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Die Bibel – Spiegel der Schöpfung

Band 1 – Kommentare zum Alten Testament
Buch | Softcover
432 Seiten
2024 | 2024
Prosveta Deutschland (Verlag)
978-3-89515-129-3 (ISBN)
CHF 34,95 inkl. MwSt
»Die Bibel hat einen Körper, eine Seele und einen Geist. Wer bei den Ereignissen, die in der Bibel berichtet werden, und bei den Personen, die darin handeln, stehen bleibt, wird nur den Körper kennenlernen. Wer spürt, dass etwas Tiefes, Wesentliches aus diesen Berichten hervorgeht, beginnt, die Seele zu erforschen, und nährt sich von ihr, wie man sich von der Luft zum Atmen oder vom Duft der Blumen ernährt. Wer schließlich lange studiert hat, nach welchen Gesetzen Gott das Universum und den Menschen erschaffen hat und welche Beziehungen zwischen der physischen, psychischen und spirituellen Welt bestehen, dem offenbart die Bibel ihren Geist.«

»Die heiligen Bücher aller Religionen sind sehr wertvolle Werke, aber das menschliche Wesen ist noch wertvoller, denn er ist lebendig und trägt das ganze Universum in sich. Selbst wenn die heiligen Bücher verschwinden sollten, könnte man das Wissen, das sie enthalten, wiederentdecken, denn es hat seinen Ursprung im Tierkreis, in den Sternen und auch im menschlichen Wesen. Um die Bibel zu verstehen, muss man ein wenig aus den Texten heraustreten und woanders hinschauen, weiter hoch, weiter fort, in das Leben.«

Omraam Mikhaël Aïvanhov (1900 bis 1986), Philosoph und Pädagoge bulgarischer Herkunft, lebte ab 1937 in Frankreich. Obwohl sein Werk die vielfältigen Aspekte der Einweihungswissenschaft behandelt, hebt er hervor: »Die Fragen, die sich uns stellen, werden immer dieselben sein: Wer sind wir, was ist der Sinn unseres Lebens, wie überwinden wir die die Hindernisse, die auf unserem Wege liegen. Fragt mich nicht nach etwas anderem, ich werde immer auf diese gleichen Themen zurückkommen: auf unsere Entwicklung, unsere Schwierigkeiten, den Weg, den wir gehen müssen, und die Methoden, um ihn zu gehen.«
Das Werk von Omraam Mikhaël Aïvanhov war ursprünglich eine Sammlung von mehreren tausend Vorträgen und Gesprächen, die stenografiert oder aufgezeichnet wurden. Daraus haben die Prosveta Verlage Bücher und andere Medien erstellt. Inzwischen gibt es mehr als 100 Bücher in deutscher Sprache. Das Sortiment wird ständig erweitert.

Hinweise für den Leser

Vorwort

Kapitel 1
Der Ursprung aller heiligen Bücher: Das Buch der Natur

Kapitel 2
Von der Erschaffung der Welt bis zum Ruhen Gottes am siebten Tag
1. Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde
2. »Es werde Licht!«
3. Die Schöpfung: das Werk der 2
4. Die oberen Wasser und die unteren Wasser
5. Der vierte Tag der Schöpfung: Sichtbares und unsichtbares Licht
6. »Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei«
I – Der himmlische Vater und die göttliche Mutter
II – Adam Kadmon, der ursprüngliche Mensch
III – Makrokosmos und Mikrokosmos: Universum und Mensch
IV – Vom Bild zur Gleichheit
7. »Gott sah, dass es gut war«
8. Warum hat Gott die Welt erschaffen?
9. Die Ruhe des siebten Tages

Kapitel 3
Im Garten Eden
1. Gott hebt Eva aus einer Rippe Adams heraus
Der Geist und die Materie
2. Der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen
3. Die Schlange
4. Der Sündenfall der ersten Menschen und seine symbolische Deutung
I – Der Versuchung erliegen: Essen
II – Der kosmische Baum: von den Früchten zu den Wurzeln
III – Der Tierkreis: die zwei Achsen Widder-Waage und Stier-Skorpion
IV – Wenn sich das Herz und der Verstand von der Seele und dem Geist trennen
V – Das Dreieck des Geistes und das Dreieck der Materie
VI – Die Umkehrung in der Anordnung der Prinzipien:
– Die Sephiroth Jesod, Tiphereth und Kether
– Die ersten zwei Buchstaben von Gottes Namen
5. Fall oder Abstieg: Hier muss unterschieden werden
6. »Im Schweiße deines Angesichts wirst du Dein Brot essen«
7. Eine ewige Geschichte

Kapitel 4
Die Gottessöhne und die Töchter der Menschen

Kapitel 5
Noah
1. Die Sintflut: der Rabe und die Taube
2. »Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise«
3. »Mehret euch und füllet die Erde«

Kapitel 6
Der Turm zu Babel

Kapitel 7
Abraham
1. Melchisedek bringt Abraham Brot und Wein
2. Sara und Hagar
3. Das Zeichen des Bundes: Die Beschneidung
4. Abraham ist bereit, Isaak zu opfern

Kapitel 8
Jakob
1. Esau gibt sein Erstgeborenenrecht an Jakob ab
2. Die Vision der Leiter
3. Die Geschichte von Josef, dem Sohn Jakobs
4. Als Jakob stirbt, segnet er seine Söhne

Kapitel 9
Mose
1. Von Ägypten nach Midian
2. Der brennende Dornbusch
3. Ich bin, der ich bin
4. Der Stab und die Schlange
5. Die Durchquerung des roten Meeres und der Sieg über Amalek: Die Macht der Hand
– Die Durchquerung des Roten Meeres
– Sieg über Amalek
6. Vierzig Jahre in der Wüste
7. Der Berg Sinai: Moses Auf- und Abstieg. Das Goldene Kalb
8. Priesterschurz und Brusttasche
9. Der Name Gottes, den man nicht aussprechen darf
10. Der Gott von Mose
11. Die brennenden Schlangen und die eherne Schlange
12. Die Macht des Blutes. Gebote für die Frauen
13. Moses Tod
14. Das gelobte Land

Kapitel 10
Josua
1. Die Eroberung des Landes Kanaan
I. Die Mauern von Jericho
II. »Sonne, steh still zu Gibeon«

Kapitel 11
König Saul bittet die Magierin von En-Dor, den Geist des Propheten Samuel zu beschwören

Kapitel 12
Der Prophet Elia
1. Am Bach Krit und in Zarpat
2. Die vierhundertfünfzig Propheten des Baal
3. Die Stimme Gottes war in einem Säuseln
4. Elia und Elisa
5. Elia und Johannes der Täufer

Kapitel 13
Der König Salomo
1. Der Bau des Tempels zu Jerusalem
2. Siebenhundert Hauptfrauen und dreihundert Nebenfrauen
3. »Es ist alles ganz eitel, es ist alles ganz eitel«
4. »Denn, wo viel Weisheit ist, da ist viel Grämen«
5. »Es geschieht nichts Neues unter der Sonne«
6. »Denk an deinen Schöpfer in deiner Jugend«

Kapitel 14
Hiob
1. Satan in der Ratsversammlung Gottes
2. »Er versiegelt die Hand jedes Menschen«

Kapitel 15
Die Psalmen
1. »Die Himmel erzählen die Ehre Gottes«
2. »Der die Sonne gemacht hat, den Tag zu regieren«
3. »Der HERR ist mein Hirte«
4. »Das ist ein köstlich Ding, dem HERRN danken«
5. »Schaffe in mir, oh Gott, ein reines Herz«
6. »Meine Zuversicht und meine Burg«
7. »Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum«
8. »Ich werde wandeln vor dem HERRN im Lande der Lebendigen«

Kapitel 16
Die Sprüche Salomos
1. »So spricht die Weisheit«
I – »Als der HERR den Kreis zog über den Fluten der Tiefe«
II – »Ich war seine Lust täglich«
III – »Und hatte meine Lust an den Menschenkindern«
2. »Mein Sohn, gehorche der Zucht deines Vaters…«
3. »Die Hoffart des Menschen wird ihn stürzen«

