Die perfiden Spiele der Narzissten (eBook)
240 Seiten
Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
978-3-95910-346-6 (ISBN)
Dr. med. Thomas Pablo Hagemeyer, 1970 in Bonn geboren, ist Arzt, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und in eigener psychotherapeutischer Praxis niedergelassen. Fachbuchautor und Supervisor, Drehbuchautor, Drehbuchberater und Dozent für Persönlichkeitspsychologie. Aufgewachsen in Südamerika und Spanien. Mit seinen Büchern »Gestatten, ich bin ein Arschloch.« und »Die perfiden Spiele der Narzissten« stand er mehrere Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Er ist mit einer Rechtsanwältin verheiratet, hat zwei Kinder und einen Hund.
Dr. med. Thomas Pablo Hagemeyer, 1970 in Bonn geboren, ist Arzt, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und in eigener psychotherapeutischer Praxis niedergelassen. Fachbuchautor und Supervisor, Drehbuchautor, Drehbuchberater und Dozent für Persönlichkeitspsychologie. Aufgewachsen in Südamerika und Spanien. Mit seinen Büchern »Gestatten, ich bin ein Arschloch.« und »Die perfiden Spiele der Narzissten« stand er mehrere Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Er ist mit einer Rechtsanwältin verheiratet, hat zwei Kinder und einen Hund.
Kapitel 2
Das Spiel um Autonomie
Seit dem Erfolg meines Buches Gestatten, ich bin ein Arschloch plagte mich eine gewisse Sorge, dass Carlota und ich als Paar die dort beschriebene narzisstische Art, miteinander zu leben, beibehalten müssten. Die Lesenden erwarteten es von uns. Noch verdrehter, wir dachten, dass sie es von uns erwarteten. Und verhielten uns dementsprechend. Ständig kokettierten wir damit, wer narzisstischer wäre. Narzisst. Klang wie ein Schimpfwort. Immer noch. Dabei wollte ich mit Gestatten, … doch eigentlich die Schattenseiten dieser Charaktereigenschaft beleuchten.
Trotzdem spielten wir das Spiel weiter, wer toller sei. Kaum entdeckte Carlota etwas großartig Narzisstisches an mir, benannte sie es, und ich fühlte mich immer wieder ertappt. Als Reaktion provozierte ich gewisse Dinge, um umgekehrt sie als verkappte Narzisstin zu überführen. Sie konterte: Das habe sie alles von mir gelernt, sie treffe keine Schuld, und sie kümmere sich nun um sich selbst, statt sich ihren Kopf über mich zu zerbrechen. Es gehe ihr gut damit.
Da war es wieder. Sie stahl sich aus der Verantwortung, wies sämtliche Schuld von sich, schob alles mir in die Schuhe. Immerhin konnten wir darüber lachen und die Anspannung ableiten, die dabei entstand. So lief unser Spiel, und irgendwie machte es Spaß.
Zu meinem Glück kam 2020 die Pandemie, und der Ehe-Vertiefungskurs bei Johannes, unserem Paartherapeuten, fiel aus. Bis auf Weiteres keine Termine mehr. Das tat mir irgendwie gut, obschon ich wusste, dass noch mal in so eine Nabelschau zu gehen, sinnvoll gewesen wäre, um endlich abzugleichen, wie ich dachte zu wirken und wie ich wirklich wirkte.
Stattdessen betrachtete ich wie gewohnt nur die Menschen um mich herum. Meine Klienten. Meine Kollegen. Auch meine Frau. Pardon, die Frau an meiner Seite. Ich meine es nicht so besitzergreifend, wie es klingt. Es ist die Sprache, ich bin frei von Schuld! In jedem von uns gibt es dieses Bedürfnis nach Bindung an einen anderen Menschen. Narzissten missverstehen das. Sie nehmen sich Menschen und machen sie sich zu eigen, Menschen gehen in ihren Besitz über. So stillen sie ihre Sehnsucht nach Anerkennung. Allerdings verwechseln sie das Objekt ihrer Bindungssehnsucht mit etwas Verfügbarem. Narzissten merken nicht, dass Menschen in ihrem Umfeld lebendig und eigenständig sind oder zumindest sein wollen oder können. Das schafft Probleme.
Wie im Fall von Anna.
Anna und die Nähe
Anna war jung, hübsch und fand an einem regnerischen Herbsttag zu mir in die Praxis. Sie wirkte ratlos und verwirrt, hängte ihren Mantel zunächst in der Garderobe auf, um ihn dann doch mit ins Sprechzimmer zu nehmen, wo sie ihn über ihren Knien ausbreitete, um an den Ärmeln herumzuspielen. Sie sprach leise und zögerlich. Ihr Blick huschte durch den Raum oder klebte an ihren Händen, die auf ihrem Schoß gefaltet auf ihrem Mantel lagen.
