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Zen-Buddhismus -  Michel Dijkstra

Zen-Buddhismus (eBook)

Die Kunst des Loslassens
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
272 Seiten
Origo Verlag
978-3-282-00215-3 (ISBN)
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In der Zen-Philosophie geht es um fortwährendes Loslassen. Wer diese Lebenskunst virtuos beherrscht, verfällt nicht in Selbstsucht: Er oder sie geht offen auf die Welt zu und versucht, anderen spontan zu helfen. Michel Dijkstra führt im vorliegenden und in deutscher Sprache einzigartigen Standardwerk fachkundig, mit profunder Kenntnis der Quellen und in gut lesbarer Sprache in die Philosophie des Zen ein. Er stellt die wichtigsten Denker, Denkerinnen und Schulen des Zen-Buddhismus vor - und erzählt unter der Berücksichtigung von sozialpolitischen Kontexten anschaulich über die Entstehung dieser Denk- und Lebensweise in Indien und China, die sich dann von dort aus in Korea weiterverbreitet hat, in Japan zur Reifung entwickelt wurde und jetzt im Westen eine neue Blüte erlebt. Eine übersichtliche Darstellung der Zen-Philosophie für Interessierte und solche, die bereits Zen praktizieren.

Michel Dijkstra (1982) ist unabhängiger Philosoph und Publizist mit Schwerpunkt Zen-Buddhismus und Taoismus. 2019 promovierte er an der Radboud Universiteit Nijmegen mit einer Vergleichsstudie zwischen Meister Eckhart und dem Zen-Meister D?gen. Durch seine Veröffentlichungen, Veranstaltungen und Kurse erreicht er ein breites und vielfältiges Publikum und macht dieses mit östlichen Weisheitslehren und westlicher Mystik vertraut. Nach seiner Überzeugung kann ein Blick in den Spiegel der Vergangenheit unser gegenwärtiges Verständnis erhellen.

Eins


Der indische Ursprung des Zen-Buddhismus


Eines Tages zeigt Buddha seinen Lehrlingen eine Blume. Statt zu predigen, bleibt er schweigend vor ihnen stehen. Die Lehrlinge wissen nicht, was sie mit dieser Geste anfangen sollen: sie werden unruhig, fangen an, untereinander zu flüstern und hoffen, dass sich der Meister noch näher erklärt. Lediglich der alte Mönch Mahakashyapa lächelt still. Dann sagt Buddha: „Ich habe das wahre Dharma-Auge, den wunderbaren Geist des Nirvâna, die formlose wahre Form, das geheimnisvolle Dharma-Tor, das nicht auf Worten und Buchstaben beruht, eine besondere Überlieferung außerhalb der Schriften. Diese vertraue ich dem Mahakashyapa an.“1

Diese Geschichte, die einer chinesischen Schrift des 11. Jahrhunderts, Die Übertragung der Lampe, entstammt, handelt vom Ursprung des Zen-Buddhismus. Obwohl dieser Text keine historische Gültigkeit hat, zeigt er durchaus die Mentalität des Zen. Buddha wird im Zen auf besondere Art als sein Gründer betrachtet. Zen geht in erster Linie nämlich nicht von Buddhas Lehrthesen, sondern seinen Erleuchtungserfahrungen aus: dem unsagbaren Moment, durch den er die höchste, befreiende Einsicht bekommt. Laut der Zen-Ideologie gab Buddha die Erleuchtung während der „Blumenpredigt“ schweigend an Mahakashyapa weiter, der als erster, indischer Patriarch2 bekannt wird.

Nach Buddhas Tod übertrug Mahakashyapa Buddhas Erleuchtungsgeist einem weiteren Lehrling, Ananda, woraufhin diese Erleuchtung über eine lange Übertragungslinie schließlich den ersten chinesischen Patriarchen und Verbreiter der Zen-Bewegung, Bodhidharma, erreicht. Die Tradition behauptet, dass diese ununterbrochene Überlieferung der Erleuchtung „von Herz zu Herz“ stattfand. Auf diese Weise erhält Buddhas Erleuchtungserfahrung einen zentralen, lebendigen Platz im Zen-Buddhismus. Laut dem Zen ist diese Erfahrung fundamental unaussprechlich. Obwohl Zen also primär auf der Erleuchtungserfahrung fußt und Bücherweisheit mit Argwohn betrachtet, enthält es trotzdem eine große Menge buddhistischer Philosophie. Der Zen-Buddhismus beruht nämlich nicht auf sich selbst, sondern hat seine Wurzeln in einer jahrhundertealten Denk-Tradition. Auch die chinesische Geschichte über Mahakashyapa ist das Resultat einer historischen Entwicklung. Diese Geschichte beginnt in Indien, dem Land, in dem Buddha lebte und arbeitete.

