Kays Quest (eBook)
521 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-33110-6 (ISBN)
Pronomen ersie. Kurz nach der Veröffentlichung des ersten Romans unter seinemihrem bürgerlichen Namen im Alter von einundfünfzig Jahren bekennt sich Sigune Reichardt®? zur Frauenliebe und kehrt seinemihrem konservativ religiösen Umfeld den Rücken. Mit dem Debütroman unter seinemihrem Pseudonym wendet ersie sich neben dem historischen auch dem fantastischen Genre zu. Bei den täglichen Streifzügen durch den Wald tankt Sigune Reichardt Energie und Inspiration. Seinihr vierbeiniger Lebensgefährte ist immer dabei.
Pronomen ersie. Kurz nach der Veröffentlichung des ersten Romans unter seinemihrem bürgerlichen Namen im Alter von einundfünfzig Jahren bekennt sich Sigune Reichardt®️ zur Frauenliebe und kehrt seinemihrem konservativ religiösen Umfeld den Rücken. Mit dem Debütroman unter seinemihrem Pseudonym wendet ersie sich neben dem historischen auch dem fantastischen Genre zu. Bei den täglichen Streifzügen durch den Wald tankt Sigune Reichardt Energie und Inspiration. Seinihr vierbeiniger Lebensgefährte ist immer dabei.
1. Rund um den Obelisken
Resturlaub, ich komme! Zischend schließt sich zuerst die Waggontür hinter mir und wenige Sekunden später die meines Abteils. Mein Platz liegt etwa in der Mitte, in der Ruhezone. Na, mal sehen, ob sich alle daran halten. Im Moment telefoniert jedenfalls tatsächlich noch niemand in dem halb besetzten Abteil des ICE von Dortmund nach München.
Ich schiebe meinen Trolley durch den Gang bis zur Gepäckbox. Das Smartphone samt Stöpsel-Kopfhörern und Online-Ticket und mein Portemonnaie stecken in dem Reisebeutel vor meinem Bauch; nicht gerade hübsch, das Teil, aber überaus praktisch.
Auf der anderen Seite der Fenster hat Matthias meinen Platz gefunden. Er grinst mir zu und winkt. Ich schicke ihm einen Kuss und ein Lächeln nach draußen. Matthias erwidert das Flugbussi und im nächsten Moment sehe ich meinem Ehemann hinterher, wie er zur Treppe zurückgeht und aus meinem Blickfeld verschwindet. Wann bin ich eigentlich das letzte Mal ohne ihn verreist?
Vor einer Woche hat mein Chef mich darauf aufmerksam gemacht, dass mein Resturlaub vom letzten Jahr kurz vor dem Verfallsdatum steht. Bei Matthias geht in Sachen Urlaub gerade gar nichts. Und meine Tante Hanne am Starnberger See hat mir auf meine WhatsApp-Nachricht noch am selben Tag geantwortet, dass sie es kaum erwarten kann, mich endlich wieder einmal zu betüddeln.
Kaum hat der ICE Dortmund hinter sich gelassen, krame ich mein Handy heraus und öffne die Audiobuch-App. Die anderen drei Plätze um den Tisch vor mir sind unbesetzt, und so strecke ich meine Beine aus, lehne mich zurück und lasse mich von einem Bayern-Krimi auf die nächsten sieben Tage einstimmen.
Beim Anfahren des Zuges schrecke ich aus dem Schlaf hoch. München-Pasing, lese ich gerade noch, bevor wir den Bahnhof hinter uns lassen. Der letzte Halt vor München Hauptbahnhof. Aus dem Lautsprecher kommt ein Knistern und im nächsten Moment bestätigt mir die Schaffnerin, dass mein Ziel in greifbare Nähe gerückt ist. Und damit auch mein Wiedersehen mit Tante Hanne!
Mein Tisch ist seit Mannheim voll besetzt und das Abteil inzwischen auch. Noch ein wenig benommen packe ich mein Smartphone in den Bauchbeutel und nehme meinen Anorak vom Haken über mir.
