Tiergestützte Interventionen (eBook)
486 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61455-4 (ISBN)
Dr. Andrea Beetz ist Dipl.-Psychologin. Sie lehrt und forscht an der IUBH Internationale Hochschule als Professorin u.a. zur Mensch-Tier-Beziehung und zu tiergestützten Interventionen. Dr. Meike Riedel, Dipl.-Sportwissenschaftlerin und wissenschaftliche Angestellte am Institut für Sport und Sportwissenschaft der TU Dortmund sowie FN-Referentin. Dr. Rainer Wohlfarth, psychologischer Psychotherapeut. Er arbeitet in eigener Psychotherapie Praxis, leitet Ani.Motion, das Institut für tiergestützte Therapie in Sasbachwalden, und ist Vizepräsident der "International Society of Animal-Assisted Therapy" (ISAAT).
Dr. Andrea Beetz ist Dipl.-Psychologin. Sie lehrt und forscht an der IUBH Internationale Hochschule als Professorin u.a. zur Mensch-Tier-Beziehung und zu tiergestützten Interventionen. Dr. Meike Riedel, Dipl.-Sportwissenschaftlerin und wissenschaftliche Angestellte am Institut für Sport und Sportwissenschaft der TU Dortmund sowie FN-Referentin. Dr. Rainer Wohlfarth, psychologischer Psychotherapeut. Er arbeitet in eigener Psychotherapie Praxis, leitet Ani.Motion, das Institut für tiergestützte Therapie in Sasbachwalden, und ist Vizepräsident der "International Society of Animal-Assisted Therapy" (ISAAT).
1 Geschichte tiergestützter Interventionen
Von Dennis C. Turner, Rainer Wohlfahrt, Andrea Beetz
Eine Beschäftigung mit der Geschichte tiergestützter Interventionen muss zwangsläufig mit der Geschichte des akademischen und praxis-orientierten Interesses an Mensch-Tier-Beziehungen in der angelsächsischen Welt beginnen. Seit Jahrtausenden profitieren wir Menschen – größtenteils unbewusst – von der Anwesenheit von und der Kameradschaft mit Tieren.
Schon im neunten Jahrhundert integrierten Familien im Sinne einer „Therapie naturelle“ Tiere in die Betreuung von Menschen mit Behinderung. Im 18. Jahrhundert gaben im York Retreat Quäker psychisch kranken Menschen Tiere zum Versorgen, um die Selbstwirksamkeit zu fördern.
Trotzdem wuchs das formelle Interesse an der Mensch-Tier-Beziehung und ihren Konsequenzen für unsere Gesundheit erst ab den 1960er Jahren deutlich an. Impulsgebend waren die Publikationen von Boris Levinson (1962) und Sam Corson und Elisabeth O´Leary Corson (1978) in den USA, welche u. a. die Rolle eines Hundes in der kommunikativen Öffnung eines Patienten und beim Aufbau einer Beziehung zwischen Patient und Therapeut dokumentierten.
Seither gab es sehr viele Publikationen, z. T. anekdotische und populäre, z. T. wissenschaftliche, welche die Bedeutung und Wirkung von Heimtieren auf Menschen teils sehr gepriesen haben. Das öffentliche Interesse an „Tieren als Co-Therapeuten“ war enorm und kam über den Atlantik nach Europa und (später) über den Pazifik nach Asien. Verschiedene Organisationen mit Besuchstieren wurden gegründet, die erste und bekannteste war die Delta Society (nun Pet Partners) in den USA, im deutschen Sprachraum folgten etwa Tiere helfen Menschen e. V. in Deutschland, Tiere als Therapie (TAT) in Österreich und der Verein Therapiehunde (VTHS) in der Schweiz.
Doch die human-medizinische Fachwelt und die Gesundheitsministerien waren skeptisch bis zum Erscheinen einiger wegweisender Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, die Gesundheitseffekte von Heimtierhaltung untersuchten, wie zum Beispiel: Friedmann et al. (1980), Baun et al. (1984), Serpell (1991), Anderson et al. (1992) und Friedmann und Thomas (1995).
