Aus einer Hochburg des Reformjudentums
Verlag für Regionalgeschichte ein Imprint von Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG
978-3-89534-611-8 (ISBN)
https://www.regionalgeschichte.de/detailview?no=0611
Dr. Monika Minninger. Geboren 1941 in Trier, gestorben 2010 in Trier. Studium: Geschichtswissenschaft, Romanistik und Politikwissenschaft in Marburg, Tübingen und Nancy; Archivschule Marburg. 1980-2006 stellvertretender Leiterin des Stadtarchivs Bielefeld. Veröffentlichungen zur Geschichte westfälischer Juden und anderer Minderheiten, zur NS-Zeit und zur Amerikaauswanderung.
Einleitung • 11
1 140 Jahre im Spiegel einer Familienchronik. Geschichte der Familie Porta. Von Walter Porta, 1940 • 14
Erster Teil: Im Zeitalter von Judenemanzipation und Assimilation, 1800-1918 • 33
A. Synagogengemeinde, Jüdische Institutionen, Religiöses Leben • 33
2 Höchst mangelhafter Religionsunterricht. Bericht über den Zustand des jüdischen Schulwesens in den Städten Ravensbergs. Von Geh. Rat von Hohenhausen, 1806 • 33
3 … unseren geringen Nahrungserwerb noch zu schmälern gedenken. Bittschrift der Bielefelder Judenschaft an den Präfekten des Weserdepartements in Osnabrück, 1808 • 34
4 Liste der Bielefelder Juden männlichen Geschlechts, 1812 • 35
5 Heil dem besseren Könige! Rede zur Feier des am 18ten Juni erfochtenen glorreichen Sieges und des Einzugs der Verbündeten in Paris. Gehalten vor der israelitischen Gemeinde zu Bielefeld. Von Rabbiner Moses Friedheim, 1815 • 38
6 Ein zerrütteter Rabbinatsbezirk. Rabbiner Moses Friedheim in Bielefeld an die Regierungskommission, 26. März 1815 • 40
7 Ein eher negatives Gutachten. Bericht des Landrats von Borries an die Regierung Minden über die Situation der Juden in Stadt und Kreis Bielefeld, 20. Januar 1817 • 41
8 Jüdisches »Kirchen«-Inventar. Erbeigentum der Israelitischen Gemeinde in Bielefeld, 1822 • 42
9 Ein »geläuterter« jüdischer Gottesdienst. Mindener Sonntagsblatt, 16. Mai 1832 • 43
10 Ein kritischer Bericht. Beantwortung eines Fragebogens der Regierung durch den jüdischen Lehrer Joachim Posener, 1843 • 44
11 Schon vergessen? Die alte Synagoge. Von Martha Modersohn-Kramme, 1929 • 47
12 Die Bielefelder jüdischen Haushalte 1846 • 50
13 Religionsschule statt jüdische Elementarschule. Israelitisches Familienblatt, 25. Juli 1876 • 52
14 Religionsunterricht an den Gymnasien. Israelitisches Familienblatt, 23. Juli 1878 • 52
15 Fasten am Versöhnungstag. Israelitisches Familienblatt, 20. Dezember 1888 • 53
16 Der erste Jugendgottesdienst. Israelitisches Familienblatt, 13. Juni 1890 • 53
17 Ein Frommer aus dem 18. Jahrhundert. Rede, gehalten am 8. Februar 1891 auf dem jüdischen Friedhof zu Bielefeld zum ehrenden Gedächtnis des würdigen 111-jährigen Greises Herrn Markus Jordan, geboren am 6. Oktober 1779, gestorben am 2. Februar 1891. Von Felix Coblenz • 54
18 Im Geiste eines gesunden Liberalismus. Der Wächter, 2. Juli 1901 • 55
19 In der Hochburg der Antizionisten. Erinnerungen eines Jecken. Von Sammy Gronemann, 1902 • 57
20 Zionismus widerspricht dem ewigen Naturgesetz. Die Hoffnung Israels. Predigt von Dr. Felix Coblenz, vor 1904 • 58
21 Ein Vierteljahrhundert Gemeindevorsitzender. Israelitisches Familienblatt, 22. Januar 1904 • 61
22 Eine Zierde unserer Stadt. Protokoll der Preisgerichts-Sitzung vom 13. Mai 1902 • 62
23 Die Einweihung der neuen Synagoge. Bielefelder General-Anzeiger, 21. September 1905 • 64
