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Katzen und der Sinn des Lebens (eBook)

Philosophische Betrachtungen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
159 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2953-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Katzen und der Sinn des Lebens - John Gray
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»Versuchen Sie niemals, einen Menschen zur Vernunft zu bringen.« 

Der Philosoph John Gray lässt in seinem internationalen Bestseller Katzen die Antworten auf die entscheidenden Fragen geben: Wie wird man glücklich? Wie ist man gut? Wie wird man geliebt? Denn Katzen sind es, die uns wie kein anderes Tier lehren können, uns an eine sich rasant verändernde Welt anzupassen.

Ein bezauberndes Buch, in dem unser liebstes und eigensinnigstes Haustier uns dabei hilft, dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen. 

»So spielerisch leicht wie tiefgründig.« Daily Telegraph.

»Eine elegante Studie über das gute Leben von einem der wichtigsten Denker unserer Zeit.« The Times.



John Gray, geboren 1948, ist Professor für Europäische Ideengeschichte an der London School of Economics. Durch zahlreiche Sendungen für die BBC wurde er weltweit bekannt, wie auch als Autor herausragender Bücher gefeiert: »Die falsche Verheißung. Der globale Kapitalismus und seine Folgen«, ferner der Weltbestseller »Straw Dogs«(dt. »Von Menschen und anderen Tieren«). Sein Buch »Katzen und der Sinn des Lebens« erscheint in 21 Ländern. Jens Hagestedt, Jahrgang 1958, studierte Germanistik, Musikwissenschaft und Philosophie in Hamburg. Er übersetzt politische und naturwissenschaftliche Sachbücher aus dem Englischen und Französischen. Zu den von ihm übersetzten Autoren gehören Ronan Bergman, Judith Butler, Amartya Sen, Slavoj ?i?ek und Geoffrey West.

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Warum Katzen keine Mühe haben, glücklich zu sein


Wenn Menschen sagen, ihr Lebensziel sei es, glücklich zu sein, geben sie zu verstehen, dass sie unglücklich sind. Da sie Glücklichsein als Projekt betrachten, können sie es nur in der Zukunft verwirklichen. Die Gegenwart entgleitet ihnen, und Angst schleicht sich ein. Sie fürchten, ihr Fortschreiten auf dem Weg zu dem künftigen Zustand könne durch Ereignisse gestört werden. Also wenden sie sich der Philosophie und heutzutage der Therapie zu, die ihnen Linderung ihres Unbehagens versprechen.

Indem sie sich als Heilmethode geriert, ist Philosophie ein Symptom der Störung, die sie zu beheben vorgibt. Andere Tiere haben es nicht nötig, sich von ihrer Befindlichkeit abzulenken. Während Glück bei Menschen ein künstlicher Zustand ist, ist es bei Katzen die Verfassung, die ihrer Natur entspricht. Solange sie nicht in Umgebungen eingesperrt sind, die für sie unnatürlich sind, langweilen sich Katzen nie. Langeweile ist die Angst, mit sich selbst allein zu sein. Katzen sind glücklich, dass sie sie selbst sind, während Menschen versuchen, glücklich zu werden, indem sie sich selbst entfliehen.

Hierin liegt der größte Unterschied zwischen Katzen und Menschen. Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, erkannte, dass eine unheimliche Form von Unglück bei Menschen normal ist. Warum sie das ist, hat Freud nie gesagt, und er hat auch nicht geglaubt, dass die Psychoanalyse sie erfolgreich behandeln könne. Heute gibt es zahllose Techniken, die Befreiung von ihr versprechen. Diese Therapien mögen Menschen befähigen, mit anderen Menschen besser zurechtzukommen, sie können sie aber nicht von der Unruhe befreien, die Teil des Menschseins ist. Das ist der Grund, weshalb so viele Menschen gern mit Katzen zusammen sind. Katzenliebhabern wird oft Anthropomorphismus vorgeworfen – sie würden Katzen menschliche Gefühle zuschreiben, obwohl sie sie nicht haben. Doch Katzenliebhaber lieben Katzen nicht, weil sie sich in ihnen wiedererkennen. Sie lieben Katzen, weil Katzen so anders sind als sie selbst.

Im Unterschied zu Hunden sind Katzen nicht teilweise menschlich geworden. Sie interagieren zwar mit uns und mögen uns auf ihre Weise lieben lernen, aber im tiefsten Innern ihres Wesens sind sie anders als wir. Nachdem sie Eingang in unsere Welt gefunden haben, ermöglichen sie uns, über diese hinauszublicken. Nicht länger in unserem Denken gefangen, können wir von ihnen erfahren, warum unser nervöses Streben nach Glück erfolglos bleiben muss.


Wenn Philosophen von Glück sprechen


Philosophie war selten ergebnisoffenes Fragen. Im Mittelalter war sie »Magd der Theologie«. Heute ist sie die Praxis, die Vorurteile bürgerlicher Akademiker zu analysieren. In ihren frühesten Formen wollte sie Gelassenheit lehren.

Die Epikureer in der Antike etwa glaubten, sie könnten glücklich werden, indem sie ihre Begierden zügelten. Wenn heute jemand als Epikureer bezeichnet wird, stellen wir uns eine Person vor, die sich an gutem Essen, gutem Wein und den anderen Genüssen des Lebens erfreut. Doch die ursprünglichen Epikureer waren Asketen, die sich bemühten, ihre Genüsse auf ein Minimum zu beschränken. Sie ernährten sich frugal von Brot, Käse und Oliven. Gegen Sex hatten sie nichts, sofern er medizinisch, als Mittel gegen Frustration, angewandt wurde. Mit Verliebtheit oder dem, was wir heute romantische Liebe nennen würden, durfte er nicht vermischt werden, weil das nur den Seelenfrieden störte. Aus demselben Grund lehnten sie jede Form von Ehrgeiz oder politischem Engagement ab. Der Rückzug in die ruhige Abgeschiedenheit eines gepflegten Gartens sollte sie vor Schmerz und Angst bewahren und es ihnen ermöglichen, den Gemütszustand der Ataraxie zu erreichen.

