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Woran wir wachsen (eBook)

Welche Lebensereignisse unsere Persönlichkeit prägen und was uns wirklich weiterbringt. - Die neuesten Erkenntnisse aus der Persönlichkeitspsychologie
eBook Download: EPUB
2022
224 Seiten
Ariston (Verlag)
978-3-641-29570-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Woran wir wachsen - Eva Asselmann, Martina Pahr
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Unsere Persönlichkeit entwickelt sich anders als gedacht
Kinder, Karriere, Krisen - was prägt unsere Persönlichkeit wirklich? Die Forschung weiß, dass persönliches Wachstum in jedem Lebensabschnitt und bis ins hohe Alter möglich ist. Doch was genau treibt diese Entwicklung an? Wie wirken sich wichtige Lebensereignisse in Ausbildung und Beruf, Partnerschaft und Familie, Krankheit und Gesundheit auf einzelne Facetten unserer Persönlichkeit aus? Und lässt sich die Persönlichkeit vielleicht sogar gezielt verändern? Die Persönlichkeitspsychologin Prof. Dr. Eva Asselmann stellt anschaulich und humorvoll die neuesten Studien auf diesem Gebiet vor und liefert überraschende Erkenntnisse: Beispielsweise lässt uns die Geburt eines Kindes weit weniger reifen als unser erster richtiger Beruf. Derartige Erkenntnisse sind für uns alle nützlich: Welche Erfahrungen haben die meiste Schubkraft, und wie beeinflussen sie unser Wohlbefinden? Und wie hilft uns dieses Wissen, um an neuen Situationen und Herausforderungen zu wachsen?

Prof. Dr. rer. nat. habil. Eva Asselmann, Jahrgang 1989, ist Professorin für Differentielle und Persönlichkeitspsychologie an der HMU Health and Medical University in Potsdam. Sie forscht zu den Themen Persönlichkeitsentwicklung, Gesundheitsförderung und Prävention und beschäftigt sich mit diesen Fragen: Wie verändert sich unsere Persönlichkeit im Laufe des Lebens? Wie wirken sich einschneidende Ereignisse auf unsere Persönlichkeit, unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit aus? Was können wir tun, um Krisen zu bewältigen und an Herausforderungen zu wachsen? Sie leitet diverse Forschungsprojekte und ist Autorin zahlreicher Studien. Anknüpfend daran entwickelt sie gezielte Coachings und Trainings zu den Themen Persönlichkeitsentwicklung, Resilienz, Stressmanagement und Entspannung und hat langjährige Praxiserfahrung. Sie ist zertifiziert im Systemischen Coaching, im Change Management und in der Akzeptanz- und Commitment-Therapie. Für Vorträge und als Expertin in den Medien wird sie regelmäßig angefragt.

Kapitel 2: Die Big Five – das Who is Who der Persönlichkeitsmerkmale

»Individualisten sind über Ecken und Kanten
miteinander verwandt.«

Alexander Eilers

Welche Faktoren definieren nun unsere Persönlichkeit? Tatsächlich gilt es hier eine Vielzahl an Eigenschaften zu berücksichtigen. Dazu gehören neben bestimmten Fähigkeiten (z. B. Intelligenz und soziale Kompetenz) auch emotionale und motivationale Merkmale wie Bedürfnisse und Motive, Werte und Einstellungen, die sogenannte Selbstwirksamkeitserwartung (d. h. die persönliche Überzeugung, mit dem eigenen Handeln »wirksam« in der Welt und mit anderen zu agieren) sowie die Kontrollüberzeugung (d. h. der Glaube, das eigene Leben selbst in der Hand zu haben). Außerdem das Selbstwertgefühl und das subjektive Wohlbefinden. Die wohl wichtigsten Eigenschaften aber sind die »Big Five«, fünf grundlegende Persönlichkeitsmerkmale, die einen großen Anteil der psychologischen Unterschiede zwischen Menschen beschreiben. Sie lauten Offenheit für neue Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und emotionale Stabilität.

Was bisher geschah

In den Anfängen der Persönlichkeitspsychologie herrschte ein Chaos unzähliger Persönlichkeitsmerkmale, die weder einheitlich bezeichnet waren noch irgendeiner Systematik unterlagen. Das erschwerte die Vergleichbarkeit in der Forschung. Um Ordnung zu schaffen, stellte man sich daher die Frage: Was sind die Kernmerkmale, in denen sich Menschen voneinander unterscheiden? Um diese zu identifizieren und dabei nichts Wichtiges zu übersehen, arbeitete man mit dem sogenannten lexikalischen Ansatz. Er geht davon aus, dass alle relevanten Persönlichkeitsmerkmale in unserer Sprache repräsentiert sind. Die Eigenschaftswörter einer Sprache können also als Grundlage genutzt werden, um die Grundzüge unseres Charakters zu identifizieren.

