichs, ihnen geht es um summarische Übersichten, die gleichsam ein Inventar ihrer eigenen Kenntnisse offerieren.
In den folgenden Seiten sind wir mit dem Bemühen von zwei Autoren konfrontiert, die sich einem anderen Ansatz verpflichtet fühlen. Sie gliedern den anderen, den hilfesuchenden Menschen nicht aus, sie definieren ihn nicht als gestörten Menschen, sie sprechen ihn liebevoll an, wissend, dass jeder von uns sich in den einzelnen Kapiteln des Buches wiederfinden könnte, wissend, dass keiner von uns über den geschilderten Problemen steht, sondern mit ihnen erfolgreich zurande kommen kann.
Es kommen uns aus dem Buch ein Wohlgefühl, eine anteilnehmende Obsorge, eine stärkende Zuwendung, ja Liebe entgegen. Ein liebevolles Buch. Die Autoren sind mit den Problemen vertraut. Sie haben selbst während ihres Lebens vieles einstecken, vieles bewältigen müssen, haben Verluste erlitten und schmerzhafte Erfahrungen gemacht, sie kennen Not, Einsamkeit, Armut, die unsere Welt bevölkern. Und sie haben auch Freude und Fröhlichkeit erlebt, die uns aus ihren Zeilen entgegenleuchten.
Das ist es, was uns hier von den Autoren vermittelt wird: So lässt sich das Leben bewältigen, das Leben ausgestalten, das ist ein Weg, der uns geholfen, uns gestärkt hat und den wir vielen anderen aufzeigen wollen. Wir alle sind nicht so leicht unterzukriegen, wir können Erfahrungen vertrauen, die wir einander mitteilen, wir können voneinander miteinander leben. Das ist die Visitenkarte, die uns die Autoren zustecken; eine psychologische, eine humane Visitenkarte: So haben wir es geschafft, und so werdet ihr es auch schaffen.
H. G. Zapotoczky
Einleitung
Es gibt Regeln für das Glück, denn für den Klugen ist nicht
alles Zufall.
(Balthasar Gracian, spanischer Jesuitenpater, 1647)
Es gibt Menschen, denen vieles ein wenig leichter zu fallen scheint. Sie verlieren nicht so schnell die Nerven, werden mit Widrigkeiten leichter fertig und kämpfen nicht mit quälender Unentschlossenheit. Sie wirken ausgeglichen und zufrieden, und andere finden sie sympathisch. Ein Glückskind, heißt es dann, dieser Mensch ist zu beneiden. Aber es gibt auch das Gegenteil: ausgesprochene Pechvögel, denen vieles misslingt, die das Unglück geradezu anzuziehen scheinen. Schon ihre Haltung signalisiert: Ich bin auf alles gefasst, alles, was mir widerfährt, ist schrecklich. Passiert dann tatsächlich ein Missgeschick, sagen sie: Ich habe gar nichts anderes erwartet.
Natürlich ist niemand vor Unglück gefeit, es gibt aber doch so etwas wie eine grundlegende Lebenseinstellung, die dafür verantwortlich ist, wie wir eine bestimmte Situation erleben. Ein einfaches Beispiel ist das des Pessimisten und des Optimisten: Beide haben ein zur Hälfte gefülltes Glas. Der Pessimist sieht das Glas halb leer und ist deshalb traurig, der Optimist sieht es halb voll - und freut sich.
Nicht immer lässt sich eine »selbstgebaute Falle«, also eine Situation, in der wir ohne es zu wollen nur die negative Seite sehen, so einfach erkennen. Die meisten Situationen, etwa im Umgang mit anderen Menschen, sind ja auch viel komplizierter. Wie können wir trotzdem Verhaltensweisen, die uns
schaden, erkennen und vermeiden? Wie können wir einsehen, dass nicht »das Schicksal« oder »die Sterne« bestimmen, welche Rolle wir im Leben spielen?
Wenn wir den Mut aufbringen, ein wenig in uns hineinzuhorchen, ehrlich über uns nachzudenken, ist der erste Schritt schon getan. Mit Hilfe der Psychologie können wir nach den Wurzeln unseres Denkens und Handelns suchen. Wir können etwa fragen, warum manche Menschen in ähnlichen Lebenslagen völlig verschieden reagieren, ein und dieselbe Situation ganz unterschiedlich beschreiben.
