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Kritisches Denken (eBook)

Reclams Universal-Bibliothek
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
244 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-961745-9 (ISBN)

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Kritisches Denken -  Jonas Pfister
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Kritisches Denken bildet einen zentralen Aspekt einer selbständigen und selbstbestimmten Persönlichkeit, die weder blind dem folgt, was andere sagen, noch allein dem, was dem eigenen Gefühl nach richtig zu sein scheint. Somit ist kritisches Denken eine wesentliche Grundlage dafür, dass wir unsere bürgerlichen Rechte wahrnehmen und unsere Pflichten in einer Demokratie erfüllen können - und ist so auch und besonders für die Schule interessant. Jonas Pfister liefert mit diesem Band alle wichtigen Werkzeuge zum kritischen Nachdenken über Gründe und Argumente, Wissenschaftlichkeit, Aberglaube, Fake News, Verschwörungstheorien, Intuitionen und plausible Ableitungen. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Jonas Pfister, geb. 1977, studierte Philosophie und Geschichte in Bern und Paris und promovierte in Bern. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Sprachphilosophie und der Didaktik der Philosophie und Ethik. Zu seinen Publikationen zählen 'Philosophie. Ein Lehrbuch' (Reclams Universal-Bibliothek. 18767) und 'Werkzeuge des Philosophierens' (Reclams Universal-Bibliothek. 19138).
Kritisches Denken bildet einen zentralen Aspekt einer selbständigen und selbstbestimmten Persönlichkeit, die weder blind dem folgt, was andere sagen, noch allein dem, was dem eigenen Gefühl nach richtig zu sein scheint. Somit ist kritisches Denken eine wesentliche Grundlage dafür, dass wir unsere bürgerlichen Rechte wahrnehmen und unsere Pflichten in einer Demokratie erfüllen können – und ist so auch und besonders für die Schule interessant.
Jonas Pfister liefert mit diesem Band alle wichtigen Werkzeuge zum kritischen Nachdenken über Gründe und Argumente, Wissenschaftlichkeit, Aberglaube, Fake News, Verschwörungstheorien, Intuitionen und plausible Ableitungen.

E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Jonas Pfister, geb. 1977, studierte Philosophie und Geschichte in Bern und Paris und promovierte in Bern. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Sprachphilosophie und der Didaktik der Philosophie und Ethik. Zu seinen Publikationen zählen "Philosophie. Ein Lehrbuch" (Reclams Universal-Bibliothek. 18767) und "Werkzeuge des Philosophierens" (Reclams Universal-Bibliothek. 19138).

Vorwort
1. Was ist kritisches Denken?
2. Wissen und Wahrheit
3. Gründe und Argumente
4. Aberglaube
5. Pseudowissenschaft
6. Verschwörungstheorien
7. Fake News
8. Sprachliche Unklarheiten
9. Differenzierungen
10. Vorurteile
11. Rahmungs- und Ankereffekte
12. Intuition als Standardeinstellung
13. Argumente beurteilen
14. Argumentationen
15. Schluss auf die beste Erklärung
16. Kausaler Schluss
17. Bestätigungsfehler
18. Wahrscheinlichkeiten
19. Entscheidungen
20. Wissenschaftliches Denken
21. Kognitionspsychologischer Hintergrund
Nachwort

Lösungen zu ausgewählten Aufgaben
Anmerkungen
Literaturhinweise
Zum Autor

Astrologie


Im Unterschied zur Astronomie, die als Teilgebiet der Physik die Himmelskörper wissenschaftlich untersucht, erklärt die Astrologie die Bedeutung der Himmelskörper für uns aufgrund ihrer Lage am Himmel von der Erde aus gesehen. Es werden sogenannte Horoskope erstellt, in denen die Lage bestimmter Himmelskörper zu einem bestimmten Zeitpunkt festgestellt wird, zum Beispiel zur Geburt eines Menschen, und dann wird diese Lage gedeutet, d. h., es wird erläutert, was diese Konstellationen für das Leben dieses Menschen bedeuten. Ganz kurze Horoskope kann man in Zeitungen und Zeitschriften lesen. Diese sind in der Regel nur auf die zwölf Sternzeichen (Tierkreiszeichen) bezogen. Dort wird beschrieben, was die Menschen, die in dem jeweiligen Sternzeichen geboren sind, in der nächsten Zeit zu erwarten haben, welchen kosmischen Kräften sie ausgesetzt seien, welche Dinge geschehen könnten und für welche Tätigkeiten der Zeitpunkt gerade günstig oder ungünstig sei. Dies sind in der Regel nur kurze und sehr allgemein gehaltene Texte. Man kann sich aber auch ein längeres, persönliches Horoskop erstellen lassen, das noch viele weitere Daten berücksichtigt, insbesondere den Aszendenten, d. h. den am östlichen Horizont aufgehenden Grad des Tierkreises (zum Zeitpunkt und am Ort der Geburt), [61]und das im Detail die Persönlichkeit beschreiben soll. Das Prinzip bleibt dasselbe: Aus der Position der Himmelskörper wird auf die Bedeutung für die Menschen geschlossen.

