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Verteidigung der Zivilisation

Israel und Europa in der islamistischen Bedrohung
Buch | Softcover
248 Seiten
2024
Olzog ein Imprint der Lau Verlag & Handel KG
978-3-95768-265-9 (ISBN)
CHF 27,95 inkl. MwSt
Der Existenzkampf Israels geht dem von Europa voraus. Spätestens seit dem 7. Oktober ist der Kampf der Kulturen in einen Krieg der Barbarei gegen die Zivilisation übergegangen. Er wird nicht nur in der Levante, sondern auch in Zentralasien, der Sahelzone und in Europa ausgetragen. In diesem Sinne sind die Grenzen Israels auch die Grenzen Europas.Auch die territorialen Ansprüche der Palästinenser sind vom Iran und seinen Satrapen längst in den Krieg gegen »die Ungläubigen« transformiert worden. Mit jeder Eskalation des Nahostkonflikts nehmen judenfeindliche Handlungen in Europa in einer Weise zu, wie sie seit 1945 nicht mehr zu beobachten waren. Offene Grenzen und eine zügellose Migrationspolitik haben bisher jede angemessene Gegenwehr gegen eine zunehmende Barbarisierung des öffentlichen Lebens verhindert. Die Frage lautet, ob die Europäer überhaupt noch zu kämpfen bereit sind. Sie scheinen oft kaum noch willens, sich als eigenen Kulturraum wahrzunehmen.Die größte Schwäche Europas liegt in der Verleugnung der Gefahr durch den global operierenden militanten Islam. Israel ist aber nicht nur ein Menetekel. Es könnte auch ein Modell für eine noch mögliche Selbstbehauptung sein. Die Israelis verstehen sich nicht als »postheroische Gesellschaft«, sondern als Kämpfer um die Existenz ihres Landes.Langfristig gilt es, die Kulturkriege in einen Kampf um die Zivilisation zu überführen. Diese Hoffnung fand in den Abraham-Accords zwischen Israel und einigen Arabischen Staaten ihren Ausdruck.Islamisten bedrohen auch die säkularen Staaten in der islamischen Welt. Aus einem besseren Verständnis dieser globalen Bedrohung ergäben sich nicht nur neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Nahen Osten, sondern auch zwischen den Weltmächten USA, China und Russland. Bei aller Verschiedenheit sind sie an einer Stabilität der Zivilisation interessiert. In einer multipolaren Weltordnung müssten alle universalistischen Ansprüche in eine Koexistenz der Mächte und Kulturen überführt werden. Erst daraus würde dann auch ein Frieden im Nahen Osten möglich.

Chaim Noll, geboren 1954 in Ostberlin, seit 1984 in Westberlin, 1988 bis 1991 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin, 1992 bis 1995 in Rom, seit 1995 in Israel, seit 1997 in der Wüste Negev, Mitbegründer des Zentrums für deutsche ­Studien an der Ben Gurion Universität in Beer Sheva, Israel, dort von 1998 bis 2020 Writer in Residence und Dozent, zahlreiche Buchveröffentlichungen, Mitarbeit an deutsch- und englisch­sprachigen Medien. Lebt und arbeitet nahe Beer Sheva in der Wüste Negev.

Prof. Dr. Heinz Theisen lehrte bis 2020 an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Köln und im Nahen Osten an Universitäten in Bethlehem, Haifa, Amman und Ghom. Er arbeitet als freier Autor u. a. für die Neue Zürcher Zeitung, Tichys Einblick und die Achse des Guten. Im Lau-Verlag (OLZOG edition) erschienen von ihm: Der Westen und sein Naher Osten. Vom Kampf der Kulturen zum Kampf um die Zivilisation, 2015, sowie: Selbstbehauptung. Warum Europa und der Westen sich begrenzen müssen, 2022.

Einleitung
Israel als Menetekel oder Modell?