Es gibt Parallelen zwischen Epikur und Buddha: Beide versprechen Erlösung vom Leiden durch Verzicht auf das Begehren. Doch Buddha ist realistischer, da er einräumt, dass dies nur dann vollständig erreicht werden könne, wenn man das Karussell von Geburt und Tod verlasse – mit anderen Worten, wenn man aufhöre, als eigenständiges Individuum zu existieren. Erleuchtete Menschen könnten zwar während ihres Lebens einen Zustand der Glückseligkeit erfahren; vom Leiden aber könnten sie nur dann befreit werden, wenn sie nicht mehr wiedergeboren würden.

Akzeptiert man den Mythos von der Reinkarnation, mag diese Geschichte einen gewissen Reiz haben. Die epikureische Vorstellung ernst zu nehmen ist schwieriger. Für Epikur und seine Schüler ist das Universum ein Chaos von Atomen, die in einem leeren Raum schweben. Wenn Götter existieren, sind wir ihnen gleichgültig. Aufgabe der Menschen ist es, die Quellen von Leid in sich zu beseitigen. Bis hierher ähnelt das sehr dem Buddhismus. Der Unterschied ist, dass Epikur Erlösung nur von Leiden versprechen kann, die aus falschen Überzeugungen und unmäßigen Wünschen herrühren. Auch könne man den Tod mit Einverständnis begrüßen, wie Epikur selbst es tat, der während der Krankheit, der er schließlich erlag, heiter blieb und weiter lehrte. Unklar ist jedoch, was Epikur heute denjenigen zu sagen hat, die permanent unter Hunger oder Überarbeitung, Verfolgung oder Armut leiden.

Epikureische Abgeschiedenheit kann nur genießen, wer in einer Zeit und an einem Ort lebt, die solchen Luxus erlauben, und wer das Glück hat, ihn sich leisten zu können. Für die meisten Menschen war dies nie der Fall und wird es auch nie sein. Wo es solche Rückzugsorte gab, waren sie Zuflucht für wenige, und in Zeiten von Krieg und Revolution wurden sie zerstört. Ein schwererwiegendes Defizit der epikureischen Philosophie ist die spirituelle Armut des Lebens, das sie empfiehlt. Diese Philosophie hegt eine neurasthenische Vorstellung von Glück. Wie in einem Sanatorium für Rekonvaleszenten ist nur erholsame Stille, kein Lärm erlaubt. Aber dann ist das Leben erstarrt, und viel von seiner Freude ist dahin.

Der spanisch-amerikanische Philosoph George Santayana hat diese Armut erfasst, als er sich mit dem römischen Dichter und Philosophen Lukrez auseinandersetzte, der Epikurs Sichtweise in seinem Lehrgedicht Über die Natur der Dinge dargestellt hatte:

Lukrez’ Vorstellung von dem, was erstrebenswert und erreichbar ist, ist überaus dürftig: Freiheit von Aberglauben, mit so viel Naturwissenschaft, wie nötig ist, um diese Freiheit zu sichern, Freundschaft und einige billige und gesunde tierische Genüsse. Keine Liebe, kein Patriotismus, kein Unternehmungsgeist, keine Religion.1

Die Epikureer wollten Gelassenheit dadurch erlangen, dass sie die Güter des Lebens so weit zusammenstrichen, dass die wenigen übrig gebliebenen nach der Vorstellung dieser Weisen unter allen Umständen genossen werden konnten. Die Stoiker näherten sich demselben Ziel auf einem anderen Weg. Sie glaubten, durch Beherrschung ihrer Gedanken alles akzeptieren zu können, was ihnen widerfahren würde. Der Kosmos werde vom Logos – von der Vernunft – regiert. Empfinde man ein Ereignis als katastrophal, so habe man nicht verstanden, dass es Teil der kosmischen Ordnung ist. Der Weg zur Gelassenheit sei es, sich mit dieser Ordnung zu identifizieren. Wenn man das erreicht habe, könne man Erfüllung darin finden, seine Rolle in der Ordnung der Dinge zu spielen.

Diese stoische Philosophie fand Anhänger in vielen Bereichen der Gesellschaft, bei den Sklaven ebenso wie bei den Herrschenden. Ein Eindruck davon, wie sie praktiziert wurde, lässt sich den Selbstbetrachtungen des Kaisers Marc Aurel (121–180) entnehmen. Dieses geistige Tagebuch, in dem der Kaiser sich ermahnt, seinen Platz in der Welt zu akzeptieren und seine Pflicht zu tun, ist voller Äußerungen von Lebensüberdruss. So sei zu bedenken:

Wie schnell doch alles verschwindet, in der Welt die Menschen selbst, in der Ewigkeit die Erinnerung an sie. So ist es mit allem Sichtbaren und vor allem mit dem, was uns durch Lust ködert oder durch Mühsal abschreckt oder aus Eitelkeit berühmt geworden ist. Wie wertlos und verächtlich, wie...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2022
Übersetzer Jens Hagestedt
Sprache deutsch
Original-Titel Feline Philosophy
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Ethik
Geisteswissenschaften Religion / Theologie
Schlagworte Bestseller • Dao • Glück • Katzen • Montaigne • PASCAL • Philosophie • Philosophiegeschichte • Ratgeber • Schopenhauer • Seelenruhe • Stoiker
ISBN-10 3-8412-2953-0 / 3841229530
ISBN-13 978-3-8412-2953-3 / 9783841229533
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