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Ein Idiot kommt selten allein (eBook)

Wie Sie Moralaposteln, Miesepetras und anderen schwierigen Zeitgenossen Paroli bieten
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
208 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01362-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Idiot kommt selten allein -  Claudia Hochbrunn
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Alle Idioten - außer mir! Ob Miesmacher, Moralapostel, übertriebene Optimisten oder Märchenerzähler - wo man auch hinschaut, begegnen einem Idioten. Sie nerven und belästigen uns bei der Arbeit, während der Freizeit, im Internet und in der Politik. Wie wachsen diese Menschen heran und was macht sie aus? Welche Arten von Idioten gibt es? Und wie geht man am besten mit ihnen um? Claudia Hochbrunn analysiert mit viel Witz und scharfer Zunge die verschiedenen Persönlichkeitstypen und zeigt, wie wir mit ein wenig Feingefühl, ein bisschen Geduld und dem ein oder anderen Trick in der Kommunikation mit ihnen fertig werden.

Claudia Hochbrunn ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Sie arbeitete viele Jahre lang in verschiedenen psychiatrischen Kliniken, beim Sozialpsychiatrischen Dienst, sowie im forensischen Maßregelvollzug mit Schwerverbrechern. Zum Schutz ihrer Patienten verfasst sie ihre Bücher unter Pseudonym.

Claudia Hochbrunn ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Sie arbeitete viele Jahre lang in verschiedenen psychiatrischen Kliniken, beim Sozialpsychiatrischen Dienst, sowie im forensischen Maßregelvollzug mit Schwerverbrechern. Zum Schutz ihrer Patienten verfasst sie ihre Bücher unter Pseudonym.

Der Miesmacher


Der Miesmacher ist ein Menschentypus, der in allem immer nur das Schlechte sieht. Freude ist ihm fremd, und selbst wenn er Erfolg hat, kann er ihn nicht genießen, sofern er nicht der Beste ist. Noch unangenehmer ist die Tatsache, dass er auch anderen Menschen die Freude an Dingen verleidet. Er findet nicht nur ein Haar in der Suppe, sondern mindestens einen Zopf, wenn nicht gar eine vollständige Perücke. Aus diesem Grunde ist der Miesmacher gefürchtet und nicht sonderlich beliebt.

 

Der Oberbegriff des Miesmachers umfasst zwei sich ähnelnde Untertypen, die jedoch einige Unterschiede aufweisen, die man beachten muss, wenn man die richtigen Umgangsstrategien mit ihnen finden will.

 

So gibt es den Miesmacher in seiner Vollausprägung, der mit allem unzufrieden ist und beim Schlechtmachen auch vor sich selbst nicht haltmacht. Dieser Menschentypus ist auch als Miesepeter bekannt. Für Frauen hat sich der Begriff der Miesepetra zwar noch nicht durchgesetzt, aber es spricht nichts dagegen, diesen zu verwenden.

 

Der zweite Typus ist der Neidhammel, der immer nur das schlechtmacht, was er nicht selbst haben kann. Wer auf korrektes Gendern Wert legt, kann weibliche Neidhammel selbstverständlich auch neidische Zicke oder kurz Neidzicke nennen.

1. Der Miesepeter


Dieser Menschentypus hat in seiner frühesten Kindheit oft Zurückweisungen von seinen Eltern erfahren. Häufig hatten sie keine Zeit, sich mit ihm zu beschäftigen, oder haben Versprechen nicht eingehalten. Klassisch für die Kindheit des Miesepeters sind gemeinsame Erlebnisse mit der Familie, auf die er sich lange gefreut hat und die dann ohne nachvollziehbaren Grund abgesagt wurden. Wenn dem Kind beispielsweise lange ein Zoobesuch versprochen war, aber die Eltern den Ausflug plötzlich canceln, ist die Enttäuschung bei jedem Kind groß. Der Unterschied zwischen dem Miesepeter und anderen Kindern besteht in der Art, wie die Eltern damit umgehen. Während manche Eltern ihren Kindern offen erklären, warum sie den Ausflug absagen mussten – also beispielsweise, weil Mutti als Krankenschwester plötzlich für eine Extraschicht einspringen muss –, reagieren die Eltern künftiger Miesepeter völlig anders. Sie glauben, die Enttäuschung ihres Kindes besser lindern zu können, indem sie an seinen Verstand appellieren: «Sieh mal, so ein Zoo ist doch eigentlich Tierquälerei. Da sind die Tiere nur eingesperrt, und die wären doch viel lieber in freier Natur. Das kann man sich als anständiger Mensch doch gar nicht antun. Wir tun den Tieren doch einen viel größeren Gefallen, wenn wir das nicht länger unterstützen.»

