Der Untergang der 'Wager' (eBook)
432 Seiten
C. Bertelsmann (Verlag)
978-3-641-31863-5 (ISBN)
- Eines von Barack Obamas »Favorite Books of 2023«
- Auf der Longlist für den Baillie Gifford Prize für Non-Fiction 2023
- Vielfaches Buch des Jahres
- In 25 Sprachen übersetzt
Januar 1742. Ein windschiefes Segelboot strandet an der Küste Brasiliens, an Bord 30 Männer, die einzigen Überlebenden des königlichen Eroberungsschiffs »The Wager«, das in einem Sturm zerschellt ist. Sechs Monate später: Drei Schiffbrüchige werden in Chile an Land gespült und erklären die 30 Männer zu Meuterern, die skrupellos gemordet hätten ... Wer lügt, wer sagt die Wahrheit? Das soll ein britisches Kriegsgericht entscheiden. Es geht um Leben oder Tod. David Grann spinnt aus dem Archivmaterial eines historischen Kriminalfalls eine packende und atmosphärisch dichte Abenteuererzählung. Schuld und Unschuld, Treue und Verrat liegen eng beieinander, und am Ende kommt eine schockierende Wahrheit zutage ...
In hochwertiger Ausstattung mit Bildteilen, Karten und Lesebändchen
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Hardcover (Nr. 37/2024) — Platz 20
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Hardcover (Nr. 36/2024) — Platz 16
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- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Hardcover (Nr. 34/2024) — Platz 10
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DAVID GRANN, Jahrgang 1967, ist preisgekrönter Journalist und Sachbuchautor. Er arbeitet als Redakteur bei The New Yorker und veröffentlicht Artikel u.a. in The Washington Post, The Atlantic Monthly, The Wall Street Journal. Sein Buch Killers of the Flower Moon erschien auf Deutsch bei btb und wurde von und mit Martin Scorsese und Leonardo DiCaprio verfilmt, die sich auch die Rechte an seinem neuesten Bestseller The Wager gesichert haben. The Wager stand wochenlang auf Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerliste und schaffte es auf die Summer Reading List von Barack Obama.
»Die größte Seefahrtsgeschichte, die je erzählt wurde.« – The Spectator
»Ein spannender Bericht ... dramatisch und fesselnd.« – The Economist
»Liest sich wie ein Thriller.« – Time Magazine
KAPITEL 1
Der Oberleutnant
Jedes Mitglied des Geschwaders brachte neben einer Seemannskiste seine eigene mehr oder weniger trübselige Vorgeschichte mit. Eine verschmähte Liebe hier, eine Gefängnisstrafe dort, hier eine schwangere Ehefrau, die weinend an Land zurückblieb, dort der Hunger nach Ruhm und Wohlstand oder die Angst vor dem Tod. David Cheap, Oberleutnant auf der Centurion, dem Flaggschiff des Geschwaders, war da keine Ausnahme.1 Der stämmige Schotte, Anfang vierzig, große Nase und gefühlstiefe Augen, war auf der Flucht – vor einem Erbstreit mit seinem Bruder, vor Gläubigern, die ihm nachstellten, vor den Schulden, die es ihm unmöglich machten, eine Frau fürs Leben zu finden. An Land wirkte Cheap verloren, außerstande, die Untiefen des Lebens zu umschiffen. Doch sobald er auf dem Achterdeck eines britischen Kriegsschiffes stand, auf dem Kopf einen Dreispitz, in der Hand ein Fernrohr, und über die Weltmeere fuhr, strotzte er nur so vor Selbstvertrauen – oder vor Überheblichkeit, wie manch einer meinte. In der hölzernen Welt eines Schiffes – eine Welt, deren Grenzen durch die strengen Regeln der Navy, die Gesetze der See und vor allem den zusammengewürfelten Haufen an Bord gebildet wurden – hatte er Zuflucht gefunden. Hier konnte er einem klar definierten Auftrag folgen, der seinem Tun und Lassen einen Sinn verlieh. Ungeachtet aller Risiken, die damit verbunden waren, von Seuchen über die Gefahr, zu ertrinken, bis hin zu feindlichem Beschuss, bot ihm sein neuer Posten das, wonach er sich sehnte: eine Gelegenheit, reiche Beute zu machen, zum Kapitän mit eigenem Kommando aufzusteigen und so zum Herrn der Meere zu werden.