1. Der revolutionäre Islamismus in der Weltunordnung
»It’s the religion, stupid!« Religion als Grundlage einer kollektiven Weltanschauung (Heinz Theisen) – Fragmentierung und neue Fronten. Zustandsbeschreibung Nahost (Chaim Noll) – »Arab Street«: Der globale Flashmob (Chaim Noll) – Der bekannte Reflex: Schuldzuweisung an Israel (Chaim Noll) – Fragwürdige Rolle der Medien und der »Wissenschaft« (Chaim Noll) – Größerer Spielraum für militante muslimische Gruppen (Chaim Noll) – Export der »Arab Street« (Chaim Noll) – Der Traum vom Weltreich. Islamischer Imperialismus gestern und heute (Chaim Noll) – Die am heftigsten ­umkämpfte ­Region der Erde (Chaim Noll) – Desaster des Sechs-Tage-­Krieges und Aufstieg der Muslimbrüder (Chaim Noll) – Das schiitische Pendant: Der Imperialismus der Mullahs (Chaim Noll) – Türkei: Milli-Görus-Bewegung (Chaim Noll) – Saudi-Arabien: Doppelstrategie aus Wahabismus und pro-westlichen Bündnissen (Chaim Noll) – Innerislamischer Krieg (Chaim Noll) – Das Dilemma des politischen Islam (Chaim Noll) – Spaltung in arme und reiche Staaten (Chaim Noll) – Moderne westliche Kommunikationsmittel (Chaim Noll) – Westliche Arroganz als Ursache verhängnisvoller Fehleinschätzungen (Chaim Noll)

2. Die Grenzen Israels als Grenzen Europas
Islamismus als Totalitarismus des 21. Jahrhunderts (Heinz Theisen) – Gehört Israel zum Westen? (Heinz Theisen) – Der Gaza-Krieg als Kampf um die Weltöffentlichkeit (Heinz Theisen) – Antisemitismus als Hass auf die westliche Zivilisation (Heinz Theisen) – Wozu braucht der Westen einen »Palästinenser-Staat«? (Chaim Noll) – Hilfsgelder oder Tribut? Entwicklungshilfe für die Palästinenser (Chaim Noll) – Die kompromittierte UNO (Heinz Theisen) – Deutschlands ­Rolle (Chaim Noll)

3. Noch ist Israel nicht verloren
Jüdischer Messianismus als Bedrohung von innen (Heinz Theisen) – Das flexible Ego der Israelis (Chaim Noll) – Priorität: Patriotismus (Chaim Noll) – »Deswegen sind wir hier« (Chaim Noll) – Scheich Ashraf Ja’abri und das Konzept vom »ökonomischen Weg« (Chaim Noll) – »Das ehrenhafte Leben der Männer.« Probleme der Beduinenstämme im Süden Israels (Chaim Noll)

4. Noch ist Europa nicht verloren
Die offenen Grenzen Europas (Heinz Theisen) – Universalismus und Relativismus zerstören sich gegenseitig (Heinz Theisen) – Islamische Mi­gration als Bedrohung (Heinz Theisen) – Migration und Terrorismus (Heinz Theisen) – Die Selbstbehauptung Mitteleuropas am Beispiel Ungarns (Heinz Theisen) – Europas Zukunft: Vielfalt nach innen – Einheit nach außen (Heinz Theisen) – Vom Wunschdenken zum Realismus (Heinz Theisen)

5. Zivilisierung und Selbstbehauptung
Kultur – Zivilisation – Barbarei (Heinz Theisen) – Israel als wissensbasierte Zivilisation (Heinz Theisen) – Die Wüste und der Frieden (Chaim Noll) – Kooperation mit Israel: Die Zukunft der arabischen Staaten (Chaim Noll) – Zwei verfeindete muslimische Machtblöcke (Chaim Nol) – Sympathien der Eliten, Aversion im Volk (Chaim Noll) – Vor einer Re-Zivilisierung des Iran? (Heinz Theisen) – »Mehr Bildung« ist kein Heilmittel (Heinz Theisen) – Die Palästinenser müssen sich entscheiden (Heinz Theisen) – Zivilisation als Leitkultur (Heinz Theisen)

6. Europa und der Nahe Osten in einer multipolaren Welt
Iran: Bündnis mit China, Russland und Nordkorea (Chaim Noll) – Der falsche Feind: Russland statt Islamismus (Heinz Theisen) – Europa als Objekt oder Subjekt des Weltgeschehens (Heinz Theisen) – Die Weltmächte sind zur Kooperation verurteilt – eine Chance für den Nahen Osten (Heinz Theisen)

