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Dialoge über natürliche Religion (eBook)

Hume, David - Religionsphilosophie; Erläuterungen - Durchges. und bibl. erg. Ausgabe 2021

(Autor)

Norbert Hoerster (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
184 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-961846-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dialoge über natürliche Religion -  David Hume
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Humes letztes Werk wurde ein Klassiker der Religionsphilosophie: Drei Meinungen prallen im Gespräch aufeinander: Es diskutieren Demea (ein religiöser Fundamentalist), Cleanthes (ein aufgeklärter Geist, der also davon ausgeht, dass Gott die Welt geschaffen hat, aber nicht mehr in ihren Verlauf eingreifen kann) und Philo (ein wagemutiger Skeptiker). Sie verhandeln fundamentale theologisch-philosophische Fragen: Ist Gott vollständig unergründbar und andersartig? Kann man die Existenz Gottes als notwendige beweisen? Wie kommt das Übel in die Welt? Und ist Gott allmächtig? Die lebendige Dialogform macht das mutige Werk zu einer hervorragenden Einführung in die Religionsphilosophie. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Der Übersetzer: Norbert Hoerster, geb. 1937, ist emeritierter Professor für Rechts- und Sozialphilosophie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.

Der Übersetzer: Norbert Hoerster, geb. 1937, ist emeritierter Professor für Rechts- und Sozialphilosophie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.

Dialoge über natürliche Religion
Pamphilus an Hermippus
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5
Teil 6
Teil 7
Teil 8
Teil 9
Teil 10
Teil 11
Teil 12

Zu dieser Ausgabe
Literaturhinweise
Nachwort

[11]Teil 1


Nachdem ich mich der Runde, die ich in Cleanthes’ Bibliothek sitzend fand, zugesellt hatte, äußerte sich Demea gegenüber Cleanthes in anerkennender Weise über seine große Sorgfalt im Zusammenhang mit meiner Erziehung sowie über seine nie wankende Beständigkeit in all seinen Freundschaften. Pamphilus’ Vater, sagte er, war dein enger Freund; der Sohn ist dein Zögling, ja darf als dein Adoptivsohn gelten, wenn wir nach der Mühe urteilen wollen, die du dir machst, ihm jeden nützlichen Zweig von Literatur und Wissenschaft nahezubringen. Nun ist deine Einsicht, davon bin ich überzeugt, nicht geringer als dein Eifer. Deshalb möchte ich dir jetzt einen Grundsatz mitteilen, den ich befolgt habe, was meine eigenen Kinder angeht; ich möchte sehen, wieweit er mit deinem Vorgehen im Einklang steht. Und zwar gründet sich die Erziehungsmethode, die ich anwende, auf folgendes Wort eines antiken Autors: »Wer sich mit Philosophie beschäftigt, muss zuerst Logik studieren, dann Ethik, darauf Physik und zuallerletzt die Natur der Götter.«1 Danach erfordert die Wissenschaft der natürlichen Theologie, da sie die tiefste und am schwersten verständliche aller Wissenschaften ist, das größte Maß an Urteilsvermögen; und nur einem Geist, der über all die anderen Wissenschaften schon verfügt, darf man sie ohne Gefahr zumuten.

Wartest du so lange, sagte Philo, bis du deinen Kindern die Grundsätze der Religion beibringst? Ist nicht zu befürchten, dass sie Auffassungen, von denen sie während [12]ihrer ganzen Erziehung so wenig gehört haben, später vernachlässigen oder vollkommen abweisen werden? Lediglich als Wissenschaft, erwiderte Demea, die an menschliche Reflexionen und Erörterungen gebunden ist, stelle ich die Beschäftigung mit der natürlichen Theologie zurück. Die Kinder früh zur Frömmigkeit zu erziehen, ist dagegen meine Hauptsorge; durch ständige Lehre und Unterweisung und auch, wie ich hoffe, durch mein Beispiel präge ich ihrem noch empfänglichen Geist die feste Bereitschaft ein, sämtliche Grundsätze der Religion zu achten. Während sie all die anderen Wissenschaften durchlaufen, weise ich sie immer wieder auf die Ungewissheit der jeweiligen Lehren hin, auf die unaufhörlichen Streitigkeiten der Menschen, auf die Dunkelheit aller Philosophie sowie auf die seltsamen, ja lächerlichen Folgerungen, die einige der größten Geister aus den Grundsätzen der bloßen menschlichen Vernunft abgeleitet haben. Nachdem ich auf diese Weise ihr Selbstvertrauen gezähmt und ihnen die gebührende geistige Demut beigebracht habe, trage ich nicht länger Bedenken, ihnen die größten Geheimnisse der Religion zu eröffnen; jene hochmütige Anmaßung der Philosophie, die jemanden verleiten kann, selbst die anerkanntesten Lehren und Auffassungen abzulehnen, scheint mir nun keine Gefahr mehr zu bilden.

