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Das Licht in uns (eBook)

Spiegel-Bestseller
Halt finden in unsicheren Zeiten
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
384 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-30451-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Licht in uns -  Michelle Obama
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SPIEGEL-Bestseller #1: Der inspirierende Folgeband des Weltbestsellers »Becoming« von der ehemaligen First Lady Michelle Obama
Es gibt womöglich keine einfachen Lösungen für die großen Herausforderungen, vor die wir im Laufe des Lebens gestellt werden. Michelle Obama ist jedoch überzeugt, dass wir mit einigen praktischen Hilfsmitteln auch durch die größten Veränderungen im Leben sicher navigieren können. In »Das Licht in uns« geht sie mit ihren Leserinnen und Lesern ins Gespräch und adressiert jene Fragen, mit denen die meisten von uns regelmäßig zu kämpfen haben: Wie gelingen stabile und aufrichtige Beziehungen? Wie können wir auch in Konflikten Kraft und Gemeinsamkeiten finden? Welche Werkzeuge stehen uns zur Verfügung, um Selbstzweifel und Hilflosigkeit auszudrücken? Was können wir tun, wenn auf einmal alles zu viel wird?

Mutmachende Geschichten und inspirierende Gedanken zeigen uns, wie Michelle Obama über Veränderung und Herausforderungen denkt und über das, was in unserer Macht liegt. Es ist ihr fester Glaube, dass wir den Reichtum und das Potential unserer Welt zum Leuchten bringen, wenn wir von innen heraus strahlen und anderen Menschen unser Licht schenken. So können wir tiefer liegende Wahrheit erkennen und neue Wege für uns entdecken. In ihrer Rolle als Mutter, Tochter, Ehefrau, Freundin und First Lady teilt sie mit uns die Grund- und Glaubenssätze, die ihr geholfen haben, selbst die schwierigsten Hindernisse im Leben zu überwinden und immer weiter zu wachsen. Sie erläutert wertvolle Praktiken wie Höflichkeit, Mut zur Größe und das Versammeln von Freunden und Mentoren um den eigenen Küchentisch. Mit ihrem unverwechselbaren Humor, ihrer Aufrichtigkeit und ihrem Mitgefühl erkundet sie Themen wie Herkunft, Geschlecht und Sichtbarkeit und ermutigt ihre Leser*innen, Angst zu bezwingen, Stärke in der Gemeinschaft zu finden und ein mutiges Leben zu führen.

»Wenn wir unser inneres Licht entdecken, finden wir auch die Kraft, es zu nutzen«, schreibt Michelle Obama. Eine bereichernde Lektüre mit beeindruckenden Geschichten sowie klugem Rat und Wissen, die wertvolle Gespräche anstoßen wird. »Das Licht in uns« soll alle Leser*innen inspirieren, über ihr Leben zu reflektieren, den Quell ihrer inneren Freude zu finden und sich in diesen stürmischen Zeiten miteinander zu verbinden.

Michelle Obama war von 2009 bis 2017 die First Lady der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie studierte an der Princeton University sowie an der Harvard Law School und begann ihre berufliche Laufbahn als Anwältin bei der Kanzlei Sidley & Austin in Chicago, wo sie ihren zukünftigen Ehemann Barack Obama kennenlernte. Später arbeitete sie im Büro des Bürgermeisters von Chicago, an der University of Chicago und am University of Chicago Medical Center. Michelle Obama gründete auch die Chicagoer Sektion von »Public Allies«, einer Organisation, die junge Menschen auf eine Laufbahn im öffentlichen Dienst vorbereitet. Sie ist Autorin des Weltbestsellers »Becoming. Meine Geschichte«. Die Obamas leben derzeit in Washington, D.C. Sie haben zwei Töchter, Malia und Sasha.

Mein Dad hilft mir, mich an einem heißen Sommertag in der South Side von Chicago abzukühlen.

