Lieben lernen. Alles über Verbundenheit (eBook)
288 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-365-00020-5 (ISBN)
»Frauen, die sich für die Liebe entscheiden, müssen klug, waghalsig und mutig sein.«
Ein großartiges Plädoyer für die Macht der Liebe
Liebe(n) geht uns alle an. Unsere Sehnsucht und Suche nach Liebe hören nie auf. Egal wie alt wir sind. Warum fällt es uns dennoch so schwer, den wahren Stellenwert der Liebe gesellschaftlich anzuerkennen? Weshalb verharren so viele Menschen in Beziehungen, die schon lange nicht mehr liebevoll sind? Wieso stoßen vor allem ältere Frauen mit ihrem Liebesbedürfnis an Grenzen? Wo kollidieren Geschlechterrollen mit Erwartungen? Was hat der Feminismus damit zu tun? Wie hat die feministische Bewegung unsere Vorstellung von Liebe beeinflusst und verändert? Und inwieweit stecken wir bei Liebesdingen alle in patriarchalen Denkmustern und Machtstrukturen fest?
Mit souveräner Offenheit begegnet die renommierte Literaturwissenschaftlerin bell hooks diesen Fragen. Jenseits aller Dogmen und Schuldzuweisungen entwirft sie eine neue Kunst des Liebens; basierend auf Freiheit, Selbstliebe und echter Verbundenheit.
»Meisterhaft. Für alle Frauen (und Männer), die sich Gedanken über die Liebe machen, ist dieses Buch ein Valentinstaggeschenk.«
Los Angeles Times
»Die Vision einer Welt, in der die Liebe zur Macht durch die Macht der Liebe ersetzt werden kann.«
Time Out New York
BELL HOOKS, geboren am 25. September 1952 als Gloria Watkins in Hopkinsville, Kentucky, war eine US-amerikanische Literaturwissenschaftlerin und Aktivistin. Seit den 1970er-Jahren zählt sie zu den bedeutendsten Stimmen für Frauen- und Bürgerrechte. Sie unterrichtete u. a. an der Yale-Universität und am Oberlin College und lehrte zuletzt als Professorin am Berea College, Kentucky. bell hooks ist der Name ihrer indigenen Großmutter und war ihr Pseudonym. bell hooks starb am 15. Dezember 2021 in Kentucky.
Vorwort
Die Seele strebt
nach Verbundenheit
F rauen reden über Liebe. Wir lernen von Kindheit an, dass Gespräche über die Liebe geschlechtsabhängig, ein Frauending sind. Unsere Besessenheit von dem Thema beginnt nicht mit dem ersten Schwarm oder der ersten Verliebtheit. Sie ergibt sich aus der Erkenntnis, dass Frauen weniger geschätzt werden als Männer, dass wir, egal wie gut wir sind, in den Augen der patriarchalen Welt letztlich niemals gut genug sind. In der patriarchalen Gesellschaft markiert uns unsere Weiblichkeit von Anfang an als wertlos oder als nicht wertvoll, und daher dürfte es niemanden überraschen, dass wir lernen, uns als Mädchen, als Frauen am meisten darum zu sorgen, ob wir der Liebe würdig sind.
Da wir mit ehrgeizigen, kritischen Müttern aufwachsen, mit Vätern, die wir nie wirklich zufriedenstellen können, oder als »Papas perfektes kleines Mädchen«, das so große Angst davor hat, dessen Anerkennung zu verlieren, dass wir sogar aufhören zu essen und heranzuwachsen, weil wir sehen, dass Papas Interesse nachlässt, weil wir sehen, dass er Frauen nicht liebt, sind wir uns, was die Liebe angeht, unsicher. Um uns Papas Liebe zu bewahren, müssen wir uns mit aller Macht an der Mädchenhaftigkeit festklammern. Alle Mädchen lernen in jungen Jahren – wenn nicht von ihren Eltern, dann von der Umgebung, in der sie aufwachsen –, dass sie sich das Recht, geliebt zu werden, verdienen müssen – dass »Frausein« an sich nicht gut genug ist. Das ist die erste Lektion, die jede Frau in der Schule der patriarchalen Denkweisen und Wertvorstellungen lernt. Sie muss sich die Liebe verdienen. Sie hat kein Anrecht darauf. Sie muss »brav« sein, um geliebt zu werden. Und was »brav« bedeutet, bestimmt immer jemand anderes, jemand Außenstehendes. In ihrem Essay »Dancing on My Father’s Shoes«, in dem sie über ihre Beziehung zu ihrem Vater schreibt, schildert Patricia Ruff auf herzzerreißende Weise, wie sie den Glauben daran verlor, Liebe verdient zu haben, wertgeschätzt zu werden: »Meine Mutter erzählte mir, dass er als Erstes eine Tochter gewollt habe und überglücklich war, als er mich bekam. Daher war ich nicht darauf vorbereitet, als mir mein Prinzessinnenstatus unvermittelt genommen wurde, ganz abrupt, wie eine Seite, die aus einem Notizbuch gerissen wurde. Irgendetwas passierte, doch niemand erklärte es mir. … Ich konnte meine Gefühle nicht zum Ausdruck bringen und hatte keine Worte für die Wut und den Schmerz, die seine plötzliche Unerreichbarkeit in mir auslösten.« Da Ruff befürchtete, dass ihre jüngere Schwester die gleiche emotionale Zurückweisung erleiden könnte, schlug sie vor, den Vater gemeinsam zu konfrontieren: »Wir platzten ins Schlafzimmer hinein und warfen uns auf unseren verblüfften Vater, der stocksteif blieb und kein Wort sagte, während wir weinend auf ihm lagen, nach ihm griffen, ihn festhielten und nicht loslassen wollten. ›Daddy, bitte nimm uns in den Arm, sag, dass du uns liebst, wir lieben dich, wir brauchen deine Liebe‹, flehten wir.« Meist ist es das Gefühl, von den Eltern zurückgewiesen oder verlassen zu werden, das eine Leere erzeugt, die für Frauen zum Antrieb wird für die verzweifelte Suche nach Liebe.
