Objektive Innerlichkeit; Akt und Sein (eBook)
356 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7494-1938-8 (ISBN)
Michele Federico Sciacca, geboren am 12. Juli 1908 bei Catania, verstorben am 20. Februar 1975 in Genua, hat seine philosophischen Studien an der Università Federico II. in Neapel bei Antonio Aliotta 1930 abgeschlossen. 1938 wird er auf den Lehrstuhl für theoretische Philosophie an der Universität Pavia berufen, und 1946 wechselt er an die Universität Genua. Schon 1933 hat Sciacca Giovanni Gentile persönlich kennengelernt und mit einer Abhandlung über "La crisi dell'idealismo" seine Mitarbeit am "Giornale Critico della Filosofia Italiana" begründet. 1938 befasst er sich zum ersten Mal intensiv mit Antonio-Rosmini-Serbati, vom Jahr 1946 an betreut er die "Biblioteca del Giornale di Metafisica", worin manche katholischen Vordenker rege publizieren, unter anderem Louis Lavelle und Jacques Maritain. In den 1950er Jahren entwirft er sein philosophisches System, das er als eine integrale Philosophie bezeichnet, die religiöse und kulturelle Aspekte in das philosophische Nachdenken miteinbezieht. Diese seine Position eines objektiven Idealismus wird 1952 in seinem Hauptwerk über die "Objektive Innerlichkeit" meisterhaft dargelegt. Es folgen eingehende Beschäftigungen mit grossen Denkern der Philosophie, angefangen von Platon und Augustin, über Blaise Pascal und Giovanni Battista Vico, bis hin zu Antonio Rosmini-Serbati und Maurice Blondel. An der Universität Genua gibt es seit 1993 ein Departement, das seinen Namen trägt, und in den Akten eines internationalen Kongresses von 1995 findet sich eine umfassende Bibliographie, zusammengestellt von Pier-Paolo Ottonello. 2007 wird die "Fondazione M. F. Sciacca" begründet, die regelmässig Kongresse zu Werk und Person von Sciacca veranstaltet.
Objektive Innerlichkeit
[Grundlegung eines integralen Idealismus]
(von Michele Federico Sciacca) 4
Vorwort zur Ausgabe in den „Gesammelten Werken“ (1951)
[9] Mit diesem Bändchen hat die Drucklegung unserer „Opere complete“ ihren Anfang genommen. Unsere verstreut erschienen Puzzleteile sollen, wenn dieses verlegerische Unternehmen einmal zum Abschluss gelangt ist, in einem Korpus zu einer Einheit, zu einem Ganzen zusammenfinden, von dem wir uns erhoffen, dass es nicht zu ihrer letzten Ruhestätte gereichte (wobei wir nicht einmal ganz sicher sind, ob sie diese verdient hätten), sondern zu etwas mehr, grösserem gedeihen, wenn auch nur die Dokumentation unseres Forscherlebens und unseres lebenslangen Nachdenkens darstellen, des Lebenswerks eines Manns der philosophischen Wissenschaft, der sich sein ganzes intellektuelles Leben lang der Reflexion und der Meditation hingegeben hat, um sich ein wenig Klarheit über das enigmatische Rätsel der menschlichen Existenz zu verschaffen, beziehungsweise das Dunkel um dieses Geheimnis des menschlichen Lebens ein wenig zu verscheuchen. Wir wissen nicht so genau, was unsere Schriften dazu taugen, ob sie jemand gefallen haben oder noch bei jemand Gefallen finden werden; allein wir wissen ganz gewiss, dass die Philosophie für uns Leben bedeutet hat und nach wie vor Leben bedeutet, und nicht irgendeine akademische Übung oder eine intellektualistische Kuriosität ausgemacht hat. In der Tat sind wir denn der meditierenden Nachdenklichkeit treu geblieben, unermüdlich und gleichsam leidenschaftlich. Und wenn wir nach etwas streben, dann ist dies – selbst wenn dies anachronistisch anmuten mag –, kein „Kleriker“ zu sein, der bloss die Überlieferungstradition nachbetet. Von