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Alpingeschichten -  Christine Walch

Alpingeschichten (eBook)

Salzburg im Aufbruch
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2023 | 1. Auflage
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978-3-99152-033-7 (ISBN)
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Die frühe Salzburger Alpingeschichte ist eng mit der alpinen Erschließung der Ostalpen verbunden. Die Autorin erzählt von den Anfängen im Alpenraum, von der Erstbesteigung des Großglockners bis zur Eroberung des Großvenedigers ihre Geschichte. Viel Kurioses und Wissenswertes aus der Zeit vor der Gründung der alpinen Vereine und viele heute weitgehend unbekannte Protagonisten zum Wiederentdecken!

Christine Walch studierte in Wien und Salzburg Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte. Die langjährige Beschäftigung mit alpiner Literatur ließ den Plan reifen, die alpine Frühzeit speziell im Salzburger Raum in einem Buch lebendig werden zu lassen. Viel Kurioses und Wissenswertes aus der Zeit vor der Gründung der alpinen Vereine und viele heute weitgehend unbekannte Protagonisten zum Wiederentdecken!

Die Salzburgischen Gebirge

O du armer Rohregger, spendete der menschenfreundliche Erzherzog Johann dem umsichtigen Führer der ersten Großvenedigerexpedition 1828 Trost. Dieser war gerade von einer Lawine in die Randkluft der Nordwestwand gedrückt und mit Brustquetschungen knapp gerettet worden. Sogleich ließ Johann dem Rohregger von den mitgenommenen Weinen und den übrigen Stärkungsmitteln geben. Rohregger erholte sich langsam wieder.1 Erst der zweite Ersteigungsversuch 1841 mit Ignaz von Kürsinger und Anton von Ruthner war erfolgreich.

Die alpine Erschließung der Ostalpen ist auf das Engste mit der Salzburger Alpingeschichte verbunden. Nicht alle Erstbesteigungen waren jedoch so aufsehenerregend wie die des Großvenedigers. Viele Gipfel im Salzburger Raum wurden, wie sonst in den Alpen auch, zuerst von Gemsenjägern und Viehhirten erklommen, die zumeist namenlos blieben. Auch die Verwendung von Hilfsmitteln wie Seil und Steigeisen leitet sich aus dem bäuerlichen und waidmännischen Gebrauch her. Schon um 1500 wird Kaiser Maximilian I. auf der Gemsenjagd im Tiroler Jagdbuch mit Zacken an den höfisch anmutenden Patschen dargestellt.

Nach der Eroberung des Mont Blanc 1786 stellt die Expedition auf den Großglockner im Jahre 1800, organisiert vom Gurker Fürstbischof Salm-Reifferscheidt, das größte alpine Projekt jener Zeit dar. An dieser Ersteigung nahmen mehrere Salzburger Gelehrte wie Ulrich von Schiegg mit seinem Vermessungsgehilfen Valentin Stanig oder Franz Michael Vierthaler teil. Sie gilt als das größte alpine Ereignis nach der Ersteigung des Mont Blanc und fand weithin aufmerksame Beachtung.2 Den Anstoß dafür dürfte der heute zu Unrecht wenig bekannte Belsazar de la Motte Hacquet geliefert haben, der unter anderem mit dem Salzburger Hofkammerdirektor und Botaniker Ehrenbert von Moll 1785 eine Reise durch die Hohen Tauern von Tamsweg bis ins Zillertal unternommen hatte. In dieser Frühzeit konnte Franz Michael Vierthaler noch im Brustton der Überzeugung behaupten, dass Italien allein zwey und die Schweiz vier bis sechs Berge hat, denen die unsrigen den Vorzug einräumen müssen. Genug: die Salzburgischen Gebirge gehören mit den Fernern Tyrol‘s zu den höchsten Bergen Europas.3

