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THEOLOGEN THEOLÜGEN THEOMANIE (eBook)

Islam Judentum Christentum KLARTEXT-ESSAYS
eBook Download: EPUB
2022
662 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-347-67142-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

THEOLOGEN  THEOLÜGEN  THEOMANIE - Ulrich Scharfenstein
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Kritische Analyse des Gottglaubens.

2. ABRAHAMITISCHE RELIGIONSBASICS

Wie entstand die Bibel?

Mit der Frage: Wie entstand das Alte Testament? beschäftigen sich Wissenschaftler schon seit Jahrhunderten. Der in Harvard promovierte Richard Elliott Friedman (*1946) fand eine Antwort auf diese Frage. Friedman war zwölf Jahre lang Professor an der Theologischen Fakultät der Universität of California in San Diego und lehrt seit 2006 an der University of Georgia. Er ist Autor des Buches „Wer schrieb die Bibel?“ Das Buch gilt in der allgemeinen Literatur als letzter Stand der Forschung.

Friedman befasste sich jedoch nicht mit der kompletten Bibel. Untersucht wird nur der Pentateuch, also die fünf Bücher Mose: Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri und Deuteronomium. Dabei geht es nicht nur darum, den Namen des oder der Schriftsteller herauszufinden, wichtig sind auch die Persönlichkeiten, das Umfeld, die politischen und religiösen Hintergründe der damaligen Zeit, die den oder die Autoren zur Niederschrift anregten.

Dieses Essay gibt weitgehend die Sicht und die Schlussfolgerungen Prof. R. E. Friedman's wieder.

Obwohl schon seit Jahrhunderten Zweifel daran bestanden, dass Mose selbst die fünf Bücher Mose geschrieben hat, hat sich erst in der jüngsten Gegenwart die Erkenntnis durchgesetzt: Mose war nicht der Autor „seiner“ Bücher. Schon im 11. Jahrhundert wies Isaak ibn Yashush, ein jüdischer Hofarzt eines maurischen Herrschers darauf hin, dass eine in 1. Mose 36 erscheinende Liste edomitischer Herrscher die Namen von Königen enthalte, die erst lange nach Moses Tod gelebt hatten. Ibn Yashush kam zu dem Schluss, diese Liste stamme von jemand der nach Mose gelebt haben musste - das brachte ihm den Spitznamen „Isaak der Tölpel“ ein. Ironischerweise war derjenige der ihm den Spitznamen verpasste, Rabbi Abraham ibn Esra, selbst nicht unbedingt von Moses Urheberschaft überzeugt, wie man vielen seiner Anmerkungen entnehmen kann. Er spielte unter anderem darauf an, dass oft von Mose in der dritten Person gesprochen werde. Es wurden Orte beschrieben an denen Mose nie gewesen ist und außerdem, dass die Sprache einer anderen Gegend und Epoche zuzuordnen ist als die, in der Moses selbst lebte.

Aber auch andere Gelehrte vertraten die Ansicht der Pentateuch könne nicht ganz vollständig von Mose geschrieben worden sein. Der Bischof von Avila Alphonsus Tostatus (1400-1455) stellte fest, dass insbesondere der Bericht vom Tod Mose nicht von ihm selbst stammen könne. Er stellte die These auf, dass nach einer alten Überlieferung Moses Nachfolger Josua der Verfasser dieses Teils ist. Im 16. Jahrhundert konnte jedoch nachgewiesen werden, dass der Bericht vom Tode Mose im selben Sprachcharakter abgefasst worden ist wie der vorangegangene Text. Das heißt: Es konnten nicht nur einfach ein paar Zeilen ergänzt worden sein, sondern der Text musste von ein und derselben Person abgefasst worden sein. Damit stellte sich die Frage, war der gesamte Text nun von Mose, oder wenn nicht, welcher Teil war von ihm und wie wurden die Texte dann aneinandergefügt, sodass er als von einer Person bzw. einer Gruppe im Geiste Verwandter (zum Beispiel eine Schule oder eine Klostergemeinde) geschriebener Text wirkte.

Als Nächstes stellte der flämische Katholik Andreas, gemeinsam mit zwei Jesuiten, folgende These zu den geschriebenen fünf Büchern Mose auf: Mose hätte zwar die Bücher geschrieben, sie wären jedoch später überarbeitet worden. Dabei hätte der Überarbeiter z.B. einige Ortsnamen sozusagen modernisiert. Die katholische Kirche setzte das Buch jedoch umgehend auf den Index der verbotenen Bücher. Im folgenden Stadium der Forschungen kamen Wissenschaftler zu dem Schluss, dass Mose den größten Teil der fünf Bücher nicht selbst geschrieben haben kann.

Der Erste, der das auch öffentlich vertrat, war Thomas Hobbes (1588-1679). Ähnlich wie seine Vorgänger in der Forschung sammelte und isolierte er Stellen, von denen er ausging, dass sie nicht von Mose selbst geschrieben sein können. Ebenfalls in der Zeitepoche Hobbes veröffentlichten in Frankreich der katholische Priester Richard Simon (1638-1712) sowie der Calvinist Isaak de la Peyrere (1596-1676) unabhängig voneinander Schriften die in dieselbe Richtung wiesen. Das Buch von la Peyrere wurde verbrannt und mit Kirchenbann belegt. Er selbst wurde eingekerkert und erst freigelassen, nachdem er seine Meinung widerrufen hatte.

