Let`s ACT (Leben Lernen, Bd. 327) (eBook)
304 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-11668-7 (ISBN)
Nathali Klingen, Dr. rer. pol., Psychologische Psychotherapeutin, Lehrtherapeutin und Supervisorin; nach einem Studium der Psychologie in Deutschland und den USA war sie viele Jahre lang als Coach für Führungskräfte sowie als Fernsehjournalistin tätig. Seit 2007 ist sie in eigener psychotherapeutischer Praxis in München niedergelassen und gibt in verschiedenen Ländern Fortbildungen in ACT und den existenziellen Ansätzen.
Nathali Klingen, Dr. rer. pol., Psychologische Psychotherapeutin, Lehrtherapeutin und Supervisorin; nach einem Studium der Psychologie in Deutschland und den USA war sie viele Jahre lang als Coach für Führungskräfte sowie als Fernsehjournalistin tätig. Seit 2007 ist sie in eigener psychotherapeutischer Praxis in München niedergelassen und gibt in verschiedenen Ländern Fortbildungen in ACT und den existenziellen Ansätzen.
Kapitel 2
Und jetzt doch noch: Eine Einleitung
Embrace your demons
and follow your heart.
(Russ Harris)
Ganz ohne Einführung geht es doch nicht, hier ist sie:
Zuerst einmal: Dieses Manual ist kein Manual. Zumindest keines im klassischen Sinne. Denn ein strikter durchmanualisierter Aufbau von Sitzungen würde den Kern-ACT-Prinzipien zuwiderlaufen, nämlich flexibel auf das eingehen zu können, was sich gerade im Augenblick präsentiert. Dafür braucht man Raum (und Mut) und darf nicht zu viele Strukturen und planmäßige Abläufe im Kopf haben. Das gibt zwar Halt, gerade am Anfang, kann einen aber auch dergestalt einschränken, dass man vor lauter Planung, wie die Sitzung ablaufen soll und welche Inhalte man vermitteln will, keinen Raum mehr hat, um im Augenblick präsent zu sein und bei dem, was gerade in einem selbst und im Raum und in der Gruppe passiert.
Lange habe ich mir die Frage gestellt, ob ein Manual oder Handbuch für ACT in Gruppen überhaupt funktionieren kann (deshalb gibt es dieses Buch auch erst jetzt und nicht schon seit zehn Jahren … Eben aufgrund der Tatsache, dass es für ein Gruppenprogramm viel mehr strukturelle Vorgaben gibt. Am vorliegenden Buch können Sie sehen, zu welcher Lösung ich gekommen bin, und ich hoffe, dass Sie auch Ihnen zusagt. In diesem Manual werden keine Step-by-Step-Abläufe für jede Sitzung beschrieben. Es werden vielmehr Möglichkeiten vorgestellt, die einzelnen Sitzungen zu gestalten, anhand einer (sehr persönlichen) Auswahl von Materialien, Übungen, zentralen Inhalten etc. Dabei orientieren sich die einzelnen Praxis-Module an den Kernprozessen der ACT, und jedes Modul kann von unterschiedlicher Dauer sein, das heißt, sich auch gegebenenfalls über mehrere Sitzungen erstrecken. Dies ist meiner Meinung nach essenziell, denn selbstverständlich ist jede Gruppe (wie eben auch jedes Individuum) anders, jede Gruppe braucht unterschiedliche Schwerpunkte, jede Gruppe hat das Bedürfnis, an den für sie wichtigen Stellen zu verweilen. Und wenn man sich die Freiheit versagt, darauf flexibel einzugehen, kann man meiner Ansicht nach nicht mehr wirklich ACT-gemäß arbeiten.
