True Love (eBook)
322 Seiten
Narr Francke Attempto (Verlag)
978-3-8233-0523-1 (ISBN)
PD Dr. Nina-Maria Klug ist Studienrätin im Hochschuldienst für Germanistische Linguistik/Sprachdidaktik an der Universität Duisburg-Essen. Prof. Dr. Sina Lautenschläger lehrt und forscht zu Gender & Diversity am Deutschen Seminar der Leibniz Universität Hannover.
PD Dr. Nina-Maria Klug ist Studienrätin im Hochschuldienst für Germanistische Linguistik/Sprachdidaktik an der Universität Duisburg-Essen. Prof. Dr. Sina Lautenschläger lehrt und forscht zu Gender & Diversity am Deutschen Seminar der Leibniz Universität Hannover.
Nina-Maria Klug & Sina Lautenschläger
True Love. Sprache(n) der Liebe in Text und Gespräch
Florian Busch
Zeitlichkeit und Online-Dating-Kommunikation: Metatemporale Diskurse über Rhythmen digitaler Interaktion
Sina Lautenschläger
Erkämpfte Liebe und programmierte Frauen. Geschlechtsspezifische Ratschläge zur Flirt- und Courtship-Kommunikation
Christina Margrit Siever
Liebe über den Tod hinaus. Liebe im Kontext von Trauer um Sternenkinder
auf Twitter
Nina-Maria Klug
Vom Lieben im Leben nach dem Tod. Kommunikative Praktiken postmortaler Beziehungspflege am Baumgrab
Lisa Rhein
Die Liebe, der Tod und das Übernatürliche. Zur Versprachlichung intensiver Gefühle angesichts epistemischer Irritationen
Tanja Skerlavaj
True Love oder erfolgreiche Marketingstrategien? Zum multimodalen Ausdruck der Liebe in Hochzeitsvideos von Influencer:innen auf YouTube
Matthias Attig
Voi che sapete che cosa è amor ... Mozarts musikdramatische Imaginationen von Liebe aus sprachwissenschaftlicher Sicht
Dorothea Horst
Redebruchstücke, Erinnerungsfetzen. Ein filmischer Diskurs der Liebe ohne Narrativ
Pamela Steen
True Love? Inszenierte Tierliebe in Zoo-Doku-Soaps
Kristin Kuck
Liebeserklärungen für Kinder. Die (Un-)Beschreibbarkeit der Liebe in Kinderbüchern
Waldemar Czachur & Steffen Pappert
Praktiken der Vergemeinschaftung in der zwischenstaatlichen Beziehungsgestaltung als Freundschaftsbekundung. Aufgezeigt an den politischen Erklärungen um den deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag
True Love
Sprache(n) der Liebe in Text und Gespräch
Fragen nach der Gestaltung interpersonaler Beziehungen rückten spätestens mit der breit rezipierten und zugleich viel kritisierten psychologischen Arbeit von Watzlawick, Beavin und Jackson (1967) zunehmend in den Blick linguistischer Reflexion. Somit wurde – neben der sprachlichen Verfasstheit des zwischenmenschlichen Beziehungsmanagements (vgl. z. B. Holly 1979, 2001, Keller 1977, Sager 1981, Adamzik 1984, 1994, Buchmann/Eisner 1997 u. v. m.) – der Zusammenhang von Sprache bzw. Sprachgebrauch und (spezifischer) Emotion bereits vor Dekaden zum relevanten Gegenstand linguistischer Theoriebildung, Methodenentwicklung und Analyse (vgl. z. B. Fiehler 1986, 1987, Spiegel 1995, Hermanns 1995, Schwitalla 1996 u. a.). Trotz des fortbestehenden linguistischen Forschungsinteresses an der sprachlichen bzw. kommunikativen Genese und Gestaltung von Beziehungen unterschiedlicher Art (vgl. z. B. Schwarz-Friesel 2007, Fiehler 2014, Ortner 2014, Linke/Schröter 2017) wurde ein ganz alltägliches, zugleich aber gesellschaftlich hochrelevantes Phänomen bislang nur peripher berücksichtigt: die Liebe.
Die vergleichsweise geringe Zahl von linguistischen Arbeiten, die sich speziell Aspekten der Liebes(beziehungs)kommunikation zuwenden (vgl. u. a. Leisi 1983, Auer 1988, Döring 1999, Wyss 2000, 2005, 2014, Imo 2012, Mai/Wilhelm 2015), erscheint umso verwunderlicher, als Liebe eine zentrale und besonders starke Beziehungsemotion darstellt (vgl. Schwarz-Friesel 2013:67), die für ganz verschiedene Beziehungskonstellationen – und damit mutmaßlich auch für die beziehungsspezifische Kommunikation – grundlegend und bestimmend ist. Zu ihnen lassen sich zwischenmenschliche Beziehungen im erotischen oder platonischen Sinne (also Paarbeziehungen, familiäre oder freundschaftliche Beziehungen) ebenso zählen wie Beziehungen anderer Art, etwa die zu Gott, zu Tieren, zu Musikgruppen oder Sportvereinen, die Beziehung zur eigenen Nation, aber z. B. auch die Beziehung zwischen verschiedenen Staaten.
