Das unausgeglichene menschliche Individuum (eBook)
304 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7431-2016-7 (ISBN)
Michele Federico Sciacca, geboren am 12. Juli 1908 bei Catania, verstorben am 20. Februar 1975 in Genua, hat seine philosophischen Studien an der Università Federico II. in Neapel bei Antonio Aliotta 1930 abgeschlossen. 1938 wird er auf den Lehrstuhl für theoretische Philosophie an der Universität Pavia berufen, und 1946 wechselt er an die Universität Genua. Schon 1933 hat Sciacca Giovanni Gentile persönlich kennengelernt und mit einer Abhandlung über "La crisi dell'idealismo" seine Mitarbeit am "Giornale Critico della Filosofia Italiana" begründet. 1938 befasst er sich zum ersten Mal intensiv mit Antonio-Rosmini-Serbati, vom Jahr 1946 an betreut er die "Biblioteca del Giornale di Metafisica", worin manche katholischen Vordenker rege publizieren, unter anderem Louis Lavelle und Jacques Maritain. In den 1950er Jahren entwirft er sein philosophisches System, das er als eine integrale Philosophie bezeichnet, die religiöse und kulturelle Aspekte in das philosophische Nachdenken miteinbezieht. Diese seine Position eines objektiven Idealismus wird 1952 in seinem Hauptwerk über die "Objektive Innerlichkeit" meisterhaft dargelegt. Es folgen eingehende Beschäftigungen mit grossen Denkern der Philosophie, angefangen von Platon und Augustin, über Blaise Pascal und Giovanni Battista Vico, bis hin zu Antonio Rosmini-Serbati und Maurice Blondel. An der Universität Genua gibt es seit 1993 ein Departement, das seinen Namen trägt, und in den Akten eines internationalen Kongresses von 1995 findet sich eine umfassende Bibliographie, zusammengestellt von Pier-Paolo Ottonello. 2007 wird die "Fondazione M. F. Sciacca" begründet, die regelmässig Kongresse zu Werk und Person von Sciacca veranstaltet.
A. Das unausgeglichene menschliche Individuum – Abhandlung über die menschliche Verfassung
(von Michele Federico Sciacca) 7
Vorwort zur Publikation in den „Gesammelten Werken“ (1956)
[9] Wir haben nun schon vor einigen Jahren bei verschiedenen Gelegenheiten ein Werk angekündigt, das den Titel „Integrale Philosophie“, oder „Ganzheitliche Philosophie“ („Filosofia dell’integralità“) tragen sollte. Ganz am Anfang haben wir dabei an ein vier- oder fünfbändiges Werk gedacht, aber bald einmal – und das nun schon vor geraumer Zeit – haben wir dieses ursprüngliche Unterfangen aufgegeben, dies zugunsten von selbständigen Bänden, deren Gegenstände und Problemstellungen unserer Inspiration und unseren Interessen folgen. Unsere Geisteshaltung verträgt sich schlecht mit schematischen Aufbauten und Entwürfen von Werken, und warum hätten wir dem nicht Rechnung tragen sollen? Wir sind denn auch dieser Eingebung gefolgt, auch und gerade aus dem Beweggrund, dass wenn diese unsere „integrale Philosophie“ auch wirklich zustande kommen sollte, darin die Keimzelle und der Kreuzungspunkt dessen auffinden lassen würde, was wir in Gedanken gefasst und zu Papier gebracht haben, und falls dem nicht so sein sollte, dann eben nicht, sodass man Geduld zu üben hätte. Solches bedeutet nun aber gewiss nicht, dass wir unsere Gedanken ohne systematischen Zusammenhang entwickeln oder nicht geordnet darlegen würden; ganz im Gegenteil legt uns dies nahe, entlang der inneren systematischen Ordnung zu denken und zu schreiben, die von eben diesem motivierenden und einheitsstiftenden Grundprinzip getragen ist, das frei von der Künstlichkeit einer äusserlichen Systembildung auskommt, und das sich dafür anschmiegsam und plastisch oder elastisch in einer Problemanlage und in den Problemlösungen zu artikulieren vermag. Kurz gesagt, ist uns viel mehr an der inneren Kohärenz und an einer Darstellung gelegen, die zahllose weitere Integrationsmöglichkeiten offenstehen lässt, und gerade nicht an einer äusserlichen Stringenz, einer rigiden Strenge, an einer Kompaktheit, die allzuoft sinnentleert ausfällt, weil sie sich in ihrer Starrheit, in ihrer fehlenden Flexibilität in sich selber abschliesst. Und also haben wir beschlossen, uns in einem zweiten Band dieser unserer „integralen Philosophie“ (der erste, einführende Band ist unter dem Titel „Objektive Innerlichkeit“, „L’interiorità oggettiva“ zum Druck gelegt worden), der „menschliche Verfassung“, der conditio humana oder „condition humaine“ zu widmen, die sich unserem Nachdenken als wesensgemäss „unausgeglichen“, „aus dem Gleichgewicht geraten“ und mithin auf der beständigen Suche nach ihrem Gleichgewicht dargestellt hat.