Es war offensichtlich, dass sie eine Schutzmauer aus Angst und Scham um sich errichtet hatte, durch die ich nicht sofort drang. Ich gab mich vertrauensvoll, empathisch und sagte, sie könne sich hier geschützt und willkommen fühlen.
Es dauerte, doch schließlich fing sie an, von ihrer Beziehung zu erzählen, deren desaströser Verlauf sie zu mir geführt hatte.
»Es fing toll an, mein neuer Freund Andreas hofierte mich regelrecht, holte mich mit einem geliehenen Sportwagen von zu Hause ab, zum Champagner- und Kaviarfrühstück. In einer überfüllten Pizzeria stellte er sich plötzlich auf seinen Stuhl und verkündete laut: ›Schaut her, schaut euch diese tolle Frau an! Das ist Anna, meine Freundin – ist sie nicht großartig!?‹« Ein kleines Lächeln huschte über Annas Gesicht, als sie daran zurückdachte. Rasch verschwand es wieder.
Nach einer Weile habe Andreas begonnen, auch ihre Mutter zu umgarnen. Er umwarb sie mit Blumen und Komplimenten, dachte sich ständig etwas Neues aus, gab den perfekten Schwiegersohn.
»Er war wie eine Sprungfeder, die immer in Bewegung ist und nicht ruhig sein kann.«
Irgendwann zogen sie zusammen, renovierten die neue gemeinsame Wohnung. Er ließ ihr freie Hand bei der Gestaltung, es wurde hübsch. Alles war perfekt.
»Aber das blieb es nicht«, stellte ich fest, als das Leuchten, mit dem Anna von dieser Zeit erzählt hatte, aus ihrem Gesicht verschwand und sie mehrmals tief seufzte.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Blieb es nicht.«
Andreas stellte Anna seinen Kumpels vor, präsentierte seine hübsche Freundin und nahm sie mit zu den gemeinsamen Aktivitäten.
»Wir waren so viel unterwegs, dass keine Zeit für meine eigenen Freunde blieb. Aber … ich wollte Andreas nah sein und meine Zeit mit ihm verbringen. Also vernachlässigte ich meine Freunde. Hing nur mit seinen herum.« Sie knibbelte am Saum ihres Mantels. »Irgendwann hab ich mich doch mal wieder selbst verabredet. Andreas kannte ihn, einen ziemlich attraktiven Kommilitonen, mit dem ich früher manchmal was unternommen habe. Wir hatten uns lang nicht gesehen, und ich hab mich abends allein mit ihm getroffen, um mal wieder zu quatschen. Als ich nach Hause kam und Andreas davon erzählte, brüllte er mich an und zerschlug vor lauter Wut einen Stuhl. Ich … ich hab mich so erschrocken, dass ich mich tatsächlich mit keinem anderen Mann mehr getroffen habe, obwohl das Treffen ja völlig harmlos war. Auch mit meinen Freundinnen hab ich mich nicht mehr verabredet, er mochte die nicht so, also haben wir uns nur mit Leuten aus Andreas’ Clique getroffen, und immer gemeinsam. Mir ist das zuerst gar nicht so aufgefallen, aber … na ja. Zu vielen von meinen eigenen Freunden habe ich dadurch den Kontakt verloren.«
»Was ist mit Ihren Hobbys?«, fragte ich, eine Vermutung im Hinterkopf, die sich sogleich bestätigte.
»Meine Freizeit verbrachte ich mit den Aktivitäten der Clique, eigene Hobbys vernachlässigte ich.« Anna zuckte mit den Schultern, als wolle sie sich entschuldigen. »Ich wollte vieles in Ruhe machen, musste mich aber immer beeilen, weil Andreas so viel vorhatte. Ständig gab es neue Termine, Pläne, wie der Abend laufen sollte. Anfangs hab ich auch manchmal etwas vorgeschlagen, aber jedes Mal hatte Andreas dann schon eine andere Idee. ›Lass mich mal machen‹ – das war einer seiner Lieblingssätze. Das ging die ganze Zeit so. Ich hatte total Sozialstress und wollte und konnte mir keine Gedanken zu mir selbst machen. Oder zu dem, was ich gern gemacht hätte.« Wieder ein Schulterzucken und Geknibbel am Mantel. »Das merkte ich aber erst später.« Sie erzählte von einer Bronchitis, die sie gehabt habe, mit Schmerzen in der Lunge, weshalb sie eine Abendunternehmung absagte. »Andreas wollte unbedingt, dass ich mitkomme, aber ich konnte einfach nicht und bat ihn, bei mir zu bleiben, damit wir den Abend für uns hätten. Er war total sauer und ist allein gegangen. Und ich hatte ein megaschlechtes Gewissen.«
»Weil Sie das Gefühl hatten, ihn zu enttäuschen?«
Anna nickte. »Ja. Ihm sind die Verabredungen mit seinen Freunden absolut wichtig. Und auch, dass ich mitkam. Das hatte ich ihm an dem Tag aber ruiniert.«
»Sie waren krank.«
Anna schwieg.