Kapitel 17
Jona
Der Prophet Jona im Bauch des Wals

Kapitel 18
Jesaja
1. »Das Räucherwerk ist mir ein Gräuel«
2. »Da wird der Wolf beim Lamm wohnen«

Kapitel 19
Jeremia
»Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben«

Kapitel 20
Hesekiel
»Odem, komm herzu von den vier Winden«

Vorwort Meister Omraam Mikhaël Aïvanhov hatte eine große Offenheit gegenüber Doktrinen und Techniken aus mehreren Traditionen. Das bezeugen seine Berichte von seinen Aufenthalten in Indien und Japan, aber auch seine Erforschung der menschlichen Psyche und ihrer Mechanismen, die er auf das System von sechs Körpern und die Existenz von feinstofflichen Zentren (Solarplexus, Hara Zentrum, Chakras) gründet. Seine Offenheit zeigte sich auch im Platz, den er der Meditation gibt, oder in der Bedeutung, die er dem physischen Körper in der spirituellen Praxis zuerkennt. Auch seine Hinweise bezüglich der Aura und ihren Kräften sowie der Glaube an die Reinkarnation bezeugen seinen Weitblick. Er betrachtet diese verschiedenen Wissenszweige als aus derselben ursprünglichen Quelle hervorgegangen, sodass sich die verschiedenen spirituellen Sichtweisen ergänzen und gegenseitig erhellen. Indessen ist es die Bibel, die schon sehr früh sein Leben auf besondere Weise beeinflusst hat, was auch in zahlreichen Passagen seiner Autobiographie belegt ist.* Der Meister lebte während seiner ersten Jahre in einem kleinen Dorf, im Süden der heutigen Republik Mazedonien gelegen, und er erzählt: »Ich glaube, dass ich einen Teil meiner Kindheit ein wenig außerhalb meines Körpers verbracht habe, in einer Art wachem Traum. In der Schule war ich nicht sehr aufmerksam, doch dann ist eines Tages etwas Seltsames geschehen. Der Lehrer hat uns aus dem 1. Buch Mose den Bericht von der Erschaffung der Welt vorgelesen: »Im Anfang war das Wort, Gott schuf den Himmel und die Erde…« Und plötzlich war es wie eine Art Offenbarung. Ich muss sechs Jahre alt gewesen sein, nicht älter, und ich verstand kaum, was da gesagt worden war. Aber jedes einzelne Wort hat sich mir so tief eingeprägt, dass ich diesen Text fast sofort auswendig wusste. Der Lehrer, meine Eltern, alle waren erstaunt. Und mit welchem Stolz wiederholte ich vor ihnen, was Gott am ersten Tag, am zweiten Tag, am dritten Tag getan hatte. Was war geschehen, dass ich diesen Text plötzlich so leicht behalten konnte?« »Später hat mich die Episode von der Sintflut beeindruckt: das Verschwinden der Erde unter den Wassern und Noah, der sich mit seiner Familie und einem Paar von jeder Tier-Spezies in die Arche rettete. Aber dennoch hat der Bericht von der Schöpfung der Welt bei mir den stärksten Eindruck hinterlassen. Jetzt kenne ich ihn zwar nicht mehr auswendig, aber er hat mich weiterhin beschäftigt. Ich habe ihn lange studiert, darüber meditiert, und ich habe ihn auch manchmal für euch kommentiert.« Er war acht Jahre alt, als seine Familie nach Varna an die Schwarzmeerküste in Bulgarien zog. Sein Vater hatte dort ein Unternehmen für Holzkohle aufgebaut, doch kurze Zeit später starb er. Dieser Verlust rief in ihm ein großes Trauma hervor. Wie sehr ihm die Autorität eines Vaters gefehlt hat, fasste er in folgende Worte: »Ich habe niemals nicht wieder gutzumachende Dummheiten angestellt, aber ich weiß, was es heißt, ein Kind zu sein, dessen Energien nicht kanalisiert sind.« Die folgende Episode begab sich während der Schulferien: »Arbeiter, die meinen Vater gut gekannt hatten und Freunde unserer Familie geblieben waren, haben mich in den Wald mitgenommen, wo sie Holzkohle machten. Ich habe dort einen Monat verbracht und zugesehen, wie sie die Kohle zubereiteten, und manchmal habe ich auch geholfen. Sie haben mir eine kleine Hütte gebaut und sogar eine Leiter gegeben, damit ich auf den Baum klettern konnte, der gleich daneben stand. Eines Tages gab mir einer von ihnen die Evangelien zu lesen. Es war das erste Mal, dass ich sie in Händen hielt, und ich habe sie sehr aufmerksam gelesen. Dabei umgab mich eine solche Stille, ein solcher Friede! Ich werde diesen riesigen Wald mit seinen großartigen Bäumen niemals vergessen.« »In diesem Alter haben mich am meisten die Wunder beeindruckt, die Jesus vollbrachte: wie er die Kranken heilte, die Dämonen vertrieb usw. Immer wieder habe ich die Geschichte von dem Besessenen gelesen, den niemand zügeln konnte: Man kettete ihn an, doch es gelang ihm, die Ketten zu sprengen. Er lief überall ohne Kleidung herum und schlief in Gräbern. Und da kam Jesus, der ihn fragte: »Wie ist dein Name?« Und der Mann antwortete: »Legion«, denn, so heißt es im Evangelium, es waren mehrere Dämonen in ihn eingetreten. Jesus befahl den Dämonen, den Mann zu verlassen, und plötzlich war der derart befreite Besessene wieder im Besitz seines normalen Menschenverstandes. Er war bereit, sich wieder anzukleiden und setzte sich ruhig zu Jesu Füßen.« »Wie sehr mich dieses Bild beeindruckt hat! Ein Mann, der sich kurz zuvor wie ein Irrer gebärdete, dann aber plötzlich wieder bei Verstand war. Ich habe ihn mir ganz deutlich vorgestellt, wie er dort saß und Jesus liebevoll mit einem ruhigen Gesichtsausdruck und einem anderen Licht in den Augen ansah. Warum ich so beeindruckt war? Weil ich mich in gewisser Weise mit ihm identifiziert hatte… Verstehe einer, was sich in der Seele eines Kindes abspielt!« »Sobald ich mir meiner Fehler bewusst wurde, betrachtete ich mich als den größten Verbrecher. Darum war ich von der Geschichte dieses Mannes so überwältigt, den Jesus auf so wunderbare Weise gerettet hat. Ich hätte so sehr gewünscht, dass er dasselbe mit mir täte! Dann weinte ich in einem fort und bat, dass auch ich von meinen »Dämonen« befreit werden würde. Zeitweise schien es mir, dass ich dieser Besessene wäre, der, zur Ruhe gekommen, zu Jesu Füßen saß… Dieser Eindruck dauerte eine gewisse Zeit an, doch selbst, wenn er in mir tiefe Spuren hinterlassen haben muss, ist er ein wenig verblasst. Ich habe mich nicht so schnell gewandelt, wie ich es wünschte.« Wenig später lieh er sich Salomos Buch der »Sprüche« in der Schulbibliothek aus. »Wie und warum hat mich dieser Titel – Die Sprüche – angezogen? Ich habe keine Ahnung. Ich habe das Buch geöffnet und gelesen: »Höre mein Sohn die Belehrung deines Vaters und verwirf nicht die Lehre deiner Mutter.« Ich war vollkommen überwältigt. Für ein Kind ist das, was in diesem Buch geschrieben steht, schwer zu verstehen. Doch diese Worte müssen in mir etwas erweckt haben, was über das normale Verständnis hinausgeht, und Erinnerungen aus der Vergangenheit zurückgebracht haben.« »Zum ersten Mal trat ich in Kontakt mit der Weisheit. Ich las dieses Buch immer wieder und wollte es nicht in die Bibliothek zurückbringen. Tatsächlich fand ich es derart wertvoll, dass niemand anderer mir würdiger erschien als ich, es zu besitzen. Gleichwohl habe ich es eines Tages zurückgebracht, aber zuvor habe ich es wie einen Schatz gehütet. Ich habe es immer mit derselben Emotion gelesen und meine Fehler bitter bereut. Unter Tränen bat ich Gott um Verzeihung und versprach Ihm, vernünftig zu werden. Natürlich hielt diese Absicht einmal mehr nicht sehr lange vor, und ich verstand nicht, warum es so schwierig war, sich zu bessern. Aber immerhin hatte mir das Lesen dieses Buches eine Einsicht gebracht. Die Sprüche waren immer da, ich griff oft auf sie zurück, und es gelang mir, zumindest eine Zeit lang, mich gut zu verhalten.« Es scheint daher, dass die Lektüre der Bibel wohl schon sehr früh zur Entwicklung seines moralischen Bewusstseins beigetragen hat. Etwas später hat ihn die Entdeckung der östlichen Philosophien dazu gebracht, Meditation zu praktizieren. Er hat die Kraft und den Duft der Rose erprobt und dabei das Symbol der mystischen Rose wiederentdeckt, das ihm die Bedeutung der ersten Verse im Johannes Evangelium offenbart hat: »Im Anfang war das Wort … «. »Die Rosen, die man in Bulgarien kultiviert, sind aufgrund ihrer Farbe, ihres Dufts, ihrer Größe, ihrer samtigen Blütenblätter sowie der Dauer ihrer Blütezeit bemerkenswert… Sehr früh haben die Rosen und ihr Duft meine Aufmerksamkeit geweckt. Ich habe ihren Duft eingeatmet und lange verweilt, um sie zu betrachten… Bis zu dem Tag, an dem ich an einer Rose geschnuppert habe, deren Duft so stark, so berauschend war, dass ich meinen Körper verlassen habe. Ich fühlte mich in einen Raum enthoben, in dem ich eine ganze Welt aus Licht, Schönheit, Inspiration und Freude entdeckte. Von diesem Moment an habe ich mich bemüht, diese Erfahrung zu wiederholen.