Geschichte des modernen China (eBook)
760 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-76507-0 (ISBN)
Selbst elementare Kenntnisse der Geschichte Chinas sind hierzulande noch immer Mangelware. Klaus Mühlhahn beschreibt in seiner umfassenden Darstellung, wie sehr das Land auf seinem Weg von der gedemütigten Halbkolonie zur globalen Supermacht unserer Tage von der eigenen Vergangenheit geprägt wurde. Denn Chinas holpriger Weg in die Moderne ist nicht nur als eine Aufholjagd gegenüber dem Westen zu verstehen, sondern als ein großes Ringen um eine eigenständige chinesische Moderne. Wer Chinas phänomenalen Aufstieg, seine Widersprüche und Gegensätze begreifen will, der kommt an diesem grundlegenden Werk nicht vorbei.
Chinas Geschichte seit dem späten 17. Jahrhundert ist durchzogen von Krisen, Reformen, Revolutionen und Kriegen. Zugleich aber hat das Land stets eine hohe Widerstandsfähigkeit und Beharrlichkeit bewiesen. Selbst im 'Jahrhundert der Erniedrigung', als europäische Kolonialmächte das Sagen hatten, konnte es eine halbsouveräne Stellung behaupten. Klaus Mühlhahn schildert in seinem großen Buch auf dem neuesten Stand der Forschung Chinas Geschichte von der Qing- Dynastie bis zu Xi Jinping und nimmt dabei von der Politik über die Gesellschaft bis zur Wirtschaft und Umwelt alle Felder detailliert in den Blick. Der Schlüssel seiner Interpretation sind die chinesischen Institutionen, die seit Konfuzius über alle Regime und Machthaber hinweg auf die jeweiligen Umstände reagiert und sie zugleich mit ihrem enormen Reichtum an Ideen und Modellen bis in die heutige Gegenwart mitgestaltet haben.
- 100 Jahre Kommunistische Partei Chinas am 23. Juli 2021
- Das neue Standardwerk zur modernen Geschichte Chinas
- Von der gedemütigten Halbkolonie zur globalen Supermacht - Chinas Weg in die Moderne
Klaus Mühlhahn ist Professor für Sinologie und Präsident der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen. Zuvor war er Vizepräsident der Freien Universität Berlin. 2009 erhielt er den renommierten John-King-Fairbank-Price der American Historical Association.
Einleitung
Der Aufstieg Chinas im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert bringt zweifellos große Veränderungen für die Welt, in der wir leben. Chinas außergewöhnliches und beispielloses Wirtschaftswachstum in der jüngsten Vergangenheit, sein rascher Aufholprozess in Wissenschaft und Technologie und sein zunehmend kraftvolleres Auftreten auf der geopolitischen Bühne verschieben das globale Gleichgewicht. Bei der Eröffnung der Ausstellung «Weg der Erneuerung» in Peking im November 2012 sprach Chinas Präsident Xi Jinping zum ersten Mal über den «Chinesischen Traum» (zhongguo meng), den er als «Verwirklichung der großen Erneuerung der chinesischen Nation» bezeichnete.[1] Die Ausstellung erzählte die Geschichte der Demütigungen in der Vergangenheit, die mit den Niederlagen in den Opiumkriegen des 19. Jahrhunderts gegen westliche Imperialisten begannen.
Wie sollen wir die historische Dimension eines solchen Wendepunktes verstehen? Während viele, die sich heute mit chinesischer Politik oder Wirtschaft beschäftigen, im Einklang mit der offiziellen Darstellung der Regierung davon ausgehen, dass Chinas Aufstieg vierzig Jahre alt ist und 1978 mit Deng Xiaoping begann, wissen Historiker, dass diese Entwicklung schon wesentlich früher begonnen hat. Über ein Jahrhundert lang bemühte sich China mit beeindruckendem Erfolg darum, die Probleme der Vergangenheit zu überwinden. Wie sich die künftige Situation entwickeln wird, ist jedoch offen. Die geschichtliche Perspektive ist unser einziger Leitfaden, die Zukunft einzuschätzen. Um ein aufstrebendes China zu verstehen, sollten wir uns seine Vergangenheit vergegenwärtigen: die früheren Perioden des Aufschwungs, die Phasen des Niedergangs und der Krise sowie die anhaltenden Bemühungen um Erholung im letzten Jahrhundert. Die historische Perspektive wird auch die Gründe für vergangene Triumphe und Misserfolge aufdecken. Denn wenn Chinas Zeitalter des Wohlstands und des Selbstbewusstseins das 21. Jahrhundert prägen wird, dann liegt dies an seinem historischen Erbe und an seiner Fähigkeit, Widrigkeiten zu überwinden.