In einer kommenden Sitzung streiften wir ihr Sexualleben, und das Muster, das sich bereits deutlich abgezeichnet hatte, setzte sich fort – um ihrem Freund zu gefallen und ihn bei Laune zu halten, verleugnete Anna eigene Bedürfnisse.
»Andreas hatte so bestimmte sexuelle Wünsche«, formulierte sie es. »Na ja, ich steh da heute noch nicht drauf. Aber für ihn und für die Beziehung hab ich es getan, obwohl ich gern was anderes probiert hätte.« Sie seufzte. »Einmal hat er nicht so gekonnt, wie er wollte, da habe ich kurz gelacht. Das hat ihn sehr beschämt, und er war total wütend auf mich. Ich hab versucht, ihn zu trösten, aber er schob mich weg.«
Ich wollte wissen, was sie mit »wegschieben« meinte, und fragte, zugegebenermaßen recht suggestiv: »Hatten Sie Angst vor Andreas?«
Anna wirkte nachdenklich. Zögerte.
»Wissen Sie, Anna«, sagte ich, nachdem sie zu keiner Antwort ansetzte. »Männer haben große Angst davor, von Frauen ausgelacht zu werden.« Ich ließ eine kleine Pause. »Frauen hingegen fürchten sich davor, von Männern totgeschlagen zu werden.«
Annas Blick kehrte sich nach innen, und es dauerte eine Weile, bis sie murmelnd das Thema wechselte. »Irgendwann fing er an, darauf zu bestehen, dass ich sexy Kleider trug, die er für mich aussuchte. Komische goldene Röcke und so was. Ich hätte so eine tolle Figur und müsse das zeigen, alle Frauen wären neidisch auf mich. Also trug ich Miniröcke und enge Oberteile, in denen ich mich unwohl fühlte, und war selbst neidisch auf die anderen Frauen, die Jeans anhatten. Am Ende wusste ich gar nicht mehr, was mein eigener Stil war.« Annas Stimme war nur noch ein schamvolles Flüstern. Und als dürfe sie das Gesagte nicht so stehen lassen, weil es ihren Freund in einem fragwürdigen Licht zeigte, fügte sie hinzu: »Aber bei der Vorbereitung auf meine Abschlussprüfung war Andreas eine riesige Hilfe! Er war richtig gut und trieb mich voran, am Lernstoff zu bleiben und mir einen Job zu suchen.«
Unvermittelt brach sie in Tränen aus und schluchzte. Ich reichte ihr eine Box mit Papiertaschentüchern und ließ sie ein paar Minuten einfach weinen.
Bei den folgenden Terminen erzählte Anna, wie ihr Leben an Andreas’ Seite sich entwickelte. Sie fand einen Job in einer Unternehmensberatung, mit starrer Hierarchie und vielen, vielen selbstbewussten Männern, die rasch erkannten,...
Erscheint lt. Verlag | 1.10.2021 |
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Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
Schlagworte | Aufklärung • Beziehungsprobleme • Eden Books • Egoismus • Egomane • Egomanie • Ehe • Empathie • gestatten • großes Ego • ich bin ein Arschloch • Lebenshilfe • Narzissmus • Narzisst • narzisstisch • Paarbeziehung • Paartherapie • Persönlichkeitsstörung • Psychiatrie • Psychische Gesundheit • Psychologie • Ratgeber • Rücksichtslosigkeit • Selbstdiagnose • Selbstliebe • selbstverliebt • Selbstverliebtheit • Selbstwert • Therapeut • Tiefenpsychologie • Verhaltenstherapie • Zusammenleben |
ISBN-10 | 3-95910-346-8 / 3959103468 |
ISBN-13 | 978-3-95910-346-6 / 9783959103466 |
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