Psychologen haben herausgefunden, dass es so etwas wie ein Lebensskript gibt, eine Art Drehbuch für unser Leben, das in der frühesten Kindheit entsteht. Unsere Lebenseinstellung wird gewissermaßen in diesem Skript festgelegt. Die Erfahrungen, die ein Kind macht, bestimmen in hohem Maß, wie es später, als Erwachsener, auf ähnliche Situationen reagieren wird. So kann zum Beispiel eine negative Erfahrung die Angst auslösen, sie könnte sich wiederholen. Der Erwachsene wird also alles tun, damit das, was er als Kind so unangenehm erlebt hat, nicht noch einmal passiert. Dass vieles gar nicht mehr passieren wird, weil er ja kein wehrloses Kind mehr ist und er ganz andere Möglichkeiten hätte, damit fertig zu werden, ist ihm nicht bewusst. Er reagiert mit aller Heftigkeit, stößt damit vielleicht andere, die ihm nichts Böses wollen, vor den Kopf, und der schönste Streit ist im Gange. Der Pechvogel kann wieder einmal sagen: »Ich habe gar nichts anderes erwartet.«
Um zu verstehen, wie derartige negative Einstellungen zustande kommen, muss man die Kräfte untersuchen, die von Geburt an auf einen Menschen einwirken. Das sind nicht nur äußerliche Kräfte, wie die erziehenden Eltern, die Schule, die Gesellschaft, sondern auch die eigenen Bedürfnisse, Instinkte und Triebe. Aus ihrer Kombination entwickelt sich der einzigartige, unverwechselbare Charakter eines Menschen. Dieser Mensch kann Motivationen entwickeln, etwas zu tun oder nicht zu tun, er hat einen Willen. Die psychischen oder seelischen Kräfte, die uns teilweise nicht bewusst sind, bestimmen unser Handeln, Denken und Fühlen.
Woher kommen diese Kräfte? Wie wirken sie? Kann man sie beeinflussen, steuern? Diese Fragen werden im vorliegenden Buch beantwortet. Es soll dem Leser helfen, über sein Verhalten nachzudenken und ihn - wenn er damit nicht glücklich ist - in die Lage versetzen, etwas zu verändern. Indem wir mehr über uns erfahren, lernen wir auch viel über die Handlungen unserer Mitmenschen. Wenn wir einmal die Beweggründe anderer Menschen kennen, fällt es leichter, Toleranz zu üben oder auch mit Bestimmtheit zu sagen: Das finde ich nicht richtig.
Diese Fähigkeit zu unterscheiden ist ein ganz wichtiger Faktor in unserem Leben. Sie ist Voraussetzung dafür, in wichtigen Situationen richtig entscheiden zu können, und von richtigen Entscheidungen hängen Erfolg und Misserfolg im Beruf und im Privatleben ab. Haben wir die Fähigkeit zu unterscheiden, müssen wir uns in schwierigen Situationen nicht nur von vagen Gefühlen leiten lassen. Und nur wenn wir uns klar für oder gegen etwas entscheiden, können wir etwas wollen. Zu wissen, was wir wirklich wollen, ist die Grundvoraussetzung für ein erfülltes Leben. Wenn wir nicht wissen, was wir erreichen wollen, können wir auch nichts unternehmen, um dorthin zu gelangen.
Es liegt also an uns, aus unserem Leben etwas zu machen, es so zu gestalten, dass wir damit zufrieden sein können. Sicherlich lassen sich Trauer, Wut, Schmerz und Kränkung nicht vermeiden. Aber man kann lernen, damit umzugehen. Und oft stellt sich bei näherer Betrachtung heraus, dass eine Sache ganz anders ist, als man ursprünglich angenommen hat.
Es ist nicht Aufgabe dieses Buches, den Leser Psychologie zu lehren; es soll ihm aber helfen, psychologische Erkenntnisse zu nutzen, damit er leichter mit Problemen umgehen und sie besser bewältigen kann.
