Detektive der Vergangenheit. Expeditionen in die Welt der Archäologie. Von Pompeji bis Nebra (eBook)
352 Seiten
Anaconda Verlag
978-3-641-32435-3 (ISBN)
- Vollständig aktualisierte und erweiterte Neuausgabe!
- Früher 256 jetzt 320 reich illustrierte Seiten!
- Faszinierende Archäologie-Fibel für alle: Mythen, Methoden, Objekte und Storys spannend erzählt von Wissenschaftsjournalist Wolfgang Korn
- Wie entdeckt man versunkene Städte, welche Kniffe kannten Grabräuber und wem gehören eigentlich die Funde?
- Von Pompeji, Troja, Angkor Wat, ägyptischen Tresoren, mittelalterliche Marmorlager bis zur Himmelsscheibe von Nebra
- Verschüttete Schätze der Vergangenheit finden und entschlüsseln - das kann Archäologie! Und Wolfgang Korn kann super davon erzählen
- Durchgängig mit zahlreichen s/w-Illustrationen, Karten und Fotos: Auf jeder zweiten Seite was zu Gucken
Wolfgang Korn hat Geschichte und Politische Wissenschaften studiert und arbeitet als Wissenschaftsjournalist und Autor in Hannover. Er schreibt u. a. für GEO, Die Zeit und Spiegel GESCHICHTE und hat eine Reihe von Sachbüchern und Jugendsachbüchern zu archäologischen, historischen und gesellschaftlichen Themen veröffentlicht. Für »Das Rätsel der Varusschlacht« erhielt er 2009 den Deutschen Jugendliteraturpreis, »Die Weltreise einer Fleeceweste« wurde in Österreich als Wissenschaftsbuch des Jahres ausgezeichnet und in zehn Sprachen übersetzt.
Herrschersitz im Zeichen der Löwen
Auf der Atlas-Karte scheint die zerklüftete Peloponnes-Halbinsel wie ein großes tropfendes Dreieck unter dem griechischen Festland zu hängen. Ganz im Südwesten dieses gebirgigen Dreiecks hat sich ein besonders breites Tal zwischen die Berge geschoben, das sich trichterförmig zum Meer hin öffnet. Am Ausgangspunkt dieses Trichter-Tals thront auf einem Felsvorsprung die Festung von Mykene. Dreimal war ich bisher in Mykene und jedes Mal imponierte mir diese Stätte aufs Neue. Selbst beim ersten Mal, als ich über das sture Fakten-Nachbeten meiner Lehrer so erbost war. Dieses Gefühl des Überwältigt-Seins kam vielleicht schon daher, dass wir alle kurz vor einem Sonnenstich standen, als wir den steilen Weg zur Festung in der heißen Mittagszeit erklommen. In allen Reiseführern steht dick und fett: Kommen Sie nur morgens oder abends! Doch fast immer steht man mittags oder nachmittags dort in der mörderischen Hitze ohne die geringste Aussicht auf Schatten. Morgens schafft man es nicht, weil sich die Anreise über die gewundenen Bergstraßen immer länger hinzieht, als man denkt. Und abends kommt man nicht herein, weil die letzte Einlasszeit für die griechischen Antiken Staaten auch in der Sommerzeit 19 Uhr beträgt.
Heute wie einst erstreckt sich diese Festungsanlage über eine Fläche, die mit rund 30 000 Quadratmeter größer ist als 4 Fußballfelder, und wird von einer an abschüssigen Stellen bis zu 17 Meter hohen Mauer aus gewaltigen Kalksteinblöcken umgeben. Tonnen von Gestein – wie mit einer maschinellen Steinsäge in Quader zerschnitten und wie mit einem Schwerkran auf den Berg und an die richtigen Stellen platziert. Doch wie konnten Menschen ohne unsere heutigen Hilfsmittel ein solches Bauwerk hoch oben auf einer Berghöhe errichten? Der Zugang zur Burganlage erfolgt immer noch durch das berühmte »Löwentor«, das in die hohe Festungsmauer eingelassen ist. Zwei riesige Steinquader an den Seiten stützen einen über 20 Tonnen schweren Querbalken, in dem zwei Löwen, die sich zur Rechten und Linken einer Säule aufrichten, eingemeißelt sind. Gleich hinter dem Tor liegt auf der rechten Seite das bemerkenswerteste Bauwerk der mykenischen Burg, das den höchst nüchternen Namen »Schachtgräberrund A« trägt. Es handelt sich um einen 27,5 Meter breiten Kreis, der von zwei Ringen aus geglätteten Sandsteinen umrandet ist. Hier fand Heinrich Schliemann 1876 unter sieben Metern Schutt Gräber mit wertvollsten Beigaben – darunter ein ovales Goldblech, das einem Gesicht nachgeformt wurde. Schliemann erklärte es sofort zur Totenmaske des legendären Agamemnon, der die griechischen Schiffe gegen Troia geführt hatte – seitdem hat die Totenmaske ihren Namen, als wäre er eingebrannt. Obwohl immer wieder daran gezweifelt wird, ob Agamemnon tatsächlich gelebt hat.
