Konrad von Würzburg (eBook)
408 Seiten
Walter de Gruyter GmbH & Co.KG (Verlag)
978-3-11-038620-2 (ISBN)
Konrad von Würzburg ist der bedeutendste und versatilste deutsche Autor des 13. Jahrhunderts und vielleicht des ganzen Mittelalters. Seine Werke zeichnen sich durch ihre stilistische Qualität, thematisch-generische Vielfalt und lange Nachwirkung aus. Das Handbuch ist als Sammelwerk einer Gruppe von Fachleuten das erste seiner Art und richtet sich ebenso an das germanistische Fachpublikum wie an Studierende der Germanistik und benachbarter mediävistischer Felder. Es dokumentiert die reiche und langandauernde internationale Forschung sowie neue methodische Zugänge zu Konrads gesamtem Werk. Neben einer Einleitung zu den biographischen Spuren zum Autor umfasst das Handbuch übergreifende Kapitel zur Ästhetik, Rezeption und Überlieferung von Konrads Werken sowie Einzelkapitel zu Konrads Lyrik, seinen kürzeren Erzählungen (Das Herzmaere, Heinrich von Kempten, Die halbe Birne, Der Schwanritter) und Legenden (Silvester, Alexius, Pantaleon), dem Wappengedicht (Das Turnier von Nantheiz) und Konrads innovativen allegorischen Dichtungen (Die Klage der Kunst, Die goldene Schmiede, Der Welt Lohn). Ebenfalls enthalten sind Beiträge zu Konrads beiden Romanen (Engelhard, Partonopier und Meliur) und seinem großen Trojanerkrieg-Fragment.
I Allgemeines
1 Konrad von Würzburg: Leben - Kontakte - Werk
1 Konrads literaturgeschichtliche Stellung
Konrad von Würzburg ist, gemessen an der Vielfalt und am Umfang der Überlieferung seiner Werke, der bedeutendste deutschsprachige Dichter des 13. Jahrhunderts. In der Vielseitigkeit der Texte über literarische Gattungen hinweg ist ihm in Deutschland im ganzen Mittelalter kein anderer Autor gleichgestellt. Seine → Lyrik (Lieder, Sangsprüche und zwei Leiche) weist auffällige formkünstlerische Besonderheiten auf, die auch von Zeitgenossen und Nachfolgern geschätzt wurden, wie wir aus expliziten Aussagen in anderen literarischen Texten und aus historischen Quellen wissen (→ Konrad-Rezeption und -Gedenken). Seine narrativen Texte sind zum Teil stilistisch und sprachlich außergewöhnlich und meisterhaft gestaltet. Besonders gilt dies für seine beiden langen Versromane, → Partonopier und Meliur und → Trojanerkrieg. Daneben besteht sein narratives Werk aus einem weiteren, kürzeren Roman (→ Engelhard), mehreren kürzeren Verserzählungen und → Legenden, zwei allegorischen Dichtungen, einer Marienlobdichtung und einer Wappen- und Turnierdichtung (diese, das → Turnier von Nantheiz, wurde ihm von der Forschung zugeschrieben). Eine Datierung der Werke konnte, wenn überhaupt, nur sehr ungefähr dort vorgenommen werden, wo die in den Texten genannten Gönner und Förderer sowie deren erwähnte Ämter und Titel zeitlich eingrenzbar sind (s. u. Konrads Kontakte). Es ist jedoch nicht möglich, anhand der erhaltenen Belege eine Entstehungsreihenfolge oder Chronologie für Konrads Werke zu erstellen.
2 Konrads biographische Verortung
Geboren wurde Konrad wohl in Würzburg, was das Toponym von Würzburg nahelegt, das sich in Selbstnennungen des Autors in seinen Werken sowie in den Erwähnungen anderer Autoren findet. Das Geburtsjahr ist nicht bekannt. Neben dem ohnehin starken Argument, dass das Toponym den Herkunftsort bezeichnet, stützt ein zusätzlicher mittelalterlicher Beleg, der ca. 60-70 Jahre nach Konrads Tod aufgezeichnet wurde, die Annahme, dass Konrad dort geboren wurde. Das Hausbuch des Michael de Leone (München, UB, 2° Cod. ms. 731) verzeichnet ihn am Ende der in der Handschrift enthaltenen → Goldenen Schmiede als meister Cuonrad geborn von wirzeburg (fol. 58v). Gestorben ist Konrad in Basel im Jahr 1287, wie es das Anniversarbuch des Basler Domstifts belegt (Bloesch 1975, 364).
