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Geistliche Fürsten und der Reichstag (eBook)

Die Hochstifte Bamberg und Würzburg als Akteure der Reichspolitik Mitte des 18. Jahrhunderts
eBook Download: EPUB
2023
424 Seiten
De Gruyter (Verlag)
978-3-11-124207-1 (ISBN)

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Geistliche Fürsten und der Reichstag - Florian Zwießler
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Der Immerwährende Reichstag in Regensburg war das wichtigste politische Forum im Alten Reich. In seinen vielfältigen Funktionen als Entscheidungszentrum, als Kommunikationsplattform und als Repräsentationsort besaß er gerade für die kleinen und mittleren Reichsstände große Relevanz. Die vorliegende Studie untersucht am Beispiel der Hochstifte Bamberg und Würzburg erstmals explizit die Politik geistlicher Reichsterritorien beim Reichstag. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme zum Bamberger und Würzburger Gesandtschaftswesen werden mit einem akteurszentrierten Zugriff die organisatorischen Grundlagen sowie die konkrete reichstagspolitische Praxis der beiden Hochstifte vor dem Hintergrund der spannungsgeladenen Phase Mitte des 18. Jahrhunderts analysiert. Dabei wird deutlich, dass Bamberg und Würzburg überaus aktiv Reichspolitik betrieben und dem Reichstag hohe Bedeutung beimaßen. Die offengelegten Entscheidungsprozesse, Netzwerke und Klientelbeziehungen stellen den Topos der geistlichen Reichsfürsten als bedingungsloser Unterstützer kaiserlicher Politik in Frage.



Florian Zwießler, Universität Bamberg.

II Das Gesandtschaftswesen der Hochstifte Bamberg und Würzburg Mitte des 18. Jahrhunderts


1 Grundzüge des Gesandtschaftswesens in der Frühen Neuzeit


Neben der traditionellen ad-hoc-Diplomatie, also Gesandtschaften mit festgelegtem Verhandlungsauftrag und zeitlicher Begrenzung, setzte an der Wende zur Neuzeit der Aufbau eines ständigen Gesandtschaftswesens ein. Im Zuge der Intensivierung und Verstetigung zwischenstaatlicher Beziehungen sowie der Etablierung effizienter Kommunikationssysteme begannen ab der Mitte des 15. Jahrhunderts zunächst die italienischen Stadtstaaten mit der Einrichtung dauerhafter Gesandtschaften, denen der Kirchenstaat mit der Errichtung eines europaweiten Nuntiaturwesens folgte. Diese Entwicklung trug dem gestiegenen Informationsbedürfnis der zunehmend institutionalisierten Verwaltungsorganisation frühmoderner Staatswesen Rechnung. Damit wandelte sich auch das Tätigkeitsspektrum vieler Diplomaten, zählten nunmehr regelmäßige Berichterstattung, langfristige Kontaktpflege und die Vertretung verschiedengestaltiger Interessen zum Aufgabenprofil ständiger Gesandtschaften.1

Nur langsam und unregelmäßig breitete sich diese Neuerung außerhalb Italiens aus, die Verstetigung des europäischen Gesandtschaftswesens blieb ein langwieriger Prozess. Spätestens im 17. Jahrhundert begannen die meisten europäischen Mächte mit der Konstituierung ständiger Gesandtschaften,2 doch blieb, wie Bettina Scherbaum festgestellt hat, ein „systematisch ausgebauter Gesandtschaftsapparat auch bei den großen Mächten immer noch eher die Ausnahme als die Regel“.3 Als Katalysator und Bezugspunkt für das in der Entstehung begriffene permanente Gesandtschaftswesen wirkte der Westfälische Friedenskongress, der in politischer, zeremonieller und rechtlicher Hinsicht Maßstäbe diplomatischen Handelns setzte.4 Gegen Ende des 17. Jahrhunderts nahm die Zahl dauerhafter diplomatischer Vertretungen deutlich zu.5