Die Ära der neuzeitlichen alpinen Forschungen und Entdeckungen in den Salzburger Kalkalpen eröffnete der kühne und begeisterte Bergsteiger Valentin Stanig, der gegen Ende des vorigen und zu Beginn des gegenwärtigen Jahrhunderts als Theologe in Salzburg lebte, und Professor Peter Carl Thurwieser, der schlichte, mit den Bergen innig vertraute Müllerssohn aus Kramsach in Tirol, referiert Ludwig Purtscheller in Eduard Richters Sammelwerk Die Erschließung der Ostalpen.4 Die Gründung alpiner Vereine, der österreichische wurde 1862 gegründet, und ihre Pionierarbeit im Hütten- und Wegebau bereiteten der Ära des abenteuerlichen Steigens im weglosen Gelände langsam ein Ende. Die Erstbegeher verlegten sich zunehmend auf schwierige Anstiege und Kletterrouten, auch entferntere Gebirgsgegenden rückten in den Fokus des Interesses. Die Brüder Schlagintweit aus München standen um 1855 erstmals am Fuße des Nangaparbat, der gebürtige Tiroler und Salzburger Turn- und Kalligraphielehrer Ludwig Purtscheller wurde mit Hans Meyer 1889 zum Erstbesteiger des Kilimandscharo im fernen Afrika. Die Eisenbahn hatte indes die Alpen für Bergsteiger und Massenpublikum in Reichweite gerückt. Der erste Bergführerverein wurde 1869 vom aus einer Prager Kaufmannsfamilie stammenden Johann Stüdl in Kals am Großglockner gegründet. Genaue Generalstabskarten sowie die zunehmende Anzahl von Tourenberichten und Routenbeschreibungen in den Vereinszeitschriften wurden unschätzbare Hilfen und ermöglichten erst das von Hermann von Barth und Eugen Guido Lammer so heroisierte führerlose Gehen. Die publikumslosen Heldentaten wurden nun häufiger publiziert, vom Historiker, Geographen und Alpinisten Eduard Richter erschien 1893 ein erstes Sammelwerk über die Erschließung der Ostalpen.

Jäger, Wilderer und Hirten waren die ersten, die ins Gebirge stiegen. Auch Erz- und Kristallsucher, Bergknappen und Soldaten überschritten Pässe und erklommen Gipfel. Nicht wenige der dokumentierten Erstbegehungen sind daher sogenannte erste touristische Ersteigungen. Denn erst Naturwissenschaftler, Botaniker und Geognosten, Lehrer, Geistliche und Künstler, mit Schrift und Überlieferung vertraut und in den Sommermonaten oft mit freier Zeit gesegnet, legten ihre Eindrücke schriftlich nieder und überlieferten so die ersten Berichte früher Bergfahrten. Später trugen auch Kartographen des Heeres ihren Teil zu den Erstbesteigungen in den Ostalpen bei.

Manche Alpenübergänge wurden schon in vorgeschichtlicher Zeit genutzt, etwa Simplon, Brenner und Plöcken. Im Salzburger Raum waren der Felbertauern, der als Militärstraße genutzte Radstädter Tauern, der Katschberg und der Gasteiner Korntauern die wichtigsten Übergänge. Am Krimmler Tauern mit der Birnlücke als Übergang ins Südtiroler Ahrntal gibt es Funde aus der Römerzeit.5 Fundstücke am Hochtor wie ein Bronzemesser aus 1500 v. Chr. oder ein keltischer Goldschmuck aus dem 5. Jahrhundert v. Chr.6 sowie Funde in den Kupfergruben am Hochkönig7 belegen die frühe Anwesenheit von Menschen in Salzburgs alpinen Höhen. In der Bronzezeit 2200–800 v. Chr. entwickelte sich der Handel über die Alpenpässe. Zinn musste zur Herstellung von Bronze aus Spanien und Kroatien angeliefert werden. Die neue Metalllegierung revolutionierte den Ackerbau, den Haushalt und die Kriegsführung, da sie im Vergleich zu Holz und reinem Kupfer viel härter war. Salz, Gold, Silber und Blei gingen mit Hilfe von Saumtieren in den Süden, retour kamen Luxuswaren wie Gläser, Tafelgeschirr, Öl und Wein von den Etruskern und den Griechen.8

