Werkzeugkoffer Vernehmung. Kriminalistisch Vernehmen
Thoni-Verlag
978-3-944177-64-9 (ISBN)
Der »Werkzeugkoffer Vernehmung« ist ein standardisiertes und zugleich flexibles Vernehmungs-ABC mit den drei Säulen Grundlagen, Handwerk und Haltung, das Nikola Hahn für die Aus- und Fortbildung der hessischen Polizei entwickelt und für die Hochschullehre adaptiert hat. Ziel des Konzepts ist es, psychologische, rechtliche, technische und taktische Grundlagen, Möglichkeiten und Grenzen für eine professionelle Vernehmungsarbeit aufzuzeigen, um Vernehmungsbeamte zu befähigen, ihren persönlichen »Werkzeugkoffer« für unterschiedliche Vernehmungssituationen zusammenzustellen und ihren Vernehmungsstil zu analysieren und zu optimieren.
Der vorliegende Band enthält Leitlinien und Grundlagen für eine rechtsstaatliche Vernehmungsarbeit: Auf der »Juristischen Klaviatur« werden elementare Rechtsbegriffe bespielt, das »Info-Prinzip« fokussiert auf die Bedeutung von Aussagen als Informationsspuren, und die »Professionelle Neugier« nimmt die Menschen und ihre vielfältigen »Farben der Wahrheit« in den Blick. Die Modellgrafik »Vom Tatort zur Akte« visualisiert Einflussfaktoren auf die Quantität und Qualität von Aussageinhalten und dient der selbstkritischen Analyse und Fehlerkultur. Ethische Überlegungen und ein neues Arbeitsmodell zum »Kriminalistischen Denken« beschließen den Grundlagenteil.
Im Werkzeugfach Psychologie werden aussagepsychologische Aspekte vertieft: Aussagefähigkeit, Aussageehrlichkeit und Aussagebereitschaft sind die zentralen Themen. In diesem Rahmen werden auch Probleme der Lügenerkennung diskutiert.
Zum Werkzeugfach Recht zählen u. a. Vorladung, Belehrungspflichten gegenüber Zeugen und Beschuldigten, Opferschutzrechte, verbotene Vernehmungsmethoden und die aktuelle und einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung.
Nikola Hahn gehörte zu den ersten Frauen, die das Bundesland Hessen in den 1980er-Jahren in die Bereitschaftspolizei einstellte. Nach ihrem Wechsel zur Kriminalpolizei arbeitete sie als Ermittlerin und Sachgebietsleiterin in den Kommissariaten für Geld- und Urkundenfälschung, Tötungsdelikte, Raub und Erpressung. Von 2004 bis 2015 war Nikola Hahn für die Aus- und Fortbildung polizeilicher Pressesprecher und für die Vernehmungsfortbildung der hessischen Schutz- und Kriminalpolizei verantwortlich. Seit 2017 lehrt die Kriminalrätin hauptamtlich Kriminalistik und Kriminologie an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit.
Werkzeugkoffer Vernehmung. Kriminalistisch Vernehmen.