« »Wenn ich meditierte, wählte ich eine Rose, bei der ich spürte, dass die Frische, die Form und der Duft mich sehr weit, sehr hoch führen würden… Durch das Entzücken, das sie in mir hervorrief, offenbarte sie mir große und tiefgründige Wahrheiten. Mit ihr drang ich nach und nach in jene Regionen vor, in denen man die Harmonie, die Ordnung der Welt, entdeckt. Und zweifellos habe ich mir darum eines Tages einen Zirkel genommen und einen Kreis gezogen, den ich in sechs gleiche Teile teilte. Mir ist ganz einfach in den Sinn gekommen, diese geometrische Figur zu zeichnen, die man Rosette oder mystische Rose nennt, denn sie hat in der Tat die Form einer Rose… Diese Figur, die jeder kennt, und ihre Reichtümer habe ich jahrelang weiter erkundet. Ich war fasziniert von ihrer vollkommenen Form, und sie wurde für mich ein Pentakel. Ich habe sie immer wieder gezeichnet, und sie sprach zu mir.« »Die mystische Rose ist das erste Symbol, an dem ich wirklich gearbeitet habe. Zu dieser Zeit tat ich es, ohne die geringsten speziellen Kenntnisse zu besitzen. Ich war so jung! Jedes Mal, wenn ich dieses Symbol betrachtete, war ich von einem tiefen Gefühl der Fülle umgeben. Ich identifizierte mich damit und fühlte mich in jene Bewusstseinsebene projiziert, in der uns die Mysterien der Ursprünge offenbart werden. Zweifellos deshalb erschien es mir eines Tages, als fehle etwas an dieser Rose, die ich ein weiteres Mal zeichnete. Ich habe nachgeforscht, und ein plötzlicher Impuls hat mich darüber die ersten Verse des Johannes Evangeliums schreiben lassen: »Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Es war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.« Warum diese Verse? Hatte ich eine besondere Verbindung mit ihnen? Zweifellos. Und mein ganzes späteres Leben habe ich weiter darüber meditiert, sie vertieft. Heute weiß ich, warum ich meine Zeichnung so vervollständigt habe.« Einige Zeit später, im Alter von 17 Jahren, machte er die Bekanntschaft von Meister Peter Danov. Und er erzählt: »Eines Tages habe ich ihn mit einem Mädchen und einem Jungen meines Alters in seiner Wohnung aufgesucht: Wir wollten ihn bitten, uns als seine Schüler anzunehmen. Auf seinem Tisch hatte er eine Bibel liegen – und ich beobachtete in der Folgezeit, dass der Meister immer eine Bibel bei sich trug. Er hat diese Bibel genommen und begonnen, sie durchzublättern, als suchte er etwas. Dann hat er jedem von uns einen Psalm zugewiesen und gesagt: »Lest ihn, er ist für euch.« Mir hat er den Psalm 116 gegeben. Wie viele Male habe ich daraufhin diesen Psalm wieder und wieder gelesen! Ich habe ihn sogar auswendig gelernt. Da der Meister ihn mir gegeben hatte, lag dort mein Leben. Wie könnte man übersehen, dass er mir schreckliche Prüfungen ankündigte?« »Stricke des Todes hatten mich umfangen, des Totenreichs Schrecken hatten mich getroffen; ich kam in Jammer und Not. Aber ich rief an den Namen des HERRN: Ach, HERR, errette mich!« »Diese Prüfungen sind neun Jahre nach meiner Ankunft in Frankreich plötzlich eingetreten. Während dieser finsteren Zeit, in welcher ich – in Folge von Falschaussagen* – bekämpft, bedroht und schließlich eingesperrt worden bin, habe ich mich an die Worte des Psalms und die Prophezeiungen des Meisters erinnert. »Stricke des Todes hatten mich umfangen, und des Totenreichs Schrecken hatten mich getroffen…« Besonders in einer Nacht hatte sich eine Angst meiner bemächtigt, wie ich sie bis dahin noch nie gekannt hatte, eine Todesangst. Wenn ich in dem Moment nicht gestorben bin, dann weil mich niemals der Glaube, das Vertrauen in den Ewigen verlassen hat, noch meine Liebe zu Ihm. Ich habe mich verzweifelt an folgenden Vers geklammert, den des Heils, der Befreiung: »Ich werde wandeln vor dem HERRN, im Lande der Lebendigen.« Am Tiefpunkt meiner Not angelangt, sagte ich mir, dass ich nach dieser Qual wissen würde, was das Leben ist, das wahre Leben, das ewige Leben. Als ich diesen Psalm gelesen habe, nachdem mir der Meister gesagt hatte, dass er für mich sei, war ich von seiner Schönheit sowie von seinem mysteriösen Wesen sehr beeindruckt: Was ist das, das Land der Lebendigen?** Ich habe ihn auf Hebräisch gelernt und habe ihn sogar auf ein feines Plättchen aus Gold gravieren lassen, das ich immer bei mir hatte.» Während der schweren Zeit im Gefängnis spielte sich auch folgender Vorfall ab: »Eines Tages bin ich zum Gefängnisdirektor gerufen worden. Warum? Weil ein besonders böswilliger Wärter (man wechselte sie oft) meine Bibel zu Boden geworfen hatte, und ich es gewagt hatte, ihm dieses äußerst verwerfliche Verhalten vorzuhalten. Er hatte eine Beschwerde eingereicht und ich wurde vorgeladen. Alle dachten, ich würde zur Arrestzelle verurteilt werden, diesem finsteren, schrecklichen Verlies, wo man oft krank wurde. Umgeben von drei Wärtern befand ich mich also vor dem Direktor. Sobald ich ihm erklärt hatte, was wirklich geschehen war, verurteilte er mich mit einem Lächeln zu drei Monaten ohne Tabak und ohne Wein. Als ich in meine Zelle zurückkehrte, waren meine Kameraden enttäuscht, weil ich ihnen für gewöhnlich den Tabak und den Wein gab, den ich erhielt. Die Armen, drei Monate lang mussten sie jetzt darauf verzichten!« Er erinnerte sich später an diese beiden Jahre der Haft mit den Worten: »Ich musste die Ereignisse, wie sie sich präsentierten, akzeptieren und dem Himmel vertrauen, der zum gegebenen Zeitpunkt die Wahrheit wiederherstellen würde. Es heißt im Psalm 91: »Er begehret mein, so will ich ihm aushelfen, er kennt meinen Namen, darum will ich ihn schützen, er ruft mich an, so will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen. Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil.« »Der Psalm verspricht nicht, dass wir verschont werden, sondern dass wir am Ende wieder im Licht des Herrn empfangen werden.« Doch kommen wir für einen Moment auf die Zeit zurück, da der Meister noch in Bulgarien lebte: »Ich sollte ins Rila-Gebirge hinaufsteigen.* Ein Freund, der in dem kleinen Ort Dupniza in der Gegend wohnte, hatte mich eingeladen, einige Tage bei ihm zu verbringen. Wir wollten dann gemeinsam das Zeltlager aufsuchen. Unser Mittagsmahl nahmen mein Freund und ich auf einem nahen Hügel ein. Er arbeitete in einer Verwaltung in der Nähe, und da er nicht mit mir gemeinsam aufbrechen konnte, bat er mich, an einem bestimmten Ort auf ihn zu warten, wo er mich treffen würde. Als ich das Haus verließ, sah ich viele Leute in den Straßen, die aufgeregt und beunruhigt schienen. Ich fragte, was geschehen sei, und man sagte mir, dass zwei Verbrecher, die von Polizisten verfolgt wurden, den Ort durchquert hätten, um sich auf dem Hügel zu verstecken. Ich beschloss, mich dennoch an dem vereinbarten Ort einzufinden, da mein Freund sich ja dort mit mir treffen sollte, und brach auf… Ich war schon einige Zeit unterwegs, als ich hinter mir Rufe hörte. Ich wandte mich um und sah eine große Anzahl von Personen, darunter Polizisten, die mich mit ihren Gewehren bedrohten und mir befahlen anzuhalten. Ich blieb stehen und betete: »Herr, hilf mir in diesem schwierigen Moment.« Man hielt mich offensichtlich für einen dieser Verbrecher auf der Flucht. Ich habe später erfahren, dass der Irrtum auch daher zustande kam, dass ich ein braunes Hemd trug, ähnlich jenem der Verbrecher. Ich wartete und ließ alle diese Leute herankommen. Als sie nahe genug waren, sah ich, dass sie Angst hatten. Da sie mich ja wirklich für einen der Verbrecher hielten, dachten sie, dass ich bewaffnet sein könnte. Ich sagte zu den Polizisten: »Sie haben Waffen, aber ich habe eine bessere und stärkere Waffe als Ihre.« Als sie mich erstaunt ansahen, da sie nicht wussten, was diese Worte bedeuten sollten, zeigte ich ihnen die Evangelien, die ich bei mir trug. »Das ist meine Waffe, mächtiger als Ihre.« Daraufhin kamen sie noch näher und fragten mich, was ich denn hier tun würde. Ich antwortete, dass ich auf einen Freund warte, mit dem ich zu Mittag essen wolle. Sie waren skeptisch und forderten mich auf, ihnen zu folgen… Als ich bei der Polizeistation ankam, durfte ich mich setzen. Da ich warten musste, bis man meinen Freund fand, öffnete ich die Evangelien, begann aus ihnen zu lesen und kommentierte einige Passagen für die Polizisten.* Eine Stunde später war auch mein Freund verhaftet. Er war im Ort bekannt, und sobald er meine Beschreibung gab, begriffen die Polizisten, dass ich die Wahrheit gesagt hatte. Sie erzählten ihm, was geschehen war, und sandten ihn zur Polizeistation, um mich zu befreien. Stellt euch seine Überraschung vor, als er mich mit den Evangelien in der Hand vor einer aufmerksamen Zuhörerschaft fand!...