24 Die Einweihung der neuen Synagoge. Die Volkswacht, 22. September 1905 • 67
25 Die Einweihung der neuen Synagoge. Israelitisches Familienblatt, 28. September 1905 • 68
26 Das Einweihungsgedicht. Von Josefa Metz, 20. September 1905 • 70
27 Verbrannter Tempel. Von Karen Gershon. Freie Presse, 10. August 1963 • 72
B. Zwischen Antisemitismus und Toleranz; Identitätsfindung • 72
28 Nur die Israeliten etwas zurückgesetzt. Topographisch-historisch-statistische Beschreibung der Stadt Bielefeld. Von Heinrich Wilhelm Schubart, 1835 • 72
29 Unser bißchen Recht ehrlich mit den Juden teilen. Die Juden. Von Hermann Kriege. Weser-Dampfboot, 24. Februar 1844 • 73
30 Was wollen wir Konservativen? Ansprache an die Urwähler Minden-Ravensbergs, 1848. Flugblatt, gedruckt vom Verlag Werneburg, Lübbecke • 75
31 Lessing als Vorbild. Aben Esra. Schauspiel in drei Aufzügen. Von Salomon Blumenau, 1875 • 76
32 Anstellung mit Rücksicht auf sein Glaubensbekenntnis verweigert. Nachruf auf Philipp Metz. Mitteilungen vom Deutsch-Israelitischen Gemeindebund, Nr. 19, 1888 • 79
33 Vier Anwaltstöchter wurden getauft. Israelitisches Familienblatt, 20. Juni 1882 • 82
34 Neuartiges Chanukkafest contra jüdischen Weihnachtsbaum. Israelitisches Familienblatt, 1. Januar 1891 • 83
35 Das Kind des Antisemitismus. Israelitisches Familienblatt, 10. April 1891 • 84
36 Bestellung von Pfuirufern per Flugblatt. Israelitisches Familienblatt, 20. November 1891 • 86
37 Wilhelminischer Standesdünkel und Antisemitismus. Lebenserinnerungen. Von Wolfgang Meyer-Michael • 87
38 Wir können alle stolz sein Deutsche zu sein. Von Toni Herzfeld, 1914 • 89
C. Kindheiten und Alter • 92
39 Im Garten Eden. Eva. Aus einer glücklichen Kindheit. Von Josefa Metz • 92
40 Geliebtes christliches Personal der Kindheit. Minchen Unger. Von Anna Heinemann-Wertheimer • 99
41 Vorahnung. Von Anna Heinemann-Wertheimer • 101
42 Als jüdisches »Proletarierkind« Ende des 19. Jahrhunderts. Lebenserinnerungen. Von Hugo Rosenthal • 102
D. Pionierleistungen • 106
43 Ein Konvertit beflügelt das Bielefelder Musikleben. Heinrich Aloys Praeger. Westfalen und Rheinland. Eine Zeitschrift für alle Stände, Nr. 2, 1836 • 106
44 Parkanlage erinnert an Fahrradpionier. Georg Rothgiesser: Firmen- und Vereinsgründer sowie erster Redakteur des »Radmarkt«. Von Arno Ley • 108
45 Ältestes und größtes Kaufhaus der Region. Das Kaufhaus S. Alsberg & Co. in Bielefeld, 1926 • 109
Zweiter Teil: Unter wachsendem Antisemitismus und NS-Terror, 1918-1945 • 113
A. Die jüdische Gemeinde, ihre Institutionen und Vertreter • 113
46 Von jüdischen Wandervögeln und ersten Zionisten. Fritz Mosberg • 113
47 Frauenehrung eher selten. Israelitisches Familienblatt, 31. Oktober 1919 • 115
48 Ein ostjüdischer Grabstein von 1921/1934 • 116
49 Westfalia-Loge XVI.362. Mitgliedsverzeichnis 1925 • 117
50 Frühes Gemeindewahlrecht für Frauen. Israelitisches Familienblatt, 7. Oktober 1926 • 123
51 Integration von Ostjuden und Zionisten durch Einheitsliste. Israelitisches Familienblatt, 26. Januar 1933 • 123
52 Unser Weg zur jüdischen Jugendbewegung. Uri Lev-Ron • 124
53 »Protokoll« einer Purimfeier vom 19. März 1927 • 127
54 Das Verbindende in den Vordergrund rücken. Friede. Predigt zum Versöhnungstage. Gehalten in der Synagoge zu Bielefeld am 14. Oktober 1929. Von Rabbiner Dr. Hans Kronheim • 128