Das Buch beinhaltet auch viel Selbsterfahrung (wie Sie ja im ersten Kapitel schon feststellen konnten). Da man meiner Erfahrung nach nur sinnvoll mit der ACT arbeiten kann, wenn man sie auch im eigenen Leben lebt, ist es wichtig, eigene Erfahrungen mit allen Prozessen zu sammeln. Ich habe daher in jedem Kapitel unter dem Stichwort »Vorbereitung für die Therapeutinnen« Selbsterfahrungsübungen zusammengestellt und möchte Sie nachdrücklich ermutigen, diese Übungen auszuprobieren.
Warum überhaupt ACT in der Gruppe? Was ist an ACT-Gruppen besonders und unterscheidet sie von anderen Gruppen?
Wenn ich es – abgesehen von den üblichen Vorteilen, die jede psychotherapeutische Gruppe gegenüber dem Einzelsetting bietet – auf den Punkt bringen sollte: Das störungsübergreifende Element des Ansatzes und der Paradigmenwechsel können in der Gruppe besonders gut zum Wirken gebracht werden. In der ACT geht man davon aus, dass verschiedenen psychischen Störungen ähnliche Muster zugrunde liegen (in erster Linie kognitive Fusion und Erlebensvermeidung). In der Gruppe können Teilnehmerinnen mit unterschiedlichen Krankheitsbildern genau diese Erfahrung selbst machen. Dasselbe gilt für den Paradigmenwechsel. Gemeinsam ist allen Teilnehmerinnen, dass sie gegen ihr Symptom bzw. Problem ankämpfen und auf Symptomfreiheit bzw. Symptommanagement fixiert sind. In der Gruppe können sie bei sich und anderen erleben, dass der Kampf gegen die Symptome das Problem ist, dass die (dysfunktionalen) Kontrollversuche das Problem sind. Bekanntermaßen sehen wir ja alle eher den Balken im Auge des anderen als den Splitter im eigenen, und ganz in diesem Sinne können die Gruppenteilnehmerinnen vom »Kontroll-Kampf« der anderen profitieren.
Grundsätzlich ist natürlich vorab zu überlegen, ob eine Gruppe eher den Charakter einer »ACT-Skills-Gruppe« haben sollte oder den einer »anliegenorientierten Gruppe«. Die Erstere wäre stärker strukturiert, die systematische und explizite Vermittlung der ACT-Prozesse stünde per definitionem mehr im Vordergrund. Bei der Letzteren läge der Fokus eher auf dem Hier und Jetzt, bei dem, was aktuell präsentiert wird. Beide Vorgehensweisen haben ihre Berechtigung und ihre Vor- und Nachteile. Welche Art bevorzugt wird, hängt nicht zuletzt auch von den Gegebenheiten vor Ort ab (Dauer der Gruppe, Verweildauer der Patientinnen etc.) sowie von den persönlichen Vorlieben der Gruppenleiterin. Dieses Buch lässt sich als Vorlage für beide Arten von Gruppen verwenden, in der Tabelle auf S. 86 f. finden Sie weitere Anregungen dazu.
Das Buch ist für Therapeutinnen konzipiert, die bereits Erfahrungen mit dem ACT-Ansatz haben und diesen jetzt gerne in der Gruppe anwenden möchten. Oder die von ihrer Klinik bzw. Institution beauftragt worden sind: »Mach doch mal eine ACT-Gruppe.« So ist es von heute auf morgen einer meiner ACT-Workshop-Teilnehmerinnen passiert. Ein wenig überwältigt (verständlicherweise) erschien sie bei mir zur Supervision, was den Anstoß zu diesem Buch gegeben hat (dankeschön!).2 Es werden also Grundlagen in der Anwendung der ACT vorausgesetzt, die Basics des ACT-Modells werden nicht mehr in allen Einzelheiten erklärt, dazu gibt es bereits genügend hervorragende Literatur, Workshops etc.
Der Titel »Let’s ACT« ist nicht zufällig gewählt. Die ACT ist eine zutiefst erlebensorientierte Methode. ACT ist etwas, was man lebt und »tut«, daher geben wir in der therapeutischen Arbeit mit der ACT immer dem direkten Erfahren und Erleben Vorrang vor theoretischen Erklärungen und dem Über-etwas-Reden.