Die beiden US-amerikanischen Psychologen Gordon Allport und Henry Sebastian Odbert leisteten hier echte Pionierarbeit. Sie waren die Ersten, die 1936 alle Adjektive, Partizipien und Substantive aus dem englischsprachigen Wörterbuch in Bezug auf Persönlichkeitsmerkmale untersuchten.3 Um genau zu sein, griffen sie dafür auf das Webster’s New International Dictionary aus dem Jahre 1925 zurück, das schlappe 550000 Wörter umfasst. Dabei machten sie eine Ausbeute von knapp 18000 Wörtern (ohne Einsatz von Computern ein enormer Kraftakt, den Allport selbst als »semantischen Albtraum« bezeichnete). Aus diesen erstellten sie vier Kategorien: vorübergehende Zustände, Stimmungen und Aktivitäten (jubelnd, brabbelnd, beschämt, hektisch, etc.), stark wertende Urteile (unbedeutend, akzeptabel, wertvoll, etc.), physische Eigenschaften, Leistungsmerkmale und Talente (unförmig, mager, rothaarig, fähig, talentiert, fruchtbar, etc.) und Persönlichkeitsmerkmale (aggressiv, introvertiert, gesellig, etc.). Die rund 4500 Wörter der letzten Kategorie wurden mit statistischen Verfahren hinsichtlich ihrer Ähnlichkeitsstrukturen untersucht, um übergeordnete Faktoren daraus abzuleiten.

Basierend auf diesem lexikalischen Ansatz konnte man letztendlich fünf grundlegende Persönlichkeitsmerkmale identifizieren: die sogenannten Big Five, die uns durch dieses Buch begleiten werden und auch als Fünf-Faktoren-Modell oder OCEAN-Modell bekannt sind. Das eingängige Akronym setzt sich aus den Initialen der englischen Wörter zusammen:

Offenheit für neue Erfahrungen (Openness for experience)

Gewissenhaftigkeit (Conscientiousness)

Extraversion (Extraversion)

Verträglichkeit (Agreeableness)

Neurotizismus (Neuroticism)

Eigentlich unglaublich: Milliarden von Menschen lassen sich anhand von fünf Merkmalen hinsichtlich ihrer Persönlichkeitsstruktur beschreiben – damit wäre das Zitat aus der Feder des Philosophen und Aphoristikers Alexander Eilers zu Beginn dieses Kapitels nachhaltig belegt!

OCEAN’s Five: das Fundament

Die Big Five sind der Hit! Sie kristallisierten sich in so vielen unterschiedlichen Studien, Sprachen, Ländern und Kulturen heraus, dass sie als sehr robust gelten. »Robust« bedeutet in der Wissenschaft: Eine solide Erkenntnis, die belastbar ist und immer wieder bestätigt wird, also im Grunde schon fast als Tatsache gehandelt werden kann. (Und wo wir schon beim Hit sind: Nachdem bereits Ocean’s Eleven, Ocean’s Twelve und Ocean’s Eight Erfolge an den Kinokassen feiern konnten, ist es sicher nur eine Frage der Zeit, bis Hollywood diesen spannenden Stoff verfilmen wird: Fünf Koryphäen, die gemeinsam den »Personality Code« knacken – gewitzte, clevere, überaus kompetente Leute mit trockenem Humor und liebenswerten Eigenarten. Mit George Clooney in der Rolle als »Oliver Open« und Brat Pitt als »Early Extrovert« wird es garantiert ein Blockbuster!)

Die großen Fünf sind sogenannte »dimensionale Merkmale«, was bedeutet, dass sie bei einzelnen Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Wir alle haben sie, doch leben wir sie in verschiedenem Grad. Es gibt also nicht die Extravertierten auf der einen und die Introvertierten auf der anderen Seite (auch wenn wir die Extreme in diesem Buch der Anschaulichkeit halber manchmal so bezeichnen). Stattdessen umfasst die Mess-Skala von sehr introvertiert bis sehr extravertiert unendlich viele Punkte und zeigt individuell mal mehr, mal weniger davon an.

Offenheit für neue Erfahrungen ist ein Indikator für unsere mentale Komplexität. Sehr offene Personen sind in der Regel einfallsreich, originell, erfinderisch und fantasievoll. Ihr intellektuelles Interesse ist breit gefächert: Neugierig und aufgeschlossen begegnen sie Ideen und Konzepten jeder Art, sei es in Philosophie, Weltanschauung oder Politik. Jeglicher Ausdruck von Ästhetik wie Kunst, Musik und Literatur begeistert sie. Routine können sie dagegen wenig abgewinnen, sie bevorzugen die Abwechslung und probieren gern Neues aus, von Aktivitäten über Speisen bis hin zur Innendekoration. Wen wundert es also, dass sie außerdem liebend gerne reisen und andere Länder und fremde Kulturen kennenlernen.