Anmerkungen

Einleitung Israel als Menetekel oder Modell? Die These dieses Buches lautet, dass der Existenzkampf ­Israels dem von Europa vorausgeht. Es ist derselbe Krieg, in dem die Zivilisation gegen die zur Barbarei ­verkommene Kultur des Islamismus verteidigt werden muss. Für Israel zeigt er sich vor allem in einer offenen Konfrontation mit von außen eindringenden islamischen Milizen, die von verschiedenen Nachbarstaaten aus operieren, für Europa zunächst in einer von innen kommenden Bedrohung einer schleichenden Barbarisierung. Wenn an einem deutschen Gymnasium die Teilnahme am Schulchor verdammt und von der örtlichen islamischen Geistlichkeit »Musik als Sünde« gegeißelt wird, ist der Übergang von der Kultur zur Barbarei fließend geworden. Wo immer die Pluralität der modernen Lebenswelten, von Religion, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, verworfen wird, sind Kultur und Zivilisation in Gefahr. Unter »Zivilisation« fassen wir jene Gesellschaften zusammen, in denen – unabhängig von den jeweiligen eher ideell motivierten Kulturen – ein Minimum an humaner, struktureller und auch technischer Entwicklung gegeben ist. Dieses Minimum kann es auch jenseits von demokratischen Gesellschaften geben, wodurch die – zumal im Nahen Osten – nicht mehr haltbare Teilung der Welt nach demokratischen und undemokratischen Staaten in konkreten Prozessen der Zivilisierung auf einer anderen Ebene aufgehoben wird. Die vor dem 7. Oktober anvisierten »Abraham Accords« zwischen Israel und verschiedenen Arabischen Staaten sind das wichtigste Beispiel dafür. Wie heute vor allem in Europa lebt die Zivilisation oft auch dann noch weiter, wenn schon wesentliche Inhalte der eigenen Kultur und Religion verfallen sind. Aber auch dieses Minimum sollte gegenüber einer drohenden Barbarei verteidigt werden. Wenn hingegen weder Kultur noch Zivilisation bewahrt werden, droht nicht weniger als der Verlust jeder Humanität und gesellschaftlichen Ordnung. Große Teile des Nahen Ostens sind davon schon betroffen. Dieser Zivilisationsbegriff erlaubt uns die im Schlussteil des Buches beschworene Hoffnung auf eine multipolare Weltordnung, in der die Kämpfe der Kulturen zugunsten ihrer Koexistenz bei gleichzeitiger wirtschaftlicher und technischer Konnektivität überwunden werden könnten. Die konsequente Verteidigung zumindest der Zivilisation erfolgte – selbst in Israel – erst nach dem 7. Oktober, nach dem schrecklichen Geschehen, das dann eine aggressive Verteidigung unvermeidlich machte. Die Verteidigung der Zivilisation muss gewissermaßen zur Leitkultur von Staat und Gesellschaft werden. Die Alternative dazu liegt in jener Bereitschaft zur Selbstauf‌lösung, die Europa – noch – von Israel unterscheidet. Diese These versuchen wir aus historischen, kulturellen und strukturellen Zusammenhängen zwischen beiden Kulturen zu beleuchten. Sie ist heftig umstritten. In den gängigen »Postcolonial Studies« wird genau das Gegenteil behauptet. Der »weiße Westen« habe mit Israel eine weitere Speerspitze gegen den globalen Süden in die Wüste gerammt, um seine Herrschaft über fremde Völker zu befestigen. Hierzu muss in offener Diskussion Klarheit gewonnen werden und dazu wollen wir einen Beitrag leisten. Nach unserer Überzeugung ist Israel ein Frontstaat des Westens, der seine innere Vielfalt gegen die heilige Einfalt von Gotteskriegern verteidigen muss. Während die Israelis wissen, dass eine ­erste Niederlage im Krieg gegen den Islam auch ihre letzte sein würde, verstehen die meisten Europäer nicht einmal, dass sie sich in einem Kampf der Kulturen befinden. Dieser Realitätsverlust zeigt heute fatale Auswirkungen in der Sicherheits- und Migrationspolitik. Um zu erkennen, was für Europa auf dem Spiel steht, genügt ein Blick zurück. Die Städte in der heutigen Türkei waren einst von Griechen, Armeniern, Assyrern und anderen nicht