Als erstes reagierte das US Gesundheitsministerium (National Institute of Health, NIH) mit einer Konferenz, respektive einem ‚Technology Assessment Workshop’ über die gesundheitsfördernden Wirkungen von Heimtieren (US National Institutes of Health, 1987). Diese Konferenz kam schon damals zum Schluss, dass es genügend Evidenz für gesundheitsförderliche Wirkungen gibt, um weitere Forschung zu initiieren. In der Folge wurden viele Forschungsprojekte, wie auch die Gründung der wichtigsten Gesellschaften auf dem Gebiet der Mensch-Tier-Beziehung, von der Heimtiernahrungsmittel-Industrie, allen voran von Mars Petcare/Waltham, finanziell unterstützt. Im Jahr 2008 gingen dann das US National Institute of Child Health and Human Development, eine Unterorganisation des NIH, und das National Institute of Nursing Research eine Public-Private-Partnerschaft mit dem Waltham Centre ein, um Forschung zur Mensch-Tier-Beziehung offiziell zu fördern. Die Auswahl der Projekte unterlag ab diesem Zeitpunkt den strengen Anforderungen des NIH, welches die Projekte auch größtenteils finanziert.
1990 war ein wichtiges Jahr für das Fachgebiet „Mensch-Tier-Beziehungen“, da in diesem Jahr die International Association of Human-Animal Interaction Organizations (IAHAIO; www.iahaio.org, 08.06.2018) in Toronto gegründet wurde, welche ursprünglich zwölf nationale Organisationen umfasste. Heute zählt die IAHAIO fast neunzig Mitgliedsorganisationen, die weit über 100.000 Mitglieder rund um die Welt vertreten. Die IAHAIO will das Fachgebiet „Mensch-Tier-Interaktion“ durch Forschung, Bildung und Praxisentwicklung fördern und hat immer dafür plädiert, dass die Praktiker und Forscher miteinander kommunizieren und gemeinsam an internationalen Kongressen und Symposien teilnehmen. Diese Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis spiegelt sich auch in ihrem Open Access Journal „People and Animals: The International Journal of Research and Practice“ (PAIJ). Im deutschen Sprachraum sind die beiden Institute für interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung (IEMT-Österreich, IEMT-Schweiz) und der Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft (Deutschland) Gründungsmitglieder der IAHAIO.
Während die IAHAIO ein Dachverband von Organisationen ist, wurde ebenfalls 1990 die Idee eines Zusammenschlusses von Forschern und Akademikern geboren. 1991 wurde anlässlich eines Symposiums in Cambridge, UK, die International Society for Anthrozoology (ISAZ; www.isaz.net, 08.06.2018) gegründet. Die ISAZ und ihre Mitglieder fördern das Studium der Mensch-Tier-Interaktionen und -Beziehungen (heute wird es als Fachgebiet „Anthrozoologie“ betitelt) durch die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen und die Organisation wissenschaftlicher Tagungen. Der fachliche Austausch wird auch über die Fachzeitschrift „Anthrozoös“ gefördert, welche von der ISAZ herausgegeben wird. Sie gilt mittlerweile als wissenschaftlich renommierte Fachzeitschrift mit einem relativ hohen „impact factor“.
Aufgrund des zunehmenden Interesses und der Praxis von „tiergestützter Therapie“ und „tiergestützten Aktivitäten“ wuchs der Bedarf nach Standards in der Aus- und Weiterbildung. Im Oktober 2004 wurde ESAAT – European Society for Animal Assisted Therapy – ein Verein zur Erforschung und Förderung der therapeutischen, pädagogischen und salutogenetischen Wirkung der Mensch-Tier-Beziehung mit Sitz in Wien an der Veterinärmedizinischen Universität Wien – gegründet (www.esaat.org, 28.06.2018). Ziel war es, die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der tiergestützten Therapie zu vereinheitlichen und die Anerkennung der tiergestützten Therapie als Therapieform sowie die Schaffung eines eigenen Berufsbildes zu erreichen. Heute stehen die Etablierung von Qualitätsstandards und Leitlinien sowie die Akkreditierung von Aus- und Weiterbildungen im Zentrum der Aktivitäten. Akkreditiert werden von der ESAAT berufsbegleitende/universitäre Fortbildungen zur Fachkraft für tiergestützte Interventionen und Basis-Ausbildungen z. B. zum Therapiebegleithunde-Team. Die ESAAT umfasst im Mai 2018 17 Mitgliedsinstitutionen aus dem Bereich tiergestützter Intervention.
