Lautmagische Zen-Sekten in Japan und tantrische Hexenkünste in China (eBook)
132 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7557-6463-2 (ISBN)
Die beiden Autoren Dr. theol. H. Haas und Freiherr von der Goltz waren aktive Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens und veröffentlichten in den "Mitteilungen" interessante und einzigartige Artikel, Aufsätze und Berichte.
Die tantrischkontemplativen Schulen
des japanischen Buddhismus.
Pfarrer Dr. theol. H. Haas
Der geschichtliche Teil:
Unter den vielen Sekten, in welche der Buddhismus in Japan – ein Zeichen einstigen Lebens – zersplittert ist, ist eine, die in mehr als einer Hinsicht zu allen anderen in striktem Gegensatze steht trotz ihrer sonstigen Berührungspunkte mit denselben: die Zen-Sekte.
Die Zen-Sekte ist nicht japanischen Ursprungs. Wie die meisten anderen Sekten wurde sie von außen und zwar von China eingeführt. Aber sind auch die drei Zweige, in denen sie in Japan Eingang und weite Verbreitung fand und besonders auf die Samuraiklasse den größten Einfluss übte,
- die Rinzai-,
- Soto- und
- Obaku-Sekte,
sämtlich dem Hauptstamme auf chinesischem Boden entwachsen. Dieser selbst hat seine Wurzeln im Mutterlande des Buddhismus, in Indien.
Wollen wir daher die Geschichte der Zen-Sekte in ihrer ganzen Entwicklung verfolgen, so müssen wir, wenn auch in noch so gedrängter Kürze, von ihrem Ursprung in Indien und sodann – ausführlicher – von ihrer Fortentwicklung in China sprechen, ehe wir daran gehen können, ihre Schicksale in Japan zu beschreiben.
Geschichte der Zen-Sekten in Indien.
Alle Sekten des japanischen Buddhismus suchen ihren Ursprung auf den Stifter der buddhistischen Religion zurückzuführen. Nicht einmal die in Japan selbst erwachsene Shin-shu, shu heißt Sekte, die Wahre Schule des Reinen Landes, ist eine der vier neuen buddhistischen Schulen der Kamakura-Zeit und nach den Schulen des Nichiren-Buddhismus die heute zweitgrößte Konfession des japanischen Buddhismus. Unter dem Nichiren-Buddhismus versteht man die verschiedenen Schulen des Buddhismus, die sich auf den Mönch und Gelehrten Nichiren berufen, der im Japan des 13. Jahrhunderts lebte. Diese Schulen bilden einen Teil der sog. Hokke-shu (Lotos-Schule) und taucht in älteren Quellen auch unter diesem Namen auf. Nichirens Lehre ist strukturell mit den Schulen des Reinen Landes (Jodoshu) vergleichbar. Allerdings steht nicht die Gottheit Amida im Zentrum des Glaubens, sondern Shaka Nyorai, der historische Buddha bzw. das schöpferische Lotos-Sutra. Dies entspricht der orthodoxen Position der Tendai-Lehre, darüber später, als deren konsequenten Vertreter Nichiren sich selbst ansah. Tatsächlich vereinfachte er jedoch die religiöse Praxis des Tendai Buddhismus nach dem Muster der Amidisten: So wie diese glauben, durch die lautmagische Anrufung Amidas (nenbutsu) bereits von diesem errettet zu werden, wenn man dessen Namen nach den tantrischen Gesetzen vollkommen ausspricht, vertritt Nichiren die Auffassung, das bloße Rezitieren des Titels des Lotos-Sutra (in der Formel namu myoho renge kyo) genüge, um alle Vorzüge dieses Sutra auf sich herabzurufen. Als Vorstufe des Nirwana gibt es auch im Nichiren-Glauben ein Reines Land (Ryozen Jodo). Und wie der Amidismus rechtfertigt auch Nichiren seine Vereinfachung der Tendai-Lehre mit dem Mappo-Gedanken, also der Idee, dass sich die Welt bereits in der Verfallszeit des buddhistischen Dharmas, der Gesetzmäßigkeit, befände, in der die Botschaft des Buddha in reiner, ungefilterter Form nicht mehr verstanden wird.