Mit freundlicher Genehmigung des Obama-Robinson Family Archive

Einführung


Eines Tages, ich war noch klein, begann mein Vater, beim Gehen einen Stock zu benutzen. Ich weiß nicht mehr genau, wann dieses Hilfsmittel zum ersten Mal bei uns zu Hause, in der South Side von Chicago, auftauchte – ich muss so etwa fünf Jahre alt gewesen sein –, aber es war plötzlich da, schlank, stabil und aus glattem, dunklem Holz. Der Stock war ein erstes Zugeständnis an die Krankheit, Multiple Sklerose, die bei meinem Vater ein ausgeprägtes Hinken auf dem linken Bein verursachte. Langsam und still und wahrscheinlich lange bevor die Krankheit diagnostiziert wurde, untergrub die Nervenerkrankung seine körperliche Unversehrtheit, fraß sich durch sein zentrales Nervensystem und schwächte seine Beine, während er den täglichen Aufgaben nachging: Er arbeitete in der Wasseraufbereitungsanlage der Stadt Chicago, führte den Haushalt zusammen mit meiner Mutter und versuchte, gute Kinder zu erziehen.

Mit dem Stock war es für meinen Vater einfacher, die Treppen zu unserem Apartment zu bewältigen oder spazieren zu gehen. Abends stellte er den Stock an der Lehne seines Sessels ab und vergaß ihn vollkommen, während er das Sportprogramm im Fernsehen verfolgte, sich Jazzmusik auf der Stereoanlage anhörte oder mich auf seinen Schoß zog und wissen wollte, wie mein Tag in der Schule gewesen sei. Der geschwungene Griff des Stocks, die Gummispitze an seinem Ende, das hohle Klackern, wenn er umfiel, all das faszinierte mich. Manchmal nahm ich den Stock und versuchte, die Bewegungen meines Vaters nachzuahmen, während ich im Wohnzimmer herumhumpelte und hoffte, irgendwie nachzuempfinden, wie das für ihn sein musste. Aber ich war noch zu klein und der Stock zu groß, daher baute ich ihn schnell als Requisite in meine Fantasiespiele ein.

Niemand in unserer Familie maß diesem Stock eine symbolische Bedeutung bei. Er war einfach ein Mittel zum Zweck, eine Art Werkzeug, wie die Gummispachtel meiner Mutter in der Küche oder der Hammer meines Großvaters, den er mitbrachte, wenn er zu uns herüberkam und ein kaputtes Regal oder die ausgerissene Befestigung der Vorhangstange reparierte. Der Stock war etwas Nützliches, etwas Schützendes, auf das man sich bei Bedarf stützen konnte.

Was wir allerdings allesamt nicht sehen wollten, war die Tatsache, dass sich der Zustand meines Vaters nach und nach verschlechterte und sein Körper sich stillschweigend gegen sich selbst richtete. Vater wusste es. Mutter wusste es. Mein älterer Bruder Craig und ich waren damals noch Kinder, aber Kinder sind keine Dummköpfe, und obgleich mein Vater mit uns noch Fangen im Hinterhof spielte und jedes Mal dabei war, wenn wir auf dem Klavier vorspielten oder Craig an einem Basketballspiel in der Liga der Acht- bis Zwölfjährigen teilnahm, wussten wir es ebenfalls. Wir begriffen auch allmählich, dass Dads Krankheit uns als Familie verwundbarer und weniger geschützt machte. Sollte ein Notfall eintreten, würde er nicht mehr imstande sein, in die Bresche zu springen und uns vor einem Feuer oder einem Eindringling zu retten. Wir lernten, dass wir das Leben nicht kontrollieren konnten.

Hin und wieder ließ der Stock meinen Vater im Stich. Er schätzte eine Stufe falsch ein, sein Fuß verfing sich im Teppich, und dann kam es vor, dass er stolperte und fiel. Diese schreckensstarren Augenblicke, wenn sein Körper in der Luft zu schweben schien, warfen ein Schlaglicht auf das, wovor wir lieber die Augen verschlossen – seine Verletzlichkeit, unsere Hilflosigkeit, die Ungewissheit und schweren Zeiten, die uns bevorstanden.