55 Bielefeld, die werdende Großstadt. Das jüdische Gemeindeleben in Bielefeld. Von Rabbiner Dr. Kronheim. Westfälische Neueste Nachrichten, 13. April 1929 • 133
56 Der Weg über die Pfadfinderei. Gruppengedicht, nach 1930 • 136
57 Vorstandsämter wie sein Onkel. Dr. Willy Katzenstein 60 Jahre. CV-Zeitung, 6. September 1934 • 137
58 Ein Abschiedsgedicht. Von Berta Klarenmeyer, 1937 • 138
59 Unfaßbar für eine Elfjährige: Ein Gotteshaus brennt. Der 9./10. November 1938. Von Erika K., Nichtjüdin • 139
60 Es sind beim Synagogenbrand entwendet worden. Kultusgemeinde Bielefeld an das Amt für Wiedergutmachung, Dezember 1951 • 141
61 Antrag, den früheren Synagogen-Kastellan als rassisch Verfolgten anzuerkennen. Kultusgemeinde Bielefeld an den Kreissonderhilfsausschuß, 6. Januar 1949 • 142
62 Bericht aus der Zeit nationalsozialistischer Verfolgung. Kultusgemeinde Bielefeld an das Landeskriminalamt in Düsseldorf, 30. November 1961 • 143
B. Erlebt und nicht vergessen • 144
63 Wir gehörten zu den wenigen mit koscherem Haushalt. Fritz Mosberg • 144
64 Teils traditionell, teils assimiliert. Im Schatten der Vergangenheit. Von Helmut Grünewald • 146
65 Wie man zu sagen pflegte: Ich gehörte zur Familie. Hans X. • 156
66 Assimilation hatte ihre Grenzen, die jeder auf seine Weise zog. Alfred Meyer • 157
67 Linksliberale konnten diese Vaterlandsliebe nicht gut ausdrücken. Alfred Meyer • 161
68 Zu Schlappschwänzen sind die meisten von uns erzogen worden. Alfred Meyer • 163
69 Keinerlei Verbindung mit jüdischen Kreisen und der Gemeinde. Ludwig Kugelmann • 163
70 Zukunftsvision anno 1930. Am 12. Oktober 1980, also in 50 Jahren. Von Hans Meyerfeld • 164
71 Gesehen mit den Augen von »Zugereisten«. Ernst Heilbrunn • 167
72 Gewissermaßen in einem freiwilligen Ghetto: Ostjuden. Josef Laufer • 176
73 Eine Kindheit in Bielefeld 1925-1939. Lebenserinnerungen. Von Renate Kamp-van H. • 178
74 350 Jahre im Spiegel von Rassenkunde. Meine Sippe – ein Schulaufsatz. Von Ernst Cosmann, 4. Dezember 1935 • 190
75 Verpaßte Rettungsschancen. Erinnerungen eines Pioniers aus Deutschland. von Asher Benari • 192
76 Das waren unsere Abschiedsworte aus der Heimat. Erinnerungen aus der Hitlerzeit. Von Margret Marflow, geb. Weiß • 194
77 Für den Fluchtfall immer einen Koffer vorbereitet: »Halbjuden«. Wer höb’ den ersten Stein wohl auf. Von Walter Fritz • 196
78 Drei Tage Auschwitz-Birkenau. Lebenserinnerungen. Von Renate Kamp-van H. • 199
Dritter Teil: Kultusgemeinde sowie »Ehemalige« nach dem Holocaust, 1945-2003 • 203
A. Wiederaufbau, Institutionen, Gemeindeleben • 203
79 Laerstraße 9. Wohnungsamt Bielefeld an den jüdischen Gemeindevorsitzenden, 16. Juli 1945 • 203
80 Die Thorarollen kamen aus Werther. Undatierter Bericht der Kultusgemeinde • 203
81 Renaissance of Bielefeld Jewish Community. Bericht des Staff Reporters in »Pinpoint«, Zeitung der Royal Air Force, 9. Februar 1946 • 205
82 Die jüdische Gemeinde im Wiederaufbau. Westfälische Zeitung, 4. November 1947 • 207
83 … Wo Gerechtigkeit herrscht, ist viel Freude. Volks-Echo, 11. April 1949 • 207
84 Dies ist die Thora … Vorspruch bei der Thoraeinholung am 16. September 1951. Von Gabriel Riesser • 209
85 Neuer Beginn nach Jahren des Hasses. Betraum der Kultusgemeinde eingeweiht. Westfalen-Blatt, 17. September 1951 • 210
86 Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Von Lotte Daltrop. Unsere Schule, 1955 • 210