Gestiftet wurde die Shin-shu von Shinran Shonin, später wurde sie von Rennyo Shonin weiter ausgebildet, die mit ihrer Verwerfung der Erlösung aus eigener Kraft das gerade Gegenteil seiner praktischen Philosophie predigt und in Wirklichkeit dem christlichen Apostel Paulus näher steht als dem Weisen aus dem Sakya-Geschlechte, macht hiervon eine Ausnahme.
Die Schule basiert auf dem Sukhavativyuuhasutra (jap. Amida-kyo), dem Sutra des Landes der Glückseligkeit. Sie ist dem Amidismus, dem Amitabha-Buddhismus zugehörig. Im Zentrum ihrer Lehre steht das Vertrauen in den transzendenten Buddha Amitabha (jap. Amida) und die Hoffnung auf eine Wiedergeburt in seinem Reinen Land (jodo).
Shinrans Denken wurde stark von seinem Verständnis des Mappo beeinflusst, das er als ein Zeitalter des Niedergangs des Dharma (Buddhalehre) sieht. Shinran ist der Überzeugung, dass für die meisten Menschen dieser Zeit keine Hoffnung besteht, sich aus eigener Kraft aus dem leidvollen Kreislauf von Geburt und Tod zu befreien. Für Shinran waren alle Bemühungen, Erleuchtung zu erzielen, oder das Bodhisattva-Ideal zu verwirklichen, die sog. Gottesverbundenheit, nur Ausdruck der Verblendung, die der Ich-Illusion entstammt. In Anbetracht der Verstrickung in unheilsames Denken, Sprechen und Handeln, der drei Ebenen, Körper usw., ist den allermeisten Menschen eine Befreiung aus dem Samsara (leidvoller Daseinskreislauf) unmöglich: Shinran sagt: „Die Hölle ist meine einzige Bestimmung.“ Das Vertrauen aber auf die andere Kraft, die göttliche Kraft von Amida Buddhas grenzenlosem Mitgefühl, das sich in seinem ursprünglichen Gelübde, alle Wesen zur Befreiung zu führen, manifestiert, verwandelt die gebotene Hoffnungslosigkeit in die Gewissheit der vollkommenen Befreiung („Sogar der Gute wird erlöst, um wie viel mehr der Böse“). Wer dieses Vertrauen durch Singen seines Namens in seinem Herzen (der mittleren oder Astral-Ebene) verwirklicht, dem ist das Aufgehobensein im Reinen Land sicher. Da vom Einzelnen nichts getan werden kann, weil alles schon getan ist, kennt dennoch Jodo-Shinshu auch keine Praxis, wie man sie von anderen buddhistischen Schulen kennt. Selbst die Nembutsu-Praxis, das oftmalige tantrisch-konzentrierte Ausrufen von Namu Amida Butsu, der Verehrung dem Amida Buddha, das in anderen Reine-Land-Schulen als karmisch verdienstvolle Handlung gesehen wird, hat keinen Einfluss auf den Akt der Befreiung, sondern ist nur Ausdruck des Dankes für die Zusicherung der Befreiung durch Amida. So wird es in dieser Sekte gesehen!
Wer sich von der anderen Kraft des Gottes Amida zur Gänze erfassen lässt, verwirklicht Shinjin. Shinjin wurzelt in Jinen (natürliches spontanes Wirken des ursprünglichen Gelübdes) und kann nur durch inbrünstige Hingabe beim konzentrierten Sprechen der tantrischen Formel verwirklicht werden. Amidas unendliches Licht verklärt die karmischen Übel zahlloser vergangener Wiedergeburten und transformiert sie in gutes bzw. edles Karma. Der so von Amidas leuchtendem Beispiel Verwandelte geht unwiderruflich ins Reine Land ein und kehrt als Bodhisattva in die Welt zurück, um alle Wesen zu befreien. Somit und durch sein Verständnis von Leerheit und Nicht-Dualität steht Jodo Shinshu innerhalb der Mahayana-Tradition, trotz aller Unterschiede zu den anderen Ausformungen des Großen Fahrzeugs.
