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Integrative Bindungsorientierte Traumatherapie bei Säuglingen, Kleinkindern und Vorschulkindern -  Katrin Boger

Integrative Bindungsorientierte Traumatherapie bei Säuglingen, Kleinkindern und Vorschulkindern (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 2. Auflage
104 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-044766-0 (ISBN)
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Traumatic experiences may occur during pregnancy, during birth and in the early years of life. The resulting traumas sometimes have lifelong effects. Very young children are also particularly dependent on their primary caregivers. Often, however, the primary caregivers are at a loss in dealing with traumatized children, and this can lead to early attachment disorders. This book explains the origins and effects of early trauma and presents an integrative attachment-oriented approach to the treatment of trauma starting from birth. It focuses on working with parents and role models, on the attachment between parent or role model and the child, and direct trauma-integrative work with the child.

Katrin Boger, licensed child and adolescent psychotherapist for behavioural therapy and depth psychology, specialist psychotraumatology for children and young people (DeGPT), EMDR therapist and EMDR supervisor, hypnotherapist, Brish method attachment-oriented psychotherapy, has been in private practice since 2010 and has been Director of the Centre for Continuing Education in Education and Psychology (WZPP) in Aalen since 2015.

Katrin Boger, licensed child and adolescent psychotherapist for behavioural therapy and depth psychology, specialist psychotraumatology for children and young people (DeGPT), EMDR therapist and EMDR supervisor, hypnotherapist, Brish method attachment-oriented psychotherapy, has been in private practice since 2010 and has been Director of the Centre for Continuing Education in Education and Psychology (WZPP) in Aalen since 2015.

2 Besonderheiten der Psychotraumatologie im Rahmen der Säuglings- und Kleinkindarbeit


Mit dem Moment der Zeugung beginnt ein wahrhaftiges Wunder. Es ist immer wieder erstaunlich, wie die Natur es eingerichtet hat, dass aus einer Eizelle und einer Samenzelle ein Mensch entstehen kann – ein hoch entwickelter, empfindsamer Mensch mit Gefühlen, Gedanken und einer Körperlichkeit, der in der Lage ist, Beziehungen herzustellen, zu leben und zu lieben.

Im Gegensatz zu den meisten Tieren kommt der Mensch unselbstständig auf die Welt und ist besonders in den ersten Lebensjahren auf Personen in seiner Umgebung angewiesen, die ihm neben äußerer Versorgung wie Nahrung, Schlaf und Schutz – im besten Falle – auch Nähe, Liebe und Geborgenheit geben. Kinder, die von Geburt an viel körperliche Nähe in Form von achtsamen Berührungen erfahren, wachsen schneller und erzielen bessere kognitive Leistungen. Sie seien, so Martin Grunwald, Leiter des Haptik-Labors am Paul-Flechsig-Institut für Hirnforschung der Universität Leipzig, im Alter von einem Jahr weniger schnell frustriert und würden sich leichter beruhigen (nach Friedl, 2019). Achtsame Berührungen durch andere Menschen, so Grunwald, würden im Gehirn die Ausschüttung von Oxytocin und Serotonin aktivieren, wodurch der Cortisolspiegel gesenkt werde. Diese Wirkmechanismen zeigen einen positiven Effekt auf neuronale und körperliche Wachstumsprozesse, lindern Schmerz und Angst auf der emotionalen Ebene und senken die, aufgrund des Cortisolspiegels erhöhte, Herz- und Atemfrequenz, Muskelspannung und den inneren Stress auf der körperlichen Ebene (ebd.). Die fürsorgliche Anwesenheit von Bezugspersonen mit achtsamen Berührungen direkt nach der Geburt führt also zu einer stabilen psychischen, sozialen und körperlichen Entwicklung, kurz: zu mehr Resilienz, so Rebecca Böhme vom Zentrum für soziale und affektive Neurowissenschaften im schwedischen Linköping (ebd.).

