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Spracherhalt und Mehrsprachigkeit (eBook)

Eine Einführung
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
189 Seiten
Narr Francke Attempto (Verlag)
978-3-381-10583-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Spracherhalt und Mehrsprachigkeit -  Katja F. Cantone,  Helena Olfert,  Laura Di Venanzio,  Erkan Gürsoy,  Tobias Schroedler,  Patrick Wolf-Fa
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Das Studienbuch gibt einen innovativen Einblick in eine in Deutschland erst junge Forschungsrichtung. Die Spracherhaltsforschung erfordert eine Auseinandersetzung mit dem internationalen Forschungsstand, ebenfalls jedoch eine Spezifikation der Situation migrationsbedingter Mehrsprachigkeit in Deutschland, die im Sinne gesellschaftlicher Teilhabe nicht nur auf die Mehrheitssprache fokussiert sein sollte. Viele Sprachen erfreuen sich einer starken Vitalität und werden weitergegeben, obwohl gesellschaftliche und institutionelle Bedingungen den Spracherhalt erschweren. Es gilt, die Entwicklung dieser Sprachen im Individuum, die außersprachlichen Faktoren, die diese beeinflussen, sowie die institutionellen Voraussetzungen für den Spracherhalt zu beschreiben. Auch werden formale und non-formale Angebote sowie die organisatorische und methodisch-didaktische Umsetzung im Unterricht betrachtet.

Prof. Dr. Katja F. Cantone lehrt Mehrsprachigkeit und Deutsch als Zweitsprache an der Universität Duisburg-Essen. Prof. Dr. Helena Olfert lehrt Deutsch als Zweitsprache und sprachliche Bildung an der Universität Osnabrück. Dr. Laura Di Venanzio ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Universität Duisburg-Essen. Dr. Erkan Gürsoy ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Universität Duisburg-Essen. Jun.-Prof. Dr. Tobias Schroedler lehrt Mehrsprachigkeit und gesellschaftliche Teilhabe an der Universität Duisburg-Essen. Ass.-Prof. Dr. Patrick Wolf-Farré lehrt Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Wien.

Prof. Dr. Katja F. Cantone lehrt Mehrsprachigkeit und Deutsch als Zweitsprache an der Universität Duisburg-Essen. Prof. Dr. Helena Olfert lehrt Deutsch als Zweitsprache und sprachliche Bildung an der Universität Osnabrück. Dr. Laura Di Venanzio ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Universität Duisburg-Essen. Dr. Erkan Gürsoy ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Universität Duisburg-Essen. Jun.-Prof. Dr. Tobias Schroedler lehrt Mehrsprachigkeit und gesellschaftliche Teilhabe an der Universität Duisburg-Essen. Ass.-Prof. Dr. Patrick Wolf-Farré lehrt Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Wien.

1 Spracherhalt - ein multiperspektivisches Forschungsfeld
2 Kindlicher Spracherhalt
3 Spracherhalt innerhalb der Familie
4 Spracherhalt außerhalb der Familie
5 Sprachlicher Standard und sprachliche Norm
6 Sprachvariationen und Sprachwandelprozesse in Herkunftssprachen
7 Außersprachliche Faktoren
8 Identität und Spracherhalt
9 Der Wert von Sprachen
10 Die andere Perspektive: Deutsch als Herkunftssprache
11 Spracherhaltsdidaktik

1.2 Definitionen


1.2.1 Mehrsprachigkeit


Um über die Thematik des Studienbuches sprechen zu können, stellt sich zunächst die Frage, was unter Mehrsprachigkeit zu verstehen ist. Dieser Begriff impliziert das Vorhandensein oder die Begegnung von mehreren Sprachen in einer Gruppe oder in einem Individuum. Doch wie ist die Gruppe oder das Individuum überhaupt in Kontakt mit mehreren Sprachen gekommen?

Menschen werden mehrsprachig, wenn sie in einer Gegend aufwachsen, in der zwei (oder mehr) Sprachen im Gebrauch zu finden sind (= gesellschaftliche Mehrsprachigkeit, RIEHL 2014: 63–64, KOCH & RIEHL 2024: Kap. 3). Das ist in zweisprachigen Gebieten der Fall (wie z. B. in der kanadischen Provinz Québec), oder aber in einem Stadtviertel, in dem viele Menschen leben, die neben der Mehrheitssprache auch eine (oder mehrere) weitere Sprache(n) verwenden (z. B. in Berlin). Darunter ist die Sprache zu verstehen, die von der Mehrheit der Menschen in einem Land oder Gebiet gesprochen wird.