Im Kleinkindalter fühlen sich Mädchen oft zutiefst geliebt, doch wenn wir einen eigenen Willen und unabhängige Ansichten entwickeln, stellen wir fest, dass sich die Welt von uns abwendet, dass wir als nicht liebenswert gelten. Das ist die Erkenntnis über das weibliche Schicksal, die Madonna Kolbenschlag in ihrem Werk Lost in the Land of Oz zum Ausdruck bringt: »In einer gewissen, grundlegenden Weise hat man uns allen Liebe und Bemuttertwerden vorenthalten – wenn nicht Liebe selbst, dann das Gefühl, geliebt worden zu sein. Zu wissen, dass wir geliebt wurden, reicht nicht aus; wir müssen es spüren.« Wie können Mädchen an der Überzeugung festhalten, dass sie geliebt, wirklich geliebt werden, wenn sie überall erleben, wie Weiblichkeit verachtet wird? An ihrer Weiblichkeit können sie nichts ändern, also versuchen sie, sich anzupassen, sich als der Liebe würdig zu erweisen.
Da uns der Glaube vermittelt wird, dass wir uns über Beziehungen zu anderen definieren, fangen Frauen früh an, jenseits ihres eigenen Herzens nach Liebe zu suchen. Wir lernen schon als Mädchen, dass der Ursprung der Liebe außerhalb unseres Vermögens liegt, dass wir von anderen geliebt werden müssen, um Liebe zu erfahren. Denn als weibliche Wesen in einer patriarchalen Gesellschaft können wir nicht selbst über unseren Wert bestimmen. Was wir gelten und ob wir der Liebe würdig sind oder nicht, wird immer von anderen festgelegt. Ohne die Möglichkeit, Selbstliebe zu praktizieren, schauen wir auf andere, damit sie uns als liebenswert befinden; wir sehnen uns nach Liebe und suchen danach.
Obwohl die feministische Bewegung die schon in der Kindheit einsetzende Entwertung der Frau kritisierte, änderte sie nichts daran. Mädchen von heute wachsen in einer Welt auf, in der sie ständig hören, dass Frauen dieselben Rechte hätten wie Männer, doch in der Kindheit gibt es trotzdem keinen richtigen Platz für feministisches Gedankengut und dessen Umsetzung. Mädchen kämpfen heute noch genauso gegen sexistische Rollenbilder an wie schon vor der Frauenbewegung. Obwohl gewisse Ausprägungen des Feminismus diesen Kampf hier und da unterstützen, fühlen sich die meisten Mädchen ausgeliefert, weil es verwirrend ist, in eine Welt hineingeboren zu werden, in der die Befreiung der Frauen einen gewissen Raum zugewiesen bekommen hat und das Patriarchat die Mädchen trotzdem weiterhin fest in seinen Fängen hält. Wie ausgeprägt diese Gefangenschaft ist, zeigt die unter Mädchen aller Klassen und Ethnien verbreitete Angst, nicht geliebt zu werden.
Innerhalb der patriarchalen Kultur bekommt das Mädchen, das sich in seiner Herkunftsfamilie nicht geliebt fühlt, eine weitere Chance, seinen Wert zu beweisen, wenn es sich um die Liebe von Jungen und Männern bemüht. Jugendliche Schwärmereien, obsessives Verlangen, das zwanghafte Streben nach männlicher Aufmerksamkeit und Anerkennung sind Verweise darauf, dass ein Mädchen der Bestimmung seines Geschlechts nachkommt und sich zu einer Frau entwickelt, die ohne Mann nicht sein kann. Egal ob heterosexuell oder homosexuell – das Ausmaß, in dem ein Mädchen nach patriarchaler Anerkennung strebt, bestimmt darüber, ob es wert ist, geliebt zu werden. Das ist die emotionale Ungewissheit, der alle Angehörigen des weiblichen Geschlechts in der patriarchalen Gesellschaft ausgesetzt sind.
