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Fake History - Hartnäckige Mythen aus der Geschichte (eBook)

Spiegel-Bestseller
101 Dinge, die so nie passiert sind, aber alle für wahr halten
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
432 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-30797-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Fake History - Hartnäckige Mythen aus der Geschichte -  Jo Hedwig Teeuwisse
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Vom berühmten Zitat »Dann sollen sie doch Kuchen essen«, das fälschlicherweise Marie Antoinette zugeschrieben wird, bis hin zu den berüchtigten Hörnern, die Wikingerhelme geschmückt haben sollen - so gut wie jeden Tag werden in den Nachrichten, in Zeitschriften und vor allem in den Sozialen Medien falsche Behauptungen über geschichtliche Ereignisse und Personen verbreitet.

Jo Teeuwisse, die man auf Twitter als »The Fake History Hunter« kennt, entlarvt in diesem Buch 101 der weitverbreitetsten Mythen über historische Tatsachen und stattet uns so mit dem nötigen Rüstzeug aus, um vor unseren Freunden mit geschichtlichem Wissen zu glänzen und Geschichtsfälschungen zu erkennen und zu korrigieren, wo immer wir ihnen begegnen.

  • Von Napoleons geringer Körpergröße über gehörnte Wikingerhelme bis hin zu Neros Musizieren über dem brennenden Rom: Jo Teeuwisse entlarvt 101 landläufige Irrtümer und verfolgt ihre Spuren zurück bis zu ihren Anfängen
  • Bestes Infotainment für Besserwisser, Faktensammler und Geschichtsbegeisterte


Jo Hedwig Teeuwisse ist eine weithin anerkannte niederländische Historikerin, die als »The Fake History Hunter« in den Sozialen Medien falsche historische »Fakten« entlarvt. Seit über 20 Jahren studiert, lehrt und forscht sie im Bereich Geschichte und ist Expertin für das tägliche Leben im mittelalterlichen Europa sowie für die Geschichte der Kriminalität. Jo Teeuwisse hat als historische Beraterin in Museen unterrichtet, an Dokumentarfilmen mitgearbeitet und für zahlreiche Filme recherchiert. Sie lebt in Bourtange, nahe der deutsch-niederländischen Grenze.

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Raumschiff Enterprise zeigte 1968 im Fernsehen den ersten Kuss von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe

Was man Ihnen vielleicht erzählt hat

Jeder weiß doch, dass der allererste Fernsehkuss von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe im Jahre 1968 ausgestrahlt wurde, als Captain James Tiberius Kirk (dargestellt von William Shatner) und die Dolmetscherin und Kommunikationsoffizierin Lieutenant Nyota Uhura (gespielt von Nichelle Nichols) sich in der Folge »Platons Stiefkinder« küssten. Das ist wirklich Allgemeinwissen, und wenn sich heutzutage jemand darüber beklagt, dass die neuen Folgen so »woke« sind, erinnert man ihn umgehend daran, dass diese Serie schon immer so war. Jener Kuss beweist schließlich, wie weit Raumschiff Enterprise seiner Zeit voraus war!

Die Widerlegung

Mit einem Irrtum sollten wir gleich zu Beginn aufräumen: Den ersten Fernsehkuss von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe gab es mitnichten in Raumschiff Enterprise. Tut mir leid für alle Fans der Serie und für William Shatner. Leute, ich nehme an, ihr habt das nicht gerne gehört, denn ihr habt mich auf Twitter gesperrt, aber es ist nun einmal die Wahrheit.

Nachdem wir das geklärt haben, sollten wir nun eine Reihe von Kussszenen in alten Filmen und Serien technisch penibel analysieren, um herauszubekommen, wem die Ehre gebührt, die Mauer als Erster eingerissen zu haben. Dazu müssen wir zunächst einmal die Ausdrücke »unterschiedliche Hautfarbe« und »Kuss« definieren. Zählt es schon, wenn die Lippen flüchtig die Wange berühren, oder muss es ein handfester Kuss auf den Mund sein? Mit oder ohne Einsatz der Zunge? Muss der Kuss bei Ihnen eine Aaaah-Reaktion auslösen, oder geht auch einer, bei dem Sie peinlich berührt wären, wenn Sie ihn zusammen mit Ihren Eltern auf dem Bildschirm sähen? Muss er romantisch und absichtsvoll sein? Zählt auch ein Kuss nur so zum Spaß oder (wie in Raumschiff Enterprise) ein erzwungener Kuss gegen den Willen einer oder beider Seiten?

Wie schon Sam in Casablanca sang – »ein Kuss ist nur ein Kuss«. Andererseits gilt aber auch: Ein Kuss ist immerhin ein Kuss.