unserer geistigen Hochzeit dürfen wir behaupten, dass sie erfolgreich ausgegangen ist, in eigener Sache zumindest; ob aber die Philosophie selber der gleichen Meinung sein wird, das können wir nicht sagen. Es ist die Pflicht der Vorväter, sich der Nachfahren anzunehmen (ob diese nun wohl oder schlecht geraten sind, ob sie kränklich oder kerngesund sind, ob sie schmächtig oder kräftig gebaut sind), und ihnen eine systematische Ordnung, das nach unseren Kräften bestmögliche System darzubieten. Wenn ein Autor seiner Verpflichtung nachkommt, sein Werkschaffen zu sammeln und zu publizieren, dann erfüllt er damit im Grunde genommen der gleichen Pflicht, dies unabhängig von der Tatsache, ob die Früchte seiner geistigen Arbeit schmackhaft sind oder nicht, ob sie von der ersten Ernte sind, oder von der Nachlese. Es wird an Anderen liegen, darüber ihr eigenständiges Urteil abzugeben; dem Autor aber bedeutet es eine Pflichtaufgabe, seine Gedankengänge zur Reife zu bringen, so gut er es eben versteht, und das bedeutet, in einem oder einer Reihe seiner Werke zur systematischen Darlegung seiner Überlegungen das nötige beizutragen; ist dieses sein OEuvre einmal in die Welt entlassen, [10] wissen sich diese auch selber ein bisschen zurechtzufinden, wenn es ihnen gelingt, eine gewisse Aufmerksamkeit zu erheischen.
Manch einer möchte einwenden, dass wir ein wenig allzu bald daran gedacht hätten, „die Segel zu streichen und die Wanten dicht zu machen“, was doch sonst eher eine Beschäftigung für das hohe Alter oder immerhin für das späte, reifere Alter abgebe. Nur dass wir noch lange nicht die Segel herabgelassen haben, und die Wanten nur zusammennehmen, um wieder neue hinzusetzen zu können, in jedem Fall aber nicht aufzuhören, weiter auf hoher See zu navigieren, sondern unsere Karavelle nur in Ordnung bringen und vervollständigen, zu deren Komplettierung es noch immer an allzuviel fehlt. Es gibt diese Unvollständigkeit zwar schon, auch wenn dies paradoxal anmuten könnte. Nachdem wir nun mehr als zwanzig Bände veröffentlicht haben, erachten wir uns in der Tat als ein Autor, der sich noch nicht erschlossen hat, was seine eigenen persönlichen Auffassungen anbetrifft, die eben nur langsam, nach und nach gereift sind, dies auf dem Umweg über die Erforschung derjenigen Klassiker der Philosophie, die uns kongenial erschienen sind. Diese Gedanken sollen in den kommenden Jahren zu einer systematischen Darlegung finden, und zwar in der Werkgruppe, die wir unter die gemeinsame Überschrift von „La filosofia dell’integralità“ stellen möchten, mehr noch als in anderen unserer Schriften von geringerem Umfang, wie die aktuelle über die objektive Innerlichkeit. Die Neuausgabe von Bänden (mittels der bisweilen gründlichen Revision, mit Neubearbeitungen oder auf dem Weg der anderen Anordnung und der Zusammenführung von Abhandlungen) oder Schriften, die zum ersten Mal in einem Band zusammengeführt werden, sollte sich mit der Publikation von noch unveröffentlicht gebliebenen Werken abwechseln, von denen uns einige etliche Mühe abverlangen, immer im Rahmen unserer Kräfte. Das alles soll zu einem Korpus vereint und vereinheitlicht werden, sodass sich jeder einzelne Band, auch wenn er unabhängig für sich allein stehen kann, in ein einheitliches Ganzes einfügt, worin sich sein Autor wiederfinden und wiedererkennen kann. Von nun an bitten wir alle, die sich mit unserem Werk befassen möchten oder unsere Schriften anführen wollen, sich dieser Neuausgabe zu bedienen, die wir fortan als die einzig sozusagen amtliche erachten.