87 Als Freund und Nächster begegnet. Zum Tode von Max Hirschfeld. Westfalen-Blatt, 2. Januar 1958 • 213
88 Antisemitenausschreitungen und Gegenkundgebungen. Bericht der Kultusgemeinde an die Allgemeine Wochenzeitung der Juden, 29. Januar 1960 • 213
89 Sechzig Erwachsene und eine Handvoll Schulpflichtige. Gemeindevorsitzender Robert Eichengrün an Rudolf Demandt in New York, 25. November 1960 • 214
90 Channuka. Kultusgemeinde Bielefeld an die Allgemeine Wochenzeitung der Juden, 28. Dezember 1962 • 215
91 Feierliche Wiedereinweihung der Synagoge. Westfälische Zeitung, 16. September 1963 • 215
92 Gottesdienste an hohen Feiertagen. Kultusgemeinde Bielefeld an die Allgemeine Jüdische Wochenzeitung, 7. September 1970 • 217
93 Gemeindeleben. Kultusgemeinde Bielefeld an die Allgemeine Jüdische Wochenzeitung, 18. April 1975 • 218
94 Kein Gottesdienst mehr. Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld an die Allgemeine Jüdische Wochenzeitung, 11. Mai 1977 • 218
95 Stühle-Schleppen zum Schabbat. Jüdische Gemeinden in Westfalen: Bielefeld. Von Anke Klapsing-Reich. Shalom, April 2003 • 219
B. Rückkehrer, Displaced Persons, Emigranten • 221
96 Heiß ersehnte Heimfahrt aus dem Ghetto. Brief des ehemaligen Stadtchemikers Dr. Ernst Goldstein an seine Familie, 6. Juni 1945 • 211
97 Fehlgelandet, Sommer 1945 • 222
98 Staatenlose Juden wieder minderprivilegiert? Landesverband der jüdischen Gemeinden Westfalens an den Kreissonderhilfsausschuß, 13. Januar 1947 • 223
99 Identitätsfindung nach 25 Jahren. Ein deutscher Jude kehrt heim. Von Karen Gershon, 1963 • 224
100 Jetzt konnten sie endlich eine Familie gründen. Artur und Berta Sachs begehen ihr 25. Ehejubiläum. Jüdische Kultusgemeinde an die Allgemeine Wochenzeitung der Juden, 13. Mai 1966 • 227
101 Israel als neue Heimat bietet doch kein Vergessen. Von Dieter Klocke. Freie Presse, 4. August 1966 • 228
102 Sehnsucht nach Pumpernickel und mehr. Walter Levy. Brief an die Jüdische Kultusgemeinde, 14. November 1967 • 230
103 Bemühen um die deutsch-israelische Verständigung. 85. Geburtstag von Ruth Florsheim. Unsere Schule 1985 • 232
104 Von antisemitischen Angriffen geschockt. »Mein Gehirn läuft wie ein Ofen – habe Angst«. Familie auf Suche nach Heimat und Identität. Neue Westfälische, 13. August 1988 • 233
105 Ehrenvolle Wiederaufnahme eines vertriebenen Mitbürgers. Rede des US-Chemikers Prof. Klaus Rüdenberg nach Erhalt der Bielefelder Ehrendoktorwürde am 5. September 1991 • 235
Literaturverzeichnis • 237
Abbildungsnachweis • 241
Register • 242
Quellensammlungen zählen nicht gerade zu den attraktivsten Genres historischer Literatur, haftet ihnen doch der Geruch verstaubter und wenig lesbarer Texte an. Die bis zu ihrer Pensionierung am Bielefelder Stadtarchiv tätige Historikerin und Archivarin Monika Minninger legt indes eine umfangreiche und interessante Quellensammlung zur Geschichte des Bielefelder Judentums vor, die vielfältige Einblicke in das Leben dieser Minderheit gibt. Die Herausgeberin ist eine ausgezeichnete Kennerin der jüdischen Geschichte in der Region und hat sich durch zahlreiche Beiträge ausgewiesen. Der etwas spröde Titel ihrer Quellensammlung verweist auf die Tatsache, dass die jüdische Gemeinde Bielefelds dem Reformjudentum zuzuordnen war. Die Quellensammlung besitzt ihre Relevanz auch darin, dass die jüdische Gemeinde in Bielefeld die größte Kultusgemeinde in Ostwestfalen und damit prägend für die gesamte Region war.