Gemeinsam ist der liebenden Bezugnahme auf ein personales oder nicht-personales Gegenüber, dass ihre Erwiderung zwar in aller Regel erwünscht oder sogar ersehnt ist, die Liebe jedoch nicht auf Reziprozität angewiesen ist. Vielmehr ist die ,Gegenliebe‘ in bestimmten Konstellationen von Liebesbeziehung gerade nicht zu erwarten bzw. nicht einmal (mehr) möglich. Unter anderem deshalb kann Liebe einerseits als erfüllend, andererseits aber auch als schmerzhaft und quälend empfunden werden. Sie kann von denen, die lieben, in höchstem Maße positiv, aber auch stark negativ beurteilt werden.
So vielfältig die Beziehungskonstellationen sind, in denen Liebe eine prägende Rolle spielt, so verschiedenartig können auch die sprachlichen bzw. kommunikativen Praktiken und Strategien des (versuchten) Aufbaus, der Intensivierung und der Pflege, aber auch des Abbruchs einer Liebesbeziehung sein. Mit diesen Strategien und Praktiken gehen je unterschiedliche Weisen des Ausdrucks bzw. der kommunikativen Darstellung von Liebe einher. Kurz gefasst heißt das: So different wie die Beziehungen selbst können damit potenziell auch die Sprachen der Liebe sein, die in Texten und Gesprächen kommunikativ realisiert werden.
Sie sind eng geknüpft an einen kulturell normierten Lernprozess: Wie Menschen im Laufe ihres Lebens Wissen darüber erwerben, bestimmte Körperzustände etwa als Angst oder Freude zu verstehen, so erfahren sie im Umgang mit sich selbst und mit anderen auch, was Zuneigung, Verliebtheit oder Liebe ausmacht. Sie lernen, woran man sie bei sich selbst und bei anderen erkennen kann, wovon sie sich typischerweise erschließen lassen. Somit wird Konventionelles und Musterhaftes angeeignet: Bestimmte Ausdrucks- und Verhaltensformen werden als Emotionsindikatoren (Fiehler 2014:68; s. auch Benthien/Feig/Kasten 2000) wahrgenommen, ganz gleich, ob Liebe tatsächlich empfunden wird oder nicht.
Menschen begegnen im Rahmen ihrer Sozialisation neben der Liebe selbst und ihren verschiedenartigen Formen und Ausprägungen (z. B. elterliche oder partnerschaftliche Liebe) daher auch verschiedenen Sprachen der Liebe und deren beziehungsbezogenem Potenzial. Dieses gibt einen Rahmen von Möglichkeiten vor, in dem sich zu bzw. mit einem Gegenüber in (wahrhaft gefühlter wie auch vorgetäuschter) Liebe, aber auch über Liebe kommunizieren lässt.
Kurzum: Die Mitglieder einer Kultur- und Sprachgemeinschaft erlernen im Hinblick auf die Sprache(n) der Liebe sowie ihren Gebrauch in Texten und Gesprächen die kulturellen Normen, Erwartungshaltungen und auch Regeln der Emotionalität (Hochschildt 1979, Fiehler 1986). Diese beziehen sich z. B. auf die Frage, welche Texte bzw. Textsorten, kommunikativen Gattungen und Kommunikationsformen in spezifischen Situationen und Konstellationen überhaupt genutzt werden können und welche besser nicht genutzt werden sollten (vgl. z. B. Fiehler 2001, 2014). Sie betreffen zudem Aspekte, die auf die Möglichkeiten ihrer konkreten sprachlichen Ausgestaltung abzielen und sich sowohl direkt als auch indirekt manifestieren können. Das Spektrum reicht, je nach konkreter Situation und Beziehungskonstellation, von expliziten gefühlsbezeichnenden Äußerungen wie „Ich liebe dich“ und/oder anderen direkten sprachlichen Gebrauchsformen bis hin zu indirekten Formen des kommunikativen Ausdrucks. Zu ihnen zählen z. B. metaphorisierende oder ironisierende Bezeichnungen, Umschreibungen oder Andeutungen. Sie können sich sogar musterhaft anhand von (Ver-)Schweigen zeigen (vgl. Lautenschläger 2021, 2022).
Damit werden also auch Phänomene tangiert, die sich an der Grenze von Sprache – Nicht-Sprache bewegen. Sie schließen auch Aspekte multimodaler Kommunikation mit ein (vgl. Klug/Stöckl 2016), so z. B. die spezifische Stimm- oder Schriftgestaltung, aber auch den zumeist sprachergänzenden, mitunter sprachsubstituierenden Einbezug von Ausdrucks- bzw. Darstellungsformen nicht-sprachlicher, etwa bildlicher oder musikalischer Art in die Liebeskommunikation (vgl. Klug 2021).