Die Lehre des Buddha


Buddha entwickelte seine Lehre vor ungefähr 2500 Jahren als eine Reaktion auf das damalige religiöse und philosophische Klima in Indien. Seine wichtigsten Widersacher befanden sich im Lager der orthodoxen Brahmanen, der traditionellen Priesterkaste, die das indische Geistesleben ab ca. 1500 v. Chr. dominierte.

Die Meinungen zum Ursprung der brahmanischen Kultur sind geteilt. Manche schreiben ihr Entstehen dem Einfluss des arischen Volkes zu, welches ab 2000 v. Chr. in den indischen Subkontinent Einzug hielt. Andere sehen ihr Entstehen als Ergebnis einer durchgehenden, einheimischen Entwicklung der Induskultur. In jedem Fall entstand ein vierteiliges Bündel heiliger Texte, die als die Veden bekannt sind. Diese Schrift verkörpert die Basis der indischen Gesellschaft.

Aufgrund der Ideen aus den Veden war die Gesellschaft in Kasten unterteilt, von der jede ihre eigene Aufgabe hatte. So sorgten die Soldaten für Schutz und die Adeligen für die Verwaltung. Die höchste Kaste war die der Brahmanen. Sie beschäftigte sich mit Opferritualen, die den gesellschaftlichen Frieden und Wohlstand sicherstellen sollten. Da es unmöglich war, sich von einer niedrigeren in eine höhere Kaste hochzuarbeiten, macht die indische Kastengesellschaft aus unserer modernen Sicht einen recht unsympathischen und undemokratischen Eindruck.

Diese Starrheit der traditionellen, indischen Kultur zeigte sich auch in der Idee der „vier praktischen Lebensziele“. Laut den Veden konnte man im Laufe seines Lebens vier Zielen nachstreben, nämlich: Materieller Reichtum (artha), Sinnesfreude (kama), das Erfüllen gesellschaftlicher und religiöser Pflichten (dharma) und Befreiung (moksha). Das letzte Ziel, Befreiung, hing eng mit der typisch indischen Reinkarnationslehre zusammen.

Laut dieser Lehre wird der Mensch nach seinem Tod stets wiedergeboren. Eine neue Inkarnation konnte, abhängig von karma, der Summe aller guten und schlechten Handlungen, die jemand im Laufe seines Lebens zeigte, positiv oder negativ ausfallen. Wenn jemand beispielsweise ein gewalttätiges Leben führte, würde er in eine niedrigere Kaste oder sogar als Tier wiedergeboren. Umgekehrt habe ein tugendhaftes Leben in eine höhere Kaste oder bessere Lebensform im nächsten Leben geführt. Die traditionelle Vorstellung war, dass dieser Prozess des Lebens, Sterbens und der Wiedergeburt ein Rad war, in dem der Mensch mitdrehen musste. Er habe sich jedoch aus diesem endlosen Zyklus befreien können, indem er die richtige Erkenntnis gewinnt und rituelle Übungen praktiziert.

Diese Erlösung, das letzte der vier praktischen Lebensziele, sei jedoch nur den Brahmanen vorbehalten gewesen. Wenn es einem nach Erlösung verlangte, man aber kein Brahmane war, habe man schlichtweg auf eine bessere Inkarnation warten müssen.

Im 6. Jahrhundert v. Chr., die Zeit, in der Buddha geboren wurde, war die brahmanische Elite schon einige Zeit unter Beschuss. Da das Opferritual und die Exegese der Veden während der vorangegangenen Jahrhunderte zu trockenen Formalitäten geworden waren, verlangten die Inder nach einer lebendigeren Form der Spiritualität. Es war also nicht verwunderlich, dass innerhalb kurzer Zeit viele neue religiöse und philosophische Strömungen entstanden.

Eine der wichtigsten Erneuerungsbewegungen stützte sich zwar noch auf die Autorität der Veden, versuchte jedoch gleichzeitig, eine revolutionäre Interpretation dieser Textsammlung zu vermitteln. Diese Interpretation wurde in den Upanishaden festgehalten, einer umfangreichen Sammlung von Weisheitstexten, wovon der älteste bereits aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. stammt.