Der holländische Philosoph Baruch de Spinoza (1632-1677) veröffentlichte eine textkritische Analyse mit der er nachwies, dass Mose nicht der Autor sein könne. Er machte das unter anderem an der Stelle 5. Mose 34 fest, in der es heißt: „Und es stand hinfort kein Prophet in Israel auf wie Mose“. So würde eher jemand formulieren, kommentierte Spinoza, der wesentlich später als Mose selbst gelebt habe und damit überhaupt erst die Möglichkeit hatte andere Propheten kennenzulernen, um diese mit Mose zu vergleichen. Spinoza wurde daraufhin aus dem Judentum ausgeschlossen und sein Werk auch von Katholiken und Protestanten mit dem Bann belegt. Sein Buch kam auf den Index. Innerhalb von sechs Jahren wurden 36 Edikte gegen ihn erlassen. Auf ihn selbst wurde ein Anschlag verübt.

In der nächsten Etappe der Forschung viel auf, dass in sogenannten Dubletten verschiedene Begriffe immer nur in einer der Dubletten benutzt wurden. Dubletten sind Textstellen die denselben Sachverhalt erklären, aber von verschiedenen Erzählern aufgeschrieben werden. Das heißt: Je nach Standpunkt des Erzählers können Dubletten einerseits fast identisch sein, andererseits aber auch so unterschiedlich, dass man sie kaum noch als Dublette erkennt. In der einen Dublette fällt zum Beispiel auf, dass die Gottheit durchweg mit dem biblischen Namen Jahwe benannt wird, während sie in der anderen als Gott bezeichnet wird. Das legt den Verdacht nahe, dass es ursprünglich zwei Geschichten gab die miteinander verknüpft wurden.

Friedmans Forschung ergab, dass die beiden ersten Quellen von zwei Personen geschrieben wurden, die in den Jahren lebten als die beiden Königreiche Juda und Israel nebeneinander bestanden. Israel: 922 bis 722 v.u.Z., Juda: 848 bis 722 v.u.Z. Beide Verfasser schilderten ihre Version der Geschichte ihres Volkes, und beide Varianten flossen in die Bibel ein. Einer der Schreiber könnte ein levitischer Priester, wahrscheinlich aus Silo im nördlichen Königreich Israel gewesen sein. Die zweite Version stammt aus dem Südreichvolk Juda. Möglicherweise waren es nicht einzelne Schreiber, sondern Gruppen (Schulen) welche die Texte verfasst haben. Diese Schriften müssen im Zeitraum vor 722 v.u.Z. entstanden sein.

Das fünfte Buch Mose, das Buch Deuteronomium präsentiert die Abschiedsrede von Moses vor seinem Tode. Der deutsche Bibelwissenschaftler Martin Noth (1902-1968) kam zu der Erkenntnis, dass das Deuteronomium und die sechs folgenden Bücher eine Einheit bilden. Er nannte sie „Deuteronomische Historie“, ein Begriff, der in der Forschung weitgehend akzeptiert wurde. Der amerikanische Bibelwissenschaftler Frank Moore Cross (1921-2012) folgerte, dass das fünfte Buch Mose und die darauffolgenden sechs Bücher das Werk eines Menschen war, der zur Zeit des Königs Josia lebte. Josia war König des Südreiches Juda, in der Zeit 640-609 v.u.Z. Auch Friedman kommt zu diesem Ergebnis - und nennt den infrage kommenden Verfasser der Deuteronomischen Historie: Prophet Jeremia. Er wirkte etwa 625 bis 585 v.u.Z. in Jerusalem.

Jeremia besaß die literarischen Fähigkeiten die für eine solche Leistung erforderlich waren. Er war ein Priester aus der Priesterschaft von Silo-Anathoth und war als schreibender Prophet bekannt. Er diktierte auch seinem Schreiber Baruch Weissagungen, die dieser auf einer Rolle niederschrieb. Baruch ist vermutlich der Verfasser des Buches Jeremia - wenn dieses nicht vom Propheten selbst stammt. Zwischen dem Propheten Jeremia und seinem Schreiber Baruch bestand ein engeres Arbeitsverhältnis, sie gingen auch zusammen nach Ägypten ins Exil. Man kann die deuteronomischen Schriften als Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit betrachten, mit Jeremia als Dichter und Inspirator und Baruch, dem Schreiber, als Autor. Insgesamt würden dann acht Bücher der Bibel von dem Team Jeremia-Baruch stammen: Das Buch Deuteronomium, die folgenden sechs Bücher und das Buch Jeremia.

Einen Eindruck vom Propheten Jeremia vermittelt das Buch, das nach ihm benannte wurde. Jeremia wirkt dort oft wie ein gequälter Mann, der seinem religiösen Auftrag verpflichtet, von den Menschen abgelehnt wurde. Er macht den Eindruck, dass ihm alles lieber wäre als die ihm zugewiesene Aufgabe - dass er sich wünsche, nicht in die Zukunft schauen zu müssen und der Gegenwart durch den Tod entfliehen zu können. Er muss die Wahrheit aussprechen, egal, welche Konsequenzen es hat. Die Menschen fürchten ihn. Er ist entsetzlich einsam. Als Geschichtsschreiber hielt er das Erbe seines Volkes fest. Als Prophet konzipierte er das Schicksal dieses Volkes.

Im Jahre 538 v.u.Z. erlaubte der Perserkönig Cyrus...

Erscheint lt. Verlag 24.6.2022
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Judentum
Schlagworte Analyse • Aufklärung • Dokumentation • Historie • Kritik
ISBN-10 3-347-67142-2 / 3347671422
ISBN-13 978-3-347-67142-3 / 9783347671423
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