Kinder, die diese Entwicklung aus verschiedenen Gründen nicht erleben können, erleiden Reifungsstörungen auf allen Ebenen. Aber nicht nur der Mangel an achtsamen, liebevollen Berührungen hat destruktive Auswirkungen auf die Kinder. Es gibt noch weitere Faktoren, die miteinbezogen werden müssen. Claudia Buß vom Institut für medizinische Psychologie der Charité Universitätsmedizin Berlin erforscht die Auswirkungen von mütterlichem Stress und Traumata auf die fetale und frühkindliche Entwicklung des Kindes (Buß, 2016). Sie stellt deutliche Veränderungen im Gehirn des Kindes als Reaktion auf den erhöhten Cortisolspiegel der Mütter in der Schwangerschaft, aufgrund eigener Belastungen sowie aufkommender und/oder direkt erlebter Traumata fest. Damit verbindet sie eine erhöhte Psychopathologie und Entwicklungsverzögerungen in Form von Diagnosen wie Autismus, ADHS, Schizophrenie, affektive Störungen und neurogenerative Erkrankungen. Dies deckt sich mit Erkenntnissen aus der pränatalen Forschung, der Arbeit mit zu früh geborenen Kindern und Forschungsergebnissen verschiedener renommierter Gehirnforscher (Alberti, 2007; Van den Bergh, 2006; Cierpka, 2014; Egle et al., 2020; Hüther & Krens, 2008; Huizink, 2006; Kluge, 2010; Sarimski, 2000; Schlumpf, Nijenhuis, Klein, Jäncke & Bachmann, 2019).

Aufgrund ihrer körperlichen Unreife und der Angewiesenheit auf fürsorgliche, achtsame Bezugspersonen sind Kinder pränatal (also im Bauch ihrer Mutter), perinatal (während der Geburt) und postnatal (in den ersten Lebensjahren nach der Geburt) im besonderen Maße den verschiedensten Risiken einer Traumatisierung ausgesetzt. Sie können sich rasch in ausweglosen Situationen wiederfinden, in denen weder Flucht noch Angriff möglich und denen sie hilflos ausgeliefert sind. Ist dieses Erleben mit sehr starkem, überflutendem, andauerndem oder sich wiederholendem Stress verbunden, kann es aufgrund der noch nicht gefestigten Persönlichkeitsstruktur und der noch nicht ausreichend abgeschlossenen Gehirnentwicklung zu schwerwiegenden Traumatisierungen im frühen Kindesalter kommen, die belastende Auswirkungen bis ins hohe Erwachsenenalter nach sich ziehen können (Cierpka, 2014; Hüther & Krens, 2008). Eine der bis heute aussagekräftigsten Studien zu langfristigen Auswirkungen frühkindlicher Traumata auf körperlicher und psychischer Ebene, die Adverse Childhood Experiences (ACE) Study von Felitti und Kolleg*innen aus dem Jahr 1998, zeigt einen Zusammenhang zwischen belastenden oder traumatischen Kindheitserlebnissen und einem erhöhten kardiovaskulären Risiko, d. h. koronaren Herzerkrankungen, Schlaganfall, aber auch Risikofaktoren wie Diabetes, Alkohol, Rauchen, körperlicher Inaktivität, Adipositas und Depression (vgl. zusammenfassend Felitti, 2002). Zudem konnte dort der Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen wie verschiedenen Formen von Persönlichkeitsstörungen, Depressionen und Angsterkrankungen belegt werden.

Diese Traumatisierungen können pränatal, im Mutterleib (z. B. durch Ablehnung des Kindes, Abtreibungsversuche, Zwillingstod, aber auch psychische Belastung und/oder psychische Erkrankung der Mutter wie schwangerschaftsbedingte Ängste, andauernde Stressbelastungen, Depressionen, Paarschwierigkeiten, transgenerationale Traumata und Verletzungen sowie negative Umwelteinflüsse wie Drogen, Alkohol, Nikotin, Umweltgifte, Viruserkrankungen, Medikamente) sowie perinatal (in Form von Geburtstraumata, Kaiserschnittgeburt und/oder Frühgeburt) und postnatal (in Form von Bindungs-/Entwicklungstraumata, körperlichen und emotionalen Misshandlungen wie Gewalterfahrungen, sexuellem Missbrauch, aber auch Vernachlässigung) erfolgen.