Mykenische Kultur
Im Laufe des 16. Jahrhunderts v. Chr. entstanden überall auf der Peloponnes autonome Lehnswesen, die Zitadellen errichteten und Bündnisse bildeten. Häuptlinge oder Fürsten herrschten mit ihrer Familie über den Rest der Gemeinschaft. Überreste solcher Festungen gibt es noch im benachbarten Tiryns und Pylos, aber auch im entfernten Athen. Die größte – Mykene – konnte im 15. Jahrhundert v. Chr. ihre Macht weit über die ganzen Halbinsel ausdehnen und die von einem Erdbeben geschwächten Minoer unterwerfen. Gleichzeitig übernahmen sie deren wichtiges Knowhow – so passten sie die minoische Schrift ihrer Sprache an (aus der Linear-A- wurde die Linear-B-Schrift). Die mykenischen Fürstentümer übernahmen auch das minoische Handelsnetz – das beweisen die kostbaren Beigaben der Fürstengräber: das Gold für den Schmuck stammt aus dem Karpatenraum, die Bronze für die Waffen aus Mesopotamien und der Bernstein aus dem Ostseeraum.
Und nach dem Vorbild der Minoer ließ der König von Mykene auf seinem Burgberg eine großartige Palastanlage errichten, deren Mittelpunkt ein buntbemalter Festsaal bildete, dessen hohe Decke von dicken Säulen getragen wurde, die im Zickzack-Stil bemalt waren. Anders als auf Kreta wurde die Palastanlage von der bis zu acht Meter dicken Kyklopenmauer umbaut.
Um 1100 v.Chr. wurde die Burg von Mykene zerstört und nicht wieder aufgebaut, vermutlich durch ein Erdbeben und anschließende Feuersbrünste. Ganz Griechenland versank für rund 400 Jahre in einen Dornröschenschlaf.
Schon die Griechen der klassischen Antike (500–300 v. Chr.) brachten Mykene mit den Homerschen Helden »Agamemnon und Kumpane« in Verbindung. Eigentlich hätten die neugierigen Griechen zu Archäologen werden können, schließlich stammt das Wort »Archäologie« aus dem Griechischen: »Archäo-logos« oder »Archai-logeia« und heißt so viel wie »Lehre von den Anfängen« oder »Altertumskunde«. Außerdem gilt die klassische Antike als die Geburtsstätte der abendländischen Lebensweise: die Griechen wohnten in Stadtstaaten wie Athen und wurden zumindest teilweise demokratisch regiert. Sie gingen abends ins Theater und mit ihren Wehwehchen zum Arzt. Die Schlauesten von Ihnen fragten danach, warum die Welt so ist, wie sie ist. Und sie wollten auch schon wissen, wer und was vor ihnen war. Hätten die neugierigen Griechen die Mauern von Mykene untersucht, wären sie wahrscheinlich auch auf die Gräber gestoßen. Doch sie sahen die Burgen und hatten die Legenden ihrer Helden im Kopf – und sogleich verknüpften sich A und B zu C: Die Helden, die solche Burgen bauen konnten, mussten Riesen gewesen sein! Oder waren es doch die Kyklopen, denn die gewaltigen Wehranlagen werden »Kyklopenmauern« genannt? Kyklopen (oder auch Zyklopen) sind in der griechischen Mythologie Halbgötter von riesenhafter Gestalt mit nur einem Auge im Gesicht. Sie haben Zeus zur Macht verholfen und schmieden ihm weiter seine Blitze, mit deren Hilfe er über die Welt herrscht. Deshalb hat Zeus dafür gesorgt, dass sie nicht arbeiten müssen. Das wiederum hat dazu geführt, dass sie rachsüchtig wurden und verdummten – das eine Auge deutet darauf hin. Heute würden wir sagen: Kampfroboter mit dem Steuerungschip eines Dampfbügeleisens.
