Wenn die Zeit knapp ist (eBook)
296 Seiten
Carl-Auer Verlag
978-3-8497-8480-5 (ISBN)
Michael F. Hoyt, PhD; Psychologe; Mitbegründer des Single Session-Therapieansatzes (gem. mit Moshe Talmon und Robert Rosenbaum). Monte Bobele, PhD, ABPP; emeritierter Professor der Psychologie; Psychologe und Supervisor; Leiter von Kursen zur Single Session Therapie in den USA, Kanada, Mexiko und Australien. Arnold Slive, PhD; Psychologe und Supervisor; Gastdozent an der University San Antonio, Texas. Gründer von Single Session-Beratungsdiensten in Kanada und den USA. Jeff Young, PhD; klinischer Psychologe. Leiter von 'The Bouverie Centre', La Trobe University Melbourne. Moshe Talmon, PhD; Autor des Buches Single Session Therapy: Maximizing the effect of the first (and often only) therapeutic encounter (1990), durch welches das Single Session-Konzept bekannt wurde. Pam Rycroft, Psychologin, Familientherapeutin und Ausbilderin in 'The Bouverie Centre', Melbourne. Zahlreiche Veröffentlichungen im Bereich Single Session Therapie; Mitveranstalterin des 1. und 3. Internationalen Symposiums zur Single Session Therapie.
Michael F. Hoyt, PhD; Psychologe; Mitbegründer des Single Session-Therapieansatzes (gem. mit Moshe Talmon und Robert Rosenbaum). Monte Bobele, PhD, ABPP; emeritierter Professor der Psychologie; Psychologe und Supervisor; Leiter von Kursen zur Single Session Therapie in den USA, Kanada, Mexiko und Australien. Arnold Slive, PhD; Psychologe und Supervisor; Gastdozent an der University San Antonio, Texas. Gründer von Single Session-Beratungsdiensten in Kanada und den USA. Jeff Young, PhD; klinischer Psychologe. Leiter von "The Bouverie Centre", La Trobe University Melbourne. Moshe Talmon, PhD; Autor des Buches Single Session Therapy: Maximizing the effect of the first (and often only) therapeutic encounter (1990), durch welches das Single Session-Konzept bekannt wurde. Pam Rycroft, Psychologin, Familientherapeutin und Ausbilderin in "The Bouverie Centre", Melbourne. Zahlreiche Veröffentlichungen im Bereich Single Session Therapie; Mitveranstalterin des 1. und 3. Internationalen Symposiums zur Single Session Therapie.
1 Single-Session-Therapie in Theorie und Praxis: ihre globale Ausbreitung Schritt für Schritt
Michael F. Hoyt, Jeff Young und Pam Rycroft
»Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem einzelnen Schritt.«
Laotse (6. Jh. v. Chr.)
Entscheidend für den Single-Session-Ansatz ist, an die erste Therapiesitzung so heranzugehen, als sei und bleibe es die einzige Sitzung, die jemals stattfinden wird, wobei man gleichzeitig Voraussetzungen für die Fortsetzung der Arbeit für den Fall schafft, dass sich der Klient mit seinen Problemen weiter auseinandersetzen möchte. Das Resultat ist ein Prozess, der auf Zusammenarbeit zielt, direkt und transparent ist und dem Klienten bei der Festlegung des Fokus und der Dauer der Arbeit eine sehr aktive Rolle zuspricht. Talmon (1993, p. 73) schreibt:
»Diese Konzepte sind eine Alternative zum traditionellen Modell psychiatrischer und psychotherapeutischer Arbeit: Psychische Gesundheit anstelle von Psychopathologie, Lösungen anstelle von Problemen und Partnerschaft anstelle von Gängelei, Bevormundung und Hierarchie.«
Das Prinzip, eine einmalige Sitzung anzubieten, ist eine praktische und ethisch verantwortliche Reaktion auf die vielen wissenschaftlichen Untersuchungen, die – ob uns das nun gefällt oder nicht – gezeigt haben, dass eine große Zahl von Klienten nur zu einer einzigen Therapiesitzung zu erscheinen bereit ist und die Meinung vertritt, diese eine Sitzung reiche aus. Klinische Erfahrung lehrt uns, dass sich nicht voraussagen lässt, ob ein Klient nach einem ersten Treffen zu weiteren Sitzungen erscheinen wird. Deshalb befürwortet der Single-Session-Ansatz eine Form von Therapie und anderweitiger klinischer Angebote, bei der alle Beteiligten von Anfang an davon ausgehen, dass es nur zu einer einzigen Begegnung kommen wird. Weitere Sitzungen können folgen, müssen es aber nicht; somit muss die erste und einzige Sitzung (und das Gleiche gilt auch für alle eventuell doch noch folgenden Sitzungen) im Sinne dieses Ansatzes als in sich abgeschlossenes Ereignis verstanden werden. Diese Sichtweise könnte ganz generell zu einer völligen Umgestaltung psychotherapeutischer Dienste führen.