« Als er 1937 in Frankreich ankam, wurde der Meister zunächst in einem im Wesentlichen protestantischen Milieu aufgenommen. Darum hatten seine ersten Vorträge oft als Ausgangspunkt eine Passage aus der Bibel, die er kommentierte. Doch seine sich schnell vergrößernde Zuhörerschaft gehörte verschiedenen Konfessionen an. Es gab auch Zuhörer, die sowohl agnostisch als auch atheistisch waren. Das stellte für ihn jedoch kein Hindernis dar, denn was uns die Religionen lehren, kann uns auch das Leben in all seinen Formen lehren. Es genügt, das Buch der Natur lesen zu können. »Das Wort Bibel bedeutet Buch, aber das wahre Buch, die wahre Bibel, das ist die lebendige Natur, das Universum, das Gott geschaffen und mit zahllosen sichtbaren und unsichtbaren Geschöpfen bevölkert hat. All die heiligen Bücher der Menschheit haben ihren Ursprung in diesem großen Buch, und ein jedes präsentiert einige Aspekte, einige Fragmente.« Selbst wenn die Bibel ein universell bekanntes Buch und zweifellos das zurzeit am meisten übersetzte Buch ist, ist es dennoch nicht das meist gelesene und am besten verstandene. Die Katholiken haben davon eine weniger gute Kenntnis als die Protestanten. Es ist so, dass die Gläubigen die römisch-katholische Kirche lange Zeit angeregt haben, sie in nationale, sprich einheimische, Sprachen zu übersetzen. In der Tat erfordert eine Übersetzung immer einen Teil an Interpretation, sie kann tendenziell sein und den wahren Sinn des Textes verbergen. Man kennt die italienische Maxime »traduttore, traditore«: Übersetzer, Verräter. Die Lektüre in den beiden Sprachen, in denen sie geschrieben worden ist – Hebräisch für das Alte Testament und Griechisch für das Neue Testament –, stellte im Prinzip kein Problem dar; Auch die lateinische Übersetzung vom Heiligen Hieronymus wurde akzeptiert. Doch gab es viele Personen, die fähig waren Hebräisch, Griechisch oder Latein zu lesen?... So unterlag die Verbreitung der Bibel Jahrhunderte lang strengen Restriktionen.* Gegen Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts ist die „Entchristlichung“ des Abendlandes in Gang gekommen. Heutzutage ist man geneigt, das Alte und das Neue Testament als Denkmäler der universellen Kultur zu betrachten, vergleichbar damit, was für die Europäer die Ilias und die Odyssee von Homer oder der Aeneis von Vergil sind. Darum befleißigen sich die neuen Übersetzungen insbesondere auf den ursprünglichen Sinn der Worte zurückzukommen, die Originalität, die Kraft und die Schönheit des Textes hervorzuheben. 2001 publizierte der Bayard Verlag eine französische Übersetzung, an der zwanzig Schriftsteller und 27 Exegeten beteiligt waren. Es ging darum, »eine Bibel zu präsentieren, die von einer zeitgenössischen und literarischen Wiedergabe zeugt, so wie es Frédéric Boyer in seinem Vorwort notiert. Das Erscheinen dieser neuen, in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten, Übersetzung stieß auf große Resonanz. Im Radio, auf dem Sender France-Culture, wurde fast eine ganze Nacht dem Lesen bestimmter, sorgfältig ausgesuchter Passagen gewidmet. Aber der Bibel eine zeitgemäße Fassung zu geben, als wäre es in erster Linie ein literarischer Text, erhellt nicht notwendigerweise den Sinn. Nehmen wir allein die beiden ersten Verse des 1. Buches Mose. Sie sind im Allgemeinen so übersetzt: »Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.« Neue Übersetzung: »Als Erstes Gott schuf Himmel und Erde finster über der Tiefe Atem Gottes Bewegung über den Wassern.« Dieser Anfang ist gewiss eindrucksvoller, aber ist er verständlicher? Jahrhunderte lang haben die Christen, die im Abendland die Mehrheit der Bevölkerung ausmachten, selbst wenn sie die Bibel nicht lasen, in ihrer Kindheit einen religiösen Unterricht erhalten. Sie haben Messen beigewohnt und an liturgischen Festen teilgenommen. Daher haben sie verschiedene Kommentare zu den Episoden der sogenannten »heiligen Geschichte« mitbekommen. Auch haben sie Darstellungen an den äußeren und inneren Wänden der Kirchen gesehen, was heutzutage immer weniger der Fall ist, da sie immer seltener aufgesucht werden. Es ist hier nicht der Ort, das aktuelle Phänomen der Entchristlichung zu analysieren. Doch es ist unmöglich, an dieser Stelle nicht die Konsequenzen für die allgemeine öffentliche Kultur, selbst für ein aufgeklärtes Publikum, zu erwähnen. Betrachten wir allein die französische Literatur… Ein Lehrer, Geisteswissenschaftler in den vorbereitenden Klassen der allgemeinen Hochschule, hat es für unverzichtbar gehalten, nachdem er die Unwissenheit seiner Studenten festgestellt hatte, ein biblisches Wörterbuch zu publizieren, das die Themen, die Personen und die Ereignisse erfasst, welche die Studenten kennen müssen, um den Sinn der Texte zu verstehen, die auf ihrem Programm stehen. In seiner Präsentation schreibt er: »Die Bibel, die unsere gesamte religiöse und nichtreligiöse Literatur genährt hat und deren Unkenntnis nur dazu führen kann, dass die Bedeutung literarischer Texte verfälscht wird, ist zahlreichen Lesern unbekannt.« Diese Unkenntnis der Bibel ist natürlich auch dem Verständnis von Werken sehr abträglich, zu denen Künstler durch sie inspiriert wurden, so z. B. Maler, Bildhauer, Architekten. Eines Tages, während einer Radiosendung zu diesem Thema, waren einige Zuhörer zugeschaltet worden. Einer von ihnen hat erzählt, dass er in Betrachtung des Mose von Michelangelo in der Kirche San Pietro in Vincoli in Rom versunken war, als eine Gruppe französischer Studenten der Kunstgeschichte in Begleitung ihres Professors ankam. »Warum hat er Hörner?« hat einer von ihnen lachend gefragt. Nachdem er eine nichtssagende Antwort gestammelt hatte, hat er ihre Aufmerksamkeit auf die Schuhe gelenkt, die Moses trug – sie gingen ihm fast bis zu den Knien – indem er präzisierte »Schuhe, typisch für die Renaissance«. Dann hat die Gruppe ihren Besuch fortgesetzt. Und der Zuhörer, dem es nicht an Humor mangelte, bemerkte zum Schluss: »Vielleicht bereitete der Professor eine geschichtliche These zur Evolution der Kostüme vor!« Aber er hat es vorgezogen, sich zu entfernen, um nicht noch andere Erwägungen bezüglich Bekleidung hören zu müssen, statt zum Verständnis der Symbole. Ein anderer Zuhörer berichtete von der Szene, die er in einem Museum erlebt hatte. Auch da ging es um eine Gruppe von Studenten mit ihrem Professor. Sie standen vor einem Bild, das die Vision des Heiligen Johannes in der Apokalypse darstellte, wo vierundzwanzig alte, in Weiß gekleidete Männer, um ein Lamm standen, das den Christus symbolisierte. Einige gaben kichernd von sich, was das denn sei »diese um ein Hammelfest versammelten Greise«? Der Professor hatte ihre Späße wohl vernommen, aber da er anscheinend nicht mehr wusste als sie, hat er sich nicht dazu geäußert. Natürlich kann man weiterhin Museen und Kirchen besuchen ohne von dem, was man sieht, etwas zu verstehen. Aber ist das nicht bedauerlich? Der Meister sagt: »Der Sinn der Schriften offenbart sich nur demjenigen, der einen Schlüssel besitzt, und dieser Schlüssel ist das Gesetz der Analogie, das Gesetz der Entsprechungen. Die Bibel hat einen Körper, eine Seele und einen Geist. Wer sich nur mit der Erzählung von Ereignissen, von denen dort berichtet wird, und mit den beteiligten Personen befasst, wird nur den Körper kennen. Derjenige aber, der spürt, dass etwas Tiefgründiges, etwas Wesentliches von diesen Erzählungen ausgeht, beginnt die Seele zu erforschen. Er ernährt sich davon, wie man sich von der Luft ernährt, die man einatmet, oder wie vom Duft der Blumen. Derjenige schließlich, der lange geforscht hat, nach welchen Gesetzen Gott das Universum und den Menschen geschaffen hat, und welche Beziehungen zwischen der physischen, der psychischen und der spirituellen Welt bestehen, dem offenbart die Bibel ihren Geist.« All die Interpretationen, die der Meister vom Alten und vom Neuen Testament gibt, lassen erkennen, wie weit er diese Texte in sich eindringen ließ, wo sie zu leben und schwingen begannen. Er hat sie gelesen, als läse er in der Natur, im Buch der Natur. Aber auch hier muss die Natur in einem sehr umfassenden Sinn verstanden werden, und zwar als die zugleich »ursprüngliche Natur«, das heißt die Macht des schöpferischen Geistes, und die »geschaffene Natur«, das heißt das erschaffene Universum.* Er wusste, dass dies viele Gläubige schockieren könnte. Doch der Meister ging so weit zu sagen, dass es, selbst wenn die Bibel verschwinden würde, möglich wäre, die Lehren wiederherzustellen. Denn die Episoden, über die dort berichtet wird, sind in Wirklichkeit nur die Übersetzung in Bilder der ewigen Gesetze, die das Universum und die Wesen regieren, die es in all ihren Manifestationen bewohnen. Auf diese Weise lehrt er uns, in diesem Buch den großen Spiegel der Schöpfung zu sehen. Dr. phil. Agnès Lejbowicz