Individuen können aber auch mehrsprachig aufwachsen, obwohl ihre Umgebung einsprachig ist (= individuelle Mehrsprachigkeit). Das bedeutet, dass sie eine weitere Sprache neben der Mehrheitssprache erwerben. Diese Sprache wird nicht von allen Menschen in der Umgebung gesprochen und kann in diesem Kontext als Minderheitensprache bezeichnet werden.

Eine Unterscheidung, die selten in der Literatur vorgenommen wird, ist die zwischen dem Begriffspaar mehrsprachig und bilingual (oder auch zweisprachig). Die Begriffe werden normalerweise synonym verwendet, so auch in diesem Studienbuch, weil Kinder mit mehr als zwei Sprachen aufwachsen können und sie heutzutage alle früh in Kontakt mit dem Englischen kommen (CANTONE & DI VENANZIO 2015: 36). Bei Bilingualität wird in der Spracherwerbsforschung davon ausgegangen, dass ein Kind ab Geburt auf natürliche Art und Weise gleichzeitig Kontakt zu einer weiteren Sprache hat (MÜLLER ET AL. 2023: 1–2, vgl. Kap. 2). Dieser ungesteuerte kindliche Erwerb wird auch mehrsprachiger Erwerb genannt, obwohl in der Regel nur zwei Sprachen involviert sind.

GROSJEAN (2022: 7) merkt an, dass mehrere Aspekte die Antwort auf die Frage beeinflussen können, ob man sich selbst als bilingual/mehrsprachig bezeichnet: ob man beide Sprachen flüssig spricht (fluency), ab wann man die Sprachen erworben hat sowie ob man beide Sprachen gleich gut beherrscht (in Wort und/oder Schrift).

Schließlich kommen Menschen aufgrund von Curricula und sprachpolitischen Vorschriften während des Besuchs allgemeinbildender Schulen in Kontakt mit mindestens einer, oftmals mit zwei sog. Fremdsprachen. Das sind Sprachen, die ohne vorherige Kenntnisse an Schulen gelernt werden (= curriculare Mehrsprachigkeit, die meist nur additiv, also in einer Aneinanderreihung, konzipiert ist, vgl. KRUMM 2004). In Deutschland ist vorgesehen, dass alle Menschen durch schulische Angebote weitere Sprachen erlernen.

Es kann also festgehalten werden, dass es mehrere Konstellationen gibt, weshalb Menschen in Kontakt mit mehr als einer Sprache kommen und diese auch gebrauchen. Im Falle gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit kommt man kaum umhin, Kenntnisse in den Sprachen zu erwerben, die in der Gegend gesprochen werden, in der man aufwächst. Im Falle individueller Mehrsprachigkeit kann es hingegen dazu kommen, dass die Minderheitensprache nicht erworben wird (vgl. Kap. 3). Im Falle curricularer Mehrsprachigkeit lernt man in der Schule Fremdsprachen, die gesetzlich festgelegt worden sind.

Gesellschaftliche
Mehrsprachigkeit

Individuelle

Mehrsprachigkeit

Curriculare

Mehrsprachigkeit

Alle sprechen dieselben Sprachen

Alle sprechen Mehrheitssprache

Einzelne sprechen weitere Sprache(n)

Alle sprechen Mehrheitssprache

Einzelne sprechen weitere Sprache(n)

Festlegung Angebot weiterer Sprachen

Umgebung mehrsprachig

Umgebung einsprachig

Umgebung einsprachig

Gleich anerkannte (Mehrheits-)Sprachen

Mehrheitssprache und Minderheitssprache(n)