Weniger offene Personen sind im Vergleich dazu eher konventionell und konservativ-bewahrend eingestellt. Sie fühlen sich in routinemäßigen Abläufen wohl, bevorzugen Gewohntes und halten Traditionen in Ehren. Unbekanntem begegnen sie weniger aufgeschlossen. Statt neuen geistigen Impulsen wenden sie sich eher Vertrautem zu.

Das Persönlichkeitsmerkmal der Offenheit bezieht sich übrigens auf mentale, nicht auf soziale Offenheit. Mit Offenheit ist also nicht gemeint, dass wir bei geselligen Anlässen offen auf neue Leute zugehen (das wäre Extraversion), sondern dass wir unbekannten und unkonventionellen Dingen zugewandt sind. Eine in diesem Sinne offene Haltung ist meist eng mit Fähigkeiten wie Intelligenz und Kreativität verbunden. Natürlich gibt es auch geistig interessierte Menschen, die konventionell ausgerichtet und weniger aufgeschlossen für Exotisches sind. Wir alle haben einen Onkel Paul, der das Leben kennt und über jedes relevante und irrelevante Thema bestens informiert ist, obwohl er zeitlebens in seinem Heimatort bleiben wollte und grundsätzlich nur im Schwarzwald Urlaub macht.

Gewissenhaftigkeit bezieht sich auf die zielorientierte Impulskontrolle in unserem Handeln. Wir wollen Eis essen gehen, weil die Sonne scheint, aber unsere Arbeit ist noch nicht getan. Wenn wir gewissenhaft sind, geben wir dem verführerischen Drang nicht nach, sondern ordnen unsere spontanen Impulse unseren langfristigen Zielen unter. Leider spielt Eiskonsum in diesem Sinne nur selten eine entscheidende Rolle. Stattdessen erreichen wir unsere Ziele, wenn wir aufgeräumt, strukturiert, zuverlässig und organisiert sind. Sehr gewissenhafte Personen sind zielstrebig, entschlossen, exakt und ordentlich. Sie haben ihr Leben im Griff und noch dazu eine aufgeräumte und blitzeblank geputzte Wohnung. Zu ihren Stärken (die sie im Vorstellungsgespräch angeben können, ohne zu erröten) gehören Zuverlässigkeit, Fleiß sowie Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein.

Weniger gewissenhafte Personen sind weniger achtsam, weniger sorgfältig und ungenauer. Dafür fällt es ihnen leichter, auch mal alle fünfe gerade sein zu lassen und Fehler in Kauf zu nehmen. Probleme wie Akribie, Perfektionismus oder Zwanghaftigkeit spielen eine untergeordnete Rolle in ihrem Leben. Chaos-Queens und -Kings können dadurch überaus erfrischend, angenehm und sympathisch sein. Heikel wird es nur dann, wenn man sich darauf verlässt, dass sie eine Sache erledigen – und zwar rechtzeitig.

Extraversion beschreibt, ob und wie aktiv wir die Interaktion mit anderen suchen und in diesem Sinne »sozial« agieren. Extravertierte sind gesellige Menschen, die mit Vergnügen unter Leute gehen, gern und viel reden (manchmal zum Leidwesen ihrer Mitmenschen) und kein Problem damit haben, im Mittelpunkt zu stehen. Sie sind sozial dominant, aktiv, lebhaft und fröhlich. Ihr natürlicher Lebensraum sind Partys und Großveranstaltungen.

Während Extravertierte den Trubel um sich herum brauchen und genießen, strengt genau das Introvertierte eher an. Sie sind deutlich ruhiger, in sich gekehrt und zurückhaltend. Dafür können sie sich lange und intensiv konzentriert mit einem Thema befassen. Sie verspüren keinen...

Erscheint lt. Verlag 24.8.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte 2022 • Differentielle Psychologie • eBooks • Entwicklung • Erfolg • Lebenserfahrung • Neuerscheinung • Persönliches Wachstum • Persönlichkeit • Persönlichkeitsentwicklung • Persönlichkeitspsychologie • Ratgeber • Resilienz • Selbsterkenntnis • Stressmanagement • Zufriedenheit
ISBN-10 3-641-29570-X / 364129570X
ISBN-13 978-3-641-29570-7 / 9783641295707
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