Das Handbuch für den Praktiker. Band 1
Inhalt
A Grundlagen und Philosophie
Konzept und Philosophie – S. 15
Systematik – S. 20
A 1 Juristische Klaviatur: Die richtige Sprache sprechen – S. 23
1.1 Zeuge – Verdächtiger – Beschuldigter
1.2 Gespräch – Verhör – Vernehmung
1.3 Informatorische Befragung – Spontanäußerung
1.4 Vorgespräch – Kontaktgespräch – Vernehmungsgespräch
1.5 Feststellung der Person – (Noch) zur Person
1.6 Zeugnis-/Auskunftsverweigerungsrecht
1.7 Aussagefreiheit – Schweigerecht, Rederecht
1.8 Freier Bericht – Vermerk – Eindrucksvermerk
1.9 Strafanzeigen und Verkehrsunfälle
1.10 Gefährderansprache – Gefährderkommunikation
A 2 Das Info-Prinzip: Informationsspuren sichern – S. 39
2.1 Minimax Information
2.2 Informationen suchen, sammeln, sichern, sichten
A 3 Professionelle Neugier: Den Menschen in der Sache sehen – S. 44
3.1 Neugier als Beruf
3.2 Vernehmen mit Nähe und Distanz
A 4 Die Farben der Wahrheit: Schwarz-Weiß-Denken ablegen – S. 47
4.1 Die Wahrheit in Philosophie, Wissenschaft und Alltag
4.2 Die Wahrheit vor Gericht
4.3 Die Wahrheit in Vernehmungen
A 5 Vom Tatort zur Akte: Irrtümer kennen, Fehler benennen – S. 84
5.1 Die Wirkmacht des Irrtums
5.2 Analyse und Fehlerkultur
A 6 Kriminalistisches Denken: Mit Vernunft vernehmen – S. 89
6.1 Über das Denken
6.2 Über das Denken beim Ermitteln
6.3 Das »KD-Haus«: Ein neues Arbeitsmodell
6.4 Kriminalistisches Denken in Vernehmungen
B Handwerk
Übersicht und Vorbemerkung – 154
B 1 Psychologie
1.1 Aussagefähigkeit (Aussagetüchtigkeit) – S. 157
1.1.1 Wahrnehmung – Gedächtnis – Wiedergabe
1.1.2 Die Aussagefähigkeit verbessern
1.2 Aussageehrlichkeit – S. 174
1.2.1 Glaubwürdigkeit – Glaubhaftigkeit
1.2.2 Ungeübte Lügner – Geübte Lügner
•Verbale Signale (Wortsprache)
•Paralinguistische Signale (Lautsprache)
•Körpersprachliche Signale (Gestik, Mimik u. a.)
•Die Prüfung der Aussageehrlichkeit
1.2.3 Die Aussageehrlichkeit beurteilen
1.2.4 Körpersprache als Ausdrucksmittel für Gefühle
1.3 Aussagebereitschaft – S. 188
1.3.1 Aussagemotive, Aussagemotivation
•Tatbedingte Aussagemotive
•Persönlichkeitsbedingte Aussagemotive
•Situationsbedingte Aussagemotive
1.3.2 Die Aussagebereitschaft fördern
B 2 Recht
2.1 Vorschriften zur Verfahrensführung – S. 203
2.1.1 Aktenklarheit, Aktenwahrheit, Aktenvollständigkeit
2.1.2 Pflicht zum Schlussbericht?
2.2 Polizeiliche Vorladung – S. 208
2.2.1 Inhalt, Form, Erscheinungspflicht
2.2.2 Anwesenheitsrechte und Ausschlussmöglichkeiten
2.3 Belehrungspflichten – S. 214
2.3.1 Allgemeines
•Das Recht auf Klarheit und Verständlichkeit
•Beweisverbote und Beweiswert
•Der richtige Zeitpunkt der Belehrung
•Schweigerechte (§§ 53, 53a, 54 StPO)
•Ärztliche Schweigepflicht, § 53 StPO
•Amtsverschwiegenheit, § 54 StPO
2.3.2 Belehrung von Zeugen – S. 238
•Allgemeines
•Eröffnung zur Sache und zum Beschuldigten
•Wahrheitspflicht, strafrechtliche Folgen
•Zeugnisverweigerungsrecht
•Richterliche Vernehmung
•Auskunftsverweigerungsrecht
•Weitere Zeugenrechte
•Zeugenbeistand
•Dolmetscher
•Entschädigung
•Beschränkung von Angaben, Zeugenschutz
•Opfer-/Verletztenrechte
•Rechtsbeistand
•Vertrauensperson
•Psychosoziale Prozessbegleitung
•Dolmetscher – TOA – Akteneinsicht