Damit einher ging die Ausdifferenzierung diplomatischer Rangstufen. An erster Stelle standen die Botschafter (auch Ambassadeurs, Oratores, Legati), gefolgt von den Abgesandten, die auch als Envoyés beziehungsweise Envoyés extraordinaire, Ablegati oder bevollmächtigte Minister (Ministres plénipotentiaire) bezeichnet wurden. Da letztere zunächst im Rahmen von ad-hoc-Gesandtschaften aufkamen, wobei sie den Vorrang gegenüber den ständigen Residenten beanspruchten, bildete sich mit den Residenten, Geschäftsträgern (chargés d’affaires) und den etwas niedriger angesiedelten Agenten noch eine dritte Klasse diplomatischer Vertreter. Nur die Angehörigen der oberen beiden Rangstufen agierten als Repräsentanten ihrer Fürsten und durften in deren Namen verhandeln, die Ernennung von Botschaftern blieb königlichen Souveränen vorbehalten.6 Um zeremoniellen Verwicklungen vorzubeugen, verzichteten die Höfe mitunter auf die Einordnung in die herkömmliche Rangsystematik, indem sie ihre Gesandten schlicht als Minister bezeichneten, was Interpretationsspielräume ließ.7

Rang und Zeremoniell definierten die Rahmenbedingungen und wirkten als Regulativ des diplomatischen Verkehrs. Das diplomatische Zeremoniell war, wie beispielsweise André Krischer gezeigt hat, eine „elaborierte Form politischer Kommunikation“,8 weshalb der frühneuzeitliche Diplomat in besonderem Maß für die Zeichen und Formen symbolischer Kommunikation sensibilisiert war.9

Die mittleren und kleinen Reichsterritorien unterhielten auch im 18. Jahrhundert aus Kostengründen meist nur in geringem Umfang ständige Gesandtschaften, häufig beschränkten sich diese auf Deputationen bei den Reichsinstitutionen, also Wien mit dem Kaiserhof und dem Reichshofrat, dem Reichskammergericht, dem Reichstag und den Konventen der Reichskreise.10 Überhaupt war der Aufbau eines Netzes dauerhafter Gesandtschaften nur für die mächtigeren, außenpolitisch aktiven und finanzkräftigeren Reichsstände von Belang, was selbst für die geistlichen Kurfürstentümer kaum und die übrigen geistlichen Territorien noch weniger zutraf.11

Die beiden Hochstifte Bamberg und Würzburg verfügten Mitte des 18. Jahrhunderts lediglich beim Reichstag und beim Fränkischen Kreis in Nürnberg über ständige Gesandtschaften. Am kaiserlichen Hof und der römischen Kurie ließen sich die Bamberger und Würzburger Fürstbischöfe durch Agenten und Residenten vertreten,12 die Prokuratoren am Reichskammergericht traten im Untersuchungszeitraum nicht mit diplomatischen Aufgaben in Erscheinung. Ansonsten stützten die Hochstifte ihre außenpolitischen Aktivitäten gänzlich auf ad-hoc-Gesandtschaften. Warum sich die hochstiftische Diplomatie gerade auf diese Orte konzentrierte und welche Aufgaben und Funktionen damit verbunden waren, wird im folgenden Kapitel dargestellt.

2 Schwerpunkte hochstiftischer Außenbeziehungen


2.1 Nürnberg


Ursprünglich waren die Konvente des Fränkischen Reichskreises in verschiedenen fränkischen Städten abgehalten worden, doch bis auf wenige, meist kriegsbedingte Ausnahmen hatte sich die Reichstadt Nürnberg im 18. Jahrhundert als fester Tagungsort etabliert. Neben der zentralen Lage verfügte Nürnberg über optimale infrastrukturelle Voraussetzungen, wie zügige Postverbindungen, reichlich vorhandene Unterbringungsmöglichkeiten und Gotteshäuser beider Konfessionen.13

Den Reichskreisen oblag ein breites Aufgabenfeld, sie waren die eigentlichen Exekutivorgane innerhalb der Reichsverfassung. Mit der Sicherung des Landfriedens nach innen und außen, der Aufstellung und Versorgung der Reichsarmee, dem Münzwesen, der Erhebung von Reichsabgaben und -steuern, der Unterhaltung des Reichskammergerichts und dem Polizeiwesen mit wirtschafts-, gesundheits- und sozialpolitischen Funktionen nahm die Kreisversammlung sowohl auf regionaler als auch auf Reichsebene umfassende Befugnisse und Verpflichtungen wahr.14 Somit kam den Kreisgesandtschaften häufig faktisch eine größere außenpolitische Bedeutung, als den Reichstagsgesandtschaften zu.15 Auch für die Hochstifte Bamberg und Würzburg war der Kreistag der wesentliche Ort zur Wahrnehmung und Durchsetzung außenpolitischer Interessen.16