Das Wort Bibel bedeutet Buch. Aber das wahre Buch, die wirkliche Bibel, ist das Buch der lebendigen Natur, des Universums, das Gott erschaffen hat, und das Er mit unzähligen sichtbaren und unsichtbaren Geschöpfen bevölkert hat. Alle heiligen Bücher der Menschheit haben ihren Ursprung in diesem großen Buch, und jedes stellt nur ein paar Aspekte, ein paar Fragmente dar. Nur das Buch der Natur ist vollständig und nicht nur vollständig, sondern unzerstörbar. Selbst wenn die Bibel und alle heiligen Bücher verschwinden müssten, wäre es zwar nicht möglich, sie genau so wiederherzustellen, doch ihre Quintessenz könnte wiederentdeckt werden. Denn ihr Ursprung ist oben, im Zodiak, im Buch der Schöpfung, dem Buch der Natur, und der Mensch selbst ist Teil dieses Buches. Aber was ist die Natur? Weil die Menschen seit Tausenden von Jahren die Welt, die sie umgibt, erforschen, glauben sie, diese zu kennen. Und sie kennen sicherlich auch viele Dinge. Davon zeugen die vielen wissenschaftlichen Fachrichtungen, die sie geschaffen haben und die zu zahlreich sind, um sie aufzuzählen. Und wenn die Menschen behaupten, die Natur zu lieben und sie zu beschützen, so denken sie an Tiere, Blumen, Bäume, Flüsse, Ozeane und Gebirge. Aber diese Natur ist nur die materiellste Manifestation der wahren Natur, ihre Hüllen, ihre Schalen, das, was die Philosophen die »natürliche Natur« nennen. Die wahre Natur ist Gott selbst, die »naturgegebene« Natur, die ständig zu uns durch die »natürliche« Natur spricht und sich uns enthüllt. Das göttliche Wort, das die Texte vermitteln, ist natürlich kein Wort im normalen Sinne. Gott ist eine unmessbare, nicht zu begreifende und überwältigende Energie. Es heißt in den Psalmen: »Die Berge zerschmelzen wie Wachs vor dem HERRN.«1 Nur die Elektrizität kann eine, wenn auch recht schwache, Vorstellung seiner Macht geben. Er richtet sich nicht in menschlicher Sprache an ein menschliches Wesen, um sich ihm zu offenbaren und ihm Lehren zu übermitteln. Nur dem Menschen gelingt es – dank der Schärfe seines Intellekts und der Feinheit seiner Empfindungen – das Wort Gottes in sich selbst und in der Natur zu entziffern, denn das göttliche Wort, das Urlicht, formt die Substanz von allem, was existiert. Selbst wenn es Werke von einigen wahrhaft inspirierten Wesen sind, können die heiligen Bücher niemals jenes Buch ersetzen, noch ihm gleichkommen, dem Buch, in das der Schöpfer alles eingetragen hat: seine Schöpfung. Deshalb gebe ich ihnen keinen absoluten Wert, sie dienen mir lediglich als Ausgangspunkt, um die ewigen Wahrheiten wiederzufinden. Ihr versteht mich besser, wenn ich euch ein Bild gebe. Der Sternenhimmel ist einer der wunderbarsten Anblicke, die es gibt, aber man kann ihn auf verschiedene Weisen betrachten. Wir können eine Himmelskarte nehmen oder ein astronomisches Buch, das uns im Einzelnen alles erklärt, was man über die Sterne und Planeten weiß: ihre Namen, die Entfernungen, die sie trennen, die verschiedenen Elemente, aus denen sie bestehen, wie sie entstehen, bestehen und sterben, welchem physikalischen Gesetz das Sonnensystem folgt usw. Das ist sicher sehr nützlich für das Verständnis des Universums. Aber welcher Unterschied zu den Erfahrungen, die wir machen können, indem wir den Sternenhimmel ohne andere Vorsätze betrachten und dabei mit dieser Unermesslichkeit verschmelzen! Dann verbinden wir uns mit den geistigen Wesen, deren himmlische Körper eine Art von physischem Kleid darstellen, und wir gelangen immer mehr zu einem anderen Verständnis, das all unsere Zellen durchdringt. Denn der Sternenhimmel ist auch ein Buch, ein Buch, das sich nicht nur an unseren Verstand richtet. Das Wissen, das er uns gibt, prägt sich in uns ein und kann unser Leben verändern. Wir lassen uns von einem höheren Ziel erhellen, und dieses Licht lenkt unsere Gedanken, unsere Gefühle und Handlungen: Dies ist das wahre Wissen. Die Betrachtung des Sternenhimmels könnte den Menschen die Lösung all ihrer Probleme bringen, denn er öffnet ihnen die Türen zu ihrem inneren Himmel. Wenn sie sich angewöhnen würden, ihre täglichen Sorgen loszulassen und die Sterne mit Liebe zu betrachten, indem sie über die kosmische Harmonie, über dieses Licht, das aus so fernen Räumen und Zeiten kommt, nachdenken würden, könnten sie die spirituellen Regionen, die auch in ihnen selbst sind, entdecken. Auf diese Weise lese ich auch die heiligen Bücher, und besonders die Bibel, als ob ich mich dem Himmel näherte, dessen Sterne mein ganzes Sein erleuchten und durchdringen. Die genaue Wahrnehmung der Dinge wird uns nur von oben gegeben. Unten sieht man nur eine verstreute, zerstückelte Wirklichkeit. Wenn man keine Ordnung und keine Struktur erkennt – das heißt die Verbindungen, die all diese Elemente vereinen, diese Stufen der Schöpfung – kann man die Texte nicht genau deuten, die von einer Schau der göttlichen Einheit inspiriert sind. Die Bibel hat eine äußerst große Rolle bei der Formung des menschlichen Geistes gespielt. Sie wurde gelesen, wieder und wieder gelesen, in fast alle Sprachen übersetzt, und sie wurde mehr als alle anderen Bücher gedruckt und neu aufgelegt. Selbst wenn viele, die sie besitzen, sie nicht oder nur wenig lesen, bewahren sie diese wie einen Talisman auf. Dagegen behaupten diejenigen, die sie lesen, sehr oft, dass sie nicht viel verstehen, und dass sie dadurch entmutigt sind. Die Geistlichen werden sagen, um die Bibel zu verstehen, müsse man sie ständig lesen, und einige raten, sich so auf das Gebet und das Fasten vorzubereiten. Andere geben vor, die Kommentare zu den Schriften zu studieren. Diese Ratschläge sind sicher nützlich, aber unzureichend, denn die Lösung findet man da nicht. Selbst wenn man die biblischen Texte vom wissenschaftlichen Standpunkt her studiert, haben die Interpreten in vielen Fällen ihre Kraft geschwächt. In ihren Analysen kommen historische Irrtümer, Lücken, Widersprüche, Übertragungsfehler usw. an den Tag. Auf diese Weise haben sie endlos viel Material für Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten angesammelt. Kann man dort Inspiration, kann man dort das Licht finden? Die wissenschaftlichen Methoden haben sich zwar immer als nützlich erwiesen, aber nicht auf allen Wissensgebieten in gleicher Weise. Sie haben kein Gespür für die winzigen Details der Wirklichkeit, und die Geheimnisse der Seele entgehen ihnen. Sicher ist es interessant, sich zu fragen, in welcher Epoche dieser oder jener Teil des Alten Testaments geschrieben wurde, ob die Berichte den archäologischen Entdeckungen widersprechen (was oft der Fall ist), ob die Texte nur einen oder mehrere Autoren haben, und ob diese Autoren dann wirklich Mose oder Salomo waren. Man kann auch den Wortschatz mit dem der Nachbarländer vergleichen, die verschiedenen Versionen studieren, sich mit hebräischen oder altgriechischen Texten befassen und bewusst oder unbewusst falsche Informationen oder schlechte Kopien untersuchen. Das nennt man »heilige Exegese« (Ausdeutung), und die Arbeiten der Exegeten sind beeindruckend. Aber selbst wenn man dies in alle Ewigkeit weiterführen würde, könnte es ihnen nicht gelingen, den Schlüssel zu diesen Schriften zu finden. Das Verständnis der heiligen Bücher – wie sie sind – verlangt eine andere Art von wissenschaftlichen Disziplinen. Eine gewisse Anzahl von Werken, die reich und tief sind, kann uns sicher aufklären. Das wahre Verständnis, die wahre