Wir haben auch schon einen Band unter dem Titel „Ethisch-moralische Intelligenz und moralphilosophische Vernunft“ („Intelligenza morale e ragione etica“ angekündigt; [10] bei der Abfassung dieses Werks sind wir uns aber nach und nach bewusst geworden, dass ein solches Buch, um vollständig auszufallen, alle Problemfragen zu behandeln hätte, dies gemäss dem charakteristischen Kennzeichen alles philosophischen Nachdenkens, dass wenn man sich eine bestimmte, besondere Problemstellung vornimmt, man gleichsam keinen Schritt vorwärts kommen kann, ohne sich aller Problemstellungen insgesamt anzunehmen, oder diese mindestens mit einzubeziehen. Ein solches Werk wäre denn mehrbändig ausgefallen und die „gesamtheitliche Philosophie“ wäre darin aufgegangen, und zwar dergestalt, dass nach Massgabe des Titels ihre pünktliche Interpretation im Sinn eines Vorverständnisses vorweggenommen worden wäre, vergleichbar einem Versuch, die gesamte philosophische Grundproblematik in Ethik und Moral aufheben zu wollen, um dadurch der Moralphilosophie eine unwidersprochene Vorrangstellung einzuräumen. Also haben wir es vorgezogen, die zentrale Grundkonzeption eines solchen umfassenden Werks herauszuschälen, um sie als einen integralen Bestandteil des vorliegenden Werks gesondert zu veröffentlichen. Selbstverständlich wird jedoch die Thematik und Problematik der „ethisch-moralischen Intelligenz“ und der „moralphilosophischen Konzeption der Vernunft“ in den weiteren Bänden, die diesem zweiten Band nachfolgen werden, wiederholt in Erscheinung treten, die eigens dazu bestimmt sind, einmal das gesamte Korpus auszumachen, das wir als „integrale Philosophie“ zu bezeichnen pflegen.
Der nachfolgende Text des nunmehr zum Druck gelegten Bandes hat unter anderem die folgenden unserer Werke zur Grundlauge und Voraussetzung: einmal das Werk „Filosofia e metafisica“,8 und dann den ersten Band unseres Projekts einer „integralen Philosophie“, betitelt mit „L’interiorità oggettiva“;9 die darin enthaltenen Fragestellungen sind übrigens nicht erschöpfend, abschliessend behandelt, dies in Anbetracht der Tatsache, dass dieser Band, trotz der darin enthaltenen selbständigen Argumentation, durchwegs nur einen Teil eines grösseren Ganzen ausmacht, der auf systematische Art und Weise darin einzufügen ist. In diesem Zusammenhang ist es unser Wunsch, einer Beanstandung von möglichen Widerholungen entgegenzutreten; wenn wir solche nicht ausgeräumt haben, so besagt dies, dass wir es als opportun erachtet haben, auf eine bestimmte Konzeption zu dringen. Dafür gibt es aber auch noch einen methodologischen Grund, nämlich Argumente und konzeptuelle Begriffe einzuführen und anzuführen, die in der Folge wieder aufgenommen werden, aber nicht bevor es die weitere Entwicklung der Argumentation erlaubt, dass diese vertiefend behandelt werden oder unter anderen Gesichtspunkten dargestellt werden.