In diesem Buch werden die wichtigsten Dimensionen der chinesischen Vergangenheit betrachtet, um die aktuelle Dynamik genauer und differenzierter zu verstehen. Für ein präziseres Verständnis der modernen Entwicklung Chinas ist es notwendig zu wissen, wie das heutige China aus der Vergangenheit hervorgegangen ist und was dies für die Zukunft bedeuten könnte. Die bisherigen Strategien und Maßnahmen des Landes können Hinweise für das Verständnis der gegenwärtigen Probleme liefern. Einige Fragen sind besonders relevant und dringlich. Was sind die spezifischen Wege, die China erlebt, getestet und beschritten hat? Wie lassen sich die Probleme, mit denen das moderne China konfrontiert ist, mit den Problemen in der Vergangenheit vergleichen? Was kann historische Forschung dazu beitragen, die aktuelle Situation und die vielfältigen chinesischen Bemühungen zur Bewältigung der zugrundeliegenden Herausforderungen zu verstehen? Welche historischen Prozesse und Ereignisse haben die Ursprünge und Transformationen von Institutionen und Strukturen beeinflusst, die heute in China Politik und Wirtschaft regieren? Kurz gesagt, was kann die historische Perspektive über den Handlungsspielraum aussagen, den China auf seinem Weg in die Zukunft hat?
Eine grundlegende Frage ist, wie weit wir zurückgehen müssen, um die Entstehung des modernen China zu verstehen. Periodisierung ist eines der wichtigsten Instrumente der historischen Interpretation. Überlegungen zum Beginn und zum Ende einer Periode sind die Grundlage historischer Erklärungen. Es gibt viele Aspekte in der beeindruckend langen Geschichte Chinas, die die Gegenwart beeinflussen. Es gibt zahlreiche Schriften, Ideen und Entscheidungen, die mit dem heutigen China in Verbindung gebracht werden können. In diesem Buch wird eine Betrachtungsweise gewählt, die die Entstehung des modernen China über einen längeren Zeitraum erklärt und die Kontinuität einiger seiner wichtigsten Institutionen, das Fortbestehen langfristiger Probleme und Herausforderungen und seine historisch wichtige Rolle auf der internationalen Bühne darlegt. Ein sinnvoller Ausgangspunkt für eine solche Erzählung ist die Periode, die als frühe Moderne bezeichnet wird (etwa Mitte des 17. bis 18. Jahrhunderts).[2] In vielerlei Hinsicht kann diese Periode nicht nur als eine «spätkaiserliche» Phase im Niedergang des traditionellen China verstanden werden, sondern auch als «frühneuzeitlicher» Vorläufer der kommenden Entwicklungen. Zu diesem Zeitpunkt, ab 1644 unter der Herrschaft der Qing-Dynastie, entwickelten sich viele Kerninstitutionen des späten Kaiserreichs China, und das Reich erreichte seinen Höhepunkt. Die in dieser Zeit bestehenden oder geschaffenen grundlegenden Institutionen in Gesellschaft und Kultur prägten Chinas historische Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert und beeinflussten seine politischen Entscheidungen.