„Ist doch eh Endstation“, protestiert mein etwa zwanzigjähriger Sitznachbar, als ich ihn bitte, mich durchzulassen. Lächelnd zucke ich die Schultern und er steht unter genervtem Stöhnen auf.
Durch die Abteiltür trete ich in den Raum zwischen meinem und dem nächsten und sehe mit wenig Interesse die Häuser und Straßen des Münchener Westens vor dem Fenster vorbeiziehen. Je mehr Reisende mit und ohne Gepäck sich in dem engen Raum einfinden, desto sehnsüchtiger warte ich darauf, dass der Bahnsteig auftaucht, an dem der Zug zum Stillstand kommen wird. Als das Zischen der Hydraulik verrät, dass gleich der grüne Kreis an dem Knopf neben der Tür aufleuchten wird, zuckt bereits mein Finger.
Wenige Augenblicke später stehe ich, den Tragegriff an meinem Trolley fest umklammernd, auf dem Bahnsteig, lasse andere Eilige an mir vorbeiströmen und suche Tante Hanne im Gewühl.
„Ka-ay! Hier bin ich!“, höre ich meine Lieblingstante rufen. Mein Blick folgt ihrer Stimme. 14Einige Meter weiter erspähe ich über den Köpfen der Reisenden und Abholenden eine faltige, goldberingte Hand, die winkend aus dem Ärmel eines roten Wollmantels heraus-ragt. Mit einem breiten Lächeln winke ich zurück, stelle den Trolley ab und ziehe ihn hinter mir her.
Wenige Augenblicke noch, und Tante Hanne nimmt mich fest in den Arm. Als sie mich loslassen will, halte ich sie noch ein bisschen länger fest, bis sie mir einen Kuss auf die Wange drückt. Tante Hanne darf das und das weiß sie auch.
Den einen Arm verschränke ich in ihrem, mit dem anderen ziehe ich den Trolley. So schlendern wir unter einem denkbar freundlichen Münchener Märzhimmel zu einer E-Auto-Ladesäule, an der Tante Hannes hellblauer Renault auf uns wartet. Während sie ‚ihr Schätzchen‘ von der Säule stöpselt, verstaue ich meinen Trolley im Kofferraum.
„Was hältst du von einem Stadtbummel und von Kaffee und Kuchen in meinem Lieblingscaféin der Au?“, fragt Tante Hanne mich über die Motorhaube hinweg.
„Hm“, mache ich. Noch mehr Menschen? „Weißt du, im Zug war es furchtbar laut und voll. Ich glaub, ich würde mich lieber bei dir aufs Sofa kuscheln und mir anhören, wie es dir ergangen ist in den letzten… drei Jahren? Drei? Nee, oder?“
Zuletzt sind wir uns also bei Onkel Lothars Beerdigung begegnet. Tante Hanne stopft das zusammengerollte Ladekabel in eine Stofftasche, zieht den Reißverschluss zu und verstaut die Tasche hinter dem Fahrersitz.
„Ich hatte viel zu tun. Die neue Wohnung hat sich nicht von allein eingerichtet und so ein Geschäft baust du auch nicht mal eben nebenbei auf.“
Wir steigen ein und los geht es. Dass Tante Hanne uns schon so lange nicht mehr in Dortmund besucht hat, kann ich ihr nicht einmal übelnehmen. So richtig viel Spaß macht es nicht, mehrere Tage bei Papa und Konstanze zu Besuch zu sein. Und dass Papas Schwester in einem Hotel absteigt, ‚kommt natürlich überhaupt nicht in Frage‘. Täte sie es trotzdem, würde meine Stiefmutter sie mit beharrlichem Schmollen strafen.
Inzwischen ist der Renault in Richtung Karlsplatz unterwegs. Tante Hanne navigiert uns sichtlich entspannt durch den berüchtigten Münchener Verkehr.
„Auf deine neue Wohnung bin ich echt gespannt. Und deine Galerie möchte ich natürlich auch so bald wie möglich sehen!“
„Das bekommen wir hin, mein Herz.“ Sie sieht kurz zu mir herüber.