Ich selbst arbeite seit nunmehr über 15 Jahren mit der ACT und bin begeistert wie am ersten Tag. Ich hatte damals meine Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin (VT) abgeschlossen und mich in eigener Praxis niedergelassen. Zu dieser Zeit habe ich die therapeutische Arbeit in weiten Phasen als (emotional) sehr anstrengend erlebt und mir ernsthaft Gedanken gemacht, ob ich diesen Beruf jahrelang werde ausüben können, obwohl ich ihn liebe. Auch stand ich mit einigen Aspekten der klassischen KVT, wie beispielsweise der kognitiven Umstrukturierung, in kritischer Auseinandersetzung. Ich habe damals nach einem »Ausweg« gesucht, Seminare zur Selbstfürsorge für Therapeutinnen besucht, mit der Sitzungsstruktur experimentiert, zeitweise sogar weniger Patienten behandelt und so weiter. (Sie sehen, viele Bewältigungsstrategien). Als ich dann, angeregt von einem Supervisor, nach London zur ACT-World-Conference fuhr, ging für mich eine Tür auf. Nein, vielmehr ein Tor. Ich fand eine Art zu arbeiten, die für mich und für meine Patientinnen viele Schwierigkeiten, mit denen wir uns zuvor kräftezehrend herumgeschlagen hatten, einfach verschwinden ließ. Zu vielem, was ich vorher oftmals als schwer und zäh empfunden hatte, konnte ich nun in eine andere Beziehung treten. Die Arbeit mit ACT empfinde ich überwiegend als »leichtfüßig«, wie einen Tanz. Und die ACT kann auf eine gute Erfolgsbilanz zurückblicken, und zwar bei einer Fülle von Störungsbildern. Es gibt mittlerweile eine Riesenmenge an Studien zu praktisch allen psychischen und psychiatrischen Störungsbildern.3
Seit über zehn Jahren gebe ich nun ACT-Workshops, und die Teilnehmerinnen kommen meist mit zwei Hauptanliegen: die Kernprozesse besser verstehen und anwenden können und einen roten Faden, ein Gesamtkonzept, zu entwickeln. Diese beiden Anliegen versuche ich in diesem Buch abzudecken:
-
Den Blick durch die ACT-Brille schärfen.
-
Den Tanz mit dem Hexaflex erlernen (diesen wunderschönen Begriff habe ich von einem der »Väter« der ACT, Steven Hayes, geliehen: »Dance with the Hexaflex«).
ACT ist erlebens- und erfahrungsorientiert und will angewendet und vor allem gelebt werden. Wenden Sie also die Strategien und Kernprozesse am besten erst einmal auf sich selbst an, probieren Sie sie ruhig zunächst im Eigenversuch aus, das ist auch eine gute Gelegenheit, Formulierungen zu finden, die einem selbst entsprechen. So werden Sie sich zunehmend sicherer fühlen und schon bald »mit dem Hexaflex tanzen«.
In meinen Seminaren bitte ich die...
Erscheint lt. Verlag | 21.8.2021 |
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Reihe/Serie | Hilfe aus eigener Kraft |
Leben lernen | |
Leben Lernen | Leben Lernen |
Zusatzinfo | mit zahlreichen Illustrationen |
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Schlagworte | Achtsamkeit • ACT-Ansatz • Akzeptanz- und Commitmenttherapie • Choice Point Model • defusion • Dritte Welle der Verhaltenstherapie • Gruppe • Gruppentherapie • Gruppentools • Kernprozesse • Matrix • Praxisbuch • Übungen • Verhaltenstherapie • Werte • Werteorientiertes handeln |
ISBN-10 | 3-608-11668-0 / 3608116680 |
ISBN-13 | 978-3-608-11668-7 / 9783608116687 |
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