Weshalb glauben Menschen daran, dass in Horoskopen wahre Aussagen getroffen werden? Einige der Gründe wurden bereits im letzten Kapitel genannt: eine Faszination für Übernatürliches, die Tradition, ein Wunsch nach Gruppenzugehörigkeit und grundsätzlichen Widerstand gegen anderslautende Belege. Ein weiterer Grund besteht darin, dass wir Menschen ein Bedürfnis nach Erklärung haben. Wenn wir etwas Unerwartetes wahrnehmen, dann wollen wir wissen, warum es so ist und nicht anders. Die Astrologie bedient dieses Bedürfnis, indem sie Erklärungen für Dinge liefert, die uns unerwartet, vielleicht sogar unerklärlich erscheinen. Warum ist es mir nun schon zum zweiten Mal passiert, dass sich mein Freund von mir trennt? Warum musste dieses Flugzeugunglück passieren? Warum habe gerade ich Mühe, mich zu konzentrieren? Die Astrologie liefert eine Antwort auf solche Fragen, die das für viele Menschen faszinierende Merkmal des Unerklärlichen aufweisen.

Ein weiterer Grund besteht darin, dass wir Menschen ein Bedürfnis nach Orientierung haben. Wir suchen nach Erfüllung, und dieses Gefühl kann sehr stark sein, wenn wir uns wenig wertgeschätzt, hintergangen oder einsam fühlen. Wir alle sind uns in vielen Entscheidungssituationen unsicher, was wir eigentlich tun sollen. Die Astrologie bedient auch hier das Bedürfnis nach Orientierung, indem sie allgemeine Ratschläge gibt. Dabei liegt der angegebene Grund für die Geschehnisse jeweils nicht in der Person, sondern wird kosmischen Kräften zugeschrieben und auf diese Weise die Person zum Teil von ihrer Verantwortung entlastet.

[62]Ist es vernünftig zu glauben, dass die Aussagen in Horoskopen wahr sind? Die Antwort auf diese Frage wird zugleich aufzeigen, weshalb die Astrologie eine Pseudowissenschaft ist. Erstens gibt es keinen guten Grund dafür, die Aussagen in Horoskopen für wahr zu halten. Die Berechnung der Lage der Himmelskörper bedient sich mathematischer Mittel und erweckt somit einen Anschein von Wissenschaftlichkeit. Doch die Lage der Himmelskörper ist von der Deutung dieser Lage zu unterscheiden. Sicherlich stimmt es, dass man zum Beispiel den Planeten Mars zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort am Himmel von der Erde aus sehen kann. Doch daraus folgt nicht, dass dies irgendeine Wirkung auf uns Menschen hätte, geschweige denn eine spezielle auf die Menschen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt geboren wurden. Die Astrologie behauptet einfach, dass es diese Wirkung gibt, kann diese Behauptung aber nicht begründen, und somit bleibt diese Behauptung ein Dogma, d. h. eine Behauptung, an der ohne Begründung und trotz Einwänden festgehalten wird.

Im Unterschied dazu können wissenschaftliche Behauptungen begründet werden. Zum Beispiel kann man die Aussage, dass sich Zucker in Wasser auflöst, einerseits damit begründen, dass man wiederholt entsprechende Erfahrungen gemacht hat – immer dann, wenn man ein Zuckerstück in Wasser gelegt hat, löste es sich nach einer gewissen Zeit auf. Zum anderen kann man es mit der physikalisch-chemischen Theorie erklären, dass sich die Moleküle des Zuckers mit denen des Wassers verbinden. Diese Aussagen sind somit keine Dogmen, sondern begründete Aussagen, die überprüft werden können.

[63]Zweitens lassen sich gewisse Aussagen in Horoskopen gar nicht widerlegen. Das scheint auf den ersten Blick etwas Positives zu sein, doch die Aussagen sind prinzipiell nicht widerlegbar. Hier ist ein Beispiel einer solchen Aussage, bezogen auf Menschen, die im Sternkreis Waage geboren sind, gültig für einen bestimmten Tag: »Unterhalten Sie sich mit Kolleginnen. Dabei erfahren Sie etwas Wichtiges.« Genau genommen stellt der erste Satz eine Handlungsanleitung und nur die zweite eine Aussage dar, die man wie folgt formulieren könnte: Wer als Mensch im Sternkreis Waage heute mit Kollegen ein Gespräch führt, wird etwas Wichtiges erfahren. Sogleich stellt sich die Frage: Wichtig wofür? Ist nicht alles für irgendetwas wichtig? Jedenfalls wird es ein Leichtes sein, in einem Gespräch mit Kolleginnen zumindest etwas zu finden, das einem für das eigene Leben wichtig scheint (und dafür sind Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen als Meinungsaustausch ja auch da). Nicht nur lässt sich die Aussage nicht widerlegen, weil man in jedem Gespräch etwas Wichtiges sehen kann, sondern die Aussage verleitet diejenigen, die sie lesen, dazu, nach Hinweisen zu suchen, die sie bestätigen. Auch allgemeinere Aussagen können unwiderlegbar sein, zum Beispiel: »Menschen, die im Sternzeichen Fisch geboren wurden, sind mutig.« Wie könnte man diese Aussage widerlegen? Jeder Mensch ist mehr oder weniger mutig. Ein mögliches Gegenbeispiel von einem Menschen, der im Sternzeichen Fisch geboren und nicht mutig erscheint, könnte man einfach damit zurückweisen, dass selbst diese Menschen in einigen (seltenen) Situationen mutig sind. Oder aber man nennt Faktoren, die verhindert hätten, dass die Person ihren Mut in der Situation zeigen kann. Und solche Faktoren [64]kann es immer geben. Somit ist die Aussage prinzipiell gar nicht widerlegbar. Damit sie zu einer widerlegbaren Aussage würde, müsste man präzisieren, was mit »mutig« gemeint ist. Dann aber würde die allgemeine Aussage falsch, denn man könnte Beispiele von Menschen nennen, die im Sternzeichen Fisch geboren und nicht mutig sind. Die allgemeinen Aussagen der Astrologie scheinen also entweder nicht widerlegbar oder aber falsch zu sein.

