Vom Krauter zum Gärtner (eBook)
272 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7693-3690-0 (ISBN)
Die Betriebsberufsschule (BBS) für Gartenbau
Dokumentation und Erlebnisbericht
Dr. Baldur Martin
Baldur Martin (geb. 1940) begann seine berufliche Ausbildung mit der Gärtnerlehre in der »Volksbaumschule Ketzin«im Jahre 1958. 1962 wurde er Berufsschullehrer in Werder (Havel). Hier wirkte er besonders auf dem Gebiet »Gärtner mit Abitur«. Als Sekretär der Berufsfachkommission der DDR war er verantwortlich für die Entwicklung mehrerer Lehrplangenerationen der Gärtner, Blumenbinder bzw. Winzer und der zentralen Leistungsvergleiche im Berufswettbewerb. Für das Lehrbuch »Gärtnerische Grundlagen«war er federführend. Mit externer Mitarbeit an der Sektion Gartenbau der HUB beteiligte er sich an der Entwicklung einer Unterrichtsmethodik. Seine Dienstzeit an der BBS Werder endete als Folge der Auflösung dieser Einrichtung in den Jahren nach 1990.
Der Inhalt dieses Beitrages entstammt dem Buch »Die Gartenbauschulen in Werder (Havel)«.
Autor: Dr. Baldur Martin. (ISBN-Nr.: 978-3-00-071046-9.) Die Texte sind aus diesem Buch originalgetreu übernommen und zusammengestellt. Bearbeiter: Achim Friedrich
Am 1. Januar 1961 wurde die Betriebsberufsschule des Volkseigenen Gutes (VEG) Gartenbau Werder (Havel) gegründet. Der VEG-Gartenbau bewirtschaftete die 4 ha der ehemaligen Obstbauschule in der Eisenbahnstraße 88/89. Durch den Zuerwerb von Nachbargrundstücken reichte das Gelände dann über die Adolf-Damaschke-Stra-ße hinweg bis zum Havelufer.
1967 hatte der Betrieb eine Hochglasfläche von 4120 m2. In den 70/80er Jahren wurde die Freifläche komplett mit Folienzelten bzw. Gewächshäusern ausgestattet.
Die Betriebsberufsschule besaß von da an einen festen ökonomischen Bezug als Basis für den Aufbau einer modernen gärtnerischen Ausbildung. Kernstück wurde die »Berufsausbildung mit Abitur«. Im September 1961 hatte die BBS 281 Lehrlinge, davon 18 in der Berufsausbildung mit Abitur (BA). Als pädagogisches Personal standen 18 Lehrkräfte und ein Erzieherehepaar zur Verfügung. 1965 waren es 360 Lehrlinge und 1970 bereits 525.
Im volkseigenen Territorium wurden drei Internate eingerichtet. Die Unterbringungskapazität musste jedoch in den Folgejahren ständig erweitert werden. Neben der berufspraktischen Ausbildung gehörte die Fahrschulausbildung mit zum Berufsbild. Ebenso wie die Spezialisierungen Obst-, Gemüse-, Zierpflanzenbau, Baumschule und Facharbeiter für Grünanlagenbau. Zunächst lagen 34 Lehrbetriebe aus den Bezirken Potsdam und Cottbus im Einzugsgebiet der Schule. Die Bewerber für die Abiturausbildung kamen aus der gesamten DDR. Durch die Auslagerung artfremder Berufe waren zunächst Platzkapazitäten frei geworden. In einer »Bedarfsmeldung«vom 11.04.1962 liegt ein »Planvorschlag 1963«vor. Danach hatte die Schule am 31.12.1962 insgesamt 67 eigene Lehrlinge, davon nur 18 männliche, »Gärtner«galt damals noch vorrangig als Frauenberuf. Die Männer wurden »Obstzüchter«.
Die Einführung der speziellen Ausbildung »Gärtner mit Abitur«verlief anfangs reichlich holprig.