Daher sind Frauen von Anfang an verwirrt, was das Wesen der Liebe angeht. Da uns fälschlicherweise vermittelt wird, dass wir Liebe dort fänden, wo das Weibliche als unwürdig gilt und ständig entwertet wird, lernen wir früh vorzugeben, Liebe sei wichtiger als alles andere, obwohl wir in Wahrheit wissen, dass das Wichtigste selbst im Kielwasser der feministischen Bewegung doch eigentlich die patriarchale Anerkennung ist. Die meisten von uns Frauen haben von Geburt an Angst, verlassen zu werden, nicht geliebt zu werden, sollten wir die anerkannten Grenzen überschreiten.
Bedingt durch unsere frühe Besessenheit davon, andere um den Finger zu wickeln und ihnen zu gefallen, um uns unseres Wertes zu vergewissern, verlieren wir uns im Streben danach, akzeptiert, beachtet und begehrt zu werden. Unser Reden über die Liebe war bis hierher vor allem ein Reden über Begehren. Die feministische Bewegung hat in weiten Teilen nichts daran geändert, dass Frauen von Liebe besessen sind, und sie hat uns auch keine neuen Sichtweisen der Liebe aufgezeigt. Sie hat uns erklärt, dass wir besser dran wären, wenn wir aufhörten, über Liebe nachzudenken, wenn wir unser Leben so führten, als spiele Liebe keine Rolle, da wir sonst Gefahr liefen, Teil einer zutiefst verachteten Kategorie von Frauen zu werden: eine »Frau, die zu sehr liebt«. Die Ironie bestand natürlich darin, dass die meisten von uns nicht zu sehr liebten, sondern gar nicht. Wir waren emotional bedürftig und sehnten uns verzweifelt nach Anerkennung (durch Partner*innen), die unseren Wert, unsere Bedeutung, unser Recht, am Leben zu sein, untermauerte. Dafür waren wir bereit, alles zu tun. Als Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft waren wir keine Sklavinnen der Liebe – die meisten von uns waren und sind Sklavinnen der Sehnsucht, auf der Suche nach einem Meister, der uns befreit und für sich beansprucht, weil wir keinen Anspruch auf uns selbst erheben können.
Der Feminismus barg das Versprechen einer Kultur, in der wir frei sein und Liebe finden könnten. Doch dieses Versprechen hat sich nicht erfüllt. Viele Frauen sind bis heute verwirrt und fragen sich, welchen Stellenwert die Liebe in unserem Leben einnimmt. Nicht wenige von uns trauen sich nicht, Liebe als »bedeutsam« anzuerkennen, aus Angst davor, von Frauen verurteilt und verachtet zu werden, die innerhalb des Patriarchats zu Macht gekommen sind, indem sie ihre Emotionen verdrängten und sich den patriarchalen Männern anglichen, die wir einst als kalt und hartherzig kritisiert haben. Der auf Macht ausgerichtete Feminismus ist nur eine Masche, die uns Frauen Patriarchen spielen und uns so tun lässt, als würde die angestrebte und erlangte Macht uns befreien. Da wir keine großen Werke geschaffen haben, die Mädchen und Frauen neue und visionäre Betrachtungsweisen der Liebe aufzeigen, haben wir mit Ende zwanzig und Anfang dreißig den Aufstieg einer Generation von Frauen erlebt, die jedes Streben nach Liebe für eine Schwäche hält und den Blick ausschließlich auf Machtgewinn richtet.
Das Patriarchat hat Liebe immer schon für die Aufgabe der...
Erscheint lt. Verlag | 22.2.2022 |
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Übersetzer | Elisabeth Schmalen |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Communion. The Female Search for Love |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Partnerschaft / Sexualität | |
Geisteswissenschaften ► Psychologie | |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | All About Love • Alles über Liebe • bell hooks deutsch • Beziehung Liebe • Beziehungsbuch • Beziehungsprobleme • Communion • Communion. The Female Search for Love • die Kunst des Liebens • Emanzipation • Emanzipation der Frau • eva illouz warum liebe endet • female empowerment • Feminismus • feminismus buch • feminismus bücher • feminismus geschenk • Feminismus Geschichte • feministische bücher • feministische geschenke • Feministische Literatur • gleichberechtigte Partnerschaft • Kulturkritik • Liebe • Liebe Buch • Love Song to the Nation • Partnerschaft • Patriarchat • Radikale Zärtlichkeit • Sehnsucht nach Beziehungen • Sexismus • Suche nach Liebe • Warum Liebe weh tut |
ISBN-10 | 3-365-00020-8 / 3365000208 |
ISBN-13 | 978-3-365-00020-5 / 9783365000205 |
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