Aber ehrlich mal, wie präzise wollen wir in unserer Definition sein? Wenn schon ein platonisches, harmloses Küsschen auf die Wange zählt, gab es in Raumschiff Enterprise bereits früher einen Kuss zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, als nämlich Uhura in der Folge »Der alte Traum« Nurse Chapel küsst. Ich habe mir die Szene ein paarmal angeschaut und gewann dabei den Eindruck, dass dieses Küsschen Uhura sehr beeindruckt hat – vielleicht war da noch mehr im Spiel … Aber ich schweife ab. (Und trotzdem werden Sie diese Folge künftig nicht mehr sehen können, ohne daran denken zu müssen, was ich darin zu erkennen glaubte.)

Damit die Dinge handhabbar bleiben, sage ich jetzt einfach, dass es zwei Arten von Küssen gibt – platonische und romantische. (Natürlich gibt es noch viel mehr, und ich hoffe für Sie, dass Sie die schönsten davon erleben, aber lassen Sie es uns nicht zu kompliziert machen.) Ein platonischer Kuss ist nur eine flüchtige Berührung der Wange mit den Lippen. Er hat nicht viel zu bedeuten und kann sogar Teil eines Scherzes sein. Ein romantischer Kuss ist da schon mehr. Leidenschaft und, wenn Sie Glück haben, Liebe sind darin involviert. Eine gewisse Bindung ist mit im Spiel, Anziehungskraft und vielleicht sogar eine Andeutung von Geknutsche und Fummelei. Ich werde die Küsse, die wir während unserer Untersuchung finden, nach diesen Kriterien bewerten, und wir werden uns beide Arten von Küssen ansehen, auch wenn ein Kuss unter Liebenden natürlich viel bedeutender ist.

Aber wir müssen auch definieren, was eigentlich »Menschen unterschiedlicher Hautfarbe« bedeutet, und das ist ein bisschen komplizierter. Früher hätte man vielleicht einfach geschrieben »ein Kuss über Rassengrenzen hinweg«, aber die ganze Idee von Menschenrassen ist überholt und wenig brauchbar. Es ist ein soziales Konstrukt, und nicht nur unsere Vorstellungen über »Rasse« haben sich im Laufe der Zeit dramatisch verändert, sondern andere Kulturen haben oft auch andere Ansichten darüber, was was ist. Ganz davon zu schweigen, dass dieses Thema in manchen Ländern viel heikler und viel stärker mit schmerzlichen Geschichtserfahrungen befrachtet ist als in anderen. Gleich die ersten Anwärter auf den frühesten Kuss machen das überdeutlich.

Im Jahre 1951 küssten sich Lucille Ball (europäische Vorfahren) und Desi Arnaz (kubanische Wurzeln) in der Fernsehserie I Love Lucy. Manche sagen, die beiden seien eigentlich nicht »unterschiedlicher Hautfarbe«, denn ein kubanischstämmiger Amerikaner stehe einem europäischen Weißen doch ziemlich nahe, und ihre Hautfarbe ähnle sich sehr. Aber wir reden hier von den USA der 1950er Jahre; der Sender CBS bekam heftigen Gegenwind, weil er Lucy einen Kubaner hatte heiraten lassen, zu alledem einen mit solch einem starken Akzent! Man fand ihn einfach »zu folkloristisch«. Der Zigarettenhersteller Philip Morris, ein Sponsor der Fernsehserie, meinte, dass die US-amerikanischen Zuschauer Desi nicht als Ehemann eines echten amerikanischen Girls akzeptieren würden.

In den 1930er Jahren beschrieben einige offizielle Dokument Desis ethnischen Status als »Kubaner«, aber in anderen wurde er als »Weißer« geführt, sodass selbst die US-amerikanischen Behörden offensichtlich nicht recht wussten, wie sie ihn kategorisieren sollten. Beide Schauspieler (die damals, wie sich vielleicht anzumerken lohnt, im wirklichen Leben miteinander verheiratet waren) hatten natürlich eine helle Haut, wodurch die Kussszene etwas weniger skandalträchtig wurde, und doch war es zu jener Zeit noch eine heikle Sache, wenn eine weiße Frau einen Latino küsste – besonders in den USA. Und sie küssten sich nicht nur einmal, und unschuldige Küsschen auf die Wange waren es auch nicht – Lucille und Desi knutschten ganz unzweideutig. Obwohl also nicht ganz klar ist, ob wir hier von »Menschen unterschiedlicher Hautfarbe« sprechen können, war dieser Kuss doch heftig umstritten und eindeutig romantischer Natur. Er sollte also in unserer Untersuchung wenigstens erwähnt werden.

