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Till und Deiner Nase -  U.T.H. John

Till und Deiner Nase (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
156 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-5603-2 (ISBN)
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Seit vielen Jahren schon sitzt Till auf dem Ast einer Eiche. Was um ihn herum passiert, interessiert ihn wenig. Lieber betrachtet er die Wolken am Himmel und nachts zählt er die Sterne. Doch eines Tages gesellt sich ein Eichhörnchen zu ihm. Es hat im Mülleimer neben dem Imbiss ein frisches Brötchen gefunden. Erstaunt darüber, dass die Menschen so verschwenderisch mit Nahrung umgehen, hofft es auf eine Erklärung von Till. Till lässt den Blick schweifen. Zum ersten Mal seit langem nimmt er seine Umgebung wahr. Plötzlich hat es das Eichhörnchen eilig. Während Till sich fragt, warum die Dinge so sind, wie sie sind, klettert er vom Baum und folgt dem Eichhörnchen.

1. Kapitel


Till saß auf einem starken Ast, der aus dem riesigsten Eichenbaum in der Innenstadt wuchs. Es war 10 Uhr morgens und er unterhielt sich bereits seit einer Stunde angeregt mit einem braunen Eichhörnchen, das, während sie sprachen, am Baum lehnte. Es hatte am frühen Morgen in dem Mülleimer einer Imbissbude ein Brötchen neben einer zerbrochenen Flasche und ein paar Zigaretten gefunden. Es hätte vor Glück gestrahlt, wenn es Brötchen essen würde, da kein Senf und keine Asche daran klebten, denn Senf und Asche schmeckten dem Eichhörnchen überhaupt nicht. Aber Eichhörnchen essen keine Brötchen und das Eichhörnchen wusste nicht, welche Tiere Brötchen aßen, so konnte es mit dem Brot nichts anfangen. Dennoch hatte es sich gewundert, wie dumm jemand sein konnte, einfach frisches Brot wegzuwerfen. Und eben weil es sich so gewundert hatte, kam es ins Gespräch mit Till. Sie wusste, dass Till früher einmal selbst ein Mensch gewesen war. Und da es sonst niemanden kannte, der sich an sein Menschsein erinnern konnte, kletterte es zu ihm auf den Baum und fragte ihn, warum manche Menschen so dumm waren und frische Brötchen in den Mülleimer warfen. Doch Till hatte noch nie über so etwas nachgedacht und darum sah er das Eichhörnchen im ersten Augenblick verwundert an. Er hatte zwar gewusst, dass manche Tiere ziemlich intelligent sein konnten, aber dass sich ein Eichhörnchen einmal Gedanken darüber machen würde, warum Menschen so verschwenderisch mit ihrer Nahrung umgehen konnten, das hätte er dann doch nicht geglaubt. Und vor allem hatte dieses Eichhörnchen vor ihm über so etwas nachgedacht, obwohl er doch immer geglaubt hatte, er sei so schlau und wisse alles. Früher … als er noch ein Mensch gewesen war. Vor ungefähr 158 Jahren, da waren die Menschen noch nicht so verschwenderisch, zumindest die nicht, die er kannte oder vom Sehen her kannte. Die Menschen damals hatten oft großen Hunger und hätten nie ihre Brötchen, geschweige denn ihre frischen Brötchen weggeworfen. Das wäre eine große Sünde gewesen. Und wenn jemand das gemacht hätte, hätte jemand anders das Brötchen aufgehoben, sich gefreut, gewundert und den, der das Brötchen weggeworfen hatte, vielleicht sogar einen Dummkopf geschimpft. Denn wer so dumm war und frische Lebensmittel wegwarf, konnte doch nur ein Dummkopf und nichts anderes sein. Dessen ungeachtet fiel Till erst jetzt auf, dass er zwar auf dem größten und höchsten Baum in der Innenstadt saß, aber schon seit Jahren die Menschen kaum noch beachtete. Er sah meistens nur hoch zum Himmel. In der Nacht zählte er die Sterne und am Tag suchten seine Augen zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nach Wolkenfigürchen. Mal sah er Enten, die von Füchsen gejagt wurden. Mal Affen, die Bananen aßen, und manchmal, wenn er Glück hatte, sogar riesige Engelsgesichter, die ihn fröhlich anlächelten. Doch die Frage des Eichhörnchens hatte ihn verwirrt, hatte ihn aus seinem Traum gerissen und seinen Kopf das erste Mal seit sehr, sehr langer Zeit gesenkt und dazu bewogen, sich diese Welt der Menschen mal wieder etwas genauer anzusehen. Und was er da sah, erschreckte ihn und gefiel ihm überhaupt nicht. Um seinen Baum herum hatte irgendjemand Beton auf die Erde gelegt. Eine kalte Betonwüste aus der keinerlei Leben hervorging. Er sah zwar in der Nähe eine kleine grüne Fläche, aus der Gras, Blumen und ein paar Büsche wuchsen, aber die sahen ganz traurig und krank aus. »Was ist denn mit denen da?«, fragte er das Eichhörnchen und zeigte auf die paar Pflanzen. »Geht es ihnen nicht gut?«

Das Eichhörnchen zuckte mit den Schultern. »Genau weiß ich es nicht. Mit Grashalmen konnte ich noch nie sprechen und diese Blümchen und diese Büsche tun so, als wären sie taub und stumm. Ich glaube, dass sie krank sind. Du kannst es von hier aus bestimmt nicht sehen, aber ihre Blätter sind fürchterlich schmutzig und im Gras liegt sehr viel Müll herum. Manche der Büsche und Bäumchen haben noch nie mit einem ihrer Art gesprochen. Das muss ziemlich traurig machen, immer so allein und einsam zu sein.«