„Wenn du dich etwas ausgeruht hast, zeige ich sie dir gleich heute Abend. Und auf dem Heimweg holen wir uns irgendwo ein Stück Kuchen, ja? Ich hab gerade richtig Lust auf Prinzregententorte. Einen leckeren Kaffee zaubere ich uns dann zu Hause.“
„Eine wunderbare Idee!“, finde ich. „Klingt auffallend nach Urlaub!“ Tante Hanne lächelt.
„Übrigens, apropos Galerie: Was hältst du davon, wenn wir einen kleinen Umweg machen? Ich möchte dir gerne das Museum zeigen, für das ich neuerdings im Kuratorium sitze.“
Auf ihr stolzes Strahlen gibt es nur eine Antwort:
„Gerne!“
Wenig später fahren wir auf einen zweispurigen Kreisverkehr zu, der um eine Wiese herumführt. In deren Mitte ragt eine dunkle Statue in den weißblauen Himmel.
„Hey, München hat ja einen Obelisken!“, rufe ich aus.
„Aber ja!“
Dass Tante Hanne zu dem schlichten Gebilde nicht mehr zu sagen hat, überrascht mich nicht – sie liebt und schafft eher ausdrucksstarke Kunst. Ich nehme mir vor, später nachzuforschen, wem zu Ehren dieses Denkmal errichtet wurde.
Tante Hanne bleibt auf der rechten Spur des zweispurigen Kreisverkehrs mit mindestens fünf Ausfahrten und plaudert über das Museum. Vom Obelisken her kommt eine Radfahrerin auf den Kreisverkehr zu und reiht sich in der linken Spur ein. Auffallend groß und schlank ist sie, trägt keinen Helm über den kurzen dunklen Haaren. Flott schwenkt sie nach rechts und streckt den Arm aus, ohne sich umzusehen.
Wir sind schon so dicht hinter ihr; sie muss Tante Hannes Renault doch bemerken. Sie wird doch nicht einfach…?
„Das Kuratorium besteht aus –“
„Pass auf !“, schreie ich und drücke mich tief in den Sitz. Die Reifen des Renault quietschen, die des Wagens hinter uns auch. Mit beiden Händen vor dem Gesicht warte ich auf einen lauten Knall. Aber der bleibt aus. Vorsichtig blinzle ich zwischen meinen Fingern durch: Tante Hannes Auto steht still, ebenso wie der Audi einige Meter vor uns. In der Lücke zwischen den beiden Autos, in der ich gehofft hatte die Radfahrerin zu erblicken, ist nichts und niemand zu sehen.
„Wo ist sie?“, hauche ich.
„Ich nehme an, sie…“ Tante Hanne schluckt, „…ist gestürzt.“ Mit zitternden Händen öffnet sie die Tür, erinnert sich gerade noch an den Schulterblick und steigt aus.
Auch meine Finger zittern, während sie am Cockpit auf den Knopf mit dem Dreieck drücken. Auf beiden Spuren haben schon weitere Fahrzeuge angehalten. An allen zucken die Warnblinker.
Ich öffne die Beifahrertür und steige auch aus, sehe mich nach hinten um. Der Fahrer des Wagens hinter uns steht neben seinem Auto und hebt sein Warndreieck in meine Richtung. Dankbar winke ich zurück und gehe nach vorne.
Tante Hanne steht mitten auf der Fahrspur und schaut nach unten. „Haben Sie sich verletzt?“, fragt sie.
Eine Antwort höre ich nicht, sehe aber im nächsten Moment, wie die Gestürzte sich eigenständig aufrappelt. Gott sei Dank! In der Mitte bildet sich am Straßenrand vor der Wiese mit dem Obelisken in der Mitte eine Traube aus Schaulustigen.
Nun stehen die beiden Frauen sich aufrecht...
Erscheint lt. Verlag | 22.8.2024 |
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Verlagsort | Ahrensburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Persönlichkeitsstörungen |
Schlagworte | Innere Heilung • LSBTQIA+ • progressiver Glaube • progressive Spiritualität • queere Liebe • queerer Glaube • Rolle der Frau • Schattenarbeit • Selbstfindung • Spiritualität |
ISBN-10 | 3-384-33110-9 / 3384331109 |
ISBN-13 | 978-3-384-33110-6 / 9783384331106 |
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