Single-Session-/One-at-a-Time-Anwendungen haben die für herkömmliche Psychotherapie charakteristischen Grenzen überwunden. Das Hauptthema des vorliegenden Buches ist die Frage, wie diese aus therapeutischer Praxis und klinischer Forschung hervorgegangen sind. Diese Denkweise ist für viele verschiedene Kontexte von Interesse. Beispielsweise kann sie einem kollaborativen, fokussierten, effizienten und ergebnisorientierten Ansatz für das ständig wachsende Spektrum von Beratungsangeboten außerhalb des Therapieraums zugutekommen und so in den Bereichen schulischer und berufsorientierter Beratungen, der Betreuung von Wohnungslosen, der Sozialarbeit in Krankenhäusern, der Betreuung von Agenturen für die häusliche Pflege und der Katastrophenhilfe von Nutzen sein.
Vier Themen spielen in sämtlichen denkbaren Kontexten für den Single-Session-Ansatz eine wichtige Rolle:
- 1) Die Einstellung (Attitude) – Die Sitzung muss so verstanden werden, »als ob« sie die einzige jemals stattfindende wäre; deshalb ist es wichtig, jede Begegnung optimal zu nutzen, was die Prämisse, dass eine Sitzung ausreichen könnte (und es oft auch tut!), unterstreicht.
- 2) Erreichbarkeit (Accessibility) – Zeitnahes Reagieren auf die Hilfesuche von Klienten, unter Vermeidung unnötiger Hindernisse, sodass Hilfesuchende wirklich dann Hilfe erhalten, wenn sie am stärksten motiviert sind, sie anzunehmen.
- 3) Jetzt handeln (Acting Now) – Akzeptieren, dass die beste Möglichkeit, sich um eine Veränderung zu bemühen, jetzt ist, ganz gleich, welche Diagnose gestellt wurde und wie schwerwiegend oder komplex das Problem ist.
- 4) Allianz – Therapeuten sollten ihre Klienten zu Beginn der Sitzung fragen, was sie an deren Ende erreicht haben wollen, damit sie gemeinsam im Hier und Jetzt auf dieses Ziel hinarbeiten können.
Ein altes Sprichwort lautet: »So wie der Zweig gebogen ist, so wächst der Baum.« In diesem Sinne haben sich verschiedene Autoren (z. B. Eisenthal a. Lazare 1976a, 1976b; Haley 1977, 1989; Napier a. Whitaker 1978; Goulding 1990; Budman, Hoyt a. Friedman 1992) über den entscheidenden Einfluss der ersten und manchmal einzigen Begegnung von Klient und Therapeut geäußert. Sich einmal zu treffen reicht oft aus. O’Hanlon und Weiner-Davis (1989, S. 77–78) schreiben: »Wir haben so viele ›Heilungen in einer einzigen Sitzung‹ miterlebt, dass wir überzeugt sind, dass es sich dabei nicht um Glückstreffer, nicht um Wunder und auch nicht um Zaubertricks handelt. Während dieser Sitzungen geschieht in der Interaktion zwischen Therapeut und Klient etwas sehr Wirkmächtiges.« Uns liegen sowohl qualitative als auch quantitative empirische Belege für die Effektivität der SST in großer Zahl vor, und es werden ständig mehr (siehe Mumford et al. 1984; Talmon 1990, 1993; Hurn 2005; Slive a. Bobele 2011; Campbell 2012; Hymmen, Stalker a. Cait 2013; Harper-Jaques a. Foucault 2014; Hoyt a. Talmon 2014a; Stalker et al. 2015; Schleider a. Weisz 2017; Hoyt et al. Talmon 2018; Ewen et al. 2016; Aafjes-van Doorn a. Sweeney 2019; Cannistrà et al. 2020; Kachor a. Brothwell 2020; Schleider et al. 2021).