Die Vorsorge, sagte Philo, die darin liegt, dass du deine Kinder schon früh zur Frömmigkeit erziehst, ist mit Sicherheit sehr vernünftig und in diesem weltlichen und irreligiösen Zeitalter auch durchaus notwendig. Was ich aber an deiner Erziehungsmethode vor allem bewundere, das ist die Art und Weise, wie du dir jene Grundsätze der Philosophie und Wissenschaft, die Stolz und Selbstzufriedenheit [13]fördern und dadurch auf die Grundsätze der Religion zu allen Zeiten so destruktiv gewirkt haben, gerade zunutze machst. Man kann zwar feststellen, dass das einfache Volk, das von Wissenschaft und Forschung keine Ahnung hat, angesichts der endlosen Streitigkeiten der Gelehrten die Philosophie in aller Regel gründlich verachtet und sich aus diesem Grunde in den zentralen Lehren der Theologie, die man ihm beigebracht hat, umso fester verankert. Diejenigen andererseits, die sich Studium und Forschung in geringem Maße widmen und gerade in den neuesten und ungewöhnlichsten Lehrmeinungen viel Überzeugendes finden, glauben, dass für die menschliche Vernunft nichts zu schwierig sei; indem sie voller Anmaßung alle Schranken durchbrechen, entweihen sie den Tempel selbst in seinem heiligsten Innern. Cleanthes aber wird mir, so hoffe ich, darin zustimmen, dass es – nachdem die Unwissenheit als sicherstes Schutzmittel der Religion einmal hinter uns liegt – doch noch einen Weg gibt, um diese gottlose Freiheit nicht aufkommen zu lassen. Und zwar besteht er in einer Verbesserung und Vertiefung von Demeas Grundsätzen: Werden wir uns der Schwäche, Blindheit und Beschränktheit der menschlichen Vernunft ganz und gar bewusst. Ziehen wir ihre Ungewissheit und ihre endlosen Widersprüche selbst in Angelegenheiten des täglichen Lebens und Handelns gebührend in Betracht. Halten wir uns die Irrtümer und Täuschungen sogar unserer Sinne vor Augen; die unüberwindlichen Schwierigkeiten, welche in allen Systemen die ersten Grundsätze begleiten; die Widersprüche, die bereits den Begriffen von Materie, Ursache und Wirkung, Ausdehnung, Raum, Zeit, Bewegung sowie, kurz gesagt, von jedweder Quantität anhaften – [14]Gegenständen der einzigen Wissenschaft, die mit einigem Grund auf Gewissheit und Evidenz Anspruch erheben kann. Wenn diese Probleme deutlich ins Licht gerückt werden (wie es einige Philosophen und fast alle Theologen getan haben), wer kann dann diesem schwachen Vernunftvermögen weiter so viel Vertrauen entgegenbringen, dass er dessen Resultaten in so erhabenen, schwer verständlichen und der Alltagserfahrung so entrückten Fragen irgendwelche Beachtung schenkt? Wenn das Zusammenhalten der Teile eines Steines oder auch nur jenes Zusammengesetztsein aus Teilen, das dem Stein Ausdehnung verleiht – wenn, sage ich, diese alltäglichen Dinge so unerklärbar sind und so unvereinbare und widersprüchliche Aspekte enthalten, mit welcher Sicherheit können wir dann eine Entscheidung über den Ursprung von Welten treffen oder ihre Geschichte von Ewigkeit zu Ewigkeit verfolgen?

Während Philo dies sagte, konnte ich bemerken, dass sowohl Demea als auch Cleanthes lächelten. In Demeas Lächeln schien uneingeschränkte Genugtuung über die dargelegten Auffassungen zu liegen. Doch Cleanthes’ Miene verriet eine gewisse Reserve, als ob er in den Argumenten Philos so etwas wie Ironie oder versteckte Bosheit wahrnehme.