Diese ganze Arbeit ist nun aber kein Werk, das erst im Alter anzugehen wäre, in einem Lebensalter, das von Ermüdung und Launen geprägt ist, und wo der Geist schon von Schematismen gefangen genommen ist, die ihre Nachgiebigkeit verloren haben, und deren physische Kräfte dem natürlichen Lauf der Dinge gemäss geschwunden sind, sondern vielmehr schon im mittleren, reifen Alter, zu einer Lebenszeit, wo man davon ausgehen kann, dass man noch manche Jahre lang weitere Fortschritte erzielen könne. Andererseits ist es ein weniger melancholisches Unterfangen, die eigenen Schriften zusammenzuführen, wenn man noch immer über ein Arbeitsprogramm verfügt, das noch überhaupt nicht abgeschlossen ist, sodass man nicht nur neudruckt, sondern weiter ausarbeitet und kontinuierlich neue Werke dazu entwirft, [11] weitaus freudvoller, als die schon publizierten Werke einfach nur abzustauben, eine Beschäftigung ähnlich derjenigen, die sich aus dem Leben zurückziehen, um ihre Memoiren sorgsam zu sammeln und zu ordnen. Jedenfalls ist dies eine Arbeit, die in der privaten, ja geheimen Sphäre vorzunehmen ist, sodass man von der eigenen Dekadenz und von den eigenen Manien kein Zeugnis mehr ablegt.
In dieses Korpus soll jedoch nicht alles und jedes Eingang finden; keinen Einbezug finden: (1.) Lehrbücher und Schriften für den akademischen Gebrauch, worunter sich auch manche Einführungen befinden, die von einem weiteren Atem getragen sind, als es einer für die universitäre Verwendung ausersehenen Ausgabe für gewöhnlich erlaubt ist; (2.) Schriften, die der Autor nunmehr verwirft (wobei andere, nun schon zurückgewiesene Schriften dennoch mitaufgenommen werden, so vergleiche man beispielsweise „La Clessidra – Il mio itinerario a Cristo“;5 (3.) Jugendschriften von geringer Tragweite und auch spätere Abhandlungen der gleichen Art; und (4.) manche Darlegungen von persönlichen Abrechnungen, von lebhaft polemischen Auseinandersetzungen. Der bibliographischen Vollständigkeit halber – woraus sich zugleich diese Auslassungen ergeben – soll dem abschliessenden Band dieser „Gesammelten Schriften“ ein (bestimmt nicht vollständig ausfallendes) Verzeichnis beigegeben werden, so dieser veröffentlicht wird.
Die Reihenfolge, die Ordnung, in der unsere Werke veröffentlicht werden, soll denn auch nicht bedeuten, dass der Autor einem bestimmten Werk grössere Bedeutung zumessen will, als einem anderen. Die Abfolge mag entweder von der Nachfrage nach schon einige Zeit lang vergriffenen und nicht nachgedruckten Werken nahegelegt werden, oder aber vom Forschungsinteresse, das uns zu einem gegebenen Zeitpunkt unserer Aktivitäten dazu geführt hat, eine gewisse Argumentation eher zu studieren oder wieder aufzugreifen, als eine andere, oder auch noch vom Bedürfnis, einige Werke neu zu publizieren, und dies zur rechten Zeit, oder aber geleitet von noch wieder anderen Umständen und von diversen Gelegenheiten, einmal ganz abgesehen von den editorischen Anforderungen.
Wie sich daraus ersehen lässt, ist dies kein Tagewerk und auch keine Jahresarbeitsleistung, sondern eher noch ausreichend Arbeit für ein Jahrzehnt, wobei es nicht nur auf Gottes Wohlgefallen ankommt, sondern auch noch ein bisschen von den Menschengeschicken abhängt, sodass wir dabei wohl alt werden, bis wir damit zu einem Ende gekommen sind, übrigens ein anderer Beweggrund, um nicht erst in späten Jahren damit anzufangen, wenn man schon daran denkt, ein ganz anderes Leben aus der Taufe zu heben, das ewige Leben zu initiieren, das noch viel bedeutsamer ausfallen wird, als all unser Denken, Tun und Lassen im Diesseits. Wenn es im Zug der Drucklegung der Bände dieser Gesamtausgabe jeweils etwas besonderes vorauszuschicken gibt, so soll dies an eben dieser Stelle geschehen.
Universität von Genua, den 15. Juni 1951
M. F....
Erscheint lt. Verlag | 14.12.2020 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Philosophie ► Geschichte der Philosophie |
ISBN-10 | 3-7494-1938-8 / 3749419388 |
ISBN-13 | 978-3-7494-1938-8 / 9783749419388 |
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