Manche kleinere Kapitel sind aus verschiedenen Gelegenheiten bereits vorab in italienischen, deutschen, französischen, spanischen, belgischen, portugiesischen, argentinischen und brasilianischen philosophischen Zeitschriften zum Druck gelegt worden; nunmehr haben sie so Eingang gefunden in die Einheit dieses Bandes, dass bisweilen das schon Abgedruckte zum Wohlgefallen Gottes und zur Freude der Menschen neubearbeitet worden ist, um so den weiteren Weg für seine Verbreitung zu finden, [11] gefolgt von der spanischen Übersetzung, die in Barcelona im Verlag Miracle erschienen ist, sowie dereinst von der französischen Übertragung bei Aubier in Paris.
Genua, an der Universität, Februar 1956
Vorwort zur zweiten Auflage (1958)
[11] Der sprachliche Ausdruck ist hier und dort revidiert worden, gleichwie auch einige Unklarheiten einer Korrektur unterzogen worden sind; alles Übrige aber ist beibehalten worden, da es nicht anders hätte zum Ausdruck gebracht werden können.
Genua, an der Universität, im März 1958
Vorwort zur fünften Auflage (1963)
[11] Der weitere „Weg“ der Verbreitung dieses Buchs ist glücklich vonstatten gegangen, und so kommt es bereits zur fünften Auflage, die diesmal im sprachlichen Ausdruck einer Revision unterzogen worden ist; dies ist doch ein beträchtlicher Erfolg für einen Autor wie wir, der in seinen Problemstellungen heutzutage und schon immer für „überkommen“ und „inaktuell“ gehalten worden ist, dies von vielen Seiten, was die schlimmste Form von „Provinzialismus“ abgibt, getragen von Handlangern von ebenso geschmacklosen, wie grobschlächtigen Modeströmungen. Der tiefere Grund dafür ist einfach, denn unter so zahlreichen „Sprachanalysen“, die philosophisch unfruchtbar ausfallen, unter all den „Techniken“, „Methodologien“ und „Logiken“ [12] der verbreiteten und deprimierenden akademischen Mittelmässigkeit, die ohne zündende Ideen und Probleminteressen auskommt, erweisen sich diejenigen Bücher nichtsdestotrotz als bedeutsam, die ob wohlgeraten oder missraten, dazu anhalten, selber zu denken, und sei dies auch nur, um damit nicht einverstanden zu sein. Ein Dankeschön gebührt den geneigten Lesern, dem einzigen Trost für einen, der wie der Autor die unbequeme Stellung der „Vereinzelung“ auf sich genommen hat, und der die eigentlichen Grundprobleme der Philosophie hartnäckig und unbeugsam vertieft, nämlich sich auf ganzheitliche Art und Weise mit dem Menschen in der Welt beschäftigt, dies auf der Ebene seiner metaphysischen „Würde“, einer „Menschenwürde“, die eben nicht weltlich ausfällt, dies unter Absage der Berücksichtigung dessen, was die Nachbeter von unreflektierten und kaum glaubhaften Aussagen alles darüber schreiben und aussprechen mögen.
Genua, an der Universität, Februar 1963
7 Michele Federico Sciacca: L’uomo, questo „squilibrato“ – Saggio sulla condizione umana, in: Opere complete di Michele F. Sciacca, Bd. 4, Milano: Carlo Marzorati, 1973, 281 S.
8 Michele Federico Sciacca: Filosofia e metafisica, Brescia: Morcellina, 1949 (auch in: Opere complete di Michele F....
Erscheint lt. Verlag | 5.1.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Philosophie ► Geschichte der Philosophie |
ISBN-10 | 3-7431-2016-X / 374312016X |
ISBN-13 | 978-3-7431-2016-7 / 9783743120167 |
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