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Herrschaft (eBook)

Die Entstehung des Westens

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
624 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-12030-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Herrschaft -  Tom Holland
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Wie wurde der Westen zu dem, was er heute ist? Welches Erbe schlägt sich in seiner Gedanken- und Vorstellungswelt nieder? Mit unvergleichlicher Erzählkunst schildert Tom Holland die Geschichte des Westens ausgehend von seinem antiken und christlichen Erbe. Dabei zeigt er, dass genuin christliche Traditionen und Vorstellungshorizonte auch in unserer modernen Gesellschaft sowie ihren vermeintlich universellen Wertesystemen allgegenwärtig sind - sogar dort, wo sie negiert werden: etwa im Säkularismus, Atheismus oder in den Naturwissenschaften. Holland schlägt einen großen erzählerischen Bogen von den Perserkriegen, den revolutionären Anfängen des Christentums in der Antike über seine Ausbreitung im europäischen Mittelalter bis hin zu seiner Verwandlung in der Moderne. In packenden Szenen schildert der Autor welthistorische Ereignisse und zeichnet in lebendigen Porträts die zentralen Akteure oder auch die Antagonisten des Christentums (u. a. Jesus, Paulus, Abaelard und die Heilige Elisabeth, Spinoza, Darwin, Nietzsche und die Beatles). Über große zeitliche Distanzen hinweg macht Holland Verknüpfungen und Parallelen aus und zeigt auf diese Weise, wes Geistes Kind die westliche Kultur noch immer ist. Stimmen zum Buch: »Tom Hollands neues Buch ist der Höhepunkt seiner Erzählkunst. Ein Meisterwerk historischer Darstellung.« John Gray, New Statesman

Tom Holland, geboren 1968, studierte in Cambridge und Oxford Geschichte und Literaturwissenschaft. Der Autor und Journalist hat sich mit BBC-Sendungen über Herodot, Homer, Thukydides und Vergil einen Namen gemacht. Er ist Bestsellerautor für Fiction und Historisches Buch und hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u. a. 2004 den »Hessel-Tiltman Prize for History« für »Rubicon« und 2006 den »Runciman Award« der Anglo-Hellenic League für sein Buch »Persisches Feuer«.

Tom Holland, geboren 1968, studierte in Cambridge und Oxford Geschichte und Literaturwissenschaft. Der Autor und Journalist hat sich mit BBC-Sendungen über Herodot, Homer, Thukydides und Vergil einen Namen gemacht. Er ist Bestsellerautor für Fiction und Historisches Buch und hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u. a. 2004 den »Hessel-Tiltman Prize for History« für »Rubicon« und 2006 den »Runciman Award« der Anglo-Hellenic League für sein Buch »Persisches Feuer«.

I

Athen


479 v. Chr.: Hellespont


An einer der engsten Stellen des Hellespont, des schmalen Kanals, der sich von der Ägäis ins Schwarze Meer hinauf schlängelt und Europa von Asien trennt, ragte eine Landzunge, der sogenannte Hundeschwanz, von der europäischen Seite aus ins Meer hinein. Hier war 480 Jahre vor Christi Geburt eine so erstaunliche Tat vollbracht worden, dass es den Anschein erweckte, ein Gott habe gehandelt. Zwei Ponton-Brücken, die sich vom asiatischen Ufer hinüber zum Hundeschwanz erstreckten, hatten die beiden Kontinente zusammengespannt. Natürlich hatte nur ein Monarch, der über unendliche Mittel verfügte, die Meeresströmungen in einer so herrschaftlichen Art und Weise zähmen können. Xerxes, der König Persiens, herrschte über das größte Reich, das die Welt je gekannt hatte. Von der Ägäis bis zum Hindukusch marschierten sämtliche wimmelnden Horden Asiens nach seinem Befehl. Wenn er in den Krieg zog, konnte er Streitkräfte versammeln, die, so hieß es, ganze Flüsse leertranken. Nur wenige, die beobachteten, wie Xerxes den Hellespont überquerte, bezweifelten, dass ihm bald der gesamte Kontinent auf der anderen Seite gehören würde.