•Sonstige Hinweispflichten
•Zur Beachtung für die Polizei
•Polizeilicher Opferschutz im KD-Haus
2.3.3 Belehrung von Beschuldigten – S. 301
•Allgemeines
•Eröffnung des Tatvorwurfs
•Der Tatvorwurf im KD-Haus
•Das Recht auf Aussagefreiheit
•Das Recht auf Verteidigerkonsultation
•Hilfestellung zur Kontaktaufnahme
•Das Recht auf Pflichtverteidigung, Kostentragung
•Das Recht auf Beweisanregungen
•Mitteilung der Verdachtsgründe
•Schriftliche Äußerung, Täter-Opfer-Ausgleich
•Das Recht auf Verständlichkeit
•Erweiterte Beschuldigtenrechte
•Das Recht auf Dolmetschung und Übersetzung
•Verteidigerrechte bei einer Gegenüberstellung
•Belehrungspflichten nach Freiheitsentzug
•Qualifizierte Belehrung (Fehler heilen)
2.4 Verbotene Vernehmungsmethoden – S. 365
2.4.1 Allgemeines
2.4.2 § 136a StPO: Verbotene Methoden in der Übersicht
2.4.3 Kriminalistische List vs. Täuschung
2.5 Weitere Rechtsvorschriften - 383
2.5.1 Täter-Opfer-Ausgleich (TOA)
2.5.2 Gegenüberstellungen
2.5.3 Rechtliche Stellung von Betreuern
2.5.4 Akteneinsicht/Aushändigung von Protokollen
Anhänge
Rätsellösungen und Anmerkungen
Glaubhaftigkeitsanalyse von Aussagen
Körpersprache und Lügenerkennung
Opferrechte, Glossar
Rechtsvorschriften, Vergleichende Übersichten
Schnellkurs: Merksätze und Schaubilder
Schnellfinder: Wichtiges auf einen Blick
Literatur und Quellen
Bildnachweis
Abkürzungen
Schlagwortverzeichnis
Impressum
Betrunkene Fußballfans, Zufallszeugen eines Überfalls, weinende und wütende Opfer; Betrüger, Diebe, Räuber, Mörder: Als Streifenbeamtin und als Ermittlerin bei der Kriminalpolizei habe ich zahlreiche Menschen in unterschiedlichen Situationen als Zeugen oder Beschuldigte vernommen. Ob es sich um einen Fahrraddieb oder einen mutmaßlichen Doppelmörder handelte, ob jemand einen Raubüberfall oder eine Beleidigung anzeigen wollte, ob ich das Opfer einer Vergewaltigung oder einer Schlägerei befragte: Nicht nur die Vernehmungsinhalte unterschieden sich, sondern auch das »Drumherum«. Das fing bei der Art und dem Umfang der – bei Sofortsachen nur selten möglichen – Vernehmungsvorbereitung an, zeigte sich in der Dauer und Tiefe der jeweiligen Vernehmungsgespräche, aber auch im Aufwand für die spätere Analyse und Vorbereitung auf die Hauptverhandlung (zu der es bei Fahrraddieben in der Regel nicht kam). Bei allen Unterschieden im Detail waren die Grundsätze meiner Vernehmungsarbeit jedoch stets die gleichen: Ich musste die einschlägigen Rechtsvorschriften kennen und anwenden, handwerklich sauber arbeiten und in der Lage sein, situationsgerecht und empathisch mit meinem Gegenüber zu kommunizieren. Auf diesen Erfahrungen konnte ich aufbauen, als ich im Jahr 2004 vom K 11 (Tötungsdelikte, Raub und Erpressung) des Polizeipräsidiums Südosthessen (Offenbach am Main) an die (damalige) Polizeiakademie Hessen und damit von der Praxis in die Theorie wechselte: Ich erhielt die Aufgabe, die Vernehmungsfortbildung für die hessische Polizei neu zu konzeptionieren. »Meine Intention war es, eine Hausapotheke Vernehmung anzulegen, die Anwendungshilfe für die Praxis bietet«, leitete ich mein erstes Seminarskript ein. Dieses Erste-Hilfe-Set entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einem