Fremdsprachen

Erwerb von Anbeginn

Erwerb von Anbeginn

Gesteuertes Lernen in Institution

Konstellationen mehrsprachigen Seins

1.2.2 Spracherhalt


Widmet man sich dem Konzept des Spracherhalts, muss zunächst geklärt werden, was dieser Begriff im internationalen Kontext bedeutet und wofür er seit Jahrzehnten verwendet wird. Spracherhalt, eng. language maintenance, wird zusammen mit Sprachwechsel, engl. language shift, seit über 70 Jahren beforscht (PAUWELS 2016: 9–10). Ausgangslage ist, dass Personen nach einer Veränderung nicht mehr in dem Land leben, wo die eigene Sprache als Mehrheitssprache gesprochen wird. Hierzu werden Prozesse untersucht, die dazu führen können, dass die Sprache zugunsten der neuen Mehrheitssprache aufgegeben wird. Der Fokus der ersten Studien in diesem Feld lag vornehmlich auf der Beschreibung von (soziolinguistischen) Aspekten des Sprachkontakts zwischen einer Minderheiten- und einer Mehrheitssprache (PAUWELS 2016: 10–13). In bestimmten Kontexten territorialer Randgruppen kann eine Sprache sogar davon bedroht sein, vollständig auszusterben (ebd.: 24). PAUWELS grenzt language maintenance (LM) von language shift (LS) in ihrem Buch wie folgt ab:

If LS is defined as the process in which a language is gradually replaced by another language, often labelled L2, dominant language or majority language, in all spheres of usage, then LM is best described as the continued use or retention of an L1, a minority or heritage language in one or more spheres of language use. (PAUWELS 2016: 20)

PAUWELS (2016: 20) definiert language maintenance also als ein ununterbrochenes Beibehalten einer Minderheitensprache in einer oder mehreren Sprachgebrauchsdomänen. Dieser Begriffsbestimmung wird im vorliegenden Studienbuch gefolgt.

Spracherhalt im Kontext von Migration beschreibt den Vorgang, wenn Personen ihre Sprache beibehalten, obwohl sie durch eine Lebensveränderung an einem Ort leben, wo diese Sprache nicht von der Mehrheit gesprochen wird. Dem Erhalt geht die Intention voraus, die Sprache weiter nutzen zu wollen (Sprachgebrauch) und an die nächste Generation vermitteln zu wollen (Sprachweitergabe).

PAUWELS (2016: 17) versteht LM und LS als Subdisziplinen der Sprachkontaktforschung. In diesem Sinne hat die Spracherhaltsforschung lange den Fokus auf soziolinguistische Aspekte von Gruppen gelegt. Mit dem Spracherhalt in einzelnen Familien (wenn also in Zusammenhang mit Migration die in der Familie gesprochene Sprache plötzlich zur Minderheitensprache wird) beschäftigt sich die Wissenschaft seit relativ kurzer Zeit (vgl. Kap. 3). Im englischsprachigen Kontext wird diese Form von Spracherhalt präzisiert, indem von home language maintenance gesprochen wird (vgl. z. B. die Beiträge im Handbuch von SCHALLEY & EISENSCHLAS 2020). Im deutschsprachigen Raum behandeln Studien im Kontext von Mehrsprachigkeit in der Regel Erhalt und Erwerb einer Sprache neben der Mehrheitssprache Deutsch eher aus linguistischer Perspektive. Beispielsweise geben DI VENANZIO & CANTONE (2016) einen Überblick über Studien zwischen Anfang der 1970er- bis Mitte der 2010er-Jahre mit Fokus auf das Ruhrgebiet und Umgebung.

Untersuchungen betrachten insbesondere den intergenerational shift, d. h., ob es eine oder mehr Generation(en) nach der obengenannten Veränderung zu einem Sprachwechsel bzw. zu einer Umstellung innerhalb der Familie zugunsten der Mehrheitssprache gekommen ist und welche Faktoren diesen Wechsel bedingt haben. Studien legen nahe, dass die Rolle der Familien für die Sprachweitergabe existenziell ist (FISHMAN 1991, 2001), doch stellt sich die Frage, über wie viele Generationen die Weitergabe funktionieren kann (vgl. Kap. 2).

Spracherhalt und Mehrsprachigkeit hängen zusammen. Welche spracherhaltenden Maßnahmen führen dazu, dass ein Individuum/eine Familie/eine Gruppe mehrsprachig wird? Wächst eine Person einsprachig auf, steht außer Frage, dass sie diese Sprache aktiv...

Erscheint lt. Verlag 28.10.2024
Reihe/Serie narr STUDIENBÜCHER
Verlagsort Tübingen
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Germanistik
Schlagworte Herkunftssprachen • Herkunftssprachenunterrich • Mehrsprachigkeit • Spracherhalt • Sprachvariation
ISBN-10 3-381-10583-3 / 3381105833
ISBN-13 978-3-381-10583-0 / 9783381105830
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