Bei Aufstellung der ersten Klasse musste die Schule gerade mit der Mindeststärke zufrieden sein. Für die zweite Klasse war aber das Interesse geweckt. Dann ließen die Bewerbungen kräftig nach. Andere Berufszweige waren inzwischen auch aufmerksam geworden und lockten mit Angeboten. Es blieb der BBS nichts anderes übrig, als auch auf Werbetour durch die Republik zu gehen. Auf jede Anfrage, von privat oder einer Schule, wurde reagiert, auch mit dem Angebot, die Bewerber persönlich zu kontaktieren.
Später, im »Havelländischen Obstanbaugebiet«(HOG), wurde dieser Ausbildungsgang sogar zweizügig gefahren. Alle Lehrlinge erhielten »Leistungsnachweise theoretischer Unterricht«. Auf der Vorderseite fanden sich persönliche Angaben, Versäumnisse – die eine bedeutsame Rolle spielten – und Raum für eine Beurteilung. Es mussten der Klassenleiter unterschreiben, der Ausbilder für die Praxis, der Direktor und die Eltern hatten gegenzuzeichnen. Auf der Rückseite waren die Zensuren in den Prüfungsgebieten und Ausbildungsjahren einzutragen.
Die Konsolidierung der Schule
Am 30. Juni 1960 beschloss der Ministerrat der DDR die »Grundsätze zur weiteren Entwicklung des Systems der Berufsbildung in der Deutschen Demokratischen Republik«. Sie basierten auf den Beschlüssen des V. Parteitages der SED und des III. Berufspädagogischen Kongresses. Es wurden grundsätzliche Prämissen festgelegt. Aufbauend auf der 10-klassigen Oberschule: Facharbeiterprüfung als Abschluss; besondere Klassen für die Berufsausbildung mit Abitur als Hauptwege für ein Hochschulstudium.
Da die Berufsausbildung mit Abitur eine Zwischenstellung zwischen erweiterter Oberschule und Berufsausbildung einnahm, erfuhr sie auch organisatorisch immer wieder besondere Aufmerksamkeit.
Aus diesen bis ins Detail gehenden Festlegungen wird ersichtlich, warum die BBS für Gartenbau innerhalb der nächsten 30 Jahre eine solch rasante Entwicklung nahm und wie eingespannt alle Beteiligten waren. Die »Grundsätze…«bezogen sich aber mit erkennbarem Willen nicht nur auf die Ausbildung, sondern definierten auch konkret die aufeinander aufbauenden Schritte der Weiterbildung. Vor allem der bereits angelegte Ingenieurbereich erlangte eine ganz neue Bedeutung im System. Mit der Übertragung der Hauptverantwortung auf die Wirtschaft wurde vorübergehend der Vorrang gegenüber der allgemeinen »Volksbildungs-Ideologie«eingeräumt. Entsprechend ausgestaltet waren auch die Jahresarbeitspläne der Betriebsberufsschule des VEG-Gartenbau Werder (Havel).
Entwurf der Schulordnung
Im Entwurf einer Schulordnung werden Forderungen an die Lehrlinge fixiert und es wird mit Belobigungen und Strafen gearbeitet:
- Jeder Lehrling hat fleißig zu lernen, im Unterricht aktiv mitzuarbeiten und die übertragenen Aufgaben gewissenhaft und pünktlich anzufertigen.
- Bei besonders guten und vorbildlichen Lern- und gesellschaftlichen Leistungen erhält der Lehrling Belobigungen: Lob des Fachlehrers, Lob des Klassenlehrers, Lob des Direktors, Aufnahme ins Ehrungsbuch der Schule, Auszeichnung mit einer Reise ins sozialistische Ausland im Rahmen des Schüleraustausches, Auszeichnung mit der Karl-Liebknecht-Medaille, Herder-Medaille und andere Ehrungen.