Ein Jahr später waren die Brücken verschwunden. Ebenfalls verschwunden waren die Hoffnungen des Xerxes, Europa erobern zu können. Bei seinem Vormarsch nach Griechenland hinein hatte er Athen erobert, doch das Niederbrennen der Stadt sollte der Höhepunkt seines Feldzugs bleiben. Niederlagen zu See und zu Land erzwangen den Rückzug der Perser. Xerxes selbst kehrte nach Asien zurück. Am Hellespont, wo das Kommando über die Meerenge einem General namens Artayktes übertragen worden war, herrschte verschärfter Alarmzustand. Artayktes war sich darüber im Klaren, dass er nach den Katastrophen in Griechenland besonders exponiert war. Und was er befürchtete, trat ein: Im Spätsommer des Jahres 479 kamen mehrere athenische Schiffe den Hellespont hinaufgesegelt. Als sie am Hundeschwanz anlegten, verschanzte Artayktes sich zunächst im nächstgelegenen Stützpunkt; dann, nach einer längeren Belagerung, wagte er, begleitet von seinem Sohn, einen Ausbruch, um sich in Sicherheit zu bringen. Trotz einer erfolgreichen Flucht mitten in der Nacht kamen sie nicht weit. Vater und Sohn wurden gefasst und in Ketten zum Hundeschwanz zurückgeschleift. Dort wurde Artayktes an der äußersten Spitze der Landzunge von seinen Athener Häschern auf einem Holzbrett festgemacht, das dann aufgerichtet wurde. »Dort, vor seinen Augen, steinigten sie seinen Sohn zu Tode.«[1] Artayktes aber war ein Ende vorbehalten, das sich sehr viel länger hinzog.

Auf welche Weise schafften es seine Folterknechte, dass er an dem aufrecht stehenden Brett nicht abrutschte? In Athen wurden Kriminelle, denen man besonders abscheuliche Verbrechen vorwarf, an einer Foltereinrichtung namens apotympanismos befestigt, einem Brett, das mit Schäkeln versehen war, die den Hals, die Handgelenke und Fußknöchel umschlossen. Allerdings weist nichts darauf hin, dass diese Vorrichtung von denen verwendet wurde, die Artayktes umbrachten. Stattdessen ist im einzigen uns vorliegenden Bericht über seinen Tod davon die Rede, dass er mit passaloi an dem Brett festgemacht wurde: »Nägeln«.6 Die Folterknechte zwangen ihr Opfer, sich auf den Rücken zu legen, und trieben offenbar Nägel durch sein lebendes Fleisch, die sie tief ins Holz hinein hämmerten. Knochen rieb und schrammte gegen Eisen, als das Brett dann aufgerichtet wurde. Als Artayktes mit ansehen musste, wie sein Sohn zu Tode geschunden wurde, konnte er auch zum Himmel aufblicken und dort Vögel kreisen sehen, die ungeduldig darauf warteten, dass sie sich auf ihm niederlassen und seine Augen verspeisen konnten. Als der Tod ihn schließlich ereilte, kam er sicher als Erlösung.

Indem seine Häscher aus dem Leiden des Artayktes ein so langgezogenes Spektakel machten, gaben sie auch ein Statement ab. Es war eine unmissverständliche Botschaft, dass sie ihn genau an dem Punkt hinrichteten, wo Xerxes zuerst europäischen Boden betreten hatte. Den Diener des Großkönigs zu demütigen war gleichbedeutend mit der Demütigung des Großkönigs selbst. Die Griechen, die lange im Schatten Persiens gestanden waren, hatten gute Gründe, Persien als Heimat ausgeklügelter Foltermethoden zu sehen. Die Perser waren, so die Annahme der Griechen, die ersten gewesen, die Kriminelle an Pfählen oder Kreuzen öffentlich auszustellen pflegten, so dass die Erniedrigung die Todesqualen noch verschlimmerte. Bestimmt waren die Strafen, mit denen jene belegt wurden, die sich der königlichen Würde widersetzten, ebenso qualvoll wie bedrohlich. Rund vierzig Jahre vor der Griechenland-Invasion des Xerxes hatte sein Vater Dareios mit denen, die seinen Thronanspruch in Frage stellten, abgerechnet, indem er sie auf die denkbar öffentlichkeitswirksamste Weise foltern ließ. Ganze Wälder von Pfählen wurden errichtet, an denen seine Rivalen, die sich wanden und brüllten, wenn sie spürten, wie sich das Holz in ihre Innereien bohrte, gepfählt wurden. »Ich habe ihm seine Nase und seine Ohren abgeschnitten und eines seiner Augen ausgerissen und ihn an den Eingang meines Palastes gefesselt, wo alle ihn sehen konnten.« Damit brüstete sich Dareios in seiner detaillierten Darstellung der Behandlung eines besonders üblen Rebellen. »Dann ließ ich ihn pfählen.«[2]