Und schon darf das enttäuschte Kind sich nicht mehr darüber ärgern, dass es nicht in den Zoo kam. Schließlich würde es durch einen Zoobesuch automatisch zu einem Tierquäler werden, der sich an dem Elend eingesperrter Mitgeschöpfe ergötzt. Das Gemeine daran ist, dass es den Eltern überhaupt nicht um das Tierwohl geht. Sie wollen nur moralisch edel dastehen, um eigene Ziele durchzusetzen (meistens handelt es sich dabei um Moralapostel, die wir später kennenlernen werden). Unbewusst spürt das Kind das auch, aber es ist noch nicht in der Lage, diese Gefühle richtig einzuordnen. Es fühlt sich einfach nur unwohl und schiebt das auf sein schlechtes Gewissen wegen der armen Tiere, die in Käfigen leiden müssen.

Wenn nun in der Schule andere Kinder von ihrem Wochenendausflug in den Zoo schwärmen, spürt der neu heranreifende Miesepeter erneut einen Anflug von Neid und Traurigkeit, aber das darf er sich nicht eingestehen. Er will ja niemanden darum beneiden, sich der Riege der Tierquäler angeschlossen zu haben. Also reagiert der kindliche Miesmacher genauso auf die Erzählungen der anderen Kinder, wie seine Eltern auf ihn reagiert haben. Er hält ihnen Vorträge über Tierquälerei, wie abscheulich Zoos sind und dass ein anständiges Kind die niemals betreten würde, weil es sich sonst sofort mitschuldig macht. Falls er noch in der 1. Klasse der Grundschule ist, wird er damit vermutlich Erfolg haben und lauter erschütterte Kinder zurücklassen. Sollte er bereits in der 4. Klasse sein, ist es nicht mehr ganz so einfach, hier riskiert er, von selbstbewussten Kindern ausgelacht oder als Neidhammel beschimpft zu werden.

Dabei ist er sich im Gegensatz zu einem Neidhammel gar nicht darüber bewusst, dass er wirklich neidisch ist. Er hat die Neidgefühle ganz tief in seinem Herzen vergraben und bekämpft sie, indem er sich zum Rächer schwacher Zootiere aufschwingt. Wenn es hart auf hart kommt, wird er die Ehre der armen Zootiere mit der Faust verteidigen und blutige Nasen der unbelehrbaren Zoobesucher in Kauf nehmen. Dass diese Attacken eigentlich seinen Eltern gelten, die ihn enttäuscht haben, wird ihm erst in zwanzig Jahren während seiner ersten Psychotherapie bewusst werden.

Da der jugendliche Miesepeter zu Hause ständig mit Eltern zu tun hat, die zwar unzuverlässig sind, aber für alles logisch klingende Ausreden zur Hand haben, wird er sein Verhalten immer mehr anpassen. Es hat ja auch Vorteile, ein Miesmacher zu sein. Wer die hohe Kunst des Miesmachens beherrscht, kann problemlos Kritiker werden, sei es für Literatur oder die neue Vielzweckgartenschere, die sofort stumpf wurde, obwohl man damit nur sieben Bäume beschnitten hat.

Ein Miesmacher hat zahlreiche Möglichkeiten, Anerkennung zu bekommen, seit es das Internet gibt. Gerade Bewertungsportale für Hotels, Gastronomie, Ärzte oder bei Onlinehändlern sind die ideale Spielwiese für den Miesepeter. Hier kann er zeigen, was er gelernt hat. Der Miesepeter begnügt sich im Gegensatz zum Neidhammel nicht damit, einfach nur eine nichtssagende Rezension zu verfassen und dann einen Stern zu geben. Nein, der echte Miesepeter ist ein Virtuose, der sich Zeit lässt und für einen guten Verriss mehr Energie aufbringt als so manche Politikgröße für ihre Doktorarbeit. Er will das Gegenüber mit seinem Verriss treffen und verletzen, so sehr, wie das Leben ihn selbst ständig verletzt.