In besonderem Maß galt dies für die Bamberger Fürstbischöfe, welche mit dem Kreisdirektorium und der Teilhabe am Ausschreibamt die Leitungsämter des Fränkischen Reichskreises bekleideten. Mit dem Direktorium gebührte der Bamberger Kreisgesandtschaft die Führung sämtlichen Schriftverkehrs des Kreises, die Leitung der Sitzungen und Umfragen, die Entscheidung über die Beratungspunkte und die Formulierung der Beschlüsse. Das Ausschreibamt, das Bamberg gemeinsam mit Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Bayreuth, die sich turnusmäßig abwechselten, ausübte, hatte die theoretisch nicht ständig tagende Kreisversammlung einzuberufen und die zu behandelnden Themen festzulegen. Zudem wurden die kreisausschreibenden Fürsten häufig mit der Exekution von Urteilen der Reichsgerichte und der Durchsetzung von Kreisbeschlüssen betraut. Während die Kreisversammlung tagte, was im 18. Jahrhundert immer dauerhafter der Fall war, blieben dem Ausschreibamt jedoch kaum Befugnisse. Auch wenn sich die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Bayreuth als Mitinhaber des Ausschreibamts regelmäßig gegen die Vormachtstellung Bambergs auflehnten, blieb das Hochstift Bamberg die dominierende Kraft im Fränkischen Kreis.17

Mit diesem Führungsanspruch korrelierte auch die aufwendige und kostspielige Ausstattung der Bamberger Kreisgesandtschaft. Im Gegensatz zu den übrigen Kreisständen wurde das Hochstift dauerhaft von zwei Gesandten (einen primissimus und einen secundarius) vertreten, nicht zuletzt deshalb, um auch im Fall einer Unpässlichkeit des ersten Gesandten das Direktorium ausüben zu können. Ursprünglich hatte es sich dabei um einen adeligen Domkapitular und einen bürgerlichen Rat gehandelt, spätestens mit Beginn des 18. Jahrhunderts hatten sich bürgerliche Juristen als Kreisgesandte durchgesetzt.18

Im Untersuchungszeitraum 1746 bis 1763 fungierten Franz Ignaz von Hebendanz, Franz Conrad Maximilian von Dietz und Johann Georg Leygeber als Bamberger Kreisgesandte. Der promovierte Jurist und Bamberger Regierungsrat Hebendanz hatte 1730 seinen Schwiegervater Johann Ignaz Tobias Böttinger als ersten Direktorialgesandten beerbt und diesen Posten bis zu seinem Tod 1752 versehen. Zuvor hatte der 1731 geadelte Hebendanz bereits als secundarius der Bamberger Deputation angehört.19 Dietz hatte nach seinem Studium juristische Erfahrung beim Reichskammergericht und als Bamberger Hofrat gesammelt, ehe er 1733 zum zweiten Kreisgesandten ernannt und 1752 in den Adelsstand erhoben wurde. Nach dem Tod Hebendanz‘ blieb er bis zu seinem Tod 1772 erster Direktorialgesandter in Nürnberg.20 Zweiter Gesandter war der Jurist und Hofrat Johann Georg Leygeber, der ihm 1772 nachfolgte.21

Komplettiert wurde die Bamberger Kreisgesandtschaft durch einen Sekretär,...

Erscheint lt. Verlag 7.8.2023
Reihe/Serie bibliothek altes Reich
bibliothek altes Reich
ISSN
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Zusatzinfo 2 b/w graphics
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Neuzeit (bis 1918)
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte Diplomacy • Diplomatiegeschichte • Gesandtschaftswesen • history of diplomacy • Immerwährender Reichstag • Imperial Politics • Perpetual Diet of Regensburg • Reichspolitik
ISBN-10 3-11-124207-2 / 3111242072
ISBN-13 978-3-11-124207-1 / 9783111242071
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