Der österreichische Philosoph Karl Popper (19021994) sah in der Widerlegbarkeit (oder wie er es nennt: der Falsifizierbarkeit) ein Kriterium für Wissenschaftlichkeit: Wissenschaftliche Theorien müssen prinzipiell widerlegbar sein, sie müssen an der Erfahrung scheitern können. Zum Beispiel kann die (an einem bestimmten Datum getroffene) Voraussage »Morgen regnet es in Berlin« durch die Erfahrung widerlegt werden; sie wird nämlich genau dann widerlegt, wenn es an dem genannten Tag in Berlin nicht regnet.

Die Astrologie weist ein weiteres problematisches Merkmal auf, nämlich in Bezug auf das Verhältnis zwischen uns Laien und denjenigen Personen, die Astrologie als angebliche Wissenschaft betreiben. Astrologinnen und Astrologen werden meistens als Personen mit großer Erfahrung und speziellen Fähigkeiten geschildert, Fähigkeiten, die es ihnen erlauben würden, Sternkonstellationen zu deuten. Nur die Eingeweihten, also nur diejenigen, die zum Kreis der Astrologinnen und Astrologen gehören, scheinen Zugang zur Erklärung zu haben. Es ist jedoch unklar, wie man in diesen Kreis aufgenommen wird, zumal der Titel rechtlich nicht geschützt ist. Jedenfalls hat jemand, der rational nachvollziehen möchte, wie eine bestimmte Deutung [65]zustande gekommen ist, keinen Zugang zu diesen angeblichen Erklärungen. In diesem speziellen Sinn ist die Astrologie esoterisch, d. h., sie ist nur zugänglich für Eingeweihte. Das bedeutet, dass wir, die das Horoskop lesen, einem Astrologen blind folgen müssen, ohne nachvollziehen zu können, wie man zu den Aussagen darin gelangt. Im Unterschied dazu stellt die Wissenschaft ein Gemeinschaftsprojekt dar, das prinzipiell offen für alle ist. Jeder kann sich im Prinzip die für das Verständnis einer wissenschaftlichen Theorie notwendigen Kenntnisse aneignen.

Die Astrologie ist noch in anderer Hinsicht problematisch, nämlich in Bezug auf die Zuschreibung und die Übernahme von Verantwortung. Wenn ein Astrologe zum Beispiel den Erfolg bei einer Prüfung oder das Scheitern einer Liebesbeziehung mit der Konstellation von Himmelskörpern erklärt, so mag er damit einen Menschen von Schuldgefühlen entlasten, zugleich entzieht er ihm jedoch die Verantwortung für etwas, das eigentlich zu seinem Verantwortungsbereich als Person gehört. Letztendlich entmündigt ein Astrologe den Ratsuchenden. Ein kritischer Denker kann dies nicht akzeptieren.

Ein weiteres Problem der Astrologie betrifft die moralischen Konsequenzen. Wenn die Astrologie (oder sonst eine esoterische Lehre) sagt, dass das Universum derart geordnet sei, dass alles Leben einen Sinn und alle Geschehnisse einen Zweck hätten, so dürfte sie diese Aussage nicht nur auf einen Beinbruch oder den Verlust einer geliebten Person beziehen, sondern...

Erscheint lt. Verlag 17.7.2020
Reihe/Serie Reclams Universal-Bibliothek
Reclams Universal-Bibliothek
Reclams Universal-Bibliothek
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Jonas Pfister Diskussionskultur • Jonas Pfister Eigenverantwortung • Jonas Pfister Extremismus • Jonas Pfister Fake News • Jonas Pfister Intuition • Jonas Pfister Kritik • Jonas Pfister Metaintentionalität • Jonas Pfister Mündigkeit • Jonas Pfister Nachdenken • Jonas Pfister Philosophie • Jonas Pfister Verschwörungstheorien
ISBN-10 3-15-961745-9 / 3159617459
ISBN-13 978-3-15-961745-9 / 9783159617459
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