Der Kern der Upanishaden-Philosophie ist, dass der Mensch einen unvergänglichen, geistlichen Kern oder ein „Selbst“ besitze, das Atman genannt wird. Durch asketische und meditative Praktiken könne der Mensch sein begrenztes „Ich“ aufgeben und zu seinem wahren Selbst zurückkehren. Er komme so nicht nur mit seinem wahrem Selbst in Kontakt, sondern auch mit dem Wesen des Universums: Brahman. Da die Upanishaden davon ausgehen, dass Atman und Brahman identisch sind, haben diese Prinzipien auch die gleichen Kennzeichen, nämlich: Kenntnis oder Bewusstsein (cit), ewiges Bestehen (sad) und Freude (ananda). Der Mensch, der sein wahres Selbst realisiere und mit dem Kern des Universums verschmelze, sei vom Rad der Wiedergeburt befreit und teile die drei Merkmale von Brahman. Der Mensch übersteige seine begrenzte Sicht, die Vergänglichkeit und das Leiden. Dadurch erlange er gottgleiche Kenntnis, das unendliche Leben und die vollendete Freude.

Neben der Upanishaden-Lehre existierte im klassischen Indien ein vielfältiges Spektrum anderer Philosophien, darunter die Schule der Charvaka. Diese Materialisten standen der Schule der asketischen Upanishaden-Anhänger diametral gegenüber. Sie stritten die Existenz von Atman, Brahman, einer Gottheit oder sonstiger geistlicher Instanz ab. Darüber hinaus hatten sie auch nichts für die Autorität der Veden und der darin aufgenommenen Ideen über Reinkarnation und Erlösung übrig. Stattdessen behaupteten die Charvaka, dass die materielle, sinnliche Welt die einzige Realität sei. Diese Sichtweise gleicht derer der westlichen Materialisten. Eine hedonistische Lebenshaltung war für die Charvaka das höchste Gut. Aufgrund des radikalen Bruchs mit allen traditionellen Doktrinen des indischen Denkens, war dieser materialistischen Schule jedoch kein langes Leben beschert.

Buddha kannte sowohl den Hedonismus der Charvaka als auch die Askese der Upanishaden-Anhängerschaft aus eigener Erfahrung. Von beiden Lebenshaltungen wurde er jedoch nicht glücklich. Laut der Überlieferung wuchs Siddharta Gautama, so hieß Buddha vor seiner Erleuchtung, als reicher Fürstensohn auf. Durch all den Luxus um sich herum habe er sich ungestört dem Genuss hergeben können. Doch als er eines Tages seinen Palast verließ, wurde er mit der harten Realität konfrontiert: Er sah einen alten, kranken Mann und eine verwesende Leiche und begriff zum ersten Mal, dass das Leben endlich war. Er bekam Todesangst. Dann sah er plötzlich einen wandernden Mönch, der einen wunderlich ruhigen Blick in seinen Augen hatte. Dieser Mann war für Siddharta ein Signal dafür, sein luxuriöses Leben aufzugeben. Er wurde selbst zum wandernden Mönch und suchte die Erleuchtung.

Am Anfang seiner Suche ging Siddharta bei einigen Meistern in die Lehre, doch ihre Vorstellungen und spirituellen Übungen konnten ihn nicht zufriedenstellen. Enttäuscht schloss er sich einer Gruppe von fünf Mönchen an, die sich im Einsiedlertum mit asketischen Übungen, wie Fasten, beschäftigten. Siddharta übte diese Askese so fanatisch, dass er am Ende wie ein Skelett aussah. Da er dadurch die erlösende Einsicht nicht erreichte, gab er die Askese auf und setzte sich unter einen Baum. Er war fest entschlossen, so lange sitzen zu bleiben, bis er erleuchtet war. Schlussendlich bekam er mitten in einer dunklen Nacht eine Vision: Plötzlich durchschaute er den endlosen Zirkel von geboren werden, Leben und Sterben und begriff, dass er kein Teil mehr dessen war. In diesem Moment war Siddharta erwacht und trug den Ehrennamen...

Erscheint lt. Verlag 24.12.2024
Übersetzer Michel Keil
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
ISBN-10 3-282-00215-7 / 3282002157
ISBN-13 978-3-282-00215-3 / 9783282002153
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