Till war zwar schon sehr viele Jahre auf dem Baum, merkte aber erst jetzt, dass er auch allein und einsam war. »Das tut mir sehr leid für sie«, sagte er. »Aber warum ist das alles so? Warum liegt da so viel Müll herum? Und warum sind die Blätter so schmutzig? Und warum …« Er atmete tief ein. »… riecht es hier so seltsam?«

»Diesen ekelhaften Gestank atmen die Autos aus. Und warum das alles so ist, weiß ich nicht. Frage …« Es sah hinauf zum Himmel. »Ich habe keine Zeit mehr! Ich habe keine Zeit mehr.« Das Eichhörnchen kletterte den Stamm hinunter und kurz bevor es hinter einer Hausecke verschwunden war, rief es: »Frage die Menschen!«

Die Menschen, dachte sich Till. »Warte!«, rief er. »Warte! Ich will nicht mehr alleine sein. Warte auf mich.« Till kletterte genauso wie zuvor das Eichhörnchen den Baum hinunter, nur etwas langsamer, denn er war ja viel größer als das kleine, wendige Tier. Ganz unerwartet hielt ihn ein dünnes Ästchen zurück. »Lass mich bitte los«, sagte Till und sah dabei nicht das Ästchen, sondern den Baumstamm an, der gerade dabei war, sich an einer Stelle zu verformen. Das Gesicht eines weisen, alten Mannes drückte sich vom Bauminneren her gegen die dicke Rinde. Dann öffnete sich knirschend ein Spalt zwischen den Lippen und ein paar Worte drangen knorrig an Tills Ohren: »Bleib besser hier, Till.«

»Warum?«, fragte Till.

»Am helllichten Tag kann es passieren, dass dich Hunde anpinkeln. Und in der Nacht, wenn die Menschen glauben, dass sie keiner sieht, dann kann es sogar passieren, dass dich die Menschen anpinkeln. Und wenn du willst, kann ich dir ein Liedchen davon singen«, sagte der Baum.

»Ich kann nicht hierbleiben und für dein Liedchen habe ich leider gar keine Zeit. Das Eichhörnchen …«, schnaufte Till. »Ich muss das Eichhörnchen einholen, sonst bin ich wieder ganz alleine. Also, lass mich bitte los.«

»Du warst jetzt so lange bei mir, Till. Wenn es geregnet hat, habe ich dich mit meinen Blättern vor den Tropfen beschützt und wenn die Sonne dir zu heiß wurde, habe ich Schatten auf dich geworfen. Und jetzt, jetzt hast du für mein wunderschönes Liedchen überhaupt gar keine Zeit?«

»Nun gut«, sagte Till einsichtig. »Ich kann das zwar gar nicht leiden, wenn mir ein Baum etwas vorsingt. Und Zeit habe ich auch keine, aber weil du immer so gut zu mir warst, höre ich mir noch schnell dein wunderschönes Liedchen an. Wie heißt es denn?«

»Mein wunderschönes Liedchen heißt Menschenklo.«

»Hättest du dir keinen schöneren Namen einfallen lassen können?«

»Nein«, sagte der Baum grinsend. »Ich finde, dass das der allerschönste Name für mein wunderschönes Liedchen ist. Unabhängig davon ist es mein wunderschönes Liedchen und deshalb kann ich es nennen, wie ich will.«

»Nun gut«, sagte Till und schielte mit einem Auge auf die Kirchenuhr. »Ich bin ganz Ohr.«

Der Baum räusperte sich. »Wenn Darm und Blase zwicken und zwacken. Dann geht so manches Tier ins Stroh und das Menschlein sucht das Menschenklo. Erst wirft es eine Münze ein, dann erst darf es hinein. Hat es keine Münze oder ist es geizig sehr, dann geht es ins Gebüsch, sieht schnell umher und macht neben uns Bäume her. Ohne Taschentuch greift es angeekelt in unser schönes Blättermeer, bedient sich und putzt sich sehr. Dann packen Hände alles ein und verknoten gut den Sack mit Kot. Und weil wenig Mülleimer an dem Rand der Wege stehen, sieht es rot und wirft zurück ins Gebüsch den frisch verpackten Kot. Und die Moral von diesem wunderschönen Liedchen ist …«, knurrte der Baum, ließ Till mit seinem Ästchen los und zog langsam sein Gesicht zurück in den Stamm. »Kot in Plastik zu verpacken und in die Büsche zu werfen bringt sich nichts.«

»Das war aber kein Lied, sondern ein Gedicht, wenn es überhaupt ein Gedicht war«, sagte Till verärgert. »Da bin ich mir nämlich nicht so sicher. Es heißt Moral von der Geschichte und nicht Moral von diesem wunderschönen Liedchen. Außerdem, wer verpackt Kot in Plastik, wenn Kot doch selbst verrottet und dann wieder zu Erde wird? Hier und da kann ich es verstehen. Aber hier und dort nicht, wenn du doch sagst, dass es zu wenige Mülleimer gibt und die Säckchen in den Büschen landen. Baum, wer will schon mehrere Kilometer ein Säckchen Kot mit sich herumtragen und in die Natur werfen?«

Der Baum war bereits wieder in sich gekehrt und schwieg.

Till zuckte mit den Schultern und begann wieder zu klettern. »Jetzt muss ich mich aber beeilen.«

»Halt!«, krächzte ein stattlicher Rabe mit einer Walnuss im Schnabel. »Bevor du weiterkletterst, musst du mir...

Erscheint lt. Verlag 1.11.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Literaturwissenschaft
ISBN-10 3-7583-5603-2 / 3758356032
ISBN-13 978-3-7583-5603-2 / 9783758356032
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