Das Problem aber war, dass er einstweilen das verdammte Festland nicht verlassen konnte. Er hing in den Docks von Portsmouth an der englischen Kanalküste fest, wo er sich ebenso fieberhaft wie vergeblich darum bemühte, die Centurion vollständig auszurüsten und seeklar zu machen. Der massige hölzerne Rumpf, 44 Meter lang und gut zwölf Meter breit, lag in der Werft. Schiffbauer, Kalfaterer, Takler und Zimmerleute huschten wie Ratten (von denen es ebenfalls reichlich gab) über die Decks. Der Lärm von Hämmern und Sägen verband sich zu einer Kakofonie. Durch die kopfsteingepflasterten Straßen jenseits der Werft drängten scheppernde Karren und Pferdefuhrwerke, Gepäckträger, Hausierer, Taschendiebe, Matrosen und Prostituierte. Von Zeit zu Zeit blies ein Bootsmann in seine schrille Pfeife und rief die Seeleute aus den umliegenden Kneipen, wo sie alte oder neue Liebschaften zurückließen und zu ihren abfahrtsbereiten Schiffen eilten, um den Peitschen der Offiziere zu entgehen.
Januar 1740. Das britische Empire rüstete sich für einen Krieg gegen seinen Rivalen Spanien. Im Zuge dessen war George Anson, der Kapitän der Centurion, unter dem Cheap diente, von der Admiralität zum Kommodore eines Geschwaders aus fünf Kriegsschiffen ernannt worden, die in den Krieg gegen die Spanier ziehen sollten – eine Maßnahme, die Cheaps Aussichten dramatisch verbesserte. Die Beförderung Ansons kam unerwartet.2 Als Sohn eines unbedeutenden Gutsbesitzers konnte er nicht auf die Unterstützung bauen – oder sie sich erkaufen –, die Offiziere für ihren Aufstieg (und den einiger Getreuer) auf der Karriereleiter normalerweise benötigten.3 Anson, damals 42 Jahre alt, war mit vierzehn zur Navy gekommen und hatte ihr fast drei Jahrzehnte treu gedient, ohne je einen militärischen Einsatz geleitet oder ein lohnendes feindliches Schiff aufgebracht zu haben.
Anson, der groß gewachsen war, ein längliches Gesicht und eine hohe Stirn hatte, wirkte eigentümlich distanziert und unnahbar. Der Blick seiner blauen Augen war unergründlich, und das Wort ergriff er nur im Kreis einiger enger Vertrauter. Es war, als misstraute er der Fähigkeit von Worten, das zum Ausdruck zu bringen, was er sah oder empfand. »Lesen bedeutete ihm wenig, noch weniger, einen Brief zu schreiben oder zu diktieren. Weil das leicht als Desinteresse ausgelegt werden konnte, trug es ihm den Groll einiger seiner Mitmenschen ein«, schrieb ein Verwandter.4 Ein Diplomat äußerte später im Scherz, dass Anson der Welt so entrückt war, dass er sie zwar »umrundet, aber nie betreten« hat.5
Nichtsdestotrotz hatte die Admiralität erkannt, was Cheap nach zwei Jahren auf der Centurion nur bestätigen konnte: Anson war ein vorzüglicher Seemann, der nicht nur die Welt aus Holz im Griff hatte, sondern auch sich selbst. Auch unter Druck behielt er stets die Nerven. Laut dem Verwandten bedeuteten ihm »Werte wie Ehrlichkeit und Ehre« viel, und »er stand in jeder Lebenslage für sie ein«.6 Dank dieser Eigenschaften hatte er eine Gruppe talentierter junger Offiziere und Protegés um sich scharen können, zu der auch Cheap zählte. Jeder dieser Männer buhlte um Ansons Aufmerksamkeit. Einer ging so weit, vor Anson zu beteuern, dass er sich ihm mehr verpflichtet fühle als seinem eigenen Vater und alles tun würde, um »dem guten Bild zu entsprechen, dass Sie zu meiner Freude von mir haben«.7 In seiner neuen Rolle als Kommodore des Geschwaders konnte Anson zum Kapitän ernennen, wen immer er wollte. Und Cheap, ursprünglich als einfacher Leutnant an Bord gekommen, war als Oberleutnant schon jetzt seine rechte Hand.
Wie Anson hatte Cheap einen Großteil seines Lebens auf See verbracht, auch wenn diese mitunter qualvolle Art der Existenz ihn anfänglich abgestoßen hatte. Wie Samuel Johnson einst bemerkte: »Wer es einrichten kann, ins Gefängnis zu kommen, wird nicht Seemann, denn auf einem Schiff ist es genau wie im Gefängnis, nur dass man Gefahr läuft zu ertrinken.«8 Cheaps Vater hatte im schottischen Fife Ländereien besessen, und einer der Titel, die ihm als Großgrundbesitzer zustanden – 2. Laird of Rossie –, kündete von adliger Herkunft, die sein Stammbaum nicht hergab. Das Motto, das auf dem Familienwappen prangte, lautete Ditat virtus, Tugend bereichert. Mit seiner ersten Frau hatte er sieben Kinder, und als sie starb, heiratete er eine andere und zeugte weitere sechs Kinder, zu denen auch David gehörte.