Erkenntnis, die ins Fleisch und Blut übergehen, dringen nur in uns ein, wenn wir uns bis zur göttlichen Welt erheben können, wo sich der Ursprung aller Dinge befindet. Dort oben haben die großen Religionsgründer ihre Inspiration bekommen. Nach bestimmten Überlieferungen wurden sie von Erzengeln belehrt. So hatte Metatron Mose und der Erzengel Gabriel Mohammed belehrt usw. Das ist natürlich eine Art, um zu erklären, dass das Licht von oben kommt, und man es oben suchen muss. Zu wiederholten Malen habe ich euch gesagt, dass man den Sinn der heiligen Texte nicht enthüllen kann, wenn man nicht fähig ist, sich in die höheren Welten aufzuschwingen, um das große Buch der Schöpfung zu lesen, aus dem die großen Patriarchen, die Propheten und Jesus ihr Wissen bezogen haben. Nur ist dieses Buch nicht für alle offen. Es ist von sehr mächtigen Wesen bewacht, die den Zugang nur denen gewähren, die sich lange vorbereitet haben, und es ist sehr schwierig, sich zu diesen Höhen zu erheben. Aber das soll uns nicht entmutigen, denn es besteht eine andere Bibliothek, zu der wir täglich Zutritt haben, und wir finden sie in uns selbst. Ihr sagt: »In uns?« Aber warum bitten wir sie nicht um Rat? Bildlich gesprochen möchte ich euch erklären, dass diese Bücher in uns in sehr kleinen Buchstaben geschrieben sind, und man sie mit einer sehr starken Lupe vergrößern muss. Und weil die Menschen diese Lupe zur Vergrößerung der Buchstaben nicht besitzen, verzichten sie auf das Lesen. Ihr müsst also danach streben, die Lupe zu erlangen, damit ihr die Dokumente einer inneren Bibliothek lesen könnt. Ja, die einzige Schwierigkeit ist die Dimension der Bilder. Jede Anfrage an diese Bibliothek wird in Wirklichkeit beantwortet. Wie auch immer die Frage gestellt ist, ihr bekommt eine Antwort. Aber weil die Druckplatte, die ihr bekommt, so winzig ist, glaubt ihr, nichts bekommen zu haben. Das ganze Universum ist im Menschen dargestellt, und um wie viel tausendmal musste es verkleinert werden! Es ist also normal, dass wir die Bilder nicht sehen und noch weniger entziffern können, ohne dass eine geeignete Einrichtung mit einer Lupe sowie einem Projektionsgerät vorhanden ist. Vielleicht habt ihr bei euch Zuhause einen Filmstreifen und habt gesehen, wie klein und unscharf die Bilder sind. Aufgrund der Durchsichtigkeit kann man kaum genaue Formen erkennen. Wenn sie aber auf eine Leinwand projiziert werden, sind die vergrößerten Bilder klar und genau. Euch fehlt eben dieser Apparat, der ermöglicht, die Bilder in der rechten Dimension zu projizieren. »Aber wo sollen wir ihn finden?«, fragt ihr. Im Bewusstsein. Das Aufnahmegerät befindet sich im Unterbewusstsein, wo automatisch alles aufgezeichnet wird. Aber um den Projektor zu bekommen, mit dem ihr die Dokumente eurer eigenen Bibliothek entziffern könnt, braucht ihr Einweihungswissen und Disziplin. Nur dieses Wissen und diese Disziplin geben euch die Mittel, in eurem Bewusstsein jene Elemente zu entwickeln, die euch über die erhaltenen Antworten aufklären. Vielleicht findet ihr es merkwürdig, dass ich euch die Erkenntnis und Deutung der heiligen Texte darstelle, indem ich die technische Vorgehensweise des Kinos benutze. Aber das sind die deutlichsten Erklärungen, die ich euch geben kann. Und wie ich euch schon öfter erklärt habe, geben uns die wissenschaftlichen und technischen Fortschritte – abseits der religiösen und spirituellen Streitereien – bessere Mittel, um die Prinzipien, auf denen sie basieren, zu verstehen. Um den Sinn der heiligen Bücher zu verstehen, lautet das erste Gebot, sich in einen empfänglichen Zustand zu versetzen, um den durch das Lesen hervorgerufenen Bildern und Empfindungen die Möglichkeit zu geben, am Unterbewusstsein zu arbeiten. Denn, wenn das, was diese Bücher sagen, oft nicht den Kriterien des Intellekts entspricht – der am Buchstaben klebt –, bringen sie etwas für das Leben der Seele und des Geistes. Im zweiten Kapitel der Korinther sagt Paulus: »Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.«2 Der Buchstabe ist das, was der Intellekt studiert. Mit ihm kommen wir nicht über die Form hinaus. Aber der Sinn liegt nicht in der Form, sondern auf den höheren Ebenen, der Welt des Geistes. Nur der Geist verschafft Zugang zu den höheren Regionen, wo die Erklärungen aller Dinge zu finden sind. Der Intellekt lässt uns dagegen dorthin absteigen, wo sich Brosamen und Bruchstücke befinden, die sogar oft die Wirklichkeit verformen. Durch große Diskussionen und gelehrte Beweisführungen entfernt man sich letztlich vom Sinn und Inhalt der Texte, die immer weniger greifbar werden. Die in der Bibel enthüllten Wahrheiten wurden von außergewöhnlichen Geistern gelebt. Um sie zu verstehen, müssen wir versuchen, diesen Wesen bis in jene Regionen zu folgen, zu denen sie sich selbst erheben konnten, um diese Enthüllungen zu empfangen. Wir müssen in ihre Schau der Dinge eindringen und auf der gleichen Wellenlänge schwingen. Sonst bleibt uns ihre Sprache, ihre wirkliche Sprache, fremd. Wir müssen fühlen, was sie selbst fühlten, leben, was sie erlebt haben, das heißt, ihr Bewusstseinsniveau erreichen. Nur dann wird das Licht erstrahlen. Aber dieses hohe Bewusstseinsniveau ist nur für diejenigen zu erreichen, die sich aufmerksam und respektvoll gegenüber der geistigen Welt verhalten. Wie viele glauben, sie könnten die höheren Regionen, von denen die Schriften inspiriert sind, erreichen, ohne an ihren Lebensgewohnheiten und Gedanken etwas zu ändern! Nein, sie können sie lange lesen und immer wieder lesen und diesen Texten die feinsinnigsten Erklärungen geben. Sie werden »den Buchstaben« nicht loslassen und nichts begreifen. Diejenigen, die in der Bibel Nahrung finden möchten, müssen damit beginnen, sich zu fragen, was sie im eigenen Leben verbessern können, ohne sich darum zu kümmern, ob sie verstehen oder nicht. Es gibt so viele schwierige Texte: Das 1. Buch Mose oder die Apokalypse und einige Gleichnisse Jesu. Selbst wenn man ihnen alle möglichen Erklärungen gibt, ist es nicht gewiss, dass sie von vielen verstanden werden, denn diese Texte sind nicht im intellektuellen Sinne der Begriffe verständlich. Da sie aus der Welt der Seele und des Geistes kommen, wenden sie sich an die Seele und den Geist und üben ihren Einfluss auf diese aus. Aber wenn diese Worte einmal unsere Seele, unseren Geist und unser ganzes Wesen berührt haben, und wenn selbst unser physischer Körper die Schwingungen fühlt, erwacht etwas, das schlummerte und dann in Bewegung kommt. Denn die heiligen Texte, deren Stil manchmal von Gelehrten kritisiert wird, können mit Kraftströmen verglichen werden, die Macht haben, uns zu erwecken, zu sättigen, zu heilen. An dem Tag, an dem es uns gelingt, die Wahrheiten, die sie enthalten, als lebendige und aktive Wirklichkeit in uns zu spüren, ist unser ganzes Wesen gereinigt, erleuchtet und erneuert. Ich kann auch noch folgenden Rat geben. Wählt einen oder mehrere Verse aus, die euch besonders berühren, weil sie euren Bedürfnissen entsprechen. Kopiert sie und tragt sie bei euch, aber vergesst sie nicht in irgendeiner Tasche! Lest sie immer wieder und meditiert darüber. Gott hat gesprochen und spricht ständig weiter durch seine ganze Schöpfung hindurch und im Herzen des Menschen selbst. Es ist deswegen nicht richtig, zu behaupten, Er habe nur zu diesem Eingeweihten, jenem Hierophanten oder jenem Propheten gesprochen. Es ist richtiger, zu sagen, dass einige Wesen ihn besser »gehört« haben als andere. Und man muss hinzufügen, dass das, was sie gehört und berichtet haben, natürlich den Gegebenheiten, Problemen und der Mentalität ihrer Zeit entsprochen hat. In den großen Prinzipien stimmen die heiligen Bücher immer überein, aber wenn man in die Details geht, muss man trotzdem feststellen, dass sie nicht ausschließlich unwiderrufliche und endgültige Wahrheiten enthalten. Dann weiß man, dass die Form, in der wir sie heute kennen, alle möglichen Wechselfälle durchlaufen hat. Für das Alte Testament haben Juden, Katholiken, Protestanten und Orthodoxe nicht die gleiche Anzahl Bücher. Und die fünf Bücher Mose erhielten ihre endgültige Form mehrere Jahrhunderte nach Mose, unter Anweisung von Esra.