Wenn ein erwachsener Mann auf dem Boden aufschlägt, klingt das wie ein Donnerschlag – ein Geräusch, das man sein Leben lang nicht vergisst. Unsere kleine Wohnung schien in allen Fugen zu beben, und wir stürzten helfend herbei.

»Fraser, pass doch auf!«, rief meine Mum dann, als könne sie den Sturz damit ungeschehen machen. Es bedurfte Craigs und meiner gesamten Kräfte, Dad aufzuhelfen, und wir sprangen eilig hin und her, um seinen Stock und die Brille einzusammeln, als könnten wir durch die Schnelligkeit, mit der wir ihn wieder in den Normalzustand zurückversetzten, auch das Bild seines Sturzes auslöschen. Als hätte einer von uns etwas ausrichten können. Diese Augenblicke besorgten und beängstigten mich, wenn mir klar wurde, was wir zu verlieren hatten und wie schnell es gehen konnte.

Im Allgemeinen tat mein Vater solche Vorfälle mit einem Lachen ab, spielte die Sache herunter und gab uns zu verstehen, dass es völlig in Ordnung sei, wenn wir lächelten oder einen Witz rissen. Zwischen uns herrschte ein stummer Pakt: Wir durften uns von solchen Augenblicken nicht nachhaltig beeindrucken lassen. Das Lachen gehörte daher ebenfalls zu den probaten Werkzeugen in unserer Familie.

Inzwischen, als Erwachsene, weiß ich mehr über die Multiple Sklerose: Diese Krankheit bedroht Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Sie stellt das Immunsystem auf den Kopf und greift den Körper von innen heraus an, verwechselt Freund und Feind, das Selbst und den anderen. Das gesamte Nervensystem degeneriert, die Isolierschicht der neuronalen Fasern, der sogenannten Axone, wird zerstört und die darunterliegenden zarten Stränge bloßgelegt.

Falls mein Vater aufgrund der Krankheit Schmerzen litt, sprach er nicht darüber. Wenn ihn die Demütigungen seines körperlichen Verfalls belasteten, zeigte er das selten. Ich weiß nicht, ob er jemals gestürzt ist, wenn wir nicht in der Nähe waren – während der Arbeit oder beim Betreten oder Verlassen des Friseursalons –, obwohl das aller Wahrscheinlichkeit nach zumindest gelegentlich der Fall gewesen sein muss. Dennoch verstrichen die Jahre, und mein Vater ging zur Arbeit, kam nach Hause und lächelte. Vielleicht war das eine Form der Verleugnung. Vielleicht war es der Kodex, nach dem er leben wollte: Du stürzt, stehst auf, machst weiter.

Inzwischen ist mir klar, dass die Beeinträchtigung meines Vaters mir eine frühe und wichtige Lektion darüber erteilt hat, was es bedeutet, sich aufgrund von etwas, das sich der eigenen Kontrolle entzieht, anders durch die Welt zu bewegen. Selbst wenn wir uns nicht lange mit Dads Krankheit aufhielten, war sein Anderssein doch immer gegenwärtig. Meine Familie trug es in sich. Wir sorgten uns um Dinge, die andere Familien offenbar nicht kümmerten. Wir waren auf eine Art und Weise wachsam, die in anderen Familien nicht nötig war. Wenn wir ausgingen, schätzten wir zuvor stillschweigend die Schwierigkeiten ein, überlegten, wie viel Energie mein Vater benötigen würde, um einen Parkplatz zu überqueren oder sich bei Craigs Basketballspielen seinen Weg auf der Tribüne zu bahnen. Wir maßen Entfernungen und Höhen nach anderen Maßstäben. Treppenstufen, vereiste Bürgersteige und hohe Bordsteinkanten hatten für uns eine andere Bedeutung. Parkanlagen und Museen beurteilten wir nach der Anzahl der zur Verfügung stehenden Bänke, auf denen ein müder Körper sich ausruhen konnte. Wo wir auch hingingen, stets wägten wir die Risiken ab und suchten nach kleinen Erleichterungen für meinen Vater. Wir zählten jeden Schritt.