prallgefüllten »Werkzeugkoffer Vernehmung«, in dem Inhalte aus der einschlägigen Fachliteratur ebenso Platz fanden wie Anregungen meiner Seminarteilnehmer und Erfahrungen von Staatsanwälten, Richtern und Verteidigern, die als Referenten in meinen Seminaren wesentlich dazu beitrugen, die juristische Seite polizeilicher Vernehmungsarbeit deutlich zu machen. Nicht zuletzt durch eine Feldstudie zur Vernehmungsmethode EVA (Eigenständiges Vernehmungsprotokoll für Augenzeugen) flossen auch wissenschaftliche Erkenntnisse in das Konzept ein. Mit der Übernahme eines Lehrauftrags für Kriminalistik und Kriminologie an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung kamen Aspekte der hochschulischen Lehre hinzu. Trotzdem blieb der »Werkzeugkoffer Vernehmung« in der Hauptsache ein aufs kriminalistische Vernehmen bezogenes Konzept für die praktische Ermittlungsarbeit in der Schutz- und Kriminalpolizei. Obwohl die meisten polizeilichen Vernehmungen in der sogenannten Alltags- oder Massenkriminalität durchgeführt werden, thematisieren einschlägige Handbücher, Medien und die Öffentlichkeit vorrangig »große« Fälle. Und im Streifendienst herrscht gern Understatement: Man habe doch »nur« eine Befragung im Ersten Angriff vorgenommen, der Zeuge habe nicht viel gewusst, alles sei bloß eine »kleine Sache«, die Aufnahme der Strafanzeige »reine Routine« und das kurze Gespräch mit dem Beschuldigten im Streifenwagen »kaum der Rede wert«. Dabei kommt es im weiteren Verlauf der Ermittlungen, aber auch in der späteren Hauptverhandlung, nicht selten auf die getreue Rekonstruktion von Standardsituationen und Routinetätigkeiten im Ersten Angriff an. Ich möchte daher mit diesem Buch den »Werkzeugkoffer Vernehmung« auch für Beamtinnen und Beamte öffnen, die in Delikten der einfachen bis mittleren Kriminalität oder in Sofortsachen ermitteln. Unabhängig davon kann der »Werkzeugkoffer« alten wie jungen Hasen in allen Deliktsfeldern als Lern- und Lesebuch dienen, um Vernehmungswissen aufzufrischen und zu systematisieren. Wegen des Umfangs habe ich mich entschieden, das Handbuch in zwei Bänden zu veröffentlichen. Band 2 erscheint im Sommer 2023. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und viel Erfolg beim »Kriminalistischen Vernehmen«. Nikola Hahn, im März 2023
Erscheinungsdatum | 10.03.2023 |
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Zusatzinfo | zahlr. Abb. |
Verlagsort | Rödermark |
Sprache | deutsch |
Maße | 1290 x 1980 mm |
Gewicht | 720 g |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
Recht / Steuern ► Strafrecht ► Kriminologie | |
Recht / Steuern ► Strafrecht ► Strafverfahrensrecht | |
Schlagworte | Aussagepsychologie • Kriminalistisches Denken • kriminalistisches Vernehmen • Kriminalpolizei • Lügenerkennung • Polizei • polizeiliche Vernehmung • Verhör • Vernehmen • Vernehmung • Vernehmungsexperte • Vernehmungsexpertin • Vernehmungshandbuch • Vernehmungskonzept • vernehmungslehre • Vernehmungsmethode • Vernehmungsstrategie • Vernehmungstaktik • Vernehmungstechnik |
ISBN-10 | 3-944177-64-9 / 3944177649 |
ISBN-13 | 978-3-944177-64-9 / 9783944177649 |
Zustand | Neuware |
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