Enkopresis (eBook)
189 Seiten
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
978-3-8444-3032-5 (ISBN)
|60|2 Leitlinien
2.1 Leitlinien zur Diagnostik und Verlaufskontrolle
Bei der funktionellen Obstipation/Stuhlinkontinenz handelt es sich um Störungen, bei denen eine körperliche Leitsymptomatik, nämlich Verstopfung und/oder Einkoten, im Vordergrund steht. Da die funktionelle Obstipation/Stuhlinkontinenz auch durch eine organische Grunderkrankung bedingt sein kann, ist eine kinder- und jugendärztliche Untersuchung zu Beginn der Behandlung unbedingt notwendig. Erst wenn sicher keine medizinische Grundstörung vorhanden ist, darf mit der Therapie begonnen werden. Von daher ist es unerlässlich, dass alle Kinder zu Beginn der Therapie mindestens einmal kinderärztlich untersucht werden. Da sich bei der funktionellen Obstipation die Sonografie als wichtigstes Mittel zur Verlaufskontrolle erwiesen hat, ist die Einbeziehung des:der Kinderärzt:in der Familie auch im Verlauf der Therapie sinnvoll. Auch wenn das Kind zusätzlich einnässt, sind kinderärztliche Untersuchungen notwendig, um z. B. eine Harnwegsinfektion auszuschließen. Hinweise finden sich im Band Enuresis (von Gontard, 2018) und in der Leitlinie zur funktionellen Harninkontinenz und Enuresis (Kuwertz-Bröking & von Gontard, 2021).
Zusätzlich sind viele Kinder von einer komorbiden psychischen Störung betroffen. Die Komorbiditätsrate liegt bei 30 bis 50 % – sehr viel höher als bei Kindern, die einnässen. Da zudem die Art der Störungen sehr heterogen ist, sowohl internalisierende als auch externalisierende Störungen vorkommen, ist eine komplette kinderpsychotherapeutische oder kinderpsychiatrische Diagnostik unbedingt zu empfehlen. Eine nicht diagnostizierte und unbehandelte komorbide Störung ist oft mit einer geringeren Mitarbeit des Kindes und einem schlechteren Outcome verbunden. Von daher empfiehlt es sich unbedingt, gleich zu Beginn die komplette Diagnostik durchzuführen (siehe Döpfner & Petermann, 2012).
In anderen Settings, wie z. B. Kinderkliniken, kinderurologischen oder kinderchirurgischen Abteilungen, in denen die Ressourcen für eine kinderpsychiatrische Diagnostik nicht gegeben sind, sollte zumindest ein Screening anhand eines etablierten und validierten Elternfragebogens (z. B. Child Behavior Checklist: Döpfner et al., 2014; Plück et al., 2022; Strengths and Difficulties Questionnaire: Klasen et al., 2003; Goodman, 2005) erfolgen. Bei auffälligen Symptomscores kann anschließend die Weiterleitung zu kinderpsychotherapeutischen oder kinderpsychiatrischen Kolleg:innen erfolgen.
Aufgrund der Komplexität der Problematik, die somatische und psychische Faktoren einschließt, kann zwischen der Standard- und der erweiterten |61|Diagnostik unterschieden werden (siehe Tabelle 7). Zur Standarddiagnostik gehören die Anamnese, Protokolle, Fragebögen, körperliche Untersuchung, Ultraschall und die psychiatrische Diagnostik. Dieses reicht für die meisten aller Kinder mit Stuhlinkontinenz vollständig aus.
Standarddiagnostik | Erweiterte Diagnostik |
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Nur nach Indikation:
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Das erweiterte diagnostische Programm umfasst auch die Punkte der Standarddiagnostik, wird jedoch durch spezielle somatische und psychiatrische Untersuchungen ergänzt (siehe Tabelle 7). In einem kinder- und jugendpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Setting ist es sinnvoll, die gesamte psychiatrische Diagnostik durchzuführen.
Die Indikation für weitergehende somatische Untersuchungen muss von Spezialist:innen, z. B. Kinderchirurg:innen oder auf Darmerkrankungen spezialisierte Kinderärzt:innen (pädiatrische Gastroenterolog:innen), gestellt werden. Falls der Verdacht auf eine körperliche Erkrankung wie auf den Morbus Hirschsprung besteht, sollte mit der erforderlichen Diagnostik nicht gezögert werden. Eine besondere Risikogruppe für somatische Begleitstörungen sind junge Kinder mit einer funktionellen Obstipation unter einem Alter von 2 Jahren. Andererseits sollten diese weitergehenden Untersuchungen allen Kindern unbedingt erspart bleiben, die sie nicht benötigen.
|62|Am Ende des diagnostischen Prozesses sollte es möglich sein, die Störung des Kindes auf insgesamt neun Achsen zu diagnostizieren, nämlich:
-
Form der Obstipation/Stuhlinkontinenz.
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Ggf. Form der Harninkontinenz tags.
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Ggf. Form der Enuresis nocturna.
Zudem auf den sechs Achsen des multiaxialen Klassifikationsschemas der ICD-10 bzw. demnächst der ICD-11 (Remschmidt et al., 2017):
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Klinische Störungen.
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Teilleistungsstörungen.
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Intelligenzniveau.
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Körperliche Erkrankungen.
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Psychosoziale Risikofaktoren.
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Schweregrad und Beeinträchtigung durch die Erkrankung.
Aufgrund dieser multiaxialen differenzierten Diagnosen kann der Therapieplan adäquat aufgebaut werden. In Analogie zum Leitfaden Enuresis (von Gontard, 2018) soll in diesem Kapitel das in Tabelle 8 dargestellte Schema eingehalten werden.
Exploration der Eltern |
Erscheint lt. Verlag | 24.6.2024 |
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Reihe/Serie | Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie |
Verlagsort | Göttingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
Schlagworte | Ausscheidungsstörung • Desimpaktion • Enkopresis • Funktionelle Obstipation mit Einkoten • Funktionelle Obstipation ohne Einkoten • Komorbide Störungen • Laxanzien • Nicht retentive Stuhlinkontinenz • Pharmakotherapie • Psychische Störung • Psychoedukation • Slow-Transit-Constipation • Stuhlentleerung • Toilettentraining • Toilettenverweigerungssyndrom • Verstopfung |
ISBN-10 | 3-8444-3032-6 / 3844430326 |
ISBN-13 | 978-3-8444-3032-5 / 9783844430325 |
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Größe: 4,1 MB
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