Die Therapie in einer einzigen Sitzung wird offenbar auch von Klienten sehr geschätzt. Eine Meta-Studie von Hymmen, Stalker a. Cait (2013) beispielsweise, die auf 18 begutachteten Zeitschriftenartikeln und Buchkapiteln basiert, dokumentierte eine Klientenzufriedenheit von 90–100 Prozent sowohl für einmalige Therapiesitzungen ohne Termin, die in ambulanten Einrichtungen durchgeführt wurden (dokumentiert in 5 Studien), als auch für einmalige Sitzungen in Terminpraxen (dokumentiert in 13 Studien). Weil Menschen mittlerweile seltener stigmatisiert werden, wenn sie psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, interessieren sich immer häufiger auch Manager im Gesundheitswesen und politische Entscheidungsträger für das Modell der Single-Session-Therapie, weil der Bedarf an psychotherapeutischen Angeboten ständig steigt und es für die Kostenträger immer schwieriger wird, diesen Bedarf zu finanzieren.
1.1 Die Geschichte der Single-Session-Therapie
Die Single-Session-Therapie (SST) ist seit der Publikation von Moshe Talmons wegweisendem Buch Single-Session Therapy: Maximizing the Effect of the First (and Often Only) Therapeutic Encounter, das er im Rahmen seiner Tätigkeit für den Gesundheitsdienstleister Kaiser Permanente in Nord-Kalifornien im Jahre 1990 in Zusammenarbeit mit Robert Rosenbaum und Michael F. Hoyt verfasste, rasch in weiten Kreisen bekannt geworden. Vor der für Kaiser durchgeführten Studie hatte es nur einige sporadische Berichte über den Erfolg einmaliger Therapiesitzungen gegeben, die übrigens auch schon Freud durchführte (siehe Sproel 1975; Bloom 1981, 1992; Malan et al. 1975; Rockwell a. Pinkerton 1982; O’Hanlon a. Hexum 1990; Rosenbaum, Hoyt a. Talmon 1990; Hoyt, Rosenbaum a. Talmon 1992). Die Untersuchung von Talmon war jedoch die erste prospektive, systematische Studie, die Häufigkeit und Wirksamkeit geplanter (bzw. beabsichtigter) einmaliger Therapiesitzungen untersuchte.
Die Kaiser-Studie kam zu folgenden grundsätzlichen Ergebnissen:
- 34 von 58 Patienten (58,6 Prozent) entschieden sich, ihre Therapie nach einer Sitzung abzuschließen, obwohl sie weitere Sitzungen hätten in Anspruch nehmen können.
- Über 88 Prozent der Patienten, die nur eine Sitzung in Anspruch genommen hatten, berichteten über deutliche Verbesserungen hinsichtlich ihres Problems (des Vorstellungsgrundes), und mehr als 65 Prozent berichteten außerdem über Verbesserungen in benachbarten Funktionsbereichen.
- Obwohl die Probanden nicht aufgrund einer Experimentalbedingung für die Behandlung in nur einer Sitzung resp. in mehreren vorgesehen gewesen waren, konnte anlässlich einer Follow-up-Untersuchung kein Unterschied hinsichtlich der individuellen Zufriedenheit und der erreichten Resultate zwischen denjenigen festgestellt werden, die ihre Behandlung nach einer Sitzung beendet hatten (SST), und denjenigen, die sich entschlossen hatten, weitere Sitzungen in Anspruch zu nehmen.
Im Jahre 1967 wurden sowohl in der Los Angeles Free Clinic als auch in der Haight-Ashbury Free Clinic [in San Francisco] psychologische (und medizinische) ambulante Walk-in-Konsultationen eingeführt, und 1969 wurde die Walk-In Counseling Clinic in Minneapolis eröffnet. Anfang der 1990er-Jahre boten Arnie Slive, Nancy McElheran und ihre Kollegen am Eastside Family Centre in Calgary, Kanada, einmalige ambulante Sitzungen an (siehe Slive a. Bobele 2011; Slive et al. 1995; Slive, McElheran a. Lawson 2008; McElheran et al. 2014; Miller a. Slive 2004; Stewart et al. 2018). Walk-in-SST-Angebote wurden später von Monte Bobele an der Our Lady of the Lake...
Erscheint lt. Verlag | 11.9.2024 |
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Reihe/Serie | Systemische Therapie |
Verlagsort | Heidelberg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Schlagworte | ambulant • Drogenberatung • Familiengespräch • Praxis • Psychotherapie • Schwangerschaftsberatung • Seelsorge • Single Session Therapie • Single Session Therapy • Soziale Arbeit • Stationär • Supervision • Systemische Therapie • systemisch-lösungsorientierte Ansätze • Theorie |
ISBN-10 | 3-8497-8480-0 / 3849784800 |
ISBN-13 | 978-3-8497-8480-5 / 9783849784805 |
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