- Bei Verstößen gegen die Pflichten des Lehrlings laut Lehrvertrag gegen die Schulordnung oder andere Weisungen werden Disziplinarmaßnahmen angewandt: Verwarnung (Eintragung ins Klassenbuch) durch den Fachlehrer, Verweis durch den Klassenleiter, strenger Verweis durch den Direktor, Umsetzung in eine andere Berufsschule, Antrag auf Lösung des Lehrverhältnisses.
Rasantes Wachstum
In den 70er Jahren entwickelte sich das Havelland um Werder mit über 10 000 ha zum größten geschlossenen Obstanbaugebiet der DDR. Aus vielen sehr unterschiedlichen und kleineren Genossenschaften und volkseigenen Gartenbaubetrieben bildeten sich großräumige und leistungsstarke kooperative Obst- und Gemüsebaubetriebe sowie zwischenbetriebliche Einrichtungen. Der Auftrag war, die Bevölkerung, vor allem die der Hauptstadt, ganzjährig mit gärtnerischen Erzeugnissen zu versorgen. Die Bezirksparteileitung der SED und der Rat des Bezirkes erhielten den Auftrag, die Entwicklung des Havelländischen Obstanbaugebietes (HOG) zu organisieren.
1973 wurde ein entsprechender Beschluss gefasst. Bereits 1968 war von 13 Betrieben und Einrichtungen der Kooperationsverband (KOV) »Havelobst«gegründet worden.
Zwischen dem Zentralrat der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und den für den Gartenbau zuständigen Stellen wurde eine Vereinbarung zur Schaffung des HOG als »Zentrales Jugendobjekt Havelobst«unter dem Motto »Der Jugend Vertrauen und Verantwortung«beschlossen. Die Berufsschule wurde voll in das Geschehen eingebunden.
Zunächst war schon die Trägerschaft durch den wesentlich größeren Betrieb VEG Apfelproduktion Satzkorn übernommen worden. Am 1. Januar 1976 wurde sie als BBS der Zwischenbetrieblichen Einrichtung Obstproduktion Satzkorn/Fahrland eingegliedert. Mit dem Beschluss zur Errichtung der »Jugendhöhe«als Wohn- und Ausbildungskomplex am 8. November 1976 erhielt die Schule den endgültigen Namen »BBS des KOV-Havelobst«und war als gleichberechtigtes Mitglied in den Verbandsrat integriert.
Ab Ende der sechziger Jahre konnte die BBS mit dem wachsenden Zulauf besser umgehen. Allein aus dem Bezirk Cottbus wurden 1972, einschließlich 15 Blumenbinderinnen, 103 Neueinstellungen geordert und alle Lehrbetriebe genannt. Im Rahmen einer Erfassung wurden an den Rat des Kreises am 19. Juli 1972 insgesamt 27 Abiturienten, also eine sehr starke Klasse, gemeldet. 16 davon begannen später ein Studium, neun wurden zur Armee eingezogen und nur zwei hatten sich unmittelbar für eine Arbeitsstelle interessiert.
Festgeschrieben wurden die Ausbildungsebenen: »Berufsausbildung mit Abitur«in den Richtungen Obstproduktion und Produktion unter Glas und Plasten; eine zweijährige Ausbildung von Abgängern der zehnten...
Erscheint lt. Verlag | 11.2.2025 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Geschichte ► Regional- / Ländergeschichte |
Schlagworte | Genossenschaftliche Umstrukturierung • Großbetriebe in der DDR • Kollektivierung der Landwirtschaft • Produktivitätssteigerung im Gartenbau • Sozialistische Agrarwirtschaft • Strukturwandel im Gartenbau • Versorgungssicherung in Ostdeutschland • Zeitzeugenberichte aus der Agrargeschichte |
ISBN-10 | 3-7693-3690-9 / 3769336909 |
ISBN-13 | 978-3-7693-3690-0 / 9783769336900 |
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