türkischen Völkern gebaut und bereichert worden. Nach ihrer gewaltsamen Islamisierung gibt es in diesen Städten heute fast keine Christen mehr, nur noch 0,1 Prozent der Gesamtbevölkerung der Türkei sind Christen und Juden. Dies ist das Ergebnis der jahrhundertelangen Unterdrückung von Nicht-Muslimen mittels Zwangskonversionen, Massakern, Pogromen, Deportationen und diskriminierenden Gesetzen. Im Kampf des Islamismus gegen den Westen erfüllt sich die Prognose von Samuel Huntington vom »Kampf der Kulturen« auf erschreckende Weise. Dieses Buch wurde in den 90er-Jahren millionenfach gekauft, aber offenkundig nur von wenigen verstanden. Als Huntington seinerzeit den Zusammenprall der Kulturen als Übergang zum Kulturkrieg beschwor, ­setzte er noch voraus, dass sich der Westen diesem Kampf auch stellen würde. Heute droht Europa weniger ein Clash mit seinen von innen operierenden Zerstörern als eine ­freiwillige Selbstauf‌lösung mangels Selbstbehauptungswillen. Andere Kulturen lehnen die Relativierung des Eigenen entrüstet ab und nützen zugleich die Autoimmunerkrankung des Westens zu ihrem Vordringen aus. Drei Jahrzehnte nach Huntington stehen wir vor einem längst globalisierten Krieg von Islamisten, der neben dem Westen auch Staaten wie Russland und China und zugleich die säkularen Akteure in der islamischen Welt bedroht. Im Kern kämpft ihr religiöser Fundamentalismus weltweit gegen die Ausdifferenzierungen der modernen Zivilisation an. Aus dem Verständnis dieser globalen Bedrohung ergäben sich neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den Weltmächten, den USA, China und Russland, die bei aller Verschiedenheit ihrer Strukturen und Ideologien an einer Stabilität der Zivilisation interessiert sein müssen. Die größte Schwäche Europas liegt in der Verleugnung der Gefahr durch den global operierenden militanten Islam. Während der Westen meint, sich im Krieg zwischen dem nationalen Souveränitätsanspruch der Ukraine und den imperialen Ansprüchen Russlands auf die Seite der Ukraine stellen zu müssen, scheut er schon den Kampf, geschweige denn den Krieg mit dem Islamismus. Das alte Europa vermochte den Islam vor Wien zurückzuschlagen. Im 20. Jahrhundert war der Westen noch in der Lage, sich gegen Nazismus und Sowjetkommunismus zu behaupten. Heute sind große ­Teile der westlichen Welt kaum willens, sich als eigenständiger Kulturraum wahrzunehmen. Statt ihre eigenen Interessen zu verteidigen, verlieren sie sich in der verschwommenen Ferne globaler Ziele. Zur Vermeidung von Kulturkriegen hatte Huntington für die Selbstbegrenzung und Zurückhaltung des Westens geworben und zugleich den Schutz und die Abgrenzung des Westens vor anderen Kulturen gefordert. Geschehen ist genau das Gegenteil. Während sich der Westen immer weiter selbst relativiert, hat der Übergang von Kulturkämpfen zu Kulturkriegen durch die Ausbreitung des politischen Islam – von Ayatollahs, Taliban, Islamischer Staat, Hamas, Hisbollah, Boko Haram, Muslimbruderschaft und ihre weltweiten Außenposten und Unterstützer – schon die Form eines ­neuen Weltkriegs angenommen. Israels Kampf um seine Existenz verlängert sich durch die offenen Grenzen Europas zum Kampf sowohl um die christliche als auch um die relativistische Kultur Europas. Die ­Kämpfe und schließlich der Krieg der Kulturen müssen in einen Kampf um die Zivilisation übergehen. Diese Hoffnung fand in den Abraham-Accords ihren Ausdruck. Der 7. Oktober hat jedoch gezeigt, dass der Kulturkampf stellenweise schon in einen Kampf der Barbarei gegen die Zivilisation übergegangen ist. Die Sympathien, die dem Kampf der ­Hamas auch im Westen entgegengebracht werden, zeigen an, dass die Barbarei auch im Kulturverfall des Westens ­Anziehung ausübt. Israel ist der Frontstaat im Ringen zwischen der säkularen Zivilisation und dem religiösen Totalitarismus. Das Land befindet sich in