Im Jahr 1705, David feierte seinen achten Geburtstag, verließ sein Vater das Haus, um Ziegenmilch zu holen. Dabei fiel er tot um. Wie damals üblich, erbte der älteste männliche Nachfolger – Davids Halbbruder James – den Großteil des Landes. In einer Welt, die zwischen Erstgeborenem und sonstigen Nachfahren unterschied, zwischen Besitzenden und Besitzlosen, sah sich David Zwängen gegenüber, die er nicht beeinflussen konnte. James, der sich mit dem Titel 3. Laird of Rossie schmückte, weigerte sich beharrlich, seinen Halbgeschwistern das Erbe auszuzahlen, das ihnen laut Testament zustand. Manches Blut ist offenbar dicker als anderes. Auf der Suche nach Arbeit begab sich David bei einem Kaufmann in die Lehre, doch seine Schulden wuchsen. Im Alter von siebzehn Jahren zog er die Reißleine und beschloss, zur See zu fahren, eine Entscheidung, die seine Familie offenbar begrüßte. Dafür sprechen zumindest die Worte, die sein Vormund an den älteren Bruder schrieb: »Je eher er geht, desto besser für uns.«9
Diese Nackenschläge fachten Cheaps Entschlossenheit an, die Träume, die in ihm schwelten, zu verwirklichen und seinem »unseligen Los«10 zu entkommen, wie er es nannte. Auf sich gestellt, in einer Welt, die das Gegenteil dessen war, was er kannte, sah er die Chance, sich im Kampf gegen die Unbilden des Ozeans zu bewähren, Stürme abzuwettern, feindliche Schiffe aufzubringen und Kameraden zu retten, die in Gefahr geraten waren.
Doch obwohl Cheap einige Piraten festgesetzt hatte – darunter den Iren Henry Johnson, der nur eine Hand hatte und zum Schießen den Lauf des Gewehres auf dem Armstumpf ablegte –, waren die ersten Seereisen weitgehend ereignislos verlaufen. So war er in die Karibik entsandt worden, was als Todeskommando galt, weil dort Krankheiten wie Gelbfieber, Ruhr, Knochenbrecherfieber und Cholera lauerten.
Cheap aber war wohlbehalten zurückgekehrt. Sprach nicht schon das für ihn? Darüber hinaus hatte er Ansons Vertrauen gewonnen und sich bis zum Oberleutnant emporgearbeitet. Dabei war ihm zugutegekommen, dass beide für die groben Scherze, zu denen Seeleute fähig sind – von Cheap auch als »großmäuliges Gehabe«11 abgetan –, Verachtung empfanden. Ein schottischer Geistlicher, der mit Cheap befreundet war, äußerte die Vermutung, Anson habe Cheap befördert, »weil er gesunden Menschenverstand mit Fachwissen verband«.12 Cheap, noch vor Kurzem hoffnungslos verschuldet, war nur noch eine Beförderung von dem ersehnten Kapitänsamt entfernt. Nun würde ihm der Krieg gegen Spanien die erste wirkliche Seeschlacht seiner Karriere bescheren.
Der Krieg war das Ergebnis des endlosen Ringens der europäischen Großmächte um die Vergrößerung ihres Staats- und Einflussgebietes.13 Beide Reiche waren bestrebt, immer neue Regionen der Erde zu erobern oder unter ihre Kontrolle zu bringen, um sie auszubeuten und anderen Nationen den Zugang zu wertvollen Ressourcen und Märkten streitig zu machen. Dabei unterjochten und ermordeten sie unzählige Einheimische und rechtfertigten die rücksichtslose Durchsetzung ihrer Interessen – nicht zuletzt den stetig zunehmenden Sklavenhandel über den Atlantik – mit der Behauptung, die »Zivilisation« bis in die entlegensten Ecken der Welt zu tragen. In...
Erscheint lt. Verlag | 24.4.2024 |
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Übersetzer | Rudolf Mast |
Zusatzinfo | mit Karten und Farbbildteil |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Wager |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik |
Geisteswissenschaften ► Geschichte | |
Schlagworte | 2024 • Abenteuergeschichte • Abenteuergeschichten • eBooks • endurance • Erebus • Expedition • George Anson • Geschichte • großbritannien seemacht • John Franklin • Kap Hoorn • killers of the flower moon • Leonardo DiCaprio • leseliste barack obama • Magellan • Martin Scorcese • Meuterei • Michael Palin • Navigation • Neuerscheinung • New York Times Bestseller #1 • Patagonien • Royal Navy • Schiffbruch • Schiffbrüchige • Schiffsunglück • Seefahrt • segelschiffe geschichte • Shackleton • Skorbut • spanien seemacht • summer reading list barack obama • The revenant • True Crime • Wahre Begebenheit • Weltumsegelung |
ISBN-10 | 3-641-31863-7 / 3641318637 |
ISBN-13 | 978-3-641-31863-5 / 9783641318635 |
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