Burgen bronzezeitlicher Fürsten
Die heutigen Archäologen dagegen untersuchen Gräber wie die von Schliemann entdeckten, die eindeutig von den Mykenern angelegt wurden – sie verraten einiges über die damaligen Menschen und ihre Zeit. Die Mykener waren zwar keine Riesen, doch die in den Schachtgräbern geborgenen Skelette von 19 Menschen (8 Männer, 9 Frauen, 2 Kinder) waren lang und stark. Dazu die reichen Beigaben an Schmuck und vor allem die vielen Waffen aus Bronze – hier lag eine Elite von Kriegern begraben, die diese Gemeinschaft einst anführte. Die Festungsstadt Mykene war also das genaue Gegenteil einer Gesellschaft von Gleichen: Häuptlinge oder Fürsten herrschten mit ihrer Familie über den Rest der Gemeinschaft. Außerdem fanden die Forscher heraus, dass Schliemann sich geirrt hat, denn die Gräber sind viel zu alt für Agamemnon und den Trojanischen Krieg. Sie stammen aus der Zeit 1600–1500 v. Chr. – in diesem Jahrhundert entstanden überall auf der Peloponnes und in einigen Regionen auf dem griechischen Festland eigenständige Fürstentümer, die im Zentrum ihrer Herrschaftsgebiete Burganlagen wie die von Mykene errichteten. Überreste solcher Festungen gibt es noch im benachbarten Tiryns und Pylos, aber auch im entfernten Athen.
Doch die Mykener waren nicht allein. Zu dieser Zeit gab es schon eine Hochkultur auf Kreta, die sich zeitweise bis auf die Peloponnes erstreckte: die minoische Kultur. Die Minoer waren um 3100 v. Chr. aus dem Nahen Osten eingewandert, trieben Handel im gesamten östlichen Mittelmeerraum, besaßen Schmuck und Waffen aus Bronze, bauten große bunte Palastanlagen und entwickelten eine eigene Schrift (die sogenannte Linear-A-Schrift). Doch um 1450 v. Chr., nachdem ein Erdbeben die Minoer geschwächt hatte, wurden sie von den Mykenern unterworfen. Gleichzeitig übernahmen diese wichtiges Knowhow von den Minoern; so passten sie die minoische Schrift ihrer Sprache an (aus der Linear-A- wurde die Linear-B-Schrift).
Die mykenischen Fürstentümer übernahmen auch das minoische Handelsnetz, das beweisen die kostbaren Beigaben der Fürstengräber: das Gold für den Schmuck stammt aus dem Karpatenraum, die Bronze für die Waffen aus Mesopotamien und der Bernstein aus dem Ostseeraum. Sie übernahmen auch die Palastkultur der Minoer – doch wozu umgaben sie ihre Herrschersitze mit bis zu acht Meter dicken Mauern, fragen sich die Forscher. Denn um die Anhöhe gegen Feinde zu verteidigen, die bestenfalls mit Pfeil und Bogen, Schwert und Lanze bewaffnet waren, hätte auch eine viel bescheidenere Verteidigungsanlage gereicht. Die einzig mögliche Antwort: Die Mauer sollte vor allem die eigenen Untertanen einschüchtern! Doch war es viel aufwendiger, die Kyklopenmauern in Griechenland zu errichten als die Großsteingräber in Nordeuropa. Da es keine Findlinge gab, musste das Gestein aus den massiven Bergen geschlagen, auf die Anhöhe transportiert und dort zu hohen Mauern aufgeschichtet werden. Eine echte Sklavenarbeit! Und genau das war es auch: Sklavenarbeit! Nachdem die Forscher gelernt haben, die Linear-B-Schrift zu entziffern, lässt es sich sogar nachlesen. Die Mykener nutzten ihre Schrift nämlich vor allem für die fürstliche Buchhaltung:
Soundso schuldet uns noch so viel Getreide und so viele Schafe! Nach dem letzten Kriegszug verfügen wir über genau soundso viele Sklaven, die wir nun zum Bau der Festungsmauer einsetzen.
Sklavenhaltung und Einschüchterung? Passt das zum edlen Agamemnon, der zehn Jahre vor Troja ausharrte, nur um die Ehre seines kleinen Bruders zu retten? Was Agamemnon betrifft, spalteten sich die...
Erscheint lt. Verlag | 13.11.2024 |
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Zusatzinfo | Mit zahlreichen Schwarz-Weiß-Fotos |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Vor- und Frühgeschichte / Antike |
Geschichte ► Allgemeine Geschichte ► Vor- und Frühgeschichte | |
Schlagworte | 2024 • Ägypten • Altertum • Altertumsforschung • Altertumskunde • Antike • Archäologie • Archäologische Forschung • ausgrabungsstätten • eBooks • Frühgeschichte • Geschichte • Grabkammern • Grabräuber • Himmelsscheibe von Nebra • Kulturgeschichte • Methoden • Moorleichen • Neuerscheinung • Ötzi • Pompeji • Provenienzforschung • Pyramiden von Gizeh • Rückforderung • Troja • Urgeschichte • Weltwunder • Wikinger |
ISBN-10 | 3-641-32435-1 / 3641324351 |
ISBN-13 | 978-3-641-32435-3 / 9783641324353 |
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