Außerliterarische Informationen und die Nennung von Gönnern, Mitarbeitern und Förderern in Konrads eigenen Werken machen es möglich, Konrads Literaturproduktion überwiegend mit der Stadt Basel in Verbindung zu bringen, die im 13. Jahrhundert eine wohlhabende und an Literatur interessierte Oberschicht hatte. Für andere Lebensstationen und Wirkungsstätten, einschließlich einer angeblichen Schaffensphase am Niederrhein (de Boor 1967; Brunner 1987; Brunner 2008, 175-178; s. u. → Das Turnier von Nantheiz, 238-239, mit weiterer Forschungsdiskussion), gibt es keine wirklichen Anhaltspunkte. Dagegen ist Konrad für Basel vergleichsweise gut belegt. Aus dem Anniversarbuch des Basler Domstifts erfährt man, dass er eine Frau, Berchta, und mindestens zwei Töchter, Gerina und Agnes, hatte; alle vier seien zusammen in einer Maria-Magdalenen-Kapelle begraben, womit wohl eine Seitenkapelle des Basler Münsters gemeint war, wenn man den Zusatz in latere so lesen kann (Bloesch 1975, 364; Brandt 1987, 64). Die Dokumentation eines Gerichtsstreits über ein Nachbarhaus in einer Basler Urkunde (Wackernagel und Thommen 1896, 124) aus dem Jahr 1295 belegt, dass ein Konrad von Würzburg ein Haus in der Spiegelgasse (heute Augustinergasse) zur Rheinseite hin besaß. Das Haus eines verstorbenen magistri Cuonradi de Wirzeburg (Wackernagel und Thommen 1896, 124 Z. 24-25) wird in dieser Urkunde als Nachbarhaus des Streitobjekts genannt, und nur wenn man annimmt, dass es zur selben Zeit in Basel zwei Menschen mit dem Namen Konrad von Würzburg gab, wird man bezweifeln, dass es sich dabei um den Autor handelt. Dies war eine erstklassige Wohnlage. Neben Konrad wohnte ein Arzt namens Dietrich und in der Nachbarschaft lagen Häuser von Amtsträgern des Basler Domstifts (Peters 1983, 117). Für sein Todesjahr, 1287, preisen ihn die Colmarer Annalen als „Verfasser vieler guter Dichtungen in deutscher Sprache“ (Cuonradus de Wirciburch in Theothonico multorum bonorum dictaminum compilator; Jaffé 1861, 214 Zeile 43-44). Die Annalen sind zwar nur in einer handschriftlichen Kopie des 16. Jahrhunderts vollständig greifbar, diese geht aber auf (verlorene) Basler und Colmarer Dominikanerquellen des späten 13. Jahrhunderts zurück, die auch in weiterer Hinsicht als historische Quelle zu Konrads Leben wichtig sind (s. u.). Der nur als Colmarer Dominikanerchronist bekannte Urheber begann ihre Abfassung (oder Mit-Abfassung) im Basler Dominikanerkloster und führte sie ab 1278 im neugegründeten Colmarer Dominikanerkloster fort (Zapf 2012, 287-288; Thali 2020, 30-31).