Dein Vorschlag, Philo, sagte Cleanthes, geht also dahin, den religiösen Glauben auf einem philosophischen Skeptizismus aufzubauen. Und du meinst, wenn Gewissheit oder Evidenz aus jedem anderen Forschungsgebiet verbannt wird, werde sie sich uneingeschränkt auf jene Lehren der Theologie zurückziehen und dort eine besondere Stärke und Autorität entfalten. Ob dein Skeptizismus so absolut und aufrichtig ist, wie du vorgibst, werden wir im [15]Einzelnen sehen, wenn wir von hier aufbrechen: Dann wird es sich zeigen, ob du zur Tür oder zum Fenster hinausgehst und ob du wirklich zweifelst, dass dein Körper der Schwerkraft unterliegt bzw. durch seinen Fall Schaden nehmen kann (wie die verbreitete Meinung besagt, die sich natürlich aus unseren trügerischen Sinnen und unserer noch trügerischeren Erfahrung herleitet). Diese Betrachtung, Demea, mag übrigens auch dazu dienen, unseren Ärger gegenüber dieser komischen Sekte der Skeptiker zu mildern. Falls sie ihre Position uneingeschränkt ernst nehmen, so werden sie die Welt mit ihren Zweifeln, Spitzfindigkeiten und Streitereien nicht lange behelligen; falls sie sich andererseits nur einen Scherz erlauben, so mag dies zwar ein schlechter Scherz sein, doch für Staat, Philosophie oder Religion können sie auf diese Weise nie zu einer ernsten Gefahr werden.

In Wahrheit, Philo, fuhr Cleanthes fort, erscheint es als sicher, dass jemand zwar in einer momentanen Laune, nachdem er sich intensiv mit den vielen Widersprüchen und Unvollkommenheiten der menschlichen Vernunft befasst hat, jedweder Überzeugung und Auffassung abschwören kann, dass er jedoch unmöglich in diesem totalen Skeptizismus verharren oder ihn auch nur für wenige Stunden in seinem praktischen Verhalten zum Ausdruck bringen kann. Gegenstände der Außenwelt drängen sich ihm auf; Emotionen bewegen ihn: Und schon verflüchtigen sich seine philosophischen Grübeleien, und nicht einmal die größte Willensanstrengung im Umgang mit den eigenen Empfindungen wird ihn auch nur für kurze Zeit in die Lage versetzen, wenigstens einen Schein von Skeptizismus zu bewahren. Und wozu überhaupt solche [16]Willensanstrengung? Dies ist eine Frage, die er sich im Einklang mit seinen skeptizistischen Grundsätzen nie zufriedenstellend wird beantworten können. Im Ganzen gesehen kann daher kaum etwas lächerlicher sein als die Prinzipien der antiken Pyrrhoneer, die angeblich in allen Lebensbereichen denselben Skeptizismus zu praktizieren suchten, den sie aus ihren akademischen Proklamationen entnahmen und den sie auf diese hätten beschränken sollen.

Unter diesem Gesichtspunkt dürfte zwischen der stoischen und der pyrrhonischen Schule trotz ihres dauernden Streites eine große Ähnlichkeit bestehen: Beide scheinen das falsche Prinzip zur Grundlage zu haben, dass jemand eine Haltung, die er manchmal und unter gewissen Umständen einnehmen kann, immer und unter allen Umständen einnehmen könne. Wenn sich der Geist mit Hilfe stoischer Betrachtungen zu einer erhabenen Begeisterung für die Tugend emporgeschwungen hat und von dieser oder jener Vorstellung von Ehre oder Gemeinwohl stark ergriffen ist, so wird auch das äußerste Maß an körperlichem Schmerz und Leiden über ein solches Hochgefühl der Pflicht nicht triumphieren; vielleicht kann die Folge sogar sein, dass jemand noch unter Foltern lacht und jubiliert. Und wenn das in der Realität manchmal vorkommen kann, um wie viel mehr dürfte es dann möglich sein, dass sich ein Philosoph unter seinen Gefährten oder auch nur in seiner Studierstube in eine...

Erscheint lt. Verlag 12.3.2021
Reihe/Serie Reclams Universal-Bibliothek
Reclams Universal-Bibliothek
Übersetzer Norbert Hoerster
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Geschichte der Philosophie
Geisteswissenschaften Philosophie Philosophie der Neuzeit
Schlagworte Analyse • Auszüge • Bibel • Bücher Philosophie • Cleanthes Demea Philo • Dialogues Concerning Natural Religion • Erläuterung • Ethik • Ethik-Unterricht • Geisteswissenschaft • gelb • Gott • Gottesbeweis • Grundlagen • Hume Beweis Gott • Hume Design-Argument • Hume Deutsch • Hume Dialog Glaube • Hume Dialog Religion • Hume Existenz Gott • Hume Glaube • Hume Gottesbeweis • Hume Philosophie • Hume Religion • Hume Religionsphilosophie • Hume Teleologie • Hume Übersetzung • Lektüre • Philosophie • philosophie texte • Philosophie-Unterricht • philosophische Bücher • Reclam Hefte • Religion • Religionsphilosophie • Religions-Unterricht • Textanalyse • Textsammlung • Wissen • Wissenschaft
ISBN-10 3-15-961846-3 / 3159618463
ISBN-13 978-3-15-961846-3 / 9783159618463
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