Der Begriff «modernes China» wird in diesem Buch rein zeitlich und nicht als normativer Rahmen verwendet. Er bezieht sich auf die Zeitspanne von fast drei Jahrhunderten der sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Entwicklung Chinas. Das moderne China wird in diesem Buch auch nicht als absolute Kategorie verstanden, sondern als sich entwickelndes soziales Konstrukt, das die Errichtung neuer Institutionen nach ausländischen oder externen Vorbildern und die Mobilisierung einiger spezifischer einheimischer institutioneller Ressourcen, politischer Interessen und wirtschaftlicher Pläne einschließt. Es wird nicht angenommen, dass es ein universelles oder westliches Modell dafür gibt, was es bedeutet, modern zu sein. Ein solches Konzept würde die Geschichte falsch interpretieren, moderne Prozesse außerhalb Europas und der Vereinigten Staaten falsch bewerten und die vielen Versionen und Varianten der Moderne ausblenden. Die beharrliche Suche Chinas nach Alternativen und Varianten zur westlichen Moderne trotzt dominanten westlich orientierten Konzepten von Modernität und Modernisierung.
Modern zu sein, bedeutet nach dieser Auffassung auch nicht, mit der Vergangenheit zu brechen. Obwohl die Idee der Moderne auf der Transformation des «Vormodernen» beruht, sind historische Wurzeln und Vermächtnisse weiterhin wirksam. In der Tat ist das Nebeneinander traditioneller und moderner oder einheimischer und ausländischer Elemente eine der Grundbedingungen des heutigen Lebens. Chinas traditionelle soziale Organisationen sind weiterhin nicht nur politisch und ökonomisch wirksam, sondern spielen auch eine wichtige Rolle in Entwicklungsfragen. «Modern» ist in diesem Buch sowohl zeitlich als auch räumlich als relativer Begriff zu verstehen und als ein übergreifendes Ziel, das von einer Vielzahl von Akteuren in China beharrlich verfolgt wird, um das Land stark und wohlhabend zu machen. Die Herausbildung des modernen China wird vor allem von dem ebenso häufig wie klar artikulierten Wunsch Chinas angetrieben, eine mächtige, wohlhabende und fortschrittliche Nation wiederherzustellen.
In diesem Buch wird die Entstehung des modernen China anhand eines historischen Ansatzes dargestellt, der Chinas Erfahrungen und seine Perspektiven in den Vordergrund rückt. Statt häufig genannter Faktoren wie der Bedeutung kultureller Traditionen, der Macht der Ideologien oder der Kämpfe zwischen Chinas alten und neuen Kaisern analysiert dieses Buch Institutionen, um China in der Neuzeit zu verstehen. Dieser Ansatz ermöglicht eine umfassende und zugleich strukturierte Betrachtung, die alle wichtigen Ereignisse und Persönlichkeiten abdeckt. Die Untersuchung von Institutionen und ihrer Rolle in Ereignissen, Entscheidungen und Prozessen liefert ein präziseres und systematischeres Verständnis und eine bessere Erklärung historischer Entwicklungen. Institutionen üben einen tiefgreifenden Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung, auf das soziale und kulturelle Leben sowie auf die wirtschaftlichen Aktivitäten aus. Die Analyse von Institutionen gibt daher Aufschluss darüber, warum einige Länder in Wohlstand leben und andere zurückfallen, warum sich einige schneller und andere langsamer entwickeln, warum manche Gesellschaften eine gute Regierungsführung genießen und andere nicht.[3] Eine solche Untersuchung ist kulturell und politisch neutral. Es werden keine externen Standards angewendet. Und sie öffnet die chinesische Geschichte für sinnvolle Vergleiche. Eine kurze Betrachtung der Bedeutung von Institutionen in China und anderswo kann dies verdeutlichen.
Der Begriff «Institution» wird in der Alltagssprache vage verwendet. In den Sozialwissenschaften sind Institutionen geschriebene oder ungeschriebene Regeln, konkreter soziale Regularien, ...
Erscheint lt. Verlag | 13.5.2021 |
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Reihe/Serie | Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung | Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Regional- / Landesgeschichte |
Geisteswissenschaften ► Geschichte | |
Schlagworte | China • Einführung • Geschichte • Gesellschaft • Halbkolonie • Kommunismus • Konfuzius • Krieg • Moderne • Monarchie • Ostasien • Politik • Reich der Mitte • Revolution • Supermacht • Umwelt • Volksrepublik • Wirtschaft |
ISBN-10 | 3-406-76507-6 / 3406765076 |
ISBN-13 | 978-3-406-76507-0 / 9783406765070 |
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