Teil I
Die seelischen Kräfte und ihre Wirkung
Das Gleichgewicht der seelischen Kräfte
Unsere Handlungen, Gefühle, Stimmungen und sogar unsere Gedanken werden von Kräften gesteuert und beeinflusst, die hauptsächlich im Hintergrund des Bewusstseins wirken und den gesamten Menschen zu bestimmten Verhaltensweisen treiben. Die wichtigsten dieser Kräfte werden von den Psychologen als Bedürfnisse und Triebe bezeichnet. Jede von ihnen wirkt auf ihre spezifische Art und Weise. Einige sind für das Uberleben des Menschen unerlässlich, andere werden im Laufe der Zeit erworben. Manche werden kaum je bewusst, über andere wiederum kann man nachdenken.
Unser Verhalten wird nun zum einen von äußerlichen Umständen bestimmt - etwa: Wenn es regnet, stellen wir uns unter. Zum anderen ist unser Verhalten aber gleichzeitig auch Ausdruck der inneren Kräfte, die in uns wirken - wir stellen uns unter, weil es uns unangenehm ist, nass zu werden und wir das Bedürfnis haben, trocken zu bleiben. Oder nehmen wir das Beispiel »Hunger«. Die Vorgänge, die in unserem Körper ablaufen, wenn wir Hunger haben, sind sehr komplex. Auch die bewussten Vorgänge rund um die Meldung »Hunger« sind nicht zu unterschätzen und können sehr vielfältig werden. Wenn wir Hunger spüren, können wir uns nicht mehr so gut konzentrieren und sind unter Umständen gereizt. Wenn der Hunger sehr stark wird, weil wir lange nichts mehr gegessen haben, können wir kaum noch an etwas anderes denken. Der Trieb, etwas zu essen, beherrscht unser Denken dann fast vollständig. Dennoch entstehen in einem solchen Fall meist keine inneren Konflikte, weil in der Regel die Befriedigung dieses Bedürfnisses leicht möglich ist.
Nicht immer sind die Zusammenhänge aber so einfach und so leicht zu durchschauen. Was passiert, wenn es sich bei dem Bedürfnis nicht um das einfache Gefühl »Hunger« handelt, sondern etwa um das Bedürfnis nach Geborgenheit und Zuwendung? Oder wenn wir Lust auf Sex haben, aber keinen Partner oder keine Partnerin? Dann ist die Befriedigung des Bedürfnisses nicht mehr so einfach.
Sobald wir ein Bedürfnis spüren, dessen Befriedigung uns durch unsere Erziehung, durch gesellschaftliche Normen oder durch Ängste nicht »erlaubt« ist, wirken widersprüchliche seelische Kräfte in uns. Ein befriedigendes, erfolgreiches Leben ist aber nur möglich, wenn wir uns dieser inneren Widersprüche bewusst werden und lernen, damit umzugehen.
Was passiert, wenn das seelische Gleichgewicht gestört wird?
Wenn ein Mensch mit widersprüchlichen Bedürfnissen nicht oder nur schlecht umgehen kann und seine seelischen Kräfte aus dem Gleichgewicht geraten, können ernste Probleme entstehen. Ein Mensch, dessen seelisches Gleichgewicht gestört ist, erlebt seine Umgebung in bestimmten Bereichen verändert und verhält sich häufig nicht der Situation entsprechend. Die Psychologen sprechen dann von einer Neurose. Eine Neurose ist eine Art Falle, die wir uns - natürlich unbewusst -selbst stellen. So kann eine Neurose etwa dazu führen, dass der Betroffene eine Situation nur mehr negativ erlebt, obwohl sie ihm durchaus auch Positives bieten könnte. Selbst wenn er eine gute Chance hat, wird er sie nicht wahrnehmen. Sein Glas ist, sozusagen, immer halb leer.
Erscheint lt. Verlag | 19.5.2008 |
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Reihe/Serie | Mosaik bei Goldmann |
Sprache | deutsch |
Maße | 125 x 183 mm |
Gewicht | 187 g |
Einbandart | Paperback |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung |
Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Allgemeines / Lexika | |
Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Angst / Depression / Zwang | |
Schlagworte | Kränkung • Kränkung; Ratgeber • Taschenbuch / Psychologie/Allgemeines, Lexika • TB/Psychologie/Allgemeines, Lexika |
ISBN-10 | 3-442-16972-0 / 3442169720 |
ISBN-13 | 978-3-442-16972-6 / 9783442169726 |
Zustand | Neuware |
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