einem entsetzlichen Dilemma zwischen Humanität gegenüber den eigenen Geiseln und dem notwendigen Kampf gegen den Untergang. Bei der Durchsuchung des Tunnelsystems am letzten Augusttag 2024 stießen die israelischen Soldaten auf die Leichen von sechs nach Gaza verschleppten Geiseln. Sie wurden vor dem Eintreffen des Kommandos erschossen. Manche glauben, dass die Geiseln noch leben könnten, hätte die Regierung ein – notfalls strategisch ungünstiges, für den Fortbestand Israels riskantes – Waffenstillstandsabkommen getroffen. Israel, ein Land so groß wie Hessen, muss seit Jahrzehnten gegen genozidale Versuche kämpfen, es zu vernichten. Es wird zugleich von der Hamas aus dem Gazastreifen, der Hisbollah aus dem Libanon, den Huthis aus dem Jemen und den iranischen Revolutionsgarden aus dem Irak und Syrien angegriffen – alle befeuert und finanziert vom Iran und anderen Unterstützern. Das NATO-Mitglied Türkei droht Israel mit dem Einmarsch. Zugleich bedrohen weltweit militante Muslime jüdische und christliche Einrichtungen. Die territorialen Ansprüche der Palästinenser sind längst in den Glaubenskampf gegen »die Ungläubigen« transformiert worden. Und dieser Kampf wird nicht nur in der Levante, sondern auch in Zentralasien, der Sahel-Zone und in Europa ausgetragen. In diesem Sinne sind die Grenzen Israels auch die Grenzen Europas. Die in Europa lebenden Juden braucht niemand über den Zusammenhang der islamistischen Bedrohung gegenüber Israel und gegenüber Europa aufzuklären. Sie spüren ihn unmittelbar und bewegen sich teilweise schon hilf‌los von einer Gefahr in die andere. 2024 erwartet Israel rund 3000 neue Einwanderer aus Frankreich, mehr als das Dreifache als im vergangenen Jahr. Die deutsche Zuwanderungspolitik gefährdet jüdisches Leben in der Bundesrepublik. In den vergangenen Jahren sind über 70 Prozent aller Erstan­träge auf Asyl von Muslimen gestellt worden. Der Anteil von Personen mit judenfeindlichen Einstellungen ist in dieser Bevölkerungsgruppe bekanntermaßen am höchsten. Mit jeder Eskalation des Nahostkonflikts nehmen judenfeindliche Äußerungen und Handlungen in Europa zu, bis hin zu Ausmaßen, wie sie seit 1945 nicht mehr zu beobachten waren. Die innere Sicherheit in Deutschland erodiert. Nach jedem der allmählich zum Alltag gehörenden Messerattentate wartet die Öffentlichkeit auf das Eingeständnis eines Totalversagens der Grenz-, Migrations- und Integrationspolitik. Deren tiefere Ursachen liegen in der Verleugnung eines »Kampfes der Kulturen«. Die Verleugnung dieser Realität hat Ausmaße angenommen, die nur noch aus der psychologischen Sphäre von »Trauma« und »Verdrängung« zu erklären sind. Seltsam jene Bekundungen, denen zufolge »das Motiv« des Täters unklar gewesen sei. Bezeichnend für die Unfähigkeit, sich den Ernst der Lage und ihres eigenen jahrzehntelangen Versagens einzugestehen, war etwa die Rhetorik von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) nach dem Messerattentat von Solingen am 23. August 2024. »Reul warnte vor Spekulationen«, heißt es auf dem Internet-Portal des WDR. »Aus dem Nichts sticht jemand wahllos auf Menschen ein. Man kann noch nichts sagen zur Person und zum Motiv.« So ist die Lage aus Sicht der Regierenden gut zusammengefasst: Man ignoriert die Hintergründe, schweigt und wartet, bis die erregten Gemüter sich wieder beruhigt haben. Bei dem Mörder aus Syrien handelte es sich um einen Migranten, dessen rechtlich gebotene Ausweisung unterlassen worden war. Zugleich stellte sich ein Bekennerschreiben des »Islamischen Staates« ein, der seinen Terrorismus längst so weit globalisiert hat, dass sich jeder Messerstecher als Soldat im weltweit operierenden Heiligen Krieg fühlen kann. Beim »Islamischen Staat« handelt es sich um einen locker gefügten globalen Zusammenschluss von Islamisten, der möglichst ­viele Ungläubige töten und den Westen destabilisieren