Konrad scheint es also zumindest in einer Lebensphase, die wohl auch von großer literarischer Produktivität geprägt war, in Basel wirtschaftlich gut ergangen zu sein. Die Bezeichnung Magister oder auch meister, die ihn in außerliterarischen Quellen und in einigen Beischriften zu seinen eigenen Werken begleitet (wie etwa im Codex Manesse oder in einigen seiner Erzähltexte, etwa in der → Halben Birne, V. 513) diente wohl der lobenden Zuordnung Konrads zu einer bestimmten Bildungsform und Könnerschaft. Auf seine Bildung kann man lediglich aus seinen Werken schließen. Konrad muss irgendeine Form von Schulbildung erhalten haben, was unter anderem durch die brillante Beherrschung rhetorischer Muster sowie die Benutzung lateinischer Prätexte nahegelegt wird. So konnte er sicher gut Latein lesen, während er nach Aussage aus dem → Partonopier und Meliur zum Verständnis französischer Texte Hilfe benötigte (s. u. zu Konrads Kontakten). Die → Klage der Kunst und der → Schwanritter lassen wohl auf Grundkenntnisse zum Ablauf juristischer Verfahren schließen. Ob Konrad sich diese im Rahmen eines Amtes oder vielleicht nur durch Beobachtung und Kommunikation im Kontext der ihn umgebenden städtischen Elite angeeignet hat, ist unklar. Gleichermaßen ungeklärt ist, ob das Dichten wirklich seine Haupttätigkeit war. In der Forschung wird er oft als ‚Berufsdichter‘ bezeichnet, doch der Besitz des Hauses in bester Nachbarschaft und die Begräbnisstätte im Münster werfen zumindest die Frage auf, ob das Dichten tatsächlich seine Haupteinnahmequelle war (Hübner 2019, 393). Er ist für keine weitere Tätigkeit oder kein anderes Amt in Basel nachgewiesen; ob seine Frau Berchta aus wohlhabenden Verhältnissen stammte, ist nicht bekannt.
Konrad hatte auch Kontakte nach Straßburg. → Heinrich von Kempten wurde für einen Straßburger Auftraggeber, Berthold von Tiersberg, gedichtet, und in einer Spruchstrophe Konrads wird von Strazeburc eyn Lechtenberger gelobt (LDM J KonrW 2), was sich wohl entweder auf den Straßburger Bischof Konrad III. von Lichtenberg oder dessen Bruder, den Straßburger Stadtvogt Ludwig von Lichtenberg, bezieht (Brandt 1987, 71). In Straßburg hat vielleicht auch zusätzliches Interesse an Konrad bestanden. Die Einschätzung hängt auch davon ab, wie man die von Ludwig Schneegans berichtete, heute nicht mehr verifizierbare Nennung des Todes eines Magister Cunradus Herbipoli in einem Anniversarbuch des Straßburger Stifts Jung-St.-Peter beurteilt, welche Sebastian Mieg handschriftlich kopiert habe (Schneegans 1856; zur Straßburger Kaufmannsfamilie Mieg s. Fuchs 1994). Diese Belege müssen jedenfalls nicht auf einen längeren Aufenthalt Konrads in Straßburg hindeuten, für den es sonst keine Hinweise gibt.
Konrad wird in den Handschriften und Urkunden als magister oder meister, nie aber als her bezeichnet (Braun 2019). Er war also ziemlich sicher kein Adliger. Es existiert nur eine (unklare) historische Andeutung, dass Konrad vielleicht als fahrender Sänger tätig war. In jener Handschrift, welche die Colmarer Annalen überliefert, gibt es einen wahrscheinlich von demselben dominikanischen Chronisten verfassten Zusatz über regionalgeschichtliche, kulturelle und kirchliche Belange des Elsass im 13. Jahrhundert (in Jaffés Edition [1861] mit De rebus Alsaticis ineuntis saeculi XIII überschrieben). Dieser Zusatz weist Conradus de Wirciburg als einen vagus aus, der für seine „kostbaren deutschen Verse über die Jungfrau Maria“ gelobt wird (rhitmos Theutonicos de beata Virgine preciosos; Jaffé 1861, 233 Zeile 38-39), was sicherlich auf Konrads → Goldene Schmiede hinweisen soll. Das lateinische Wort vagus bezeichnet einen fahrenden, um Lohn von Ort zu Ort reisenden Sänger oder Dichter (Dobozy 2005, 18). Ob und in welchem Maße Konrad in diesem Sinne aktiv war, ist ungewiss. Festzuhalten bleibt, dass dieses Wort,...
Erscheint lt. Verlag | 21.8.2023 |
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Reihe/Serie | De Gruyter Reference | De Gruyter Reference |
Zusatzinfo | 27 b/w tbl. |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Sprach- / Literaturwissenschaft ► Germanistik |
Geisteswissenschaften ► Sprach- / Literaturwissenschaft ► Literaturwissenschaft | |
Schlagworte | Konrad von Würzburg • Medieval Poetry • Middle High German • Mittelalterliche Dichtung |
ISBN-10 | 3-11-038620-8 / 3110386208 |
ISBN-13 | 978-3-11-038620-2 / 9783110386202 |
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