Auf globaler Ebene wurde 2006 die International Society for Animal Assisted Therapy (ISAAT; www.aat-isaat.org, 08.06.2018) in Zürich durch Vertreter von Universitäten und Privatinstitutionen aus Japan, Deutschland, Luxemburg und der Schweiz gegründet. ISAAT hat eine von der Organisation unabhängige, internationale „Akkreditierungs-Kommission“, welche die schriftlichen Gesuche nach den ISAAT-Standards beurteilt und eine Empfehlung an das ISAAT Board macht. Im Mai 2018 sind zwölf Programme – inklusive einiger universitärer Lehrgänge – akkreditiert. Seit 2017 werden Hunde „Basis Team-“ Ausbildungsprogramme beurteilt und zertifiziert.
Es ist das erklärte Ziel beider Organisationen, ESAAT und ISAAT, in Zukunft enger zusammen zu arbeiten, um das Fachgebiet und die Praxis zu fördern. Als ein erster Schritt wurden gemeinsame Leitlinien zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung veröffentlicht (Wohlfarth & Olbrich 2014).
Es bleibt für die Zukunft zu hoffen, dass sich die Zusammenarbeit der einzelnen Organisationen und Institutionen im Feld tiergestützter Interventionen verbessert und sich Praxis und Forschung vermehrt gegenseitig „befruchten“.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Geschichte tiergestützter Interventionen ist noch sehr jung. Sie hat ihre Wurzel in den USA, dort begann die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Mensch-Tier-Beziehung wie auch der praktische Einsatz von Tieren. Erst in den 1990er Jahren begannen erste Organisationen in den deutschsprachigen Ländern zunächst Therapiebegleithunde nach US-amerikanischem Vorbild auszubilden und einzusetzen. Erst nach und nach kamen dann auch andere Tiere in tiergestützten Interventionen zum Einsatz. Erst in den 2000er Jahren wurden in Europa Dachverbände gegründet, welche sich dafür einsetzen, die Qualität der Aus- und Weiterbildungen zu vereinheitlichen und zu verbessern.
Für die Zukunft tiergestützter Intervention ist es wichtig, dass sich die Zusammenarbeit der einzelnen Organisationen und Institutionen im Feld tiergestützter Interventionen verbessert und sich Praxis und Forschung vermehrt gegenseitig „befruchten“.
Anderson, W., Reid, C. & Jennings, G. (1992). Pet ownership and risk factors for cardiovascular disease. Medical Journal of Australia, 157, 298–301.
Baun, M., Bergstrom, N., Langston, N. & Thoma, L. (1984). Physiological effects of human/companion animal bondings. Nursing Research, 33(3), 126–129.
Corson, S. A. & O’Leary Corson, M. S. E. (1978). Pets as mediators of therapy. Current Psychiatric Therapies, 18, 195–205.
Friedmann, E., Katcher, A., Lynch, J. & Thomas, S. (1980). Animal companions and one-year survival of patients after discharge from a coronary care unit. Public Health Reports, 95(4),...
Erscheint lt. Verlag | 8.3.2021 |
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Reihe/Serie | mensch & tier |
Zusatzinfo | 11 Abb. 7 Tab. |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Allgemeine Psychologie |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Sozialwissenschaften ► Pädagogik ► Sonder-, Heil- und Förderpädagogik | |
Sozialwissenschaften ► Pädagogik ► Sozialpädagogik | |
Schlagworte | Alpakas • Ausbildung • Basiswissen • Grundlagen • Handbuch • Hund • Hundegestützte Intervention • Katze • Lamas • Mensch-Hund-Beziehung • Mensch-Tier-Beziehung • Mensch-Tier-Interaktion • Pferd • pferdegestützte Intervention • Salutogenese • Schulhund • Soziale Arbeit • TGI • TIERBEGLEITETES ARBEITEN • TIERGESTTZTE PSYCHOTHERAPIE • Tiergestützte Intervention • Tiergestützte Pädagogik • Tiergestützte Therapie • Tierschutz • Weiterbildung |
ISBN-10 | 3-497-61455-6 / 3497614556 |
ISBN-13 | 978-3-497-61455-4 / 9783497614554 |
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