Wenn eines der Hilfsmittel für ihn nicht mehr funktionierte, weil seine fortschreitende Erkrankung es unbrauchbar gemacht hatte, gingen wir los und fanden ein neues – der Stock wurde durch ein Paar Unterarmkrücken ersetzt, diese schließlich durch ein Elektromobil und später durch einen besonders ausgerüsteten Wagen, der mittels Hebel und Hydraulik die körperlichen Defizite meines Vaters größtenteils ausgleichen konnte.

Hat mein Vater diese Hilfsmittel geschätzt, oder war er der Meinung, sie würden seine Probleme lösen? Nicht im Mindesten. Aber hat er sie gebraucht? Ein klares Ja. Dafür sind Hilfsmittel da. Sie helfen uns, aufrecht und im Gleichgewicht zu bleiben und besser mit Ungewissheiten zurechtzukommen. Sie helfen uns, mit Veränderungen umzugehen, wenn wir das Gefühl haben, unser Leben sei außer Kontrolle geraten. Und sie helfen uns voranzuschreiten, selbst wenn wir uns unbehaglich fühlen, selbst wenn wir mit bloßgelegten Nervensträngen leben.

Ich habe viel über diese Fragen nachgedacht – darüber, was wir in uns tragen, was uns auch in der Ungewissheit aufrechterhält, wie wir unsere Hilfsmittel und Werkzeuge erkennen und uns auf sie verlassen, insbesondere in chaotischen Zeiten. Ich habe auch darüber nachgedacht, was es bedeutet, anders zu sein. Und ich bin erstaunt, wie viele damit ringen, dass sie anders empfinden, und welche bedeutsame Rolle unsere Wahrnehmung von Anderssein nach wie vor hat, wenn wir Gespräche darüber führen, in welcher Welt wir leben wollen, oder wem wir vertrauen, wen wir fördern wollen und wen wir zurücklassen.

Das sind natürlich komplexe Fragen mit nicht minder komplexen Antworten. »Anders zu sein« lässt sich auf vielerlei Weisen definieren. Dennoch lohnt es sich wegen all jenen, die so empfinden, einmal festzuhalten: Es ist absolut nicht einfach, sich in einer Welt zurechtzufinden, in der so viele Hindernisse sind, die andere nicht sehen können oder nicht sehen wollen. Wer sich anders fühlt, hat schnell den Eindruck, er oder sie müsse sich auf einer anderen Landkarte zurechtfinden, stehe vor einer Reihe anderer Herausforderungen als die Menschen rings um sie oder ihn her. Und gelegentlich haben die Betroffenen sogar den Eindruck, gänzlich ohne Landkarte herumzuirren. Das eigene Anderssein geht einem voraus: Noch bevor jemand einen Raum betritt, nehmen die Leute zuerst das Anderssein einer...

Erscheint lt. Verlag 15.11.2022
Übersetzer Norbert Juraschitz, Sabine Reinhardus, Franka Reinhart, Astrid Gravert, Frank Lachmann
Zusatzinfo Mit zahlreichen Abbildungen
Sprache deutsch
Original-Titel The Light We Carry
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte 2022 • Amerika • barack obama • Becoming • Bestseller • Bestsellerliste • Beziehung • Beziehungsratgeber • Black lives matter • Das Café am Rande der Welt • eBooks • Ein verheißenes Land • Feminismus • Gesundheit • Higher Ground Productions • John Strelecky • Neuerscheinung • Obama Foundation • spiegel bestseller • Spiegelbestseller • SPIEGEL-Bestseller • Spiegel Bestsellerliste aktuell • The Hate U Give • Twitter Obama • USA
ISBN-10 3-641-30451-2 / 3641304512
ISBN-13 978-3-641-30451-5 / 9783641304515
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