Bei den in die Sammlung aufgenommenen Texten, die i.d.R. durch leider nur sehr kleinformatige Fotos ergänzt werden, handelt es sich zum einen um jüdische Selbstzeugnisse in Form von Auszügen aus Memoiren, aber auch um Gedichte und Briefe. Darunter befinden sich Passagen aus zahlreichen Briefen früherer jüdischer Einwohner Bielefelds an die Herausgeberin, vor allem aus den 1980er Jahren. Zudem sind aber auch »klassische« archivalische Quellen und Presseartikel abgedruckt. Die Quellen sind gut ausgewählt und repräsentieren eine große Bandbreite jüdischen Lebens zwischen Integration, Verfolgung und Neuanfang.
Minninger gliedert ihre Quellensammlung in drei chronologisch angeordnete Kapitel. Das erste Kapitel enthält Quellen aus dem Zeitraum vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Dieser Zeitraum war durch die Emanzipation und teilweise Assimilation der jüdischen Bevölkerung geprägt. Daran schließen sich Quellen aus der Zeit von 1918 bis 1945 an, d.h. aus der Phase des wachsenden Antisemitismus und des NS-Terrors. Der letzte Teil der Quellensammlung thematisiert die Neuentstehung und weitere Entwicklung der Bielefelder Kultusgemeinde nach 1945. Die wichtigsten Quellen werden von sachkundigen Kommentaren begleitet.
Die Quellensammlung beginnt mit dem Abdruck einer von Walter Porta 1940 verfassten Chronik zur Geschichte seiner Familie, die exemplarisch die Geschichte eines Teiles der jüdischen Minderheit in Bielefeld und in Deutschland überhaupt spiegelt. Walter Porta, geb. am 9. August 1880 in Bielefeld, berichtet eingangs über das gute Verhältnis zwischen der jüdischen und der christlichen Bevölkerung in Bielefeld in der Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik und dann über die Folgen der nationalsozialistischen »Machtergreifung« für seine Familie. Die Familie Porta steht beispielhaft für jene Juden, die sich während der Zeit des Dritten Reiches der Verfolgung und Vernichtung durch die Auswanderung nach Palästina entziehen konnten. Walter Porta schildert dabei sehr genau die entwürdigende Ausreiseprozedur 1937 und die schwierigen Neuanfänge in Palästina.
Daran anschließend wird durch mehrere Quellen das Leben in der Bielefelder Synagogengemeinde veranschaulicht, darunter befinden sich u.a. verschiedene Berichte über den jüdischen Religionsunterricht. Ein Schwerpunkt dieses Teils der Quellensammlung ist auch die Einweihung der neuen Bielefelder Synagoge 1905. In der Zeit des Kaiserreichs begegnet dem Leser ein selbstbewusstes und um Integration bemühtes Bielefelder Judentum, zu dessen Exponenten u.a. der Lehrer und Kantor Salomon Blumenau und der Rabbiner Dr. Felix Coblenz, aber auch der Bankier Moritz Katzenstein gehörten.
Die zur Dokumentation des Zeitraumes von 1918 bis 1945 ausgewählten Quellen spiegeln u.a. zionistische Tendenzen unter jungen Bielefelder Juden und geben Einblicke in das jüdische Gemeindeleben in den 1920er Jahren. Die Zerstörung der Bielefelder Synagoge im Rahmen der Reichspogromnacht 1938 wird ausführlich beschrieben. Nach Kriegsende unternommene Anstrengungen um »Wiedergutmachung« und um Aufklärung von während der NS-Zeit erfolgten Übergriffen gegen Mitglieder der Kultusgemeinde werden ebenfalls exemplarisch dokumentiert. Auszüge aus zahlreichen Briefen emigrierter oder die Konzentrationslager überlebender Juden an die Herausgeberin über ihre Kindheits- und Jugenderinnerungen in Bielefeld beschließen diesen Teil der Quellensammlung.