Manchmal treibt das sehr skurrile Blüten, wenn der Miesepeter nicht erkennt, wo er die Grenze ziehen sollte. Ein echter Miesepeter bewertet alles. Wenn man Miesepeter in voller Aktion erleben will, sollte man sich bei einem bekannten Onlinehändler, dessen Name an kriegerische Frauen erinnert, die 1-Sterne-Rezensionen über Sexspielzeug durchlesen. Aber bitte nur im Inkognito-Modus, falls man keinen Wert darauf legt, später ständig entsprechende Werbung zu bekommen. Es ist kaum zu glauben, wie detailreich da über zu scharfe Nähte bei aufblasbaren Gummipuppen geklagt wird, an denen der Rezensent sich verletzt hat. Überhaupt sind negative Online-Rezensionen zu allen möglichen Gegenständen eine wahre Fundgrube, wenn man die Psyche seiner Mitmenschen studieren will.

Wenn der Miesepeter sehr erfolgreich ist, schafft er es mit seinem Verhalten häufig in Talkshows oder sogar in die Spitzenpolitik.

Miesepeter in der Politik zeichnen sich durch eine besondere Eloquenz in ihrer Argumentation aus, wenn sie andere auseinandernehmen. Sie sind hervorragend vorbereitet und lassen am politischen Gegner kein gutes Haar. Das Hauptproblem besteht darin, dass sie zwar ausgezeichnete Analysen abfassen, was alles schiefläuft, aber nicht in der Lage sind, konstruktive Lösungsvorschläge anzubieten. Allerdings ist es von Vorteil, einen Miesepeter im Wahlkampfteam zu haben, sofern man auch wenigstens zwei übertriebene Optimisten hat, die konstruktive Vorschläge liefern, während der Miesepeter die Konkurrenz demontiert.

Wenn es um eigene Erfolge geht, fällt es dem Miesepeter oft sehr schwer, einen Sieg zu genießen. Er ist es so sehr gewohnt, sich immer sofort auf das Schlechte zu fokussieren, dass er seine Erfolge schon mal übersieht oder kleinredet. Das kann in der Politik von Vorteil sein. Ein Miesepeter ist die perfekte Besetzung als Deutscher Bundespräsident, der ja von Berufs wegen ständig mahnen und tadeln und an die deutsche Verantwortung erinnern muss. Da ein echter Miesepeter sich auch immer sehr gut auf alles vorbereitet, kann er somit staatstragende und viel bejubelte Reden schwingen, vor allem, wenn es um Gedenktage rund um die Weltkriege oder Naturkatastrophen geht.

Als Bundeskanzler wäre ein Miesepeter allerdings ungeeignet, weil man da konstruktive Lösungsvorschläge bei komplizierten Verhandlungen erwartet.

Wenn der Miesepeter sich gut in seiner Rolle eingelebt hat und die Stärken seiner Persönlichkeit auszuspielen weiß, hat er keinen Grund, irgendetwas an seinem Leben zu ändern. Er ist am Ziel angekommen und dort, wo er nun steht, auch wirklich gut aufgehoben.

Problematischer ist es mit den erfolglosen Miesepetern, die sich darauf beschränken müssen, alles in ihrer privaten Umgebung schlechtzumachen. Ein einziger, für andere unsichtbarer Schönheitsfehler kann ihm bereits die Freude an allem verleiden.

Wenn eine Miesepetra beispielsweise mit ihrer Freundin shoppen geht und die Freundin ein schickes Oberteil anprobiert, wird Miesepetra erst einmal schauen, ob sich auch nirgendwo etwas abzeichnet oder es gar an Problemzonen spannt. Dafür sind Miesepetras als Shopping-Partnerinnen...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2023
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Andersdenkende • Debattenbeitrag • Diskussionsansätze • Fake News • Fanatiker • Gesellschaft • Humorvoller Ratgeber • Impfgegner • Kommunikationsstrategien • Menschen • Mitläufer • Mitmenschen • Moralapostel • Persönlichkeit • Psychologie • Qanon • Querdenker • Ratgeber • Rechtsextrem • Sozialverhalten • Soziologie • Umgang mit schwierigen Menschen • Verschwörungstheorien • Verschwörungstheroretiker • Wutbürger
ISBN-10 3-644-01362-4 / 3644013624
ISBN-13 978-3-644-01362-9 / 9783644013629
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