Beim nächsten Anwärter ist interessanterweise wieder William Shatner mit im Spiel! Aber nicht in seiner Rolle als Captain Kirk. Am 16. November 1958 präsentierte die Besetzung des Bühnenstücks The World of Suzie Wong eine Szene daraus in der Ed Sullivan Show. Die Szene endete damit, dass sich William Shatner und France Nuyen auf den Mund küssten. Davon erfährt man in Mr. Shatners Autobiografie interessanterweise nichts, während dem Raumschiff-Enterprise-Kuss eine Menge Aufmerksamkeit gewidmet wird. Shatner ist ein Weißer, und Nuyens Vater war asiatischer Herkunft, wodurch es nach einigen sehr seltsamen Regeln ein Kuss von »Menschen unterschiedlicher Hautfarbe« wird. Und es ist ein echter Kuss: Mund auf Mund, lang und romantisch. Wenn wir also beschließen, den Kuss aus I Love Lucy nicht gelten zu lassen, wäre dieser hier der erste im Fernsehen ausgestrahlte Kuss von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe.

Im Jahre 2015 gab es einige Aufregung, als das Britische Filminstitut etwas Filmmaterial von der Fernsehadaption eines Bühnenstücks namens You in Your Small Corner wiederentdeckte. Die Sendung lief am 5. Juni 1962 auf ITV. In diesem Stück gab es einen Kuss zwischen einem Schwarzen und einer Weißen – eine Nachricht, die es nach der Wiederentdeckung weltweit in die Medien schaffte. Selbst auf CNN wurde er erwähnt, denn natürlich ist diese Sendung einige Jahre älter als Raumschiff Enterprise. Im Unterschied zum dortigen Kuss war dieser nicht erzwungen – und mein Gott, er ist echt leidenschaftlich und ganz aus der Nähe gefilmt! Es ist ein guter und echter Kuss, viel besser als der auf dem fremden Planeten.

Aber es gab einen noch früheren, und wieder im britischen Fernsehen. Am 1. Februar 1959 strahlte ITV Ted Willis’ Stück Hot Summer Night (dt. Heiße Sommernacht, 1962) aus. Darin sah man einen sehr leidenschaftlichen und romantischen Kuss zwischen dem jamaikanischen Schauspieler Lloyd Reckord und der weißen Liverpoolerin Andrée Melly. Bedeutet das nun, dass Großbritannien den allerersten Fernsehkuss zwischen einer schwarzen und einer weißen Person für sich beanspruchen kann?

Nein, tut mir leid, aber diese Ehre gebührt uns Holzschuhträgern!

Am 5. Januar 1959, etwa um 20.30 Uhr (also zur besten Sendezeit), gab es einen Kuss zwischen Donald Jones, einem schwarzen Schauspieler, der in den Vereinigten Staaten geboren war, und der weißen Schauspielerin Roekie Aronds, und zwar in der Folge »Beeldromance« der niederländischen Fernsehserie Pension Hommeles. In meinem Heimatland war das eine der populärsten Sendungen aller Zeiten. Damals gab es in den ganzen Niederlanden nur 100.000 Fernsehgeräte. Und trotzdem sahen irgendwie alle diese Reihe, denn wer keinen Fernseher hatte, ging die Nachbarn besuchen und schaute sie mit ihnen gemeinsam.

Bei einem Blick in zeitgenössische niederländische Zeitungen hat man den Eindruck, dass es wegen des Kusses keinen erbitterten Streit und keine Gegenbewegung gab. Ganz im Gegenteil, die Kritiken fielen positiv aus. Obgleich dieser Kuss nicht so leidenschaftlich war wie einige andere Anwärter, war er doch eindeutig romantischer Art...

Erscheint lt. Verlag 1.11.2023
Übersetzer Ralf Pannowitsch
Sprache deutsch
Original-Titel Fake History
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Allgemeines / Lexika
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte 2023 • Adolf Hitler • Alternative history • Bestseller • Bestsellerliste • Coca-Cola • eBooks • Erfindungen • Fake News • Fotografie • Geschichte • Historie • History • HUGO BOSS • Marie Antoinette • Mittelalter • Mythen • Mythen & Legenden • Mythos • Napoleon • Nationalsozialismus • Neuerscheinung • Queen Elizabeth • Rom • Sphinx • spiegel bestseller • Spiegelbestseller • SPIEGEL-Bestseller • Star Trek • Vikings • Wikinger • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-641-30797-X / 364130797X
ISBN-13 978-3-641-30797-4 / 9783641307974
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