Zwei keltische Fürstengräber aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. und 300 weitere Gräber wurden in Hallein am Dürrnberg entdeckt. Ein Schuttstrom beendete den Salzabbau im 4. Jahrhundert jäh. Die Salzproduktion wurde erst hundert Jahre später mit dem größten der prähistorischen Bergwerke, das eine Tiefe von 330 Metern erreichte, wiederaufgenommen. Man trieb nun horizontale Schächte im Gegensatz zu den vertikalen im älteren Hallstatt in den Berg und verwendete Eisenpickel.9

Im Jahre 1991 fand man die Gletschermumie Ötzi auf dem Similaun zwischen Österreich und Italien, am Rande des Niederjochferners ein paar Meter auf Südtiroler Seite.10 Warum Ötzi, ein Mensch der Jungsteinzeit, sich vor 5 000 Jahren in das schwierige Gelände begab, bleibt Gegenstand von Spekulationen. Auf über 3 200 Metern starb er gut ausgerüstet an schweren Verletzungen, die ihm von Menschenhand beigebracht worden waren. Ralf-Peter Märtin vermutet jüngst in seinem Buch Die Alpen in der Antike eine rituelle Tötung, wie sie auch an europäischen Moorleichen festgestellt wurde. Jedenfalls kam durch das Auftauen Ötzis die Wissenschaft in den Besitz einer kompletten kupfersteinzeitlichen Gebirgsausrüstung,11 bestehend unter anderem aus Ziegenfell-Leggings, einer Kraxe und einem Riemen unter den mit Heu gefütterten Hirschleder-Schuhen, um nicht zu rutschen.12

Wiederholt brachten Kriegszüge die Notwendigkeit, unbekannte Gebirgszüge mit vielen Menschen zu überschreiten. 388 v. Chr. waren die Gallier über den Mont Genèvre in die Po-Ebene eingebrochen. Die wohl früheste Beschreibung einer Alpenüberschreitung lieferte der römische Geschichtsschreiber Titus Livius, Hannibals Überquerung der Alpen. Im Oktober 218 v. Chr. feuerte der Karthager seine Krieger mit den Worten an: (…) fürwahr, kein Land stoßt in den Himmel und ist dem menschlichen Geschlechte unersteigbar. Die Alpen werden bewohnt, bebaut; erzeugen und ernähren lebendige Geschöpfe; (…) Auch diese Gesandten, die ihr da seht, sind nicht über die Alpen herübergeflogen. Hannibal hatte den Weg von Spanien über die Pyrenäen, durch das Tal der Isère und vermutlich über den Col de Clapier, 2 482 Meter hoch, südlich des Mont Cenis oder den Col de la Traversette auf 2 900 Meter, genommen, auf dem große Mengen Pferdedung gefunden wurden. Einen endgültigen Beweis würde aber erst der Fund des Eies eines Elefantenwurms darstellen.13 Hannibal wurde mehrfach von den Galliern überfallen, konnte aber in fünfzehn Tagen die Überschreitung bewerkstelligen. Von mindestens 30 000 Mann und 15 000 Pferden verlor er rund die Hälfte, die 37 Kriegselefanten scheinen alles überstanden zu haben. Sie ließen sich zwar durch die engen steilen Wege nur sehr langsam treiben, aber sie deckten auch, wo sie nur gingen, den Zug gegen die Feinde, die sich vor den unbekannten Riesen zudem fürchteten.14

Als die Karthager an die ersten Hügel gelangten, erschreckte sie die Höhe der...

Erscheint lt. Verlag 6.10.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte
ISBN-10 3-99152-033-8 / 3991520338
ISBN-13 978-3-99152-033-7 / 9783991520337
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