* Was die Evangelien anbetrifft, ist es offensichtlicher, dass die vier kurzen Schriften, die sich mehr oder weniger wiederholen, nicht die vollkommene Lehre Jesu darstellen. Man hat mich manchmal gefragt, woher die Interpretationen kommen, die ich einigen Versen gebe. Wenn zum Beispiel Jesus sagt: »Mein Vater wirkt bis auf diesen Tag, und ich wirke auch«,3 um welches Wirken handelte es sich? Oder auch: »Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.«4 Worum bitten, was suchen, wo klopfen? Und all diese Gleichnisse: Der ungetreue Verwalter,5 die fünf klugen und die fünf törichten Jungfrauen,6 der Reiche und das Kamel,7 der verlorene Sohn,8 das Senfkorn,9 die zu verschiedenen Zeiten beschäftigten Arbeiter10 usw. Vielleicht hat Jesus seinen Jüngern den Sinn erklärt, aber die Erklärungen sind nicht aufgezeichnet. Und woher soll man wissen, was er sagen wollte? Schon in sehr jungen Jahren habe ich mir oft diese Frage gestellt. Ich wollte wissen, was Jesus dachte, was in seinem Kopf und in seiner Seele vorging, wenn er das Wort an seine Jünger oder die Menge, die ihm folgte, richtete. Ich war nicht sonderlich zufrieden mit dem, was ich in der Kirche hörte, und ich begann, viele Kommentare zu den Evangelien zu lesen. Das war interessant, aber ich empfand sie noch als unvollkommen, oberflächlich. Dann hatte ich eines Tages nach gründlicher Überlegung eine Enthüllung. Es musste mir gelingen, in den Kopf von Jesus einzudringen, und so habe ich mit der Einbildungskraft zu arbeiten begonnen. Denn der Mensch kennt sich nicht, er hat keine Vorstellung von den Möglichkeiten, die ihm der Schöpfer zur Verfügung gestellt hat. Er weiß nicht, dass er von Ihm eine außergewöhnliche Fähigkeit erhalten hat. Es handelt sich um die Vorstellungskraft, die er braucht, um sich das vorstellen zu können, was er auf der physischen Ebene weder besitzt noch bewerkstelligen kann, und so die Bedingungen zur Verwirklichung zu schaffen. Unglücklicherweise stellen die meisten Menschen diese Fähigkeit in den Dienst ihrer niedersten Instinkte: der Sinnlichkeit, der Besitzgier, der Herrschsucht, der Rache. Und es ist fast unglaublich, was da alles in ihrem Kopf vorgehen kann! Aber wer sagt ihnen, dass sie ihre Vorstellungskraft erziehen müssen, indem man ihnen erklärt, dass sie damit auch Enthüllungen in der Welt der Seele und des Geistes haben könnten? Selbst die Schlüssel zu den Erklärungen der heiligen Bücher befinden sich dort. In den Archiven der kosmischen Intelligenz sind die Worte Jesu noch lebendig, und eben bis dahin müssen wir uns erheben, um ihren Sinn zu entdecken. Danach können wir zum Text zurückkommen, um ihn zu interpretieren. Noch sehr jung, habe ich mir angewöhnt – um den Sinn der Worte Jesu zu verstehen – mich nach Palästina, an all die Orte, die in den Evangelien erwähnt sind, zu versetzen: die Städte, die Berge, die Wüste von Judäa, die Ufer des Jordan oder den See Genezareth. Ich stellte mir vor, ich sei Jesus und spräche vor seinen Jüngern oder der Menge, die sich um ihn herum versammelte, die Sätze, deren Sinn ich erkennen wollte. Ich trat auch in das Bewusstsein Jesu ein, um wie er zu schauen, zu fühlen, zu denken. Natürlich waren die Ergebnisse nicht unmittelbar. Ich musste lange, lange daran arbeiten. Manchmal hatte ich Erfolg, manchmal nicht. Aber ich kann heute sagen, dass ich es diesen Übungen verdanke, wenn es mir gelingt, den Sinn der Evangelien immer mehr ans Licht zu bringen und dadurch so viele Wohltaten zu erlangen. Ich habe es viele Jahre lang getan. Und vor allem habe ich mich jedes Mal darauf vorbereitet, denn ein Heiligtum betritt man nicht wie irgendeinen Ort. Ich habe mit Achtung, Ehrerbietung und Liebe versucht, in den Kopf von Jesus einzudringen. Nur unter dieser Voraussetzung konnte die Übung wohltuend sein. Auch ihr, wenn ihr in den Kopf Jesu oder eines anderen großen Meisters eindringen wollt, um wirklich den Sinn dessen, was er gesagt oder geschrieben hat, zu verstehen, müsst ihr euch in einen inneren Zustand versetzen, bei dem ihr in derselben Wellenlänge schwingt wie er. Aufgrund dieser Übereinstimmung, dieser Harmonisierung, könnt ihr die Welt seiner Gedanken erforschen. Die großen heiligen Bücher der Menschheit wurden vor sehr langer Zeit geschrieben, und es gäbe viel zu sagen, was ihre Überarbeitung und ihre Übersetzung betrifft. Aber ich bin kein Historiker und mag mich nicht mit diesen Details befassen. Wenn diese Bücher nicht immer ganz dem wissenschaftlichen Gesichtspunkt entsprechen, sind sie ebenso wenig vollständig und endgültig, denn sie spiegeln die Wirklichkeit einer Epoche wieder, das steht außer Zweifel. Trotzdem ist es nutzlos, dieses zu bemängeln, wie manche es tun. Ich weiß nur, dass, wenn wir lernen, wie wir sie lesen sollen, sie für uns Nahrung und Licht für unseren Weg werden. Ihr habt oft gehört, wie ich einige Abschnitte der Bibel interpretiere. Über all die in meinen vielen Vorträgen eingeflochtenen Interpretationen solltet ihr meditieren und euch annähern. Ein Bild, eine symbolische Erzählung, ein Gleichnis, dessen Sinn ich euch einmal gegeben habe, wird wie ein Schlüssel, der euch erlaubt, viele andere Stellen zu interpretieren. Nur wer versucht, sich bis zum Verständnis der Werke Gottes zu erheben, kann die Quintessenz aller heiligen Bücher entdecken, denn die Wahrheiten, die sie enthalten, sind in dem Leben des Universums und in seinem eigenen Leben eingetragen. Nur Gott selbst ist unerreichbar, unergründlich, über allem Verständnis. Doch Er hat in uns und in die Welt, die Er erschaffen hat, alle Elemente gelegt, die es uns ermöglichen, auf Ihn zuzugehen und einige seiner Botschaften zu entziffern. Die erste dieser Botschaften ist das Licht, denn zu Beginn hat Er sich durch das Licht offenbart, als Er sprach: »Es werde Licht.«11 Wenn wir also wollen, dass Gott zu uns spricht, müssen wir uns an das Licht wenden. Durch das Licht hat Er sich als Erstes seiner Schöpfung zugewandt. Bibelreferenzen: 1. »Berge zerschmelzen wie Wachs vor dem HERRN« – Psalm 97. 2. »Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig« – 2. Korintherbrief 3,6. 3. »Mein Vater wirkt bis auf diesen Tag, und ich wirke auch« – Jh 5,7. 4. »Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan« – Luk 11,9. 5. Gleichnis vom ungetreuen Verwalter – Luk 16, 1-15. 6. Gleichnis von den fünf klugen und den fünf törichten Jungfrauen – Mt 25, 1-13. 7. Gleichnis vom Reichen und dem Kamel – Mk 10-25. 8. Gleichnis vom verlorenen Sohn – Luk 15, 11-32. 9. Gleichnis vom Senfkorn – Luk 13,19. 10. Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg – Mt 20, 1-16. 11. »Es werde Licht« – 1. Mose 1,3.