will. Auch die Hassprediger in ihren Internet-Medien agieren losgelöst in einer Art Franchise-System, in dem sich jeder selbstständig um Hass, Gewalt und Einschüchterungen bemüht. Dabei verschwimmen religiöser und politischer Hass ineinander. Falls Israel als Frontstaat der Europäer fallen sollte, bliebe Europa nur noch der Rückzug auf eine immer kleiner werdende Wagenburg. Eine Übernahme zumindest von Teilen Europas durch islamische Mächte wäre – nach heutigem Stand der Dinge – das wahrscheinlichste Schicksal unserer Nachfahren. Mit diesen traurigen Ausblicken wird die Frage nach der Selbstbehauptungsfähigkeit Europas und des Westens gestellt, nach seiner Dekadenz, die im »Nicht-kämpfen-Wollen« besteht, und nach seinen verbleibenden Chancen, sich auch diesmal gegen die Feinde der offenen und säkular-­differenzierten Gesellschaft zu behaupten. Auf der anderen Seite: Wie solidarisch oder feindlich fragmentiert sind die verschiedenen Strömungen des militanten Islam? Zeichnet sich nach Jahrzehnten der Fanatisierung des Islam möglicherweise ein Tendenzwechsel ab in Richtung Pragmatismus und Überleben? Könnte eine Sicherheitspartnerschaft zwischen Israel, Europa und moderaten islamischen Staaten Israel und Europa retten? Der Islam ist seit dem 6. Jahrhundert in sich zerstritten, mit Neigung zu inneren Kriegen. Außerdem sind die meisten islamischen Staaten wirtschaftlich schwach, auch die reichen basieren auf Monokultur (Förderung fossiler ­Rohstoffe) und müssen fast alles, was sie benötigen, importieren. So wäre der militante Islam für ein starkes und selbstbewusstes ­Europa kein bedrohlicher Gegner. Stark ist er nur angesichts der Schwäche der Europäer, die nicht einmal zur Sicherung ihrer Grenzen in der Lage oder willens sind. Veraltete Begriffe wie »Links und Rechts« hindern uns am Begreifen. Heute prallt in der westlichen Welt vielmehr eine Regenbogenkultur von »weltoffenen« Globalisten mit denjenigen zusammen, die das Eigene und Partikulare, vom ­Sozial- und Rechtsstaat bis hin zur eigenen Kultur, bewahren wollen. In dieser Auseinandersetzung werden zunehmend die elementaren Werte der westlichen Gesellschaften infrage gestellt und aggressiv bedroht. Auch der Kampf der Palästinenser gegen Israel ist den Dekonstruktivisten des Westens ein willkommenes Vehikel zum Kampf gegen die westliche Kultur. Aus dieser Perspektive ist der Kampf um Israel nicht nur ein Menetekel, sondern auch ein Modell möglicher Selbstbehauptung für Europa und den Westen. Die entscheidende Frage ist, wie weit die Staaten des Westens für ihre Werte zu kämpfen bereit sind. An der Kampf­bereitschaft Israels ist jedenfalls nicht zu zweifeln. Israelis verstehen sich nicht als eine postheroische Gesellschaft, sondern als aktive Kämpfer um die Existenz ihres Landes. Täglich einfliegende Raketen islamischer Terrorgruppen machen in diesem Land jede Selbsttäuschung unmöglich. Wenn also die Grenzen Israels gemäß unserer These auch die Grenzen Europas sind, gilt es den gemeinsamen Kampf gegen den Islamismus ins Auge zu fassen. Hat Israel allein überhaupt eine realistische Chance in seinem Mehrfrontenkrieg gegen den militanten Islam? Oder müssen sich hier die anderen westlichen Staaten durch rechtzeitigen Beistand verantwortlich zeigen? Israels Kriege waren stets gekennzeichnet durch eine ­tiefe Spaltung im Innern und Ablehnung aus dem Ausland. Seit 1948 ist Israels Bevölkerung von Krieg zu Krieg gewachsen, ebenso seine Hightech-orientierte Wirtschaft. Israels erfolgreiche Kriege beruhen neben zahlreichen anderen Ursachen auf einer besonderen Eigenart, die sich aus Israels Demografie ergibt. So ragt der jüdische Staat auch deshalb unter den Industrienationen heraus, weil seine Frauen im Schnitt mehr als drei Kinder zur Welt bringen. Insgesamt ist die Familienstruktur der meisten Israelis stabil; auch im größeren Rahmen – über Mutter, Vater, Kind hinaus – zeigen die Familien Zusammenhalt. Solche elementaren Strukturen, auf die es in Kriegs- und Krisenzeit ankommt, sind in vielen anderen westlichen Staaten degeneriert. Der profanierte Westen wird sich so weit rekultivieren müssen, dass er die gegebene Multikulturalität im Sinne einer ausdifferenzierten und funktionsfähigen Zivilisation zusammenhalten kann. Die gemeinsame Leitkultur Israels und Europas ist eine Zivilisation mit dem Willen zur Differenzierung und zur Vielfalt. Insofern sie zumindest Religion und Politik trennen, gilt dies auch noch für autoritäre Regimes wie China und Russland, mit denen wir langfristig zumindest wieder in ­Koexistenz leben müssen. In einer islamischen oder auch nur stark vom Islam beeinflussten Gesellschaft sind Ausdifferenzierung und Vielfalt bedroht – zu dieser generellen Einsicht müssen die Mehrheiten in den westlichen Staaten gelangen. Meist geschieht es nur durch böse Erfahrung. Eine Rückkehr zum Wertekanon des christlichen Abendlands ist zwar nirgendwo in Sicht, aber eine Selbstbehauptung zumindest seiner wichtigsten Strukturen und zivilisierten Funktionen sollte in dem Maße konsensfähig werden, in dem das Bewusstsein für die Gefahren wächst. Es bleibt die Hoffnung, dass sich in den westlichen Nationen die Minima der Selbstbehauptung ihrer Zivilisation zumindest durch die blanke Not ihrer wachsenden Bedrohung einstellen werden. Mit der Bedrohung sollte der Sinn für Notwendigkeiten wachsen. Dazu gehören vor allem die zivilisatorischen Qualitäten von Wissenschaft, Technik und Ökonomie, die Israel und Europa in die Verhandlungsmasse werfen können. Dazu gehört aber auch ein robuster Schutz der jeweiligen Grenzen, der in Europa seit Längerem vernachlässigt wird und den auch Israel vor dem 7. Oktober glaubte vernachlässigen zu dürfen. Die Konflikte und Kriege im Nahen Osten werden sich nur aus der Einbettung in eine multipolare Weltordnung lösen lassen, aus dem Minimum an Koexistenz zwischen den drei Weltmächten USA, Russland und China. Sofern es dem Westen gelingt, einen ihm angemessenen Platz in der multipolaren Welt zu finden und zu behaupten, könnte die Koexistenz zumindest in spezifischen Funktionssystemen zur Konnektivität übergehen. Die Verteidigung Europas und des Westens erfordert zunächst deren Selbstbegrenzung: auf eigene Angelegenheiten und Territorien, zu denen wir Israel ausdrücklich rechnen. Sie erfordert darüber hinaus – jenseits der gegebenen Multikulturalität – die Verteidigung der Zivilisation. Beide Autoren haben an vielen Orten zu diesen Themen publiziert. Unsere Urteile müssen wir nicht ändern, aber aktualisieren, verdeutlichen, fortschreiben. Wir legen hier unsere wichtigsten Erkenntnisse zusammen, um für die Verteidigung Israels und Europas zu werben. Chaim Noll, Beer Sheva, Israel Heinz Theisen Köln, Deutschland November 2024

Erscheinungsdatum
Verlagsort Reinbek
Sprache deutsch
Maße 139 x 217 mm
Gewicht 333 g
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Geisteswissenschaften Religion / Theologie
Schlagworte 7. Oktober 2023 • Abraham Accords • Antisemitismus • Dschihadisten • Europa • Fundamentalisten • Gaza-Krieg • Gazastreifen • Glaubenskrieg • HAMAS • Hisbollah • Huthi • Iran • Islam • islamische Migration • Islamismus • Israel • Judenfeindlichkeit • Judentum • Kampf der Kulturen • Krieg • Kultur • Kulturkampf • Migration • Militanter Islam • Muslimbrüder • Naher Osten • Nahostkonflikt • Palästinenser • politischer Islam • Religion • Religionsfreiheit • religiöser Krieg • Saudi-Arabien • Schiiten • Selbstbegrenzung • Sicherheitspolitik • Sunniten • Terrorismus • Westen • Zivilisation
ISBN-10 3-95768-265-7 / 3957682657
ISBN-13 978-3-95768-265-9 / 9783957682659
Zustand Neuware
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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