In einer Pressemitteilung vom 6. Januar 2021 teilte das statistische Bundesamt den höchsten Stand von Kindswohlgefährdungen in Deutschland seit Einführung der Statistik im Jahr 2012 mit (Statistisches Bundesamt, 2024). 2019 berichteten sie, dass 60 % der Fälle auf Vernachlässigung zurückzuführen seien (Statistisches Bundesamt, 2019). Im Coronajahr 2020 nahm die Kindeswohlgefährdung im Vergleich zum Jahr 2019 um 9 % zu. Davon war 2020 jedes dritte betroffene Kind jünger als fünf Jahre, 2021 bereits jedes zweite Kind jünger als acht Jahre und jedes vierte Kind jünger als vier Jahre (Statistisches Bundesamt, 2024). Das Risiko frühkindlicher Traumatisierung nimmt demnach eher zu als ab. Damit steigt auch die Notwendigkeit früher Behandlungsmöglichkeiten, um körperliche und psychische Langzeitfolgen abzumildern oder gar zu verhindern.

Behandlungsmöglichkeiten in den ersten drei Lebensjahren gibt es nur sehr wenige. Die meisten psychotherapeutischen Behandlungsmethoden für dieses Lebensalter setzen an der Eltern-Kind-Beziehung an oder beschränken sich sogar auf eine reine Beratung der Eltern. Eine direkte Behandlung am Kind ist nach wie vor die Ausnahme.

Um zu verstehen, wie sich Symptome bei traumatisierten Menschen entwickeln und auswirken, ist es hilfreich, Kenntnisse darüber zu haben, was bei sehr frühen, überaus stressvollen bis hin zu traumatischen Erfahrungen im Gehirn geschieht. Das Wissen darüber vermittelt das Verständnis der Symptome als Überlebensstrategie und ermöglicht die Psychoedukation bei den Betroffenen und deren Bezugspersonen.

2.1 Pränatale Gehirnentwicklung


Etwa 17 Tage nach der Befruchtung entsteht beim Embryo die Neuralrinne und damit der erste Ansatz des Gehirns. Bis zum 27. Tag entwickelt sich daraus das Neuralrohr, der Vorläufer für das Rückenmark und das Stammhirn. Das Stammhirn ist biologisch gesehen der älteste Teil unseres Gehirns und für das Überleben des gesamten Organismus zuständig. In manchen Kontexten wird es auch als »Reptilienhirn« bezeichnet. Es ist für das vegetative Nervensystem, die Regulation der Atemmuskulatur und der Körpertemperatur sowie das Herz-/Kreislaufsystem zuständig. Dieser Gehirnbereich entwickelt sich bereits ab der sechsten Schwangerschaftswoche. Aus den Bereichen des Stammhirns heraus entwickeln sich das Mittel- und Großhirn sowie die Großhirnrinde. Im Mittelhirn ist das limbische Nervensystem verankert, der emotionale Teil des Gehirns. Zuletzt bildet sich schließlich das Großhirn mit der Großhirnrinde (Cortex). In der 16. bis 19. Schwangerschaftswoche sind die Windungen des frontalen Cortex und zwischen der 24. und 27. Schwangerschaftswoche die Windungen des präfrontalen Cortex erkennbar. Der präfrontale Cortex ist unter anderem für die bewusste Handlungsplanung und die Problemlösung zuständig (Hüther & Krens, 2008).

Die einzelnen Gehirnbereiche mit ihren Zellen sind zur Informationsweitergabe mit Synapsen verbunden. Die umfangreiche Bildung von Synapsen beginnt in vielen Teilen des Cortex bereits im letzten Schwangerschaftsdrittel und setzt sich bis zum vierten Lebensjahr fort. Ab dem vierten Lebensjahr sind die verschiedenen Gehirnbereiche so weit miteinander verknüpft, dass ein Zusammenarbeiten gut möglich ist. Folglich ist erst etwa ab dem vierten Lebensjahr zum Beispiel die bewusste Handlungsplanung oder auch die Impulskontrolle weitestgehend möglich. Das Regulieren von Impulsen ist auch bereits bei jüngeren Kindern zu beobachten....

Erscheint lt. Verlag 12.6.2024
Vorwort Thomas Hensel
Zusatzinfo 8 Abb.
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Bindung • Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie • psychotherapeutische Interventionen • Psychotherapeutischer Prozess • Psychotherapeutische Verfahren • Psychotherapie • Traumatherapie • Traumatisierung
ISBN-10 3-17-044766-1 / 3170447661
ISBN-13 978-3-17-044766-0 / 9783170447660
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