Nicht jeder, der dem Zorn des Großkönigs zum Opfer fiel, wurde aufgehängt oder gepfählt und zur Schau gestellt, während er starb. Die Griechen sprachen hinter vorgehaltener Hand mit dem Ausdruck größten Abscheus von einer besonders widerwärtigen Foltermethode: der skaphe oder dem »Trog«. Der Henker legte sein Opfer in ein Boot oder einen ausgehöhlten Baumstamm und befestigte dann einen zweiten »Trog« über ihm, so dass nur Kopf, Hände und Füße des Unglückseligen herausragten. Dann wurde der Verbrecher ständig mit fetter Nahrung gefüttert, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als in seinen Exkrementen zu liegen; außerdem über und über mit Honig beschmiert, konnte er sich der surrenden Fliegen nicht erwehren. »Würmer und Scharen von Maden entwickelten sich aus der Fäulnis und der Zersetzung der Exkremente; sie fraßen seinen Körper an und bohrten sich in seine Eingeweide.«[3] Das Opfer starb erst, wenn sein Fleisch und seine Organe fast vollständig aufgezehrt waren. Ein Mann, so wird glaubwürdig berichtet, hatte die skaphe siebzehn Tage überlebt, bevor er seinen letzten Atemzug tat.

Doch bei aller Grausamkeit einer solchen Folter – willkürlich war sie nicht. Wenn die Griechen dem Großkönig rücksichtslose Zurschaustellung von Despotismus vorwarfen, dann verwechselten sie das Verantwortungsbewusstsein, das für dessen Sorge um Gerechtigkeit kennzeichnend war, mit barbarischer Grausamkeit. In Wahrheit, vom persischen Hof aus gesehen, waren die Griechen die Barbaren. Der Großkönig gewährte den von ihm unterworfenen Völkern zwar, dass sie ihre eigenen Gesetze beibehielten – vorausgesetzt natürlich, dass sie pflichtschuldigst gehorsam blieben –, doch zweifelte er nie am kosmischen Charakter seiner eigenen Privilegien und Verantwortlichkeiten. »Aufgrund der Gunst Ahura Mazdas bin ich König«, erklärte Dareios. »Ahura Mazda verlieh mir die Königsherrschaft.«[4] Der Größte der Götter, der weise Herr, der Himmel und Erde erschaffen und sich in die kristalline Schönheit des Himmels über den Schneebergen und Sandwüsten des Iran gekleidet hatte – er war der einzige Schutzherr, den Dareios anerkannte. Die Gerechtigkeit, die der Großkönig seinen Untertanen angedeihen ließ, war nicht sterblichen Ursprungs, sondern leitete sich ganz direkt vom Herrn des Lichts ab. »Den Mann, der treu ergeben ist, belohne ich; den treulosen Mann bestrafe ich. Aufgrund der Gunst von Ahura Mazda anerkennen die Menschen die Ordnung, die ich aufrechterhalte.«[5]

Dareios war nicht der erste, der davon überzeugt war, dass die Herrschaft eines Königs so segensreich sein könne wie die eines Gottes. Dieser Glaube reichte vielmehr bis ganz an den Anfang der Dinge zurück. Im Westen des Iran erstreckten sich die von zwei mächtigen Strömen bewässerten Sumpfgebiete der Region, welche die Griechen als Mesopotamien bezeichneten: »Land zwischen den Strömen«. Hier, in Städten, die sehr viel älter waren als die persischen, hatten Monarchen seit Langem die Gewohnheit, den Göttern dafür ...

Erscheint lt. Verlag 13.3.2021
Übersetzer Susanne Held
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Abelard • Abendland • Antike • Antike Kulte • Antike Mythen • Antike Religionen • Antikes Griechenland • Atheismus • Aufklärung • Buch • Charles Darwin • Christentum • christliches Erbe • Elisabeth von Thüringen • Friedrich Nietzsche • Gewissensfreiheit • Individualrechte • Jesus • Kulturgeschichte • Liberalismus • Menschenrechte • Mittelalter • Neuzeit • Paulus • Perserkriege • Römisches Reich • Sachbuch Geschichte • Säkularisierung • Spinoza • Taschenbuch • The Beatles • Tolkien • Weihnachtsgeschenk Geschichte • Weltgeschichte • Werte • Westen
ISBN-10 3-608-12030-0 / 3608120300
ISBN-13 978-3-608-12030-1 / 9783608120301
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