Die Beiträge dieses Sammelbandes gehen solchen und weiteren Ausdrucksformen der Sprache(n) der Liebe in Text und Gespräch auf den Grund.
Florian Busch widmet sich anhand von Online-Diskursen in Lifestyle-Magazinen, Online-Foren und YouTube-Videos von Dating-Coaches der Bedeutung von Zeitlichkeit in interpersonaler Kommunikation. Gerade bei sich anbahnenden romantischen Beziehungen spielt die Frage, innerhalb welcher Zeitspanne eine via Messenger versendete Nachricht nicht nur gelesen, sondern auch beantwortet wird, eine besondere Rolle. Zeitlichkeit wird dabei als ein äußerst relevantes Metazeichen mit beziehungsprägender Wirkkraft verstanden, das in den analysierten Kommunikationsformen unterschiedlich valorisiert wird.
Sina Lautenschläger befasst sich ebenfalls mit Online-Diskursen, bezieht sich aber auf Ratgeber-Websites, die sich mit der Beantwortung der Frage Wie erobere ich sein Herz? bzw. Wie erobere ich ihr Herz? beschäftigen. Neben der generellen Auseinandersetzung mit der Textsorte Ratgeber wird dabei unter text- und genderlinguistischer Perspektive betrachtet, welche Liebes- und Flirt-Normen in den Ratschlägen implizit wie explizit zum Vorschein kommen und welche Manifestationen als geschlechtsspezifisch angemessen gelten, um das begehrte Gegenüber erfolgreich umwerben zu können.
Wie sehr Liebe mit Tod und Trauer in Verbindung steht und dass interpersonale Liebeskommunikation mit dem Tod eines Beziehungsgegenübers nicht zwangsläufig ihr Ende findet, veranschaulichen gleich drei Beiträge im Band.
Christina Margrit Siever beschreibt, wie Eltern von sogenannten Sternenkindern, also von Kindern, die vor, während oder nach ihrer Geburt verstorben sind, ihrer auf Liebe basierenden Trauer in multimodalen Tweets Ausdruck verleihen. Dabei bezieht sie sich insbesondere auf die verwendeten Hashtags und deren Funktionen, die über eine bloße Verschlagwortung hinausgehen, sowie auf den musterhaften Gebrauch von Emojis im Rahmen einer Liebeskommunikation, die über den Tod des Kindes hinausreicht.
Nina-Maria Klug betrachtet Texte, die von Hinterbliebenen erlaubter- und unerlaubterweise an den Gräbern ihrer Verstorbenen in einem Bestattungswald platziert wurden. Sie arbeitet heraus, wie Hinterbliebene ihre (bleibende) Liebe zu und gegenüber den Toten textbasiert, d. h. sprachlich wie auch multimodal, bekennen sowie versichern und in welcher Art und Weise sie die Beziehung zur verstorbenen Person auch nach deren Tod kommunikativ pflegen und aufrechterhalten.
Lisa Rhein zeigt auf Basis von Briefen und E-Mails aus der Fallsammlung der Parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg (PPB), wie Menschen mit außergewöhnlichen Erfahrungen umgehen und wie sie ihre Gefühle als Reaktionen auf diese Erlebnisse zum Ausdruck bringen. Die Erfahrungen beziehen sich entweder auf den befürchteten, oder aber bereits erlittenen Verlust einer geliebten Person und lassen sich in die Bereiche Nachtod-Kontakte, Zeichen aus dem Jenseits sowie Wahrträume und Hellsichtigkeit mit dem Fokus auf Tod(esfälle) unterteilen.
Tanja Škerlavaj greift Fragen der authentischen Darstellung wie auch der Inszenierung von ‚wahrer Liebe‘ im Zusammenhang mit Eheschließungen auf, die deutsche Lifestyle-Influencerinnen in ihren YouTube-Hochzeitsvideos mit der Netz-Öffentlichkeit teilen. Sie beleuchtet aus textbezogener, multimodalitätsorientierter Perspektive...
Erscheint lt. Verlag | 29.4.2024 |
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Reihe/Serie | Europäische Studien zur Textlinguistik |
Verlagsort | Tübingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Sprach- / Literaturwissenschaft ► Germanistik |
Schlagworte | Beziehungskommunikation • Diskurs • Emotion • gebrauchsorientierte Gesprächsanalyse • gebrauchsorientierte Textanalyse • Kommunikation • Liebe • Liebeskommunikation • Sprachliche und multimodale Praktiken |
ISBN-10 | 3-8233-0523-9 / 3823305239 |
ISBN-13 | 978-3-8233-0523-1 / 9783823305231 |
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