Lehrmäßig steht die Jodo Shinshu ihrer Mutterschule, der Jodo-shu sehr nahe. Auch der Gründer der Jodo-shu, Honen Shonin wird als Lehrer Shinrans hoch geschätzt. Er zählt mit sechs anderen buddhistischen Patriarchen aus Indien, China und Japan zu den von Shinran hoch verehrten Sieben Meistern der Jodo Shinshu. In Japan vereinigt sie etwa 23 Millionen Gläubige auf sich.
Mit größerem Recht als sie und als überhaupt die meisten anderen Sekten kann die Zen-shu den Stifter der buddhistischen Religion für ihre Sonderlehre in Anspruch nehmen, insofern nämlich als dieser, alle Zugänge abschneidend, durch welche andere Gedanken als seine eigenen den Weg in sein Inneres hätten finden können, in einsamer und mystischer Meditation auf das Licht der Erkenntnis wartete, bis es seinem Geiste von selbst aufging. Das kommt daher, weil die leider meist einseitige Zen-Sekte, wie unsere Darstellung ihrer Doktrin im zweiten Teile dieser Arbeit dartun wird, hierin sich dem Meister am nächsten zu stellen sucht.
Ja, man wird noch weiter gehen dürfen als die japanischen Anhänger dieser Sekte selbst. Denn in ihrer Lehre wie in ihrer Praxis ist nicht weniges, das sehr an ähnliche Übungen des Yogas, die die potenzierte Selbstzucht vermittelst der verschiedenen Techniken und der Doktrinen (z. B. Samkhya) gemahnt und hervorhebt, die sich schon im vorbuddhistischen Indien finden, d. h., dass sie die Formen des
- Raja-Yoga, die Lehre des Feuerelementes, des Willens usw.
- Jnana-Yoga, des Verstandes und der Luft usw.
- Bhatki-Yoga, des Gefühls, der Liebe und des Wassers usw.
- Karma-Erde-Tat-Yoga
- Hatha-Stellungs-Yoga
- Mantra-Formel-Yoga
- Tantra-Lautmagie-Yoga
- Kundalini-Chakren-Yoga
anwenden. Von Sakyamuni, so heißt es, überkam seine mystisch-magische Lehre Maha-Kasyapa, einer seiner Hauptschüler, derselbe, der nach buddhistischer Überlieferung das sog. erste Konzil unmittelbar nach des Erleuchteten Eingang ins Nirwana berief und als erster für Bewahrung der Worte des Meisters sorgte, solcherweise den Grund zum Tripitaka-Kanon (d. h. der drei Körbe-Lehre) legend. Die Sammlungen dieser Lehren sind auch als Pali-Kanon bekannt. Er ist der erste Patriarch der Sekte. Sein Nachfolger im Lehramt wurde Ananda, ein anderer Hauptschüler Sakyamunis, der in dem Augenblicke geboren wurde, als dieser zu seiner Buddhaschaft gelangte, unter seiner Leitung später ein Arhat wurde und, mit gutem Gedächtnis ausgestattet, nach des Erleuchteten Tod zuerst eine Sammlung der Sutras hergestellt haben soll, während ein anderer Jünger, Upali, die Vinaya-Ordensregeln hersagte. Es enthält Regeln...
Erscheint lt. Verlag | 28.12.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften |
ISBN-10 | 3-7557-6463-6 / 3755764636 |
ISBN-13 | 978-3-7557-6463-2 / 9783755764632 |
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