Erscheinungsdatum
Zusatzinfo Abbildungen, Fotografien, Grafen
Verlagsort Dietingen
Sprache deutsch
Original-Titel La Bible, miroir de la Création
Maße 148 x 200 mm
Gewicht 624 g
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie
Religion / Theologie Christentum Bibelausgaben / Bibelkommentare
Schlagworte Abraham • Adam • Adam Kadmon • Ägypten • Altes Testament • Amalek • Babel • Beschneidung • Bibel • Christentum • Christus • Elia • En-Dor • Esau • EVA • Garten Eden • Gelobtes Land • Goldene Kalb • Gott • Gottes Namen • Gottessöhne • Hagar • Hesekiel • Hiob • Ich bin, der ich bin • Isaak • Jakob • Jeremia • Jericho • Jerusalem • Jesaja • Jesod • Johannes der Täufer • Jona • Kanaan • Kether • Kommentare • König Salomo • Magier • Magierin • Makrokosmos • Melchisedek • Mensch • Menschheit • Midian • Mikrokosmos • Mose • Namen Gottes • Noah • Prophet Samuel • Psalmen • Rotes Meer • Sara • Saul • Schöpfung • Sephiroth • Sinai • Sintflut • Sonne • Sprüche Salomos • Sündenfall • Tierkreis • Tiphereth • Universum
ISBN-10 3-89515-129-7 / 3895151297
ISBN-13 978-3-89515-129-3 / 9783895151293
Zustand Neuware
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