Im letzten Teil des Buches dokumentiert die Herausgeberin u.a. den Wiederaufbau der Bielefelder Kultusgemeinde. Der Wiederbeginn der Gottesdienste im Juli 1945 wurde anfangs von der britischen Besatzungsmacht unterstützt; die für den Gottesdienst verwendeten Thorarollen stammten aus der Synagogengemeinde Werther. Sie waren von Mitgliedern des örtlichen CVJM vor der Vernichtung gerettet und während der Kriegszeit gemeinsam mit anderen Kultgegenständen versteckt worden. Die Quellensammlung zeigt auch, dass die jüdische Gemeinde zwischen den 1970er und den 1990er Jahren so klein geworden war, dass nicht mehr regelmäßig Gottesdienste abgehalten werden konnten. Erst durch die Zuwanderungen seit den ausgehenden 1990er Jahren vor allem aus der ehemaligen Sowjetunion wuchs die Kultusgemeinde wieder auf etwa 200 Mitglieder an.
Im Mittelpunkt der Quellensammlung steht das wirtschaftlich erfolgreiche, »gutbürgerliche« Judentum; über die etwa ein gutes Dutzend Familien umfassende ostjüdische Bevölkerung Bielefelds erfährt der Leser nur wenig – das ist aber der bestehenden Quellenlage und nicht der Herausgeberin anzulasten.
Wer sich mit der Geschichte der ostwestfälischen Juden im 19. und 20. Jahrhundert beschäftigt, wird aus dieser Quellensammlung großen Gewinn ziehen. Besonders den Geschichts- und Religionslehrern sei diese sorgfältig zusammengestellte Quellensammlung zur Verwendung im Unterricht empfohlen.
Norbert Sahrhage, in: Ravensberger Blätter, 2008, H. 1
25 Jahre hat Monika Minninger Zeugnisse jüdischen Lebens in Bielefeld gesammelt. Die Früchte ihrer Recherchen liegen jetzt in Form eines wunderbaren Buches vor. Bielefeld beherbergte eine reformfreudige jüdische Gemeinde, deren Mitglieder sich gut assimiliert hatten und stolz auf ihr Deutschttum waren. Die einleitende Chronik der Familie Porta setzt im Jahr 1806 ein und zeigt in nuce den Weg vieler jüdischer Bürger aus bescheidenen Anfängen in den Wohlstand und die gesellschaftliche Anerkennung, bis der NS-Terror alle Entwicklungslinien brutal abschnitt. Chonologisch fortschreitend, innerhalb der Kapitel thematisch übersichtlich gruppiert, formt Minninger aus 105 mal unterhaltsamen, mal ergreifenden, immer aber spannenden Schriftquellen und 140 Bildern ein echtes Lesebuch zur jüdisch-deutschen Geschichte in einer mittelgroßen Industriestadt.
Matthias Meyer zur Heyde, in: Westfalen-Blatt, 3.11.2006
Erscheint lt. Verlag | 17.10.2006 |
---|---|
Reihe/Serie | Sonderveröffentlichung des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg ; 11 |
Verlagsort | Bielefeld |
Sprache | deutsch |
Maße | 160 x 240 mm |
Gewicht | 850 g |
Einbandart | gebunden |
Themenwelt | Geschichte ► Allgemeine Geschichte ► Neuzeit (bis 1918) |
Geschichte ► Teilgebiete der Geschichte ► Sozialgeschichte | |
Schlagworte | Antisemitismus • assimilation • Bielefeld • Emanzipation • Hardcover, Softcover / Geschichte/Neuzeit bis 1918 • HC/Geschichte/Neuzeit bis 1918 • Holocaust • Juden • Rückkehrer |
ISBN-10 | 3-89534-611-X / 389534611X |
ISBN-13 | 978-